7 Militärversicherung

51


Anspruch auf Hinterlassenenleistungen der Militärversicherung


Die MV haftet nicht für eine gesundheitliche Beeinträchtigung, wenn diese vor der Dienstleistung eingetreten ist (=Entlastungsbeweis) und während der Dienstleistung keine Verschlimmerung der Beeinträchtigung eingetreten ist, wobei der Entlastungsbeweis nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, sondern mit dem im Bereich der MV üblichen Beweisgrad der Sicherheit geführt werden muss (Art. 5 Abs. 2 lit. a und b MVG; E. 4 - 7).


Kann nur der Beweis der Vordienstlichkeit erbracht werden, haftet die MV lediglich für die Verschlimmerung der eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigung (=Verschlimmerungshaftung); (Art. 5 Abs. 2 lit. b MVG; E. 5).


Haftungsumfang im Zusammenhang mit der Verschlimmerungshaftung (Art.  Art. 5 Abs. 3 i.V.m. Art. 64 MVG; E. 8).


Berücksichtigung der persönlichen (wirtschaftlichen) Verhältnisse der anspruchsberechtigten Ehegattin des verstorbenen Militärversicherten im Zusammenhang mit der Herabsetzung der Haftung offen gelassen, da keine finanzielle Notlage vorliegt (Art. 64 MVG; E. 8d).


Gelingt es einer versicherten Person nicht nachzuweisen, dass eine Spätfolge mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine militärversicherte Gesundheitsschädigung zurückzuführen ist, entfällt eine Haftung der MV (Art. 6 MVG; E. 9).



Sachverhalt

Der 1924 geborene P. meldete sich anlässlich einer militärischen Dienstleistung im Jahre 1963 infolge einer Erkältungskrankheit und Lähmungserscheinungen in der linken Gesichtshälfte beim zuständigen Truppenarzt. Bei den nachfolgenden Untersuchungen wurde eine linksseitige spastische Hemiparese mit Betonung der oberen Extremität sowie Jacksonanfällen (=inkomplette Lähmung einer Körperhälfte infolge einer zentralen Läsion, motorischer einfach-partieller Anfall mit tonischen Verkrampfungen, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, Berlin und New York 2002, S. 671 und 821) festgestellt. In der Folge gewährte die MV P. ab Dezember 1964 zunächst eine auf einer Arbeitsunfähigkeit von 50 % beruhende Invalidenrente, welche ab Februar 1972 auf eine ganze Rente erhöht wurde.


Vom 6. bis 30. Juni 2003 hielt sich P. zur stationären Rehabilitation Davos auf. Nach einer notfallmässigen Überführung ins Spital verstarb er am 5. August 2003 infolge eines gerissenen Aortenaneurysmas. Mit Verfügung vom 4. Februar 2004 sprach die MV der überlebenden Ehegattin eine Ehegattenrente, ausgehend von einer Haftung von 50 % zu. In der dagegen gerichteten Einsprache brachte die Ehegattin vor, das tödlich verlaufene Aortenaneurysma sei eine Folgeerkrankung der anlässlich der militärischen Dienstleistung erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigung. Nachdem die MV für den Grundfall die volle Haftung übernommen habe, könne es sich für das darauf zurückzuführende Aortenaneurysma nicht anders verhalten, weshalb eine Ehegattenrente auf der Basis der vollen Haftungsquote auszurichten sei.


Mit Entscheid vom 25. Juni 2004 wies die MV die Einsprache ab. Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor, dass das zum Tode führende Aortenaneurysma durch die vorbestehende gesundheitliche Beeinträchtigung nur geringfügig beeinflusst worden sei. Die Zusprechung einer Ehegattenrente auf der Basis einer Haftungsquote von 50 % sei deshalb als grosszügig, aber vertretbar zu bezeichnen. Am 28. September 2004 reichte die Ehegattin des verstorbenen Versicherten beim Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht (Kantonsgericht), Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der MV ein, beantragte dessen Aufhebung und die Zusprechung einer auf einer Haftungsquote von 100 % beruhenden Ehegattenrente.



Erwägungen

1. (Sachurteilsvoraussetzungen)


2. Am 1. Januar 2003 sind ATSG und die ATSV in Kraft getreten. Gemäss Art. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 MVG sind die Bestimmungen des ATSG auf die Militärversicherung mit Ausnahme des Bereiches des Medizinalrechts sowie des Tarifwesens (Art. 22 - 27 MVG) anwendbar. In zeitlicher Hinsicht ist dabei in Bezug auf die Anwendbarkeit der neuen Bestimmungen des ATSG vom allgemeinen übergangsrechtlichen Grundsatz auszugehen, wonach der Beurteilung jene Rechtsnormen zu Grunde zu legen sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhaltes Geltung haben (BGE 127 V 467 E. 1). Vorliegend macht die Beschwerdeführerin Hinterlassenenleistungen für ihren am 5. August 2003 während eines Kuraufenthaltes in Davos verstorbenen und militärversicherten Ehegatten geltend. Der zu Rechtsfolgen führende Sachverhalt hat sich somit nach dem In-Kraft-Treten des ATSG ereignet. Weil das Sozialversicherungsgericht zudem bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides (hier: 25. Juni 2004) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 129 V 4 E. 1.2 mit Hinweisen), gelangen die Bestimmungen des ATSG und die gleichzeitig mit ihm in Kraft getretenen Änderungen des MVG beziehungsweise der Verordnung über die Militärversicherung (MVV) vom 10. November 1993 bei der Beurteilung der Beschwerde zur Anwendung.


3.a) Die Abklärung des Sachverhaltes hat das Gericht gemäss dem im Sozialversicherungsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz von Amtes wegen vorzunehmen (vgl. Art. 61 lit. c ATSG). Danach haben Versicherungsträger und Sozialversicherungsgericht von sich aus ohne Bindung an die Parteibegehren für die richtige und vollständige Feststellung des Sachverhaltes zu sorgen (Thomas Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Auflage, Bern 2003, S. 443 Rz 2 ff.). Für das gesamte Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren gilt schliesslich der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Danach haben Versicherungsträger und Sozialversicherungsgericht die Beweise frei, das heisst ohne Bindung an förmliche Beweisregeln sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen (René Rhinow/Heinrich Koller/Christina Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel 1996, S. 176 N 914 und S. 220 N 1138). Für das Beschwerdeverfahren hat dies zur Folge, dass das Sozialversicherungsgericht alle Beweismittel - unabhängig davon, von wem sie stammen - objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden hat, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruches gestatten.


b) Nach der Rechtsprechung ist es mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung vereinbar, in Bezug auf bestimmte Formen medizinischer Berichte und Gutachten Richtlinien für die Beweiswürdigung aufzustellen. Berichten und Gutachten versicherungsinterner Ärzte kommt demnach Beweiswert zu, sofern sie als schlüssig erscheinen, nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen. Die Tatsache allein, dass die befragte Arztperson in einem Anstellungsverhältnis zum Versicherungsträger steht, lässt nicht schon auf eine bestehende Befangenheit schliessen. Es bedarf vielmehr besonderer Umstände, welche das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Beurteilung objektiv als begründet erscheinen lassen. Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, welche den Arztberichten im Sozialversicherungsrecht zukommt, ist an die Unparteilichkeit des Gutachters allerdings ein strenger Massstab anzulegen (vgl. BGE 125 V 353 E. 3b/ee mit Hinweisen). So sind die vorstehend dargestellten Kriterien betreffend die Anforderungen an einen versicherungsinternen Arztbericht bereits dann nicht mehr erfüllt, wenn auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der ärztlichen Angaben bestehen (vgl. BGE 122 V 162 E. 1b/ee).


4.a) Laut Art. 1a Abs. 1 lit. i MVG ist bei der Militärversicherung versichert, wer als Patient auf deren Kosten in einer Heil-, Kur- oder Pflegeanstalt oder in einer Abklärungsstelle untergebracht ist. Der Versicherte hielt sich wegen eines militärversicherten Leidens, für welches die MV seit 1964 Leistungen erbringt, auf deren Kosten zur Rehabilitation in der Zürcher Höhenklinik in Davos auf. Während der Dauer dieses Aufenthaltes erlitt der Versicherte eine Ruptur eines Bauchaortenaneurysmas (=Erweiterung beziehungsweise Ausweitung eines im Bauch befindlichen arteriellen Blutgefässes infolge einer angeborenen oder erworbenen Wandveränderung, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Berlin/New York 2002, S. 73 f.), an welcher er darauf im Spital in Davos verstarb. Der Versicherte unterstand demnach grundsätzlich dem Geltungsbereich der Militärversicherung.


b) Gemäss den Art. 51 ff. MVG haben unter anderem Ehegatten des infolge der versicherten Gesundheitsschädigung Verstorbenen Anspruch auf eine Hinterlassenenrente.


5.a) Die MV haftet grundsätzlich für jede Gesundheitsschädigung, die während des Dienstes in Erscheinung tritt und gemeldet oder auf eine andere Art festgestellt wird. Vorliegend handelte es sich bei der "Dienstleistung" im militärversicherungsrechtlichen Sinne um den Kuraufenthalt des Versicherten in Davos (Art. 5 Abs. 1 MVG). Eine Haftung der MV fällt erst dann ausser Betracht, wenn sie den (Entlastungs-)Beweis zu erbringen vermag, dass die Gesundheitsschädigung sicher vordienstlich ist oder sicher nicht während des Dienstes verursacht werden konnte (Art. 5 Abs. 2 lit. a MVG) und weiter bewiesen wird, dass die fragliche Gesundheitsschädigung sicher während des Dienstes weder verschlimmert noch in ihrem Ablauf beschleunigt worden ist (Art. 5 Abs. 2 lit. b MVG). Kann der Beweis gemäss lit. a der Bestimmung erbracht werden, hingegen nicht jener nach lit. b, so haftet die MV für die Verschlimmerung der Gesundheitsschädigung.


b) Mit diesem - vorstehend aufgezeigten - besonderen Haftungsgrundsatz für dienstliche Gesundheitsschädigungen und dem damit verbundenen Beweisprivileg soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Versicherte vom Staat zu Dienstleistungen verpflichtet wird und sich dadurch erhöhten Gefahren für die Gesundheit aussetzt (vgl. Jürg Maeschi, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung, Bern 2000, Rz 1 zu Art. 5).


6.a) Vorliegend ist zunächst zu prüfen, ob die MV den Entlastungsbeweis nach Art. 5 Abs. 1 lit. a MVG erbringen kann, wonach die beim Versicherten eingetretene Gesundheitsschädigung sicher vordienstlich ist oder sicher nicht während des Dienstes verursacht werden konnte. Dem Entlastungsbeweis liegen medizinische Tatsachen zugrunde, die erfahrungsgemäss einer exakten Beweisführung im Sinne mathematischer Genauigkeit nicht zugänglich sind. Es kann daher kein Beweis im naturwissenschaftlichen Sinne verlangt werden. Der Terminus der Sicherheit in Art. 5 MVG ist deshalb nicht absolut, sondern vielmehr relativ zu verstehen. Er bedeutet mehr als hohe Wahrscheinlichkeit (Entscheidungen des EVG 1950, S. 20), nicht aber völlige Gewissheit und bewegt sich im Rahmen einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, wie sie auch im Zivilrecht genügt, wenn eine völlige Sicherheit nicht zu erlangen ist (vgl. Maeschi, a.a.O., Rz 21 zu Art. 5). Der Sicherheitsbeweis gilt demnach als erbracht, wenn feststeht, dass nach der medizinischen Erfahrung eine Einwirkung ursächlicher Faktoren während des Dienstes praktisch ausgeschlossen ist (BGE 111 V 146 E. 4, 105 V 230 E. 4a mit weiteren Hinweisen).


b) Die Vordienstlichkeit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a MVG setzt voraus, dass die Gesundheitsschädigung in der Zeit vor dem Dienst entstanden ist. Massgebend dabei ist der Krankheitsbeginn, das heisst der Zeitpunkt, in welchem sämtliche Ursachen gegeben sind und der pathologische Prozess seinen Anfang genommen hat. Es genügt, wenn aufgrund der vom Arzt festgestellten Krankheitszeichen im Sinne von objektiven Symptomen auf einen mit der gemeldeten Gesundheitsschädigung in Zusammenhang stehenden pathologischen Prozess aus der Zeit vor dem Dienst geschlossen werden muss (EVGE 1955 S. 155 ff.). In diesem Zusammenhang ist regelmässig von einem konkreten Beweis der Vordienstlichkeit die Rede (vgl. Maeschi, a.a.O., Rz 25 ff. zu Art. 5).


Ist der konkrete Beweis der Vordienstlichkeit mangels entsprechender ärztlicher Berichte aus der Zeit vor dem Dienst nicht zu erbringen, kann die Vordienstlichkeit dennoch bewiesen werden, indem auf allgemeine medizinische Erfahrungen im Sinne eines abstrakten Vordienstlichkeitsbeweises abgestützt wird (vgl. zum Ganzen: Maeschi, a.a.O., Rz 29 ff. zu Art. 5).


c) Der Versicherte verstarb an einem rupturierten infrarenalen arteriosklerotischen Bauchaortenaneurysma (vgl. Autopsiebericht vom 3. September 2003). Das Krankheitsbild des Bauchaortenaneurysmas ist vom MV-Arzt Dr. med. G. ausführlich dargestellt worden (vgl. Berichte vom 18. August 2003 und 5. Januar 2004). Weiter äusserte sich die MV-Chefärztin Dr. med. F., Fachärztin FMH für Innere Medizin, mit Bericht vom 15. April 2004 ausführlich zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Versicherten.


Laut den vorstehend zitierten Berichten habe eine Ruptur des Aortenaneurysmas zu inneren Blutungen und zum Tod des Versicherten geführt. Beim Aneurysma handle es sich um eine arteriosklerotisch bedingte Gefässkrankheit in der Form einer degenerativen Veränderung der Wand eines arteriellen Gefässes. Eine solche degenerative Veränderung setze bereits in der zweiten Lebensdekade ein und schreite mit zunehmendem Alter in Abhängigkeit bestimmter Risikofaktoren über viele Jahre fort. Aufgrund der radiologischen Untersuchungen (vgl. Ultraschall und Abdomen-CT vom 30. Juli 2003) habe auf eine seit langem bestehende Gefässbeeinträchtigung geschlossen werden müssen. Nach gänzlich unbestrittener Lehrmeinung könne sich das in den radiologischen Untersuchungen dargestellte Aneurysma bei einem Durchmesser von 6 und einer Länge von 8 Zentimetern (vgl. Bericht des Spitals Davos vom 6. August 2003) nicht in wenigen Wochen entwickelt haben. Die schliesslich zum Tode des Versicherten führende Gesundheitsschädigung (Aortenaneurysma) habe demnach ihren Anfang mit praktischer Sicherheit bereits vor dem Aufenthalt in der Höhenklinik Davos genommen. So seien sämtliche Ursachen gegeben gewesen und der pathologische Prozess habe seinen Anfang bereits vor der versicherten Zeit genommen.


d) Die in den ärztlichen Stellungnahmen der MV dargelegten Überlegungen zur Entstehung des schliesslich tödlich verlaufenen Aneurysmas sind schlüssig, nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei und es bestehen demnach keine Indizien, die gegen ihre Zuverlässigkeit sprächen. Insbesondere haben die involvierten Arztpersonen klar und nachvollziehbar aufgezeigt, dass es sich bei der Gesundheitsschädigung (Aortenaneurysma) um einen pathologischen und seit Jahren in Gang befindlichen Prozess gehandelt hat. Ein krankhafter Vorzustand ist vorliegend demnach ausgewiesen und die MV hat den Entlastungsbeweis im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a MVG mit dem Beweisgrad der Sicherheit (vgl. vorstehende E. 6a) erbracht, weshalb sie unter diesem Titel keine Leistungen zu erbringen hat.


7.a) Es stellt sich weiter die Frage, ob die MV den Entlastungsbeweis im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. b MVG erbringen kann, wonach sich die in Frage stehende Gesundheitsschädigung (Bauchaortenaneurysma) während des Dienstes sicher weder verschlimmert noch in ihrem Ablauf beschleunigt worden ist. Eine Verschlimmerung liegt vor, wenn anzunehmen ist, dass Einwirkungen während des Dienstes den Verlauf der Gesundheitsschädigung ungünstig beeinflusst haben. Eine Beschleunigung ist sodann gegeben, wenn anzunehmen ist, eine Gesundheitsschädigung wäre ohne die Einwirkungen während des Dienstes später eingetreten (vgl. zum Ganzen: Maeschi, a.a.O., Rz 35 ff. zu Art. 5).


b) Vorliegend hat sich die Gesundheitsschädigung insofern fraglos verschlimmert, als sich eine Ruptur des Aortenaneurysmas ereignet hat, die den Tod des Versicherten verursacht hat. Die MV hat somit - wie sie auch selber stets eingeräumt hat - den Entlastungsbeweis nach Art. 5 Abs. 1 lit. b MVG nicht führen können, weshalb sie für die Verschlimmerung der Gesundheitsschädigung im Sinne von Art. 5 Abs. 3 MVG haftet.


8.a) Besteht eine Haftung nach Art. 5 Abs. 3 MVG ist damit noch nichts über den Haftungsumfang gesagt. Gestützt auf Art. 64 MVG kann bei konkurrierenden Schadenursachen die Haftung nach Massgabe der nicht versicherten Schadenursachen eingeschränkt und die Leistung entsprechend gekürzt werden (vgl. BGE 122 V 28 E. 2b/aa). Eine Leistungskürzung wegen Teilhaftung greift stets dann Platz, wenn - bei gegebener Haftung der MV - mehrere Schadenursachen zusammen treffen, wovon mindestens eine als nicht versichert zu qualifizieren ist. Eine Leistungskürzung ist vorzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der Grundsätze zur adäquaten Kausalität und im Rahmen der anwendbaren Beweisregeln (vgl. Art. 5 MVG) auszuschliessen ist, dass die versicherten Schadenursachen allein die ganze in Erscheinung getretene Gesundheitsschädigung bewirkt haben (vgl. Maeschi, a.a.O., Rz 11 ff. zu Art. 64). Nach der Rechtsprechung sind bei der Bestimmung des Kürzungsmasses namentlich die vordienstliche Gesundheitsschädigung, ihr Stadium beim Diensteintritt, ihr mehr oder weniger schicksalsmässiger Charakter, ihr mutmasslicher Verlauf ohne den Dienst, die Dauer des Dienstes sowie die Natur der gesundheitlichen Einwirkungen während des Dienstes zu beachten. Weiter ist zu berücksichtigen, inwiefern die genannten Umstände von den zivilen Einflüssen, denen der Versicherte ohne den Dienst ausgesetzt wäre, verschieden sind (nicht publizierte E. 4 in BGE 123 V 137 ff.; vgl. auch Maeschi, a.a.O., Rz 18 zu Art. 64).


b) Beim Versicherten nahm - begünstigt durch verschiedene Risikofaktoren - über viele Jahre eine Arteriosklerose ihren Verlauf, aus der im Laufe der Zeit ein Aortenaneurysma hervorging. Laut den Einschätzungen des MV-Arztes Dr. G. (vgl. Berichte vom 18. August 2003 und 5. Januar 2004) sowie der Stellungnahme der MV-Chefärztin Dr. med. F. (vgl. Bericht vom 15. April 2004) bleibe ein derartiges Aneurysma oftmals klinisch stumm, bis es eine bestimmte Grösse erreicht habe. Ab einer gewissen Grösse und einem bestimmten Durchmesser erhöhe sich das Risiko einer Spontanruptur. Nach anerkannter medizinischer Lehrmeinung bestehe bei einem Durchmesser des Aneurysmas von sechs Zentimetern - wie er beim Versicherten festgestellt worden sei - ein enormes Risiko einer Spontanruptur. Dass sich dieses Risiko während des stationären Rehabilitationsaufenthaltes des Versicherten verwirklicht habe, entspreche einem Zufall, da irgendwelche relevanten Einflüsse während des stationären Klinikaufenthaltes nicht nachweisbar seien. Sicherlich mit begünstigt worden sei der tödliche Ausgang schliesslich durch den schlechten Allgemeinzustand des Versicherten. Dieser sei wegen der militärversicherten Gesundheitsschädigung und wegen verschiedener, nicht militärversicherter Gesundheitsschädigungen - wie beispielsweise das Herz- und Lungenleiden - reduziert gewesen. Ebenso sei darauf hinzuweisen, wie sich die vordienstliche Gesundheitsschädigung während des Dienstes verschlimmert habe. Demnach sei die Ruptur nach dem Essen manifest geworden. Dies sei jedoch keineswegs ungewöhnlich, müsse doch die Bauchaorta nach der Einnahme von Lebensmitteln (postprandial) wegen des Verdauungsvorganges einen etwas erhöhten Blutfluss tolerieren. Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände anerkannte die MV schliesslich eine Haftungsquote von 50 %.


c) Den Ausführungen der MV ist ohne weiteres beizupflichten. Aufgrund der überzeugenden Ausführungen der beteiligten MV-Ärzte ist plausibel aufgezeigt worden, dass der Anteil des vorbestehenden arteriosklerotischen Leidens als sehr hoch einzuschätzen ist. Die Festsetzung einer Haftungsquote von 50 % ist angesichts des im Verhältnis zum Vorzustand geringen militärversicherten Anteils nicht zu bemängeln und vielmehr im Gegenteil als grosszügig zu bezeichnen.


d) Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin rügt weiter, bei der Herabsetzung der Haftung gestützt auf Art. 64 MVG seien die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Versicherten in keiner Weise gewürdigt worden. Ob und in welchem Umfang die MV diese Umstände bei der Leistungskürzung zu berücksichtigen hat, kann vorliegend indessen offen bleiben. Laut den Verfahrensakten verfügt die Beschwerdeführerin inklusive der auf einer Haftungsquote von 50 % beruhenden MV-Rente über ein monatliches Renteneinkommen von insgesamt knapp Fr. 4'700.--. Unter diesen Umständen kann aber nicht von einer Notlage ausgegangen werden, aufgrund derer die MV gehalten gewesen wäre, allenfalls eine geringere Leistungskürzung vorzunehmen.


9.a) Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin macht weiter geltend, das tödlich verlaufene Bauchaortenaneurysma sei durch die ursprüngliche militärversicherte Körperschädigung begünstigt worden. Wäre dieser Darstellung zu folgen, handelte es sich beim Bauchaortenaneurysma um eine Spätfolge der ursprünglichen militärversicherten Gesundheitsschädigung aus dem Jahre 1963. Eine Spätfolge gemäss Art. 6 MVG liegt praxisgemäss vor, wenn ein scheinbar geheiltes Leiden (mit oder ohne verbleibendem Defektzustand) im Verlaufe längerer Zeit organische Veränderungen bewirkt, die zu einem oft völlig anders gearteten Krankheitsbild führen (BGE 105 V 35 E. 1c; Maeschi, a.a.O., Rz 21 ff. zu Art. 6). Im Anwendungsbereich von Art. 6 MVG entsteht eine Haftung erst dann, wenn es sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit um eine Spätfolge einer militärversicherten Gesundheitsschädigung handelt. In Umkehrung zu den Haftungsgrundsätzen von Art. 5 MVG (vgl. vorstehende E. 5 und 6) sind im Anwendungsbereich der Haftungsgrundlagen für Spätfolgen nach Art. 6 MVG die im Sozialversicherungsrecht üblichen Grundsätze bezüglich Beweisgrad und Beweismass anwendbar. Gelingt es einer versicherten Person demnach nicht nachzuweisen, dass eine Spätfolge mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine militärversicherte Gesundheitsschädigung zurückzuführen ist, entfällt eine Haftung der MV (vgl. zum Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit und den Folgen der Beweislosigkeit: Locher, a.a.O., S. 451 f. Rz 41 ff.).


b) Der Versicherte meldete sich im Jahre 1963 während des Militärdienstes wegen einer Erkältungskrankheit sowie Lähmungserscheinungen in der linken Gesichtshälfte beim Truppenarzt. In der Folge wurde ein Hemisyndrom mit zentraler Fascialisparese, Hypoglossusparese (des 12. motorischen Hirnnervs), eine Parese des linken Armes sowie Jackson-Anfälle diagnostiziert. Aufgrund dieser Gesundheitsschädigung erbrachte die MV die gesetzlichen Leistungen. Die Genese der vorstehend dargestellten neurologischen Erkrankung konnte in der Vergangenheit nicht definitiv geklärt werden. Der Nachweis des für die Annahme einer Spätfolge zwischen dieser ursprünglichen und unerklärten Beeinträchtigung und dem tödlich verlaufenen Bauchaortenaneurysma erforderlichen Kausalzusammenhangs ist aus diesem Grund erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich.


Weiter ist gestützt auf die ins Recht gelegten medizinischen Stellungnahmen der MV-Ärzte davon auszugehen, dass in über 90 % der Fälle eine Arteriosklerose die Hauptursache für ein Bauchaortenaneurysma ist. Bei der Arteriosklerose handelt es sich um die wichtigste und häufigste krankhafte Veränderung der Arterien. Die Ursachen gelten als multifaktoriell, wobei insbesondere genetische Ursachen, Hypertonie, übermässiger Nikotinkonsum, Ernährungsfaktoren usw. zu nennen sind. Demgegenüber finden sich unter den anerkannten Verursachern keine neurologischen Erkrankungen. Die Arteriosklerose kann demnach mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht die Folge der von der MV anerkannten neurologischen Erkrankung des Versicherten sein. Daraus erhellt, dass die - nach überzeugender Ansicht der medizinischen Fachpersonen - mit übergrosser Wahrscheinlichkeit auf die Arteriosklerose zurückzuführende Ruptur des Bauchaortenaneurysmas nicht in Zusammenhang mit der militärversicherten neurologischen Gesundheitsschädigung (Hemisyndrom) des Versicherten steht, weshalb sie auch nicht als deren Spätfolge anerkannt werden kann.


10. Zusammenfassend ergibt sich was folgt: Die MV hat zu Recht eine vollständige Haftung abgelehnt, indem sie zunächst im Rahmen des Entlastungsbeweises nach Art. 5 Abs. 2 lit. a MVG den Nachweis der Vordienstlichkeit der tödlich verlaufenen gesundheitlichen Schädigung erbracht hat. Gleichzeitig hat sie ihre grundsätzliche Leistungspflicht für die Verschlimmerung der Gesundheitsschädigung (tödlich verlaufene Ruptur des Bauchaortenaneurysmas) im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 MVG anerkannt, da sich dieses Ereignis während eines militärversicherten Rehabilitationsaufenthaltes zugetragen hatte. Die gestützt auf Art. 64 MVG durchgeführte Leistungskürzung und die Festsetzung einer Haftungsquote von 50 % ist angesichts des im Verhältnis zum Vorzustand eher geringen militärversicherten Anteils der Gesundheitsschädigung, die schliesslich zum Tod des Versicherten geführt hat, nicht zu beanstanden. Zudem liegt keine Spätfolge im Sinne von Art. 6 MVG vor. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.


11. (Kosten)


KGE SV vom 5. Januar 2005 i.S. P. (755 04 205)


Dieser Entscheid ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 13. Mai 2005 beim EVG angefochten worden.



Back to Top