Arbeitslosenversicherung

Beratungspflicht des Sozialversicherungsträgers


Wer eine Kündigung akzeptiert, welche die gesetzliche Frist missachtet, verzichtet auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses und erfüllt damit den Tatbestand der selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG; E. 2.1 - 2.3).


Wenn nicht aussergewöhnliche Umstände vorliegen, darf einer versicherten Person zugemutet werden, wenigstens so lange am bisherigen Arbeitsplatz zu verbleiben, bis sie eine neue Stelle gefunden hat. Zur freiwilligen Stellenaufgabe können nur zwingende Gründe führen, so etwa medizinische oder gesundheitsgefährdende Gründe (Art. 44 Abs. 1 lit. b AVIV; E. 3.1 - 3.5).


Die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens. Im vorliegenden Fall liegt ein mittelschweres Verschulden vor (Art. 30 Abs. 3 AVIG, Art. 45 Abs. 2 AVIV; E. 4.1 - 4.3).


Die im ATSG statuierte Aufklärungs- und Beratungspflicht bedeutet, dass der Versicherungsträger sich nicht (wie vor dem In-Kraft-Treten des ATSG) darauf berufen kann, der Betroffene hätte sich bei entsprechender Gesetzeskenntnis zutreffend verhalten können (Art. 27 Abs. 2 ATSG, E. 5.1 - 5.3).


Der aufgrund von Art. 27 Abs. 2 ATSG statuierte Paradigmenwechsel, wonach der Betroffene bei entsprechender Beratung durch den Versicherungsträger die eigene Rechtsunkenntnis nicht gegen sich gelten lassen muss, kommt nur insoweit zur Anwendung, als dem Versicherungsträger alle sachrelevanten Tatsachen nachweisbar mitgeteilt worden sind, wobei der Versicherungsträger, wenn er einen entsprechenden Beratungsbedarf feststellt, auch von sich aus zu beraten hat. Unterlässt der Versicherungsträger solche Informationen über konkrete, dem Versicherten zustehende Rechte und Pflichten, kommt dies einer falsch erteilten Auskunft bzw. einer Vertrauensgrundlage gleich. Sind die weiteren Voraussetzungen des Vertrauensschutzes erfüllt, sind die Versicherten so zu stellen, als hätten sie diese Rechte in Anspruch nehmen können (E. 5.4 und 5.5).


Die versicherte Person ist durch Aufklärung und Beratung in die Lage zu versetzen, sich so zu verhalten, dass eine den gesetzgeberischen Zielen des betreffenden Erlasses entsprechende Rechtsfolge eintritt. Zum Kern der Beratungspflicht gehört auf jeden Fall, die versicherte Person darauf aufmerksam zu machen, dass ihr Verhalten eine der Voraussetzungen des Leistungsanspruches wie zum Beispiel die Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit gefährden kann (E. 5.6).


Wann der Versicherungsträger zu informieren und er allenfalls für unterlassene Informationen einzustehen hat, ist jeweils im konkreten Einzelfall zu bestimmen (E. 5.7).


Im vorliegenden Fall war das RAV im Zeitpunkt des ersten Beratungsgesprächs über die fristlose Kündigung im Bilde und hätte die Beschwerdeführerin an diesem ersten Beratungsgespräch darauf hinweisen müssen, dass sie die Kündigung anfechten und ihre Arbeitskraft dem Arbeitgeber anbieten müsse bzw. die Unterlassung dieser Handlungen eine Einstellung in der Anspruchberechtigung zur Folge haben könnte. Damit hat die Kasse bzw. das RAV für die selbstverschuldete Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin ab dem Zeitpunkt des ersten Beratungsgesprächs einzustehen (E. 5.8).



Sachverhalt

Die 1965 geborene X. stand vom 1. November 2003 bis zum 30. April 2006 in einem Arbeitsverhältnis mit dem Werkheim T. Mit Kündigungsschreiben vom 3. Mai 2006 wurde das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber fristlos gekündigt mit der Begründung, X. sei nach dem sechsmonatigen unbezahlten Urlaub unentschuldigt der Arbeit fern geblieben. Am 16. Mai 2006 meldete sich X. zur Arbeitsvermittlung an und erhob am 17. Mai 2006 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 16. Mai 2006. Mit Verfügung vom 12. Juli 2006 stellte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland (Kasse) X. wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für 36 Tage in der Anspruchsberechtigung ab dem 4. Mai 2006 ein. Zur Begründung machte die Kasse im Wesentlichen geltend, die Versicherte habe die fristlose Kündigung angenommen und damit auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses während der ordentlichen Kündigungsfrist verzichtet. Dagegen erhob die Versicherte Einsprache bei der Kasse und beantragte die Reduktion der Anzahl Einstelltage. Sie machte im Wesentlichen geltend, dass die Kündigung auf einem Missverständnis beruhe. Ausserdem sei die Forderung der Kasse, das Arbeitsverhältnis unter den gegebenen Umständen weiterzuführen, unrealistisch. Mit Einspracheentscheid vom 9. Februar 2007 hob die Kasse in Gutheissung der Einsprache die angefochtene Verfügung auf und stellte die Versicherte ab dem 4. Mai 2006 neu für zwölf anstatt für 36 Tage in der Anspruchsberechtigung ein. Die Kasse führte aus, dass kein Grund für eine fristlose Kündigung vorgelegen habe. Vorgeworfen wurde der Versicherten, dass sie die ungerechtfertigte fristlose Kündigung akzeptiert und damit auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses verzichtet habe, womit wenigstens für die Zeit der ordentlichen Kündigungsfrist der Tatbestand der selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit erfüllt sei. Da die Versicherte keinen Anlass für eine fristlose Kündigung gegeben habe, rechtfertige sich grundsätzlich die Einstellung in der Anspruchsberechtigung für 28 Tage. In Anbetracht, dass es die Kasse jedoch unterlassen habe, die Versicherte nach ihrer Anmeldung zur Arbeitsvermittlung aufzufordern, die ungerechtfertigte fristlose Kündigung nicht zu akzeptieren und dem Arbeitgeber ihre Arbeitskraft weiterhin anzubieten, rechtfertige sich die Einstellung in der Anspruchsberechtigung für zwölf Tage. Gegen den Einspracheentscheid erhob X. beim Kantonsgericht, Abteilung Sozialversicherungsrecht (Kantonsgericht), Beschwerde und beantragte die Streichung der Einstelltage.



Erwägungen

1. (…)


2.1. Nach Art. 17 Abs. 1 AVIG muss die versicherte Person alles Zumutbare unternehmen, um eine Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen. Kommt sie dieser Verpflichtung nicht nach, kann die zuständige Arbeitslosenkasse die Einstellung in der Anspruchsberechtigung verfügen (vgl. Art. 30 AVIG). Die Einstellung hat die Funktion einer Haftungsbegrenzung der Versicherung für Schäden, die die versicherte Person hätte vermeiden oder vermindern können. Als Verwaltungssanktion ist sie vom Gesetzmässigkeits-, Verhältnismässigkeits- und Verschuldensprinzip beherrscht (vgl. Thomas Nussbaumer, in: Koller/Müller/Rhinow/Zimmerli, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, Arbeitslosenversicherung, Basel 1998, Rz. 691 ff.).


2.2. Gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG ist eine versicherte Person in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn sie durch eigenes Verschulden arbeitslos geworden ist. Selbstverschuldete Arbeitslosigkeit liegt unter anderem dann vor, wenn die versicherte Person durch ihr Verhalten, insbesondere wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, der Arbeitgeberin Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat (vgl. Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV). Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung im Sinne von Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV setzt keine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen nach Art. 337 bzw. Art. 346 Abs. 2 Schweizerisches Obligationenrecht (OR) vom 30. März 1911 voraus. Das unkorrekte Verhalten muss auch nicht unbedingt eine eigentliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellen, sondern es genügt, dass die versicherte Person durch ihr sonstiges Verhalten innerhalb und ausserhalb des Betriebs berechtigten Anlass zur Kündigung gab (vgl. Urteil des EVG vom 8. Oktober 2002 [C 392/00] E. 3.1; ARV 1987 Nr. 7; 1982 Nr. 18). Dabei müssen nicht zwingend Beanstandungen in beruflicher Hinsicht vorgelegen haben. Es genügt beispielsweise, dass charakterliche Eigenschaften im weiteren Sinne, die den Arbeitnehmer für den Betrieb als untragbar erscheinen lassen, zur Entlassung geführt haben (vgl. BGE 112 V 244 f. E. 1). Selbstverschuldete Arbeitslosigkeit im Sinne der Arbeitslosenversicherung liegt also immer dann vor, wenn und soweit der Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Verhältnissen vermeidbaren Verhalten der versicherten Person liegt (vgl. ARV 1998 Nr. 9 S. 44 E. 2b). Selbstverschuldete Arbeitslosigkeit liegt deshalb insbesondere auch dann vor, wenn die versicherte Person das Arbeitsverhältnis von sich aus aufgelöst hat, ohne dass ihr eine andere Stelle zugesichert war. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses "im gegenseitigen Einvernehmen" gilt aus der Sicht des Arbeitslosenversicherungsrechts deshalb grundsätzlich als Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer (vgl. ARV 1979 Nr. 23). Auch wer eine Kündigung akzeptiert, welche die gesetzliche Frist missachtet, verzichtet nicht auf Lohnansprüche, sondern auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses und erfüllt damit den Tatbestand der selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit (vgl. Urteil des EVG vom 10. Februar 2003 [C 135/02]; Urteil des EVG vom 10. Mai 2001 [C 76/00] E. 2a; BGE 112 V 324 f. E. 2b).


2.3. Vorliegendenfalls hat die Beschwerdeführerin die fristlose Kündigung nicht angefochten. Sie erklärt in ihrer Einsprache, sie habe die Kündigung juristisch nicht angefochten, habe die Kündigung aber nicht akzeptiert. Sie habe sich nach der Kündigung telefonisch und schriftlich an den Heimleiter bzw. seinen Stellvertreter gewandt und das Gespräch gesucht sowie darauf hingewiesen, dass es sich um ein Missverständnis handle und gebeten, die Kündigung zu überdenken. Des Weiteren habe sie das Gespräch mit dem Team und der Leitung gesucht, weil sie mit der Kündigung nicht einverstanden gewesen sei. Sie habe auch eine Supervision vorgeschlagen. Die Vorgehensweise der Beschwerdeführerin zeigt, dass sie mit der Kündigung nicht einverstanden war und einen Weg gesucht hat, diese rückgängig zu machen. Sie hat aber die Kündigung nicht angefochten und die Kündigung vorliegendenfalls in arbeitslosenversicherungsrechtlicher Hinsicht somit akzeptiert.


3.1. Als nächstes ist zu prüfen, ob für die Beschwerdeführerin die Fortführung des Arbeitsverhältnisses zumutbar gewesen wäre.


3.2. Nach Art. 17 Abs. 1 AVIG muss die versicherte Person, die Versicherungsleistungen beanspruchen will, alles Zumutbare unternehmen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu verkürzen (Schadenminderungspflicht; BGE 114 V 285 E. 3, 111 V 239 E. 2a, 108 V 165 E. 2a). Zur Durchsetzung dieses Prinzips sieht das Gesetz bei Verhaltensweisen, die sich negativ auf Eintritt oder Dauer der Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung auswirken, Sanktionen vor (vgl. dazu Nussbaumer, a.a.O., Rz. 691). So kann bei Verwirklichung der in Art. 30 Abs. 1 AVIG aufgezählten Tatbestände die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung für eine bestimmte Anzahl von Tagen ausgesetzt werden.


3.3. Wie in der Urteilserwägung 2.2 bereits ausgeführt, ist gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG eine versicherte Person in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn sie durch eigenes Verschulden arbeitslos ist. Eine selbstverschuldete Arbeitslosigkeit liegt dann vor, wenn und soweit der Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Umständen und den persönlichen Verhältnissen vermeidbaren Verhalten der versicherten Person liegt, für das die Arbeitslosenversicherung die Haftung nicht übernimmt (ARV, Mitteilungsblatt des BIGA [heute: seco] 1998 Nr. 9 S. 44 E. 2b mit Hinweisen; Gerhard Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Band I, Bern und Stuttgart 1987, N 8 zu Art. 30). Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die versicherte Person das Arbeitsverhältnis von sich aus kündigt, ohne dass ihr eine andere Stelle zugesichert war, es sei denn, dass ihr das Verbleiben an der Arbeitsstelle nicht zugemutet werden konnte (Art. 44 Abs. 1 lit. b AVIV). Nach der Rechtsprechung des EVG ist bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit des Verbleibens am Arbeitsplatz ein strenger Massstab anzulegen (BGE 124 V 238; ARV 1989 Nr. 7 S. 89 E. 1a). Wenn nicht aussergewöhnliche Umstände vorliegen, darf einer versicherten Person zugemutet werden, wenigstens so lange am bisherigen Arbeitsplatz zu verbleiben, bis sie eine neue Stelle gefunden hat (ARV 1976 Nr. 18 S. 114). So genügen insbesondere Spannungen mit Vorgesetzten oder Arbeitskolleginnen und -kollegen nicht, um das Verbleiben an der Arbeitsstelle als unzumutbar erscheinen zu lassen (vgl. ARV 1986 Nr. 23 S. 90 mit weiteren Hinweisen). Zur freiwilligen Stellenaufgabe können deshalb nur zwingende Gründe führen, so etwa medizinische oder gesundheitsgefährdende Gründe. Diese müssen durch ein eindeutiges Arztzeugnis oder Gutachten belegt sein (Gerhard Gerhards, a.a.O., N. 14 zu Art. 30).


3.4. Die Beschwerdeführerin erklärt in ihrer Beschwerde, dass die Entlassung für sie unerwartet, unerklärbar und auch zu Unrecht erfolgt sei. Sie wirft die Frage auf, wie eine gute Zusammenarbeit in einer sozialen Institution vorstellbar sei, wenn bei einem Konflikt keine Möglichkeit gegeben werde, über das Missverständnis zu reden. Hätte sie die Kündigung angefochten, hätte es zwei Parteien gegeben und eine Verhärtung der Situation wäre die Folge gewesen. Das Vertrauensverhältnis zu ihrem Arbeitgeber und dem Team sei gestört, respektive nicht mehr vorhanden. Dazu käme, dass sie mit Menschen mit einer geistigen und körperlichen Behinderung arbeite und dass es für diese Menschen nicht zumutbar wäre, einer solchen Arbeitsstimmung ausgesetzt zu sein.


3.5. Das Kantonsgericht geht mit der Beschwerdeführerin einig, dass die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses unter den gegebenen Umständen sicherlich nicht einfach gewesen wäre. Die von ihr genannten Gründe sind jedoch nicht genügend, um das Verbleiben an der Arbeitsstelle zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist als unzumutbar erscheinen zu lassen. Die Beschwerdeführerin hat somit auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses vom Tag der fristlosen Kündigung (3. Mai 2006) bis zumindest zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist Ende August 2006 verzichtet und erfüllt damit den Tatbestand der selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit. Zur Beurteilung steht demnach der Tatbestand einer selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG) hinsichtlich des Zeitraumes von vier bzw. dreieinhalb Monaten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.


4.1. Die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens und beträgt je Einstellungsgrund höchstens 60 Tage (Art. 30 Abs. 3 AVIG). Nach Art. 45 Abs. 2 AVIV wird die Einstellung in der Anspruchsberechtigung abgestuft; sie dauert 1-15 Tage bei leichtem (lit. a), 16-30 Tage bei mittelschwerem (lit. b) und 31-60 Tage bei schwerem (lit. c) Verschulden. Innerhalb dieses Rahmens fällt die Arbeitslosenkasse ihren Entscheid nach pflichtgemässem Ermessen. Nach § 57 lit. c VPO hat die sozialversicherungsrechtliche Abteilung des Kantonsgerichts bzw. deren präsidierende Person bei Präsidialentscheiden die angefochtene Verfügung auch auf deren Angemessenheit zu überprüfen, sie greift jedoch bei der Beurteilung der durch die Arbeitslosenkasse angeordneten Einstellungsdauer praxisgemäss nur mit Zurückhaltung in deren Ermessensspielraum ein.


4.2. Vorliegend hat die Kasse die Versicherte für die Dauer von 36 Tagen in der Anspruchsberechtigung eingestellt. Im angefochtenen Einspracheentscheid wird erklärt, dass die Beschwerdeführerin zumindest für eine Kündigungszeit von annähernd vier Monaten selbstverschuldet arbeitslos geworden sei. Die Kasse erläutert in ihrem Einsprachentscheid, dass die Beschwerdeführerin dafür mit 28 Tagen in der Anspruchsberechtigung hätte eingestellt werden müssen. Da es die Kasse unterlassen habe, die Beschwerdeführerin nach ihrer Anmeldung zur Arbeitsvermittlung aufzufordern, die ungerechtfertigte fristlose Kündigung nicht zu akzeptieren und der Arbeitgeberin ihre Arbeitskraft weiterhin anzubieten, seien die Einstelltage auf zwölf zu reduzieren.


4.3. In Anbetracht, dass die Beschwerdeführerin zumindest auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigung und damit bis Ende August 2006 verzichtet hat, die Kündigung für sie völlig unerwartet ausgesprochen wurde, nach der fristlosen Kündigung zweifelsohne ein gespanntes Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Arbeitgeber bestand und die Beschwerdeführerin Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 16. Mai 2006 beantragte, ist die Annahme eines mittelschweren Verschuldens im oberen Bereich und die Festlegung der Einstellungsdauer auf 28 Tage grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. zur Kasuistik zum mittelschweren Verschulden: Hans- Ulrich Stauffer, Rechtsprechung des Bundesgerichtes zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenentschädigung, Zürich 1998, Art. 30, S. 87 f.)


5.1. Als nächstes ist zu prüfen, welche Folgen die im Einspracheentscheid erwähnte mangelhafte Aufklärung hat. Im Einspracheentscheid wird ausgeführt, die Kasse habe es unterlassen, die Beschwerdeführerin nach ihrer Anmeldung zur Arbeitsvermittlung aufzufordern, die ungerechtfertigte fristlose Kündigung nicht zu akzeptieren und dem Arbeitgeber ihre Arbeitskraft weiterhin anzubieten. In Anbetracht dieser Unterlassung von Seiten der Kasse rechtfertige es sich, die Zahl der Einstelltage auf zwölf zu reduzieren. Es stellt sich die Frage, ob es sich dabei um eine Verletzung der Auskunftspflicht handelt, für die die Kasse in Nachachtung des Vertrauensschutzes einzustehen hat.


5.2. Eine Berufung auf den Vertrauensschutz ist auch bei unterlassener Auskunftserteilung möglich, sofern eine bestimmte gesetzlich oder nach den besonderen Umständen des Einzelfalls gebotene Auskunft im konkreten Anwendungsfall unterblieben ist (vgl. BGE 124 V 220 E. 2b/aa). Das Sozialversicherungsrecht sieht seit dem In-Kraft-Treten des ATSG und somit seit dem 1. Januar 2003 vor, dass gemäss Art. 27 Abs. 1 ATSG die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen verpflichtet sind, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären. Art 27 Abs. 2 ATSG erfasst die im konkreten Einzelfall und bezogen auf eine einzelne Person erfolgende Information. Danach hat jede Person Anspruch auf grundsätzlich unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten. Damit soll sichergestellt werden, dass die versicherte Person eine begründete Entscheidung treffen und im konkreten Einzelfall ihre Rechte wirksam wahrnehmen kann.


5.3. Zuständig sind die Versicherungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Dabei ist die zu beratende Person über die massgebenden Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Art, die zu einer zutreffenden Wahrnehmung der Rechte und Pflichten führen, zu informieren. Gegebenenfalls ist eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen abzugeben. Die in Art. 27 Abs. 2 ATSG statuierte Beratungspflicht bedeutet, dass der Versicherungsträger sich nicht (wie vor dem In-Kraft-Treten des ATSG) darauf berufen kann, der Betroffene hätte sich bei entsprechender Gesetzeskenntnis zutreffend verhalten können (vgl. Ueli Kieser, Kommentar zum ATSG, Zürich 2003, Art. 27, Rz. 13).


5.4. Die Beratung wird grundsätzlich auf entsprechendes Begehren hin erfolgen. Damit ist in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung zum Vertrauensschutz sogleich aber vorauszusetzen (vgl. BGE 116 V 298 E. 3a), dass die Beratung durch die Verwaltung eine entsprechende Mitwirkung des Betroffenen voraussetzt. Daraus resultiert, dass die erteilte Antwort nur in Bezug auf den jeweilig umschriebenen Sachverhalt, wie er der Behörde durch den Betroffenen im Detail zur Auskunft unterbreitet wird, verbindlich ist. Der aufgrund von Art. 27 Abs. 2 ATSG statuierte Paradigmenwechsel, wonach der Betroffene bei entsprechender Beratung durch den Versicherungsträger die eigene Rechtsunkenntnis nicht gegen sich gelten lassen muss (vgl. Kieser, a.a.O., Art. 27, Rz. 13), kommt mit anderen Worten nur insoweit zur Anwendung, als dem Versicherungsträger alle sachrelevanten Tatsachen nachweisbar mitgeteilt worden sind, wobei der Versicherungsträger, wenn er einen entsprechenden Beratungsbedarf feststellt, auch von sich aus zu beraten hat (ähnlich Kieser, a.a.O., Art. 27, Rz. 19). Auch wenn eine unvollständige Auskunft einer falsch erteilten Auskunft gleich kommen kann, ist im Grundsatz der Sachverhalt massgebend, wie er der Behörde zur Kenntnis gebracht wird (KGE SV vom 3. November 2004 [2004/106] E. 5a; vom 9. Februar 2005 [715 04 184] E. 5b;vom 16. November 2005 [715 05 65/715 05 66] E 8c; vom 7. April 2006 [715 05 325] E 5.4).


5.5. Das Bundesgericht ist ferner der Meinung, dass eine Verletzung der Informationspflicht einer falsch erteilten Auskunft gleich zu stellen ist und der Versicherer für seine Unterlassungen einzustehen hat, wenn die weiteren Voraussetzungen für eine erfolgreiche Berufung auf den Vertrauensschutz, insbesondere die kausal verursachte Disposition seitens des Versicherungsnehmers aus unterbliebener Information, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden kann, erfüllt sind (BGE 121 V 34 E. 2c, 112 V 119 ff. E. 3; Kieser, a.a.O., Art. 27, Rz. 17). Dies muss insbesondere dann gelten, wenn dem Versicherungsträger alle sachrelevanten Tatsachen nachweisbar mitgeteilt worden sind und er beispielsweise dafür besorgt sein muss, dass die Versicherten bei Ausscheiden aus der Kollektivversicherung oder bei Dahinfallen des Kollektivversicherungsvertrages über das Recht zum Übertritt in die Einzelversicherung aufgeklärt werden (BGE 112 V 118 f. E. 3a) oder dass dem Versicherten die Möglichkeit aufzuzeigen ist, die Versicherung durch besondere Abrede um bis zu 180 Tage zu verlängern (BGE 121 V 34 E. 3c; Art. 3 Abs. 3 UVG). Unterlässt der Versicherungsträger solche Informationen über konkrete, dem Versicherten zustehende Rechte und Pflichten, kommt dies einer falsch erteilten Auskunft bzw. einer Vertrauensgrundlage gleich. Sind die weiteren Voraussetzungen des Vertrauensschutzes erfüllt, sind die Versicherten so zu stellen, als hätten sie diese Rechte in Anspruch nehmen können.


5.6. Das Bundesgericht hat in einem wegleitenden Entscheid Art. 27 Abs. 2 ATSG dahingehend konkretisiert, dass die betreffende Person durch Aufklärung und Beratung in die Lage zu versetzen sei, sich so zu verhalten, dass eine den gesetzgeberischen Zielen des betreffenden Erlasses entsprechende Rechtsfolge eintrete. Dabei sei die zu beratende Person über die für die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten massgebenden Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Art zu informieren, wobei gegebenenfalls ein Rat bzw. eine Empfehlung für das weitere Vorgehen abzugeben sei (EVG vom 14. September 2005 [C 192/04] E. 4.3). Aufgrund des Wortlautes ("Jede Person hat Anspruch auf [...] Beratung über ihre Rechte und Pflichten.") sowie des Sinnes und Zwecks der Norm (Ermöglichung eines Verhaltens, welches zum Eintritt einer den gesetzgeberischen Zielen des betreffenden Erlasses entsprechenden Rechtsfolge führt) stehe fest, dass es auf jeden Fall zum Kern der Beratungspflicht gehöre, die versicherte Person darauf aufmerksam zu machen, dass ihr Verhalten eine der Voraussetzungen des Leistungsanspruches wie zum Beispiel die Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit gefährden könne (EVG vom 14. September 2005 [C 192/04] E. 4.3). Unterbliebe eine Auskunft entgegen gesetzlicher Vorschrift oder obwohl sie nach den im Einzelfall gegebenen Umständen geboten sei, würde dies der Erteilung einer unrichtigen Auskunft gleichgestellt (EVG vom 14. September 2005 [C 192/04] E. 5). Abgeleitet aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, welcher den Bürger in seinem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten schütze, könnten falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten. Gemäss Rechtsprechung und Doktrin sei dies der Fall, 1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat; 2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war oder wenn die rechtsuchende Person die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte; 3. wenn die Person die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte; 4. wenn sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, und 5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat (EVG vom 14. September 2005 [C 192/04] E. 5). In analoger Anwendung dieser Grundsätze sei in Fällen unterbliebener Auskunftserteilung unter anderem entschieden worden, dass es einer versicherten Person nicht zum Nachteil gereichen dürfe, wenn die Verwaltung sie nicht auf die Pflicht hinweise, sich möglichst frühzeitig, spätestens jedoch am ersten Tag, für den sie Arbeitslosenentschädigung beanspruche, zur Arbeitsvermittlung zu melden und die Kontrollvorschriften zu erfüllen, oder wenn ihr das Arbeitsamt entgegen gesetzlicher Vorschrift anlässlich der Anmeldung keine Stempelkarte abgebe, weil dies einer unterbliebenen mündlichen Belehrung gleichkomme. Im Ergebnis heisse dies, dass pflichtwidrig unterbliebene Beratung einer unrichtigen Auskunftserteilung gleichzustellen sei (EVG vom 14. September 2005 [C 192/04] E. 5).


5.7. Wann der Versicherungsträger zu informieren und er allenfalls für unterlassene Informationen einzustehen hat, ist jeweils im konkreten Einzelfall zu bestimmen. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin im Antrag auf Arbeitslosenentschädigung vom 17. Mai 2006, mit welchem sie ab dem 16. Mai 2006 Anspruch auf Arbeitslosenversicherung geltend macht, angegeben, dass ihr am 3. Mai 2006 fristlos gekündigt worden sei.


5.8. Die Beschwerdeführerin hat im Formular "Antrag auf Arbeitslosenentschädigung" (datiert vom 17. Mai 2006), welcher gemäss Eingangsstempel am 19. Mai 2006 beim RAV-Kontrollbüro 3 eingegangen ist, festgehalten, dass ihr der Arbeitgeber am 3. Mai 2006 fristlos (Frage: Kündigung auf welchen Zeitpunkt. Antwort: "ab sofort") gekündigt habe. Gemäss Anmeldungsformular zur Arbeitsvermittlung vom 18. Mai 2006 fand der erste Termin für die monatliche Kontrolle am 31. Mai 2006 statt. Gemäss telefonischer Nachfrage bei Y. vom RAV in Z. vom 23. Januar 2008 fand am 31. Mai 2006 auch das erste Beratungsgespräch beim RAV statt. Gemäss § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Übertragung von Aufgaben der Kantonalen Amtsstelle an die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren und die Logistik-Stelle für arbeitsmarktliche Massnahmen vom 13. Januar 2004 werden dem RAV unter anderem folgende Aufgaben der Kantonalen Amtsstelle übertragen: "a. Beratung und Vermittlung arbeitsloser Personen, einschliesslich Entscheide über die Erleichterung der Beratung und Kontrolle; b. Abklärung der Anspruchsberechtigung arbeitsloser Personen, soweit der Kantonalen Amtsstelle diese Aufgabe durch die Arbeitslosenversicherungsgesetzgebung übertragen ist". Da gemäss Eingangsstempel vom 19. Mai 2006 das RAV über die fristlose Kündigung im Bilde war, hätte die Beschwerdeführerin an diesem ersten Beratungsgespräch darauf hingewiesen werden müssen, dass sie die Kündigung anfechten und ihre Arbeitskraft dem Arbeitgeber anbieten müsse bzw. die Unterlassung dieser Handlungen eine Einstellung in der Anspruchberechtigung zur Folge haben könnten. Die Kasse führt selber in ihrem Einspracheentscheid aus, die Beschwerdeführerin sei darüber nicht aufgeklärt worden. Es gibt für das Gericht keine Anhaltspunkte dafür, diese Feststellung in Zweifel zu ziehen. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin die Kündigung angefochten und ihre Arbeitskraft ihrem Arbeitgeber angeboten hätte, wenn sie über die Rechtslage und die drohende massive Einstellung in der Anspruchsberechtigung informiert worden wäre. Damit hat die Kasse bzw. das RAV für die selbstverschuldete Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin ab dem 1. Juni 2006 bis zum 31. August 2006 und die Beschwerdeführerin für ihre selbstverschuldete Arbeitslosigkeit vom 3. bis 31. Mai 2006 einzustehen. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin für die selbstverschuldete Arbeitslosigkeit für die Dauer eines Monats einzustehen hat, sie jedoch erst ab dem 16. Mai 2006 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung erhoben hat, und das Gericht bei der Beurteilung der durch die Arbeitslosenkasse angeordneten Einstellungsdauer praxisgemäss nur mit Zurückhaltung in deren Ermessensspielraum eingreift, ist die Einstellung in der Anspruchsberechtigung für die Dauer von zwölf Tagen nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen.


6. Gemäss Art. 61 lit. a ATSG sind für das vorliegende Verfahren keine Kosten zu erheben. Die ausserordentlichen Kosten sind wettzuschlagen.


KGE SV vom 31.1.2008 i.S. X (715 07 76)



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