Zivilprozessrecht

Abschreibungsbeschluss nach gerichtlichem Vergleich


Durch die Einreichung eines ausserhalb des Gerichtssaals ausgehandelten Vergleichs mit der gleichzeitigen Anzeige, eine richterliche Beurteilung erübrige sich, erhält dieser den Charakter eines gerichtlichen Vergleichs. Gestützt darauf ist das Verfahren als erledigt abzuschreiben. Nur einen Teil eines von den Parteien eingereichten Vergleichs in den Abschreibungsbeschluss aufzunehmen, widerspricht dem in § 83 ZPO verankerten Gebot der Vollständigkeit. Durch das Weglassen eines wesentlichen Vergleichspunktes entsteht ein Abschreibungsbeschluss, der mit der tatsächlichen Einigung der Parteien in klarem Widerspruch steht und damit im Ergebnis willkürlich ist (E. 2).



Sachverhalt

Mit Verfügung vom 05.10.2007 schrieb der Bezirksgerichtspräsident Arlesheim das zwischen den Parteien hängige Verfahren betreffend Mietzinsherabsetzung zufolge Vergleichs vom 16./17.04.2007, lautend:


ab, auferlegte die Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte und schlug die ausserordentlichen Kosten wett. Die Parteien hätten sich am 16./17.04.2007 gültig und abschliessend geeinigt. Durch die Einreichung der drei am 16./17.04.2007 zur Unterzeichnung gelangten Dokumente sei die Einigung unter den Parteien zu einem gerichtlichen Vergleich geworden, der den Prozess beendige. Festzuhalten bleibe, dass gemäss § 104 Abs. 2 lit. b ZPO sämtliche Rechtsbegehren mit der Einreichung der ersten Klagschrift gestellt werden müssten. Sämtliche mit der Klage vom 22.01.2007 gestellten Begehren würden durch die Vergleichsvereinbarung erledigt. Wo die Vereinbarung über das Klagebegehren hinaus gehe, etwa bei der Regelung der Kücheneinrichtung, entziehe sich diese Regelung infolge verspäteten Vorbringens einer Würdigung durch das Gericht.


Dagegen erhoben die Mieter Beschwerde und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und deren Ersetzung durch eine richterliche Vergleichsabschrift, die sämtliche von den Parteien getroffenen Vereinbarungen enthalte (Rechtsbegehren 1.a), alles unter o/e Kostenfolge. Insbesondere sei zu ergänzen, dass die Vermieterschaft auf deren Kosten und ohne anschliessenden Mietzinserhöhungsanspruch das Mietobjekt der Beschwerdeführer umgehend mit einer neuen Küche auszustatten habe (Rechtsbegehren 1.b). Des weiteren sei zu ergänzen, dass der Vorbehaltsvermerk gemäss Ziff. 1 lit. d) seitens der Mieter nicht anerkannt werde (Rechtsbegehren 1.c). Sie rügten mit ihrer Beschwerde als willkürlich, dass die Vorinstanz nicht alle Vergleichspunkte in die Abschreibungsverfügung aufgenommen habe.


Der Beschwerdegegner 1 beantragte, die Beschwerde abzuweisen. Dass für die Abschreibungsverfügung nur die im Prozess liegenden Streitpunkte berücksichtigt worden seien, sei nicht willkürlich. Die darin nicht erwähnte Küchenrenovation habe selbstverständlich unter den Parteien privatrechtliche Wirkung. Die Beschwerdegegnerinnen 2 bis 4 verzichteten auf eine Stellungnahme.



Erwägungen

1. ( … )


2. In Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung wertet das Kantonsgericht einen Entscheid als willkürlich, wenn er schlechthin unhaltbar erscheint, mit der tatsächlichen Situation in offensichtlichem Widerspruch steht, ohne sachlich vertretbare Gründe zustande gekommen ist, in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft oder in Verletzung klaren Rechts ergangen ist. Willkür liegt nur vor, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (vgl. BGE 127 I 56 und dort zit. frühere Entscheide).


Mit Faxmitteilungen vom 18.04.2007 haben die Parteien dem Bezirksgericht Arlesheim das Zustandekommen eines Vergleichs angezeigt und gleichzeitig drei verschiedene Dokumente eingereicht, welche die Unterschriften der Parteien datierend vom 16. und 17.04.2007 enthalten haben. Durch die Einreichung dieses ausserhalb des Gerichtssaals ausgehandelten Vergleichs mit der gleichzeitigen Anzeige, eine richterliche Beurteilung erübrige sich, hat dieser nach basellandschaftlicher Gerichtspraxis den Charakter eines gerichtlichen Vergleichs erhalten (vgl. BJM 1978 S. 242). Gestützt darauf war das Verfahren als erledigt abzuschreiben. Dabei hat der Richter zwei Möglichkeiten: Entweder wird im Abschreibungsbeschluss nur das Datum des in einer oder mehreren separaten Urkunden niedergeschriebenen Vergleichs erwähnt. Oder im Abschreibungsbeschluss wird der gesamte Vergleichstext wiedergegeben. Nur einen Teil eines von den Parteien eingereichten Vergleichs in den Abschreibungsbeschluss aufzunehmen, widerspricht dem in § 83 ZPO verankerten Gebot der Vollständigkeit. Wenn die Parteien sich für eine einvernehmliche Lösung anstelle der Weiterführung eines Zivilprozesses entscheiden und damit den Prozess unmittelbar beenden (vgl. BJM 1978 S. 243), findet die für das schriftliche Verfahren in § 104 Abs. 2 lit. b ZPO statuierte Eventualmaxime keine Anwendung mehr. Es kann in der Folge keine Rolle mehr spielen, welche Punkte eines Vergleichs durch die rechtzeitig eingereichten Rechtsbegehren abgedeckt sind und welche nicht. Eine materielle Würdigung des Vergleichs durch das Gericht findet bei Mietstreitigkeiten - im Unterschied etwa zum Scheidungsverfahren (vgl. Art. 140 Abs. 2 ZGB) - ohnehin nicht statt. Zudem hat die Vorinstanz mit Ziff. 1 lit. d) einen anderen Vergleichspunkt in den Abschreibungsbeschluss aufgenommen, der ebenfalls nicht durch die schriftlich gestellten Rechtsbegehren abgedeckt war. Die diesbezügliche Begründung der Vorinstanz für das Weglassen des Vergleichspunktes über die Küchenrenovation ist sachlich mithin nicht vertretbar. Zu beachten ist auch, dass ein Vergleich ein Gesamtpaket von "Geben und Nehmen" darstellt, das die Lösung möglichst vieler Streitpunkte zwischen den Parteien bezweckt und deshalb oft über den streitigen Prozessstoff hinausgeht. Es ist offensichtlich, dass die Zusage seitens der Vermieter über die Küchenrenovation unter Verzicht auf eine damit begründete Mietzinserhöhung für die Beschwerdeführer einen wichtigen Punkt für deren Entgegenkommen beim Nettomietzins (CHF 2'195.00 statt CHF 2'175.00) und bei den zurückzuerstattenden Nebenkosten (CHF 720.00 statt CHF 918.50) gebildet hat. Durch das Weglassen eines wesentlichen Vergleichspunktes entsteht ein Abschreibungsbeschluss, der mit der tatsächlichen Einigung der Parteien in klarem Widerspruch steht. Dieses Ergebnis ist nicht haltbar, womit die Willkürgrenze erreicht wird.


Die Rechtsbegehren 1.a und 1.b der Beschwerdeführer sind folglich gutzuheissen und die angefochtene Verfügung ist entsprechend zu ergänzen. Das Rechtsbegehren 1.c der Beschwerdeführer ist hingegen abzuweisen, weil Ziff. 1 lit. d) der angefochtenen Verfügung nichts darüber aussagt, ob der Vorbehaltsvermerk der Vermieter mieterseitig anerkannt wird, und weil ein Vorbehalt ohnehin erst bei dessen Realisierung angefochten werden muss. ( … )


3. ( … )


KGE ZS vom 22. Januar 2008 i.S. C.W. & U.W. gegen BGP A. und M.J., A.J. & K.K. (200 07 929)



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