Verfassungsrecht

Entschädigungspflicht des Staates zu Gunsten des unentgeltlichen Rechtsvertreters bei Uneinbringlichkeit der von der nicht bedürftigen Gegenpartei zu erbringenden Parteientschädigung


Die Entschädigungspflicht des Staates bei Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung besteht auch dann, wenn die Parteientschädigung deshalb nicht einbringlich ist, weil die Gegenpartei die von ihr zu leistende Parteientschädigung mit einer Gegenforderung gegen die bedürftige Partei verrechnet (Art. 29 Abs. 3 BV, § 18 Abs. 3 TO, Art. 12 lit. g BGFA).



Sachverhalt

Mit Urteil des Bezirksgerichts Arlesheim vom 8. Dezember 2009 wurde die Ehe der Parteien R.-S. geschieden. Im Sinne einer Wiedererwägung wurde der Ehefrau mit Verfügung vom 27. Januar 2010 nachträglich die unentgeltliche Prozessführung für das Ehescheidungsverfahren bewilligt. Der auf sie entfallende Gerichtskostenanteil und ein Honorar an ihren Vertreter in der Höhe von insgesamt CHF 6'985.60 (inkl. MWSt. und Auslagen) wurden zu Lasten des Staates festgelegt. Mit Rektifikat vom 18. Mai 2010 verfügte das Bezirksgericht Arlesheim, dass der auf die Ehefrau entfallende Gerichtskostenanteil und ein restliches Honorar im Umfang von CHF 1'985.60 (inkl. MWSt. und Auslagen) an ihren Vertreter zu Lasten des Staates gingen (Ziff. 1). Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung von CHF 5'000.00 gemäss Ziff. 10 des Urteils des Bezirksgerichts Arlesheim vom 8. Dezember 2009 werde dieser Betrag dem Vertreter der Beklagten aus der Gerichtskasse ausbezahlt (Ziff. 2). Nachdem der Vertreter der Ehefrau an den Rechtsanwalt des Ehemannes gelangt war, worauf dieser ihm mit Schreiben vom 25. Mai 2010 erwiderte, dass von der seitens der Ehefrau erstellten Abrechnung noch CHF 4'500.00 (für die der Ehefrau mit Verfügung vom 10. Februar 2006 auferlegten Expertisenkosten) abzuziehen seien, beantragte der Vertreter der Ehefrau beim Bezirksgericht Arlesheim mit Eingabe vom 6. Juli 2010, es sei ihm zufolge Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung der Betrag von CHF 3'658.40 aus der Gerichtskasse zu entrichten. Die Bezirksgerichtspräsidentin Arlesheim wies dieses Begehren mit Verfügung vom 12. Juli 2010 ab. Im Wesentlichen führte sie aus, dass die genannten Expertisenkosten der Ehefrau im Eheschutzverfahren auferlegt worden seien, wobei dannzumal keiner Partei die unentgeltliche Prozessführung bewilligt worden sei. Diese Kosten könnten daher nun nicht im Ehescheidungsverfahren, für welches der Ehefrau die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung nachträglich bewilligt worden sei, geltend gemacht werden.


Gegen diese Verfügung erhob der Rechtsvertreter der Ehefrau mit Eingabe vom 21. Juli 2010 Beschwerde ( … )



Erwägungen

1. ( … )


2. Art. 12 lit. g des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (SR 935.61) hält fest, dass sämtliche Anwältinnen und Anwälte verpflichtet sind, in dem Kanton, in dessen Register sie eingetragen sind, im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege Rechtsvertretungen zu übernehmen. Der unentgeltliche Rechtsbeistand erfüllt dabei eine staatliche Aufgabe, welche das kantonale öffentliche Recht regelt. Mit seiner Einsetzung entsteht zwischen ihm und dem Staat ein besonderes Rechtsverhältnis. Gestützt darauf hat der Anwalt eine öffentlich-rechtliche Forderung gegen den Staat auf Entschädigung im Rahmen der anwendbaren kantonalen Bestimmungen. Gemäss § 17 des Anwaltsgesetzes Basel-Landschaft (SGS 178) ist für Rechtsvertretungen im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege vor den Gerichten der Anwältin oder dem Anwalt eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Nach § 18 Abs. 3 der kantonalen Tarifordnung für die Anwältinnen und Anwälte (SGS 178.112) hat der Anwalt in denjenigen Fällen, in welchen seiner unentgeltlich verbeiständeten Klientschaft eine Parteientschädigung zugesprochen wurde, beim Inkasso des Honorars bei der Gerichtskasse dem Gericht die Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung nachzuweisen, sofern diese nicht offensichtlich ist. Bei Ausrichtung des Honorars gilt die Parteientschädigung bis zu deren Höhe als an die Gerichtskasse zediert.


3.1 Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin bringt hauptsächlich vor, dass die seiner Mandantin zugesprochene Parteientschädigung uneinbringlich sei, wobei er auf das Schreiben des Gegenanwaltes vom 25. Mai 2010 verweist. Diesem Schreiben sei zu entnehmen, dass der Ehemann von der Ehefrau CHF 4'500.00 beanspruche und entsprechend in der von ihrem Rechtsvertreter erstellten Abrechnung berücksichtigt wissen wolle. Mit Verfügung des Bezirksgerichts Arlesheim vom 10. Februar 2006 seien der Ehefrau jedoch genau CHF 3'658.40 für Expertisenkosten im Eheschutzverfahren auferlegt worden, weshalb er diesen Betrag in der Folge beim Bezirksgericht Arlesheim geltend gemacht habe. Das Bezirksgericht Arlesheim habe dieses Gesuch der Ehefrau um Auszahlung der CHF 3'658.40 aus der Gerichtskasse nun einzig aus dem Grund abgelehnt, weil der Ehefrau im Eheschutzverfahren die unentgeltliche Prozessführung nicht bewilligt worden sei, die als verrechnet aufgeführten Expertisenkosten der Ehefrau aber just im Rahmen jenes Eheschutzverfahrens auferlegt worden seien. Diese Argumentation sei unhaltbar und willkürlich im Sinne von § 233 Abs. 1 lit. c ZPO, bestehe doch gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein verfassungsmässiger Anspruch auf Entschädigung des Anwaltes einer unentgeltlich verbeiständeten Partei durch den Staat, wenn bei Obsiegen die kostenpflichtige Gegenpartei nicht mit Erfolg belangt werden könne.


3.2 Die Vorinstanz stellt sich hingegen auf den Standpunkt, dass das vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eingereichte Schreiben des Rechtsanwaltes des Ehemanns keine explizite Verrechnungserklärung enthalte. Zudem sei die zitierte Abrechnung nicht eingereicht worden, weshalb nicht überprüfbar sei, ob diese Aufstellung die Parteientschädigung des jetzigen Verfahrens enthalte. Somit sei auch die Berufung auf deren Untergang zufolge Verrechnung und folglich das Geltendmachen der Uneinbringlichkeit haltlos. Die Vorinstanz führt weiter aus, ein Vorgehen wie jenes der Beschwerdeführerin würde dazu führen, dass Parteien, denen die unentgeltliche Prozessführung gewährt werde, nach Belieben aus einer Vielzahl von Forderungen auswählen könnten, welche davon zur Verrechnung gebracht werde, um dadurch die Staatskasse zu belangen.


3.3 Wie das Kantonsgericht bereits hiervor ausgeführt hat (vgl. Ziff. 2), entsteht mit der Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung ein besonderes Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und dem unentgeltlichen Rechtsbeistand. Dies macht der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin insofern korrekt geltend, als dass er sich - zwar nicht im Rubrum, jedoch im Fliesstext - als Partei und damit als direkt anspruchsberechtigt bezeichnet. Das Bundesgericht erwog in seinem Urteil vom 9. Februar 2009 (BGE 5A_849/2008 E. 2.2.1 f.), dass ein Entscheid betreffend die unentgeltliche Verbeiständung davon abhänge, ob die Parteientschädigung vom Gegner eingebracht werden könne oder nicht. Art. 29 Abs. 3 BV verlange, dass der Anwalt einer unentgeltlich verbeiständeten Partei vom Staat entschädigt werde, wenn bei Obsiegen die kostenpflichtige Gegenpartei nicht mit Erfolg belangt werden könne. In einem weiteren Urteil vom 15. April 2010 (BGE 1F_30/2009 E. 3) präzisierte das Bundesgericht, dass dieser Fall nicht nur dann eintrete, wenn sich die Parteientschädigung als uneinbringlich erweise, sondern auch dann, wenn die Gegenpartei die von ihr geschuldete Parteientschädigung mit eigenen Forderungen gegen die unentgeltlich verbeiständete Partei verrechne. In beiden Fällen - so das Bundesgericht - habe die Rechtsvertretung der bedürftigen Partei kein Honorar erhalten, weshalb ihr Anspruch gegenüber der Gerichtskasse bestehen bleibe bzw. wieder auflebe. Damit unterscheidet das Bundesgericht - im Gegensatz zur Vorinstanz - zwischen Situationen der Verrechnung und solchen der Uneinbringlichkeit einer Parteientschädigung. Im vorliegenden Fall verweist der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin auf das Schreiben des Gegenanwaltes vom 25. Mai 2010, welchem nach Ansicht des Kantonsgerichts klar zu entnehmen ist, dass die ihm im Ehescheidungsverfahren zugesprochene Parteientschädigung mit Gegenforderungen seitens des Ehemanns verrechnet wird und die Gegenpartei deshalb zumindest im Umfang der substantiierten Verrechnungsforderung von CHF 3'658.40 nicht mit Erfolg belangt werden kann. Gemäss der zuvor zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist der unentgeltliche Rechtsbeistand in einem solchen Fall vom Staat zu entschädigen.


Da im vorliegenden Fall keine Gründe für ein Abweichen von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ersichtlich sind, ist die angefochtene Verfügung aufzuheben und dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ist eine Entschädigung in der Höhe von CHF 3'658.40 aus der Gerichtskasse zu entrichten.


4.1-4.2 ( … )


KGE ZS vom 23. November 2010 i.S. S.S. gegen BGP Arlesheim (200 10 1025/KUA)



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