Anwaltsprüfungen - Akteneinsicht in Anwaltsprüfungen

Die inhaltliche Bewertung von Examensleistungen ist einer Rechtskontrolle nur sehr beschränkt zugänglich. Das Kantonsgericht kann prüfen, ob sich die Examinatoren von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen, sodass der Prüfungsentscheid unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als nicht mehr vertretbar erscheint. Bei der Überprüfung von Examensleistungen auferlegt sich demnach das Kantonsgericht Zurückhaltung, indem es in Fragen, die durch die Verwaltungsjustizbehörden naturgemäss schwer überprüfbar sind, nicht ohne Not von der Beurteilung der erstinstanzlichen Prüfungsorgane und Experten abweicht. Dogmatisch betrachtet handelt es sich dabei nicht um eine Einschränkung der Kognition, sondern um eine Herabsetzung der Prüfungsdichte bei grundsätzlich uneingeschränkter Kognition. Dies bedeutet nicht zwingend, dass das Kantonsgericht auf eine blosse Willkürkognition beschränkt ist (E. 3).


Die Herabsetzung der Prüfungsdichte rechtfertigt sich nur bei der inhaltlichen Bewertung von fachlichen Prüfungsleistungen. Sind dagegen die Auslegung und die Anwendung von Rechtsvorschriften streitig oder werden Verfahrensmängel im Prüfungsablauf gerügt, hat die angerufene Rechtsmittelbehörde die erhobenen Einwendungen mit freier Kognition zu prüfen, andernfalls sie eine formelle Rechtsverweigerung begehen würde. Eine Verfahrensfrage betrifft auch die Rüge, bei der Notengebung sei in rechtsungleicher Weise von den Grundsätzen abgewichen worden, die in allen anderen Fällen befolgt worden seien (E. 3.5).


Das Akteneinsichtsrecht erstreckt sich auf jene Akten, die Grundlage einer Entscheidung bilden oder bilden können. Irrelevant ist, ob das Aktenstück den Ausgang des Verfahrens tatsächlich zu beeinflussen vermag oder nicht; wesentlich ist vielmehr, ob es dazu geeignet ist, die Entscheidfindung zu beeinflussen. Dabei muss dem Betroffenen selbst überlassen sein, die Relevanz der Akten zu beurteilen, solange er seine Einsichtsrechte einigermassen plausibel zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere dann, wenn die entscheidende Behörde in Anbetracht der Sacherledigung über einen erheblichen Gestaltungsspielraum verfügt. Weiter wird dem Betroffenen vielfach nur anhand der Akteneinsichtsgewährung ermöglicht, überhaupt eine substantiierte Beschwerde einzureichen, was dem Gericht wiederum erst gestattet, die Rügepunkte umfassend zu prüfen. Das Akteneinsichtsrecht findet weiter seine Grenzen an öffentlichen Interessen des Staates und berechtigten Geheimhaltungsinteressen Dritter (E. 4.1).


Vorliegend sind zumindest Indizien vorhanden, die auf eine rechtsungleiche Behandlung schliessen lassen. Dem Akteneinsichtsrecht in die Prüfungen der anderen Kandidaten sowie deren Bewertungen ist demnach stattzugeben. Folglich muss auch nicht mehr entschieden werden, ob das Akteneinsichtsrecht vorbehaltlos gewährt oder nur unter der Voraussetzung anerkannt wird, dass konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsungleiche Behandlung vorhanden sind. Weiter stehen weder öffentliche noch private Interessen dem Akteneinsichtsgesuch gegenüber (E. 4.4).



Sachverhalt

A. Mit Verfügung vom 19. November 2007 teilte die Anwaltsprüfungskommission des Kantons Basel-Landschaft (Anwaltsprüfungskommission) X.__________ mit, dass er aufgrund der Prüfungsergebnisse (Hausarbeit: Note 4, Klausur Privatrecht: Note 4, Klausur Sozialversicherungsrecht: Note 3) die Voraussetzungen für die Zulassung zur mündlichen Prüfung nicht erfülle und daher nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen werde. In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 5. Dezember 2007 an das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht (Kantonsgericht), stellte der Beschwerdeführer den Verfahrensantrag, es sei ihm Akteneinsicht in alle abgegebenen Lösungen im Prüfungsfach Privatrecht und im Prüfungsfach Sozialversicherungsrecht inklusive der dazugehörigen schriftlichen Bewertungen der jeweiligen korrigierenden und gegenlesenden Personen der Mitglieder der Anwaltsprüfungskommission zu gewähren. Die Anwaltsprüfungskommission beantragte in ihrer Stellungnahme vom 14. Januar 2008 die Abweisung des Verfahrensantrags. Sie führte aus, dass die abgegebenen Arbeiten nicht vergleichbar seien, wie dies beispielsweise bei einer Prüfung nach dem System des Multiple-Choice-Verfahrens der Fall sei. Dementsprechend sei die Einsichtnahme in sämtliche abgegebenen Prüfungsarbeiten sowie in ihre Bewertungen vorliegend nicht angezeigt. Ferner verwies sie auf die eingeschränkte Rechtskontrolle bei der Überprüfung von Prüfungsentscheiden. Massstab sei stets die Beurteilung der jeweiligen individuellen Prüfungsleistung anhand eines entsprechenden Prüfungsrasters. Daher sei der Beizug sämtlicher Prüfungsarbeiten und der dazu gehörenden Bewertungen nicht erforderlich. Schliesslich wies sie darauf hin, dass durch die beantragte Einsichtnahme auch die schützenswerten persönlichen Angaben und Daten der übrigen Kandidatinnen und Kandidaten betroffen seien. Die Anonymisierung der Arbeiten sowie der Bewertungen sei mit einem grossen Aufwand verbunden und es bestehe aufgrund der geringen Anzahl von Prüfungsteilnehmern die Gefahr, dass aus dem Vergleich sämtlicher Unterlagen die Prüfungsergebnisse einzelnen Personen zugeordnet werden könnte. Mit präsidialer Verfügung vom 22. Januar 2008 hiess das Kantonsgericht das Akteneinsichtsgesuch in Bezug auf die Privatrechtsklausur von Y.__________ und der entsprechenden Bewertung gut, das darüber hinausgehende Gesuch um Einsicht in die Prüfungsunterlagen der übrigen Kandidaten wurde abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Allgemeinen die Arbeiten anderer Kandidaten nicht zu den Akten gehören würden, in die der betreffende Kandidat Einsicht habe. Ferner müsse verlangt werden, dass konkrete Anhalts- und Verdachtsmomente vorgebracht würden, die auf eine rechtsungleiche Behandlung schliessen lassen würden. In der gegen die Verfügung vom 22. Januar 2008 erhobenen Einsprache an das Kantonsgericht beantragte der Beschwerdeführer Akteneinsicht in alle abgegebenen Lösungen in den Prüfungsfächern Privatrecht und Sozialversicherungsrecht inklusive der dazugehörigen Bewertungen. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag wie folgt: Ein Rechtsmittel, mit welchem eine rechtsungleiche Behandlung beanstandet werde, könne nur dann substantiiert werden, wenn in die Akten sämtlicher anderer Kandidatinnen und Kandidaten Einsicht genommen werden könne. Erst dann könnten auch konkrete Anhaltspunkte vorgebracht werden, welche auf eine rechtsungleiche Behandlung schliessen lassen würden. Diesbezüglich sei auch das öffentliche Interesse an einer praktikablen Durchführung solcher Gesuche nicht tangiert, da der Aufwand zwecks Gewährung der Akteneinsicht nicht als erheblich betrachtet werden könne. Ferner seien auch keine gewichtigen privaten Interessen betroffen, da die betreffenden Unterlagen ohne grossen Aufwand anonymisiert werden könnten. Mit Eingabe vom 8. Februar 2008 liess sich die Anwaltsprüfungskommission vernehmen und schloss auf Abweisung der Einsprache. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Arbeiten anderer Kandidatinnen und Kandidaten regelmässig nicht zu den Verfahrensakten gehören würden. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die anderen Kandidatinnen und Kandidaten nicht am vorliegenden Einsprache- bzw. Beschwerdeverfahren beteiligt seien. Weiter sei gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die inhaltliche Bewertung von Examensleistungen einer Rechtskontrolle nur sehr beschränkt zugänglich und letztlich auf das Willkürverbot reduziert. Für diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung umschriebene Überprüfungsbefugnis könne es aber nicht auf den Vergleich aller abgegebenen Examen und den dazugehörenden Bewertungen ankommen, da dies gerade in eine Rechtskontrolle münden würde, welcher Examensleistungen gar nicht zugänglich seien. Ob die Prüfungsbehörde rechtswidrig gehandelt habe, könne und müsse deshalb nur anhand der jeweiligen einzelnen Examensleistung beurteilt werden.



Erwägungen

1. Gemäss § 7 Abs. 2 lit. d VPO kann gegen verfahrensleitende Verfügungen der präsidierenden Person des Kantonsgerichts betreffend die Verweigerung der Akteneinsicht innert fünf Tagen beim Gesamtgericht Einsprache erhoben werden. Der Beschwerdeführer hat gegen die Zwischenverfügung vom 22. Januar 2008 mit Eingabe vom 2. Februar 2008 und damit fristgerecht Einsprache erhoben. Da auch die übrigen formellen Voraussetzungen, so namentlich die Legitimation und das aktuelle Rechtsschutzinteresse des Einsprechers an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung erfüllt sind, ist auf die Einsprache einzutreten.


2.1 Gemäss § 11 Abs. 1 VPO haben die Parteien Anspruch auf Einsicht in die Verfahrensakten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen ihre Geheimhaltung erfordern. Das Akteneinsichtsrecht - als Ausfluss des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) vom 18. April 1999 - bezweckt, dass sich die Parteien über alle für das Verfahren wesentlichen Unterlagen orientieren können, um die Grundlagen zur Verteidigung der eigenen Interessen zu erarbeiten. Die Einsicht in die Akten eines Examens dient einem Kandidaten demnach dazu, die Beurteilung seiner Prüfung nachzuvollziehen und allenfalls ein Rechtsmittel gegen den Prüfungsentscheid zu begründen (BGE 121 I 227 f. E. 2b; Entscheid des Bundesgerichts vom 9. August 2004, 2P.83/2004, E. 2.3.2). Damit liegt es auf der Hand, dass einem an der Prüfung gescheiterten Examenskandidaten auf Verlangen Einsicht in sein eigenes Prüfungsdossier gegeben werden muss, wird ihm doch sonst verunmöglicht, seine Beschwerde geeignet zu begründen bzw. darüber zu entscheiden, ob er überhaupt eine solche erheben will. Dementsprechend ist das Einsichtsrecht an die Parteistellung gebunden und wird grundsätzlich nur dann gewährt, wenn das Verfahren hängig ist. Wesentlich sind die Verfahrensakten gemäss Art. 29 Abs. 2 BV schliesslich dann, wenn sie die Grundlage einer Entscheidung darstellen bzw. voraussichtlich darstellen werden (vgl. Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, Rz. 295 und 299; Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Martin Röhl, VRG. Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 8, Rz. 66; Willy Huber, Das Recht des Bürgers auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren, St.Gallen 1980, S. 71; BGE 121 I 227 E. 2a). Die Anwaltsaufsichtskommission bestreitet sinngemäss, dass der Beizug aller abgegebenen Lösungen Grundlage der Entscheidung sein kann bzw. voraussichtlich darstellen wird.


2.2 Die Wahrung des rechtlichen Gehörs verlangt grundsätzlich, beantragte Beweismittel abzunehmen. Das durch Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistete rechtliche Gehör dient der Sachaufklärung und garantiert dem Betroffenen ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht im Verfahren. Die Garantie des rechtlichen Gehörs hat für das rechtsstaatliche Verfahren eine zentrale Bedeutung und ist Ausfluss der Verfahrensfairness (siehe dazu auch René Rhinow, Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, Basel 2003, Rz. 2737 ff.; Michel Hottelier, Les garanties de procédure, in: Thürer/Aubert/Müller, Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, § 51, Rz. 10 ff.). Der Mensch ist nicht nur als Objekt, sondern auch als Subjekt staatlicher Verfahren ernst zu nehmen; es soll nicht über ihn "verfügt" werden, sondern er ist in den ihn betreffenden Entscheidprozess einzubeziehen mit der Möglichkeit, seine Sicht, Argumente und Widersprüche frühzeitig äussern zu können. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verkörpert somit in seinen Ausprägungen die Vorstellung des mündigen Menschen, der den Behörden als ein ebenbürtiger und geachteter Gesprächspartner gegenübertritt (Thomas Cottier, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, recht 1984, S. 2). Demnach hat der Einzelne Anspruch darauf, im Verfahren mit der gebotenen Achtung seiner Persönlichkeit und seiner Würde behandelt zu werden (siehe insb. BGE 113 Ia 315 E. 3d). Das Verfahren muss mithin derart ausgestaltet sein, dass einerseits die von der Verfassung geschützten Interessen des Einzelnen sichergestellt sind, und dass andererseits der Einzelne zur Wahrung seiner Würde auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss nehmen kann. Es geht mithin um ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht des Verfahrensbeteiligten, welches einen engen Bezug zur Menschenwürde aufweist. Das Recht auf vorgängige Äusserung dient im Weiteren als Mittel zur Sachverhaltsaufklärung. Der Bürger soll vor Erlass einer Verfügung oder eines Urteils angehört werden und es ist ihm zu ermöglichen, eine möglichst substantiierte Beschwerde einzureichen, damit die Sachlage möglichst optimal aufgeklärt, das heisst die Entscheidgrundlage möglichst umfassend bereit gestellt werden kann (Kölz/Häner, a.a.O., Rz. 325). Indem das rechtliche Gehör sowohl ein Mittel zur Sachverhaltsaufklärung als auch ein Instrument zur Mitwirkung am Prozess der Entscheidfindung darstellt, verwirklicht es zwei verschiedene, aber miteinander verbundene Funktionen (vgl. Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Bern 2000, S. 123 ff. und S. 261 f.).


2.3 Zum rechtlichen Gehör gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 131 II 494 E. 3.2, 132 V 368 E. 3.1, 127 I 56 E. 2b, 126 I 21 E. 2a, 124 I 241 E. 2, 123 I 66 E. 2a, 123 II 183 f. E. 6c, 122 I 55 E. 4a, 112 E. 2a, 122 II 469 E. 4a, 122 V 158 E. 1a, 121 V 152 E. 4a, 120 Ib 383 E. 3b, 120 V 360 E. 1a, 119 Ia 138 E. 2c). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die Behörde das Beweisverfahren schliessen, wenn die Beweisanträge eine nicht erhebliche Tatsache betreffen oder offensichtlich untauglich sind oder wenn sie aufgrund bereits abgenommener Beweise ihre Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür annehmen kann, dass ihre Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (Entscheid des Bundesgerichts vom 18. Oktober 2002, 2P.140/2002, E. 3.2; BGE 124 I 284 ff. E. 5, 122 V 163 ff. E. 2b, mit jeweils weiteren Hinweisen). Wenn aufgrund bereits abgenommener Beweise der rechtlich erhebliche Sachverhalt für genügend geklärt erachtet wird und ohne Willkür vorweg die Annahme getroffen werden kann, die rechtliche Überzeugung würde durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert, darf folglich im Rahmen der vom Bundesgericht als zulässig erachteten antizipierten Beweiswürdigung von der Abnahme weiterer Beweise abgesehen werden, was dem Gebot der Verfahrensfairness nicht grundsätzlich widerspricht (dazu BGE 122 V 164 E. 2b).


3. In der Vernehmlassung vom 8. Februar 2008 hat die Anwaltsprüfungskommission betreffend das Akteneinsichtsgesuch ausgeführt, dass gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die inhaltliche Bewertung von Examensleistungen einer Rechtskontrolle nur sehr beschränkt zugänglich und letztlich auf das Willkürverbot reduziert sei. Für diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung umschriebene Überprüfungsbefugnis könne es demnach nicht auf den Vergleich aller abgegebenen Examen und den dazugehörenden Bewertungen ankommen, da dies gerade in eine Rechtskontrolle münden würde, welcher Examensleistungen gar nicht zugänglich seien. Ob die Prüfungsbehörde rechtswidrig gehandelt habe, könne und müsse deshalb nur anhand der jeweiligen einzelnen Examensleistung beurteilt werden. Demnach sei auch das Gesuch um Akteneinsicht in die Prüfungen der anderen Anwaltskandidaten abzulehnen.


3.1 Bei der Überprüfung von Examensleistungen auferlegt sich das Bundesgericht (vgl. insb. BGE 121 I 230 E. 4b, 118 Ia 495 E. 4c, 106 Ia 2 E. 3c) sowie andere verwaltungsunabhängige Rekurskommissionen (VPB 66.62 E. 4; vgl. auch VPB 64.122 E. 2) Zurückhaltung, indem es in Fragen, die durch die Verwaltungsjustizbehörden naturgemäss schwer überprüfbar sind, nicht ohne Not von der Beurteilung der erstinstanzlichen Prüfungsorgane und Experten abweicht (nun auch Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 2007, B-2214/2006, E. 3). Begründet wird dies im Wesentlichen damit, der Rechtsmittelbehörde seien zumeist nicht alle massgebenden Faktoren der Bewertung bekannt, weshalb es ihr in der Regel nicht möglich sei, sich ein zuverlässiges Bild über die Gesamtheit der Leistungen des Beschwerdeführers in der Prüfung und der Leistungen der übrigen Kandidaten zu machen. So sei es in der Regel nicht möglich, sich über den im Unterricht vermittelten Stoff, die Gesamtheit der Leistungen des Betroffenen in der Prüfung und die Leistungen der übrigen Kandidaten ein zuverlässiges Bild zu machen. Überdies hätten Prüfungen häufig Spezialgebiete zum Gegenstand, in denen die Rechtsmittelbehörde über keine eigenen Fachkenntnisse verfüge. Eine freie Überprüfung der Examensbewertung würde zudem die Gefahr von Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten gegenüber anderen Kandidaten in sich bergen. Daher hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die Bewertung von schulischen Leistungen von der Rechtsmittelbehörde nicht umfassend, sondern nur mit Zurückhaltung zu überprüfen ist, selbst wenn die Beschränkung der Kognition, wie im vorliegenden Fall, nicht auf einer gesetzlichen Vorschrift beruht (vgl. 118 Ia 495 E. 4c, 106 Ia 2 E. 3c, mit Verweis auf Max Imboden/René Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Band I, Basel und Frankfurt am Main 1986, Nr. 66 B II a, d und V a, und Nr. 67 B III c; zum Ganzen auch Martin Aubert, Bildungsrechtliche Leistungsbeurteilungen im Verwaltungsprozess, Bern 1997, S. 107 ff.). Das Bundesgericht untersucht demnach lediglich, ob sich die Prüfungsbehörde von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, so dass der Entscheid unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als nicht mehr vertretbar erscheint. Diese Zurückhaltung auferlegt sich das Bundesgericht selbst dann, wenn es auf Grund seiner Fachkenntnisse sachlich zu einer weitergehenden Überprüfung befähigt wäre (BGE 121 I 230 mit Hinweis auf BGE 118 Ia 495 E. 4c, 106 Ia 2 E. 3c).


3.2 Das Kantonsgericht hat sich in seiner bisherigen Praxis dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung weitgehend angeschlossen. Es führt sinngemäss aus, dass die inhaltliche Bewertung von Examensleistungen einer Rechtskontrolle nur sehr beschränkt zugänglich sei. Als Beurteilungsmassstab stehe lediglich das Willkürverbot zur Verfügung, das heisst das Kantonsgericht könne prüfen, ob sich die Examinatoren von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen, sodass der Prüfungsentscheid unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als nicht mehr vertretbar erscheine (mit Verweis auf Urteile des Bundesgerichts vom 6. August 2003, 2P.264/2002, E. 5; vom 7. Februar 2002, 2P.223/2001, E. 2). Das Kantonsgericht schreite erst ein, wenn der Entscheid der Behörde auf sachfremden oder sonst wie ganz offensichtlich unhaltbaren Erwägungen beruhe (Urteil des Verfassungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 21. August 1991 i.S. X. in: Basellandschaftliche Verwaltungsgerichtsentscheide [BLVGE] 1991, S. 164 E. 4, mit weiteren Hinweisen; zuletzt bestätigt in Urteil des Kantonsgerichts, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht [KGE VV] vom 19. Januar 2005, 2004/195, E. 2b; Verfügung des Kantonsgerichts vom 22. Januar 2008, 2007/434, E. 3).


3.3 In der Rechtsprechung ist somit anerkannt, dass die Rechtsmittelbehörde ihre Kognition ohne Verstoss gegen Art. 29 Abs. 2 BV einschränken kann, soweit die Natur der Streitsache einer unbeschränkten Nachprüfung des angefochtenen Entscheids entgegensteht. Das Bundesgericht hat ausdrücklich bestätigt, dass die kantonalen Rechtsmittelinstanzen selbst ohne besondere gesetzliche Grundlage ihre Kognition beschränken und sich eine entsprechende Zurückhaltung bei der Beurteilung von Prüfungsleistungen auferlegen dürfen (neuestens Entscheid des Bundesgerichts vom 2. August 2007, 2P.44/2007, E. 2.2). Von Verfassungs wegen ist somit eine freie Prüfung der materiellen Aspekte des Examens nicht erforderlich; vielmehr kann die Rechtsmittelbehörde, selbst wenn sie an sich über eine unbeschränkte Kognition bzw. eine volle Rechtskontrolle verfügt, grundsätzlich ohne Verletzung des Willkürverbots darauf verzichten, ihr Ermessen an die Stelle desjenigen der Prüfungsbehörde zu setzen (Entscheid des Bundesgerichts vom 2. August 2007, 2P.44/2007, E. 2.2).


3.4 Manchmal wird hierfür die Formulierung verwendet, es sei zulässig, wenn die Rekursbehörde ihre Überprüfungsbefugnis "weitgehend auf Willkür sowie auf Verfahrensfehler" beschränken dürfe (Entscheid des Bundesgerichts vom 18. Oktober 2002, 2P.140/2002, E. 3.1.1; VPB 63.47 E. 2). Dies ist allerdings insofern missverständlich, als Willkür bei der Examenskorrektur nicht mit Willkür bei der Rechtsanwendung und die Kognition der Rekursinstanz in Prüfungssachen nicht mit der Willkürkognition des Bundesgerichts im früheren Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde verwechselt werden darf (so auch Aubert, a.a.O., S. 138 f.; siehe auch Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 18. August 2004, VB 2004.00213, E. 3.1.4). Die auf diese Vermischung zurückgehende, unreflektierte Übernahme von Begründungselementen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat auch vorliegend zu Unsauberkeiten in der Argumentation des Kantonsgerichts (vgl. Verfügung vom 22. Januar 2008, E. 4) sowie der Anwaltsprüfungskommission (vgl. Vernehmlassungen vom 14. Januar 2008 sowie vom 8. Februar 2008) geführt. Die Einschränkung der Kognition bedeutet nur, dass sich die entscheidende Behörde Zurückhaltung bei der Ausübung ihrer an sich freien Kognition im Sinne einer Rechtskontrolle (vgl. § 45 VPO) auferlegt und der Vorinstanz einen gewissen Beurteilungsspielraum, ein sogenanntes technisches Ermessen, belässt. Dogmatisch betrachtet handelt es sich dabei eigentlich nicht um eine Einschränkung der Kognition, sondern um eine Herabsetzung der Prüfungsdichte bei grundsätzlich uneingeschränkter Kognition (vgl. dazu Felix Uhlmann, Das Willkürverbot, Bern 2005, Rz. 476 ff., insb. Rz. 478 und Rz. 481). Diese herabgesetzte Prüfungsdichte ist im Allgemeinen typisch bei der Würdigung besonderer örtlicher, technischer oder persönlicher Verhältnisse und ist von der Frage der Kognition eines Gerichts zu trennen. Das Kantonsgericht auferlegt sich in seiner Rechtsprechung etwa zum Raumplanungsrecht oder bei der Beurteilung von Fahreignungsprüfungen häufig eine gewisse Zurückhaltung, um dem Beurteilungsspielraum, der besonderen Sachkenntnis und der grösseren Erfahrung der Behörden Rechnung zu tragen, ohne dabei jedoch auf eine blosse Willkürkognition beschränkt zu sein (zum Ganzen auch Uhlmann, a.a.O., Rz. 481). Weiter handelt es sich vorliegend bei dem den zuständigen Fachbehörden eingeräumten Beurteilungsspielraum streng genommen nicht um Ermessen, sondern um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Bezüglich der zur vorliegenden Problematik vergleichbaren Konstellationen betreffend die Bewertung der Angebote im Submissionsrecht hat auch das Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung präzisierend ausgeführt, dass es zwar zutreffe, dass aufgrund der unbestimmten Vorgaben in der Ausschreibung bezüglich der Festsetzung der Preiskurve regelmässig eine grosse Gestaltungsfreiheit bestehe. Dabei handle es sich indessen nicht um ein eigentliches Ermessen, das der Vergabebehörde zustehe, vielmehr gehe es um eine Konkretisierung jener Vorgaben, welche sich für die Bewertung des Zuschlagskriteriums des Preises einerseits aus der Ausschreibung und andererseits aus den einschlägigen Rechtsnormen ergeben würden. Richtigerweise müsse deshalb von einem Beurteilungsspielraum gesprochen werden, dessen Handhabung grundsätzlich der Rechtskontrolle der kantonalen Verwaltungsgerichte unterliege, auch wenn diese dabei regelmässig eine gewisse Zurückhaltung üben und erst eingreifen würden, wenn die Vergabebehörde den ihr zustehenden Spielraum überschritten habe (vgl. Entscheid des Bundesgerichts vom 5. März 2007, 2P.230/2006, E. 3.2).


3.5 Weiter rechtfertigt sich eine solche Zurückhaltung im Sinne eines Beurteilungsspielraums nur bei der inhaltlichen Bewertung von fachlichen Prüfungsleistungen. Sind dagegen die Auslegung und die Anwendung von Rechtsvorschriften streitig oder werden Verfahrensmängel im Prüfungsablauf gerügt, hat die angerufene Rechtsmittelbehörde die erhobenen Einwendungen mit freier Kognition zu prüfen, andernfalls sie eine formelle Rechtsverweigerung begehen würde (vgl. BGE 106 Ia 2 E. 3c; VPB 56.16 E. 2.2; René Rhinow/Beat Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 80 B I f). Auf Verfahrensfragen haben alle Einwendungen Bezug, die den äusseren Ablauf des Examens oder der Bewertung betreffen (BGE 106 Ia 2 E. 3c). Eine Verfahrensfrage betrifft auch die Rüge, bei der Notengebung sei in rechtsungleicher Weise von den Grundsätzen abgewichen worden, die in allen anderen Fällen befolgt worden seien (vgl. VPB 2000, Nr. 106; Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St.Gallen vom 22. Januar 2002, in: GVP 2002, S. 205). Dies hat zur Folge, dass das Kantonsgericht die vorgebrachten Rügen betreffend Art. 8 Abs. 1 BV mit voller Kognition zu prüfen hat. Entgegen den Behauptungen der Anwaltsprüfungskommission unterliegen demnach Examensleistungen sehr wohl einer Rechtskontrolle und je nach geltend gemachten Rügen ist der Vergleich zu anderen Examen von grosser Bedeutung. Es würde geradezu auf eine formelle Rechtsverweigerung hinauslaufen, wenn das Kantonsgericht aus Gründen der herabgesetzten Prüfungsdichte Fragen einer rechtsungleichen Behandlung - und somit grundsätzlich voll zu überprüfende Rechtsfragen - nicht kontrollieren und deshalb auch auf einen Einbezug anderer Examen verzichten würde. Die von der Anwaltsprüfungskommission vorgebrachte Argumentation beruht letztlich auf einer sachfremden Verknüpfung von unterschiedlichen Begründungselementen aus ausgewählten höchstrichterlichen Entscheiden, die darüber hinaus zumindest teilweise unter den besonderen Bedingungen des Verfahrens der staatsrechtlichen Beschwerde (materielle Rüge der Willkür sowie Willkürkognition) zustande gekommen sind. Weiter sei hier nur angefügt, dass das Bundesgericht auch bei der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die Anwendung kantonalen oder kommunalen Rechts nur insoweit überprüft, ob der angefochtene Entscheid auf willkürlicher Gesetzesanwendung beruht (BGE 133 II 251 f. E. 1.2.1). Ferner können nach Art. 97 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) vom 17. Juni 2005 Einwände gegen die Sachverhaltsfeststellung nur erhoben werden, wenn diese durch die Vorinstanz offensichtlich unrichtig vorgenommen worden ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 133 II 252 E. 1.2.2; zuletzt bestätigt Entscheid des Bundesgerichts vom 31. Januar 2008, 1C_262/2007, E. 3.2). Auch diesbezüglich gilt demnach, dass die betreffenden Entscheide des Bundesgerichts nicht unbedarft und unreflektiert als Prüfmassstab auf das Verfahren vor Kantonsgericht zur Anwendung gebracht werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn voll zu überprüfende Rechtsfragen wie die Rüge der rechtsungleichen Behandlung, welche zumindest prima facie nicht die inhaltliche Bewertung von Prüfungsleistungen betreffen, zu entscheiden sind.


4.1 Wie oben bereits dargelegt (vgl. Erwägung 2.1) erstreckt sich die Akteneinsicht nach Art. 29 Abs. 2 BV auf alle für den Entscheid wesentlichen Akten, das heisst auf jene Akten, die Grundlage einer Entscheidung bilden oder bilden können. Irrelevant ist, ob das Aktenstück den Ausgang des Verfahrens tatsächlich zu beeinflussen vermag oder nicht; wesentlich ist vielmehr, ob es dazu geeignet ist, die Entscheidfindung zu beeinflussen. Dabei muss dem Betroffenen selbst überlassen sein, die Relevanz der Akten zu beurteilen, solange er seine Einsichtsrechte einigermassen plausibel zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere dann, wenn die entscheidende Behörde in Anbetracht der Sacherledigung über einen erheblichen Gestaltungsspielraum verfügt (vgl. zum Ganzen Albertini, a.a.O., S. 227). Wesentlich ist somit nicht der effektive Gebrauch des Dokuments durch die Behörde bzw. die effektive Beweiserheblichkeit und -verwertbarkeit desselben, sondern dessen mögliche Verwendbarkeit im Rahmen der gestellten Rechtsbegehren. Gerade weil der Charakter der Aktenstücke naturgemäss labil ist und auf das fragliche Dokument in der Entscheidfindung nur möglicherweise abgestellt wird, muss es demnach weitgehend dem Betroffenen überlassen werden, welche Aktenstücke er beiziehen will und welche Konsequenzen im Rahmen seiner Beschwerde sich daraus allenfalls ergeben können. Weiter wird dem Betroffenen vielfach nur anhand der Akteneinsichtsgewährung ermöglicht, überhaupt eine substantiierte Beschwerde einzureichen, was dem Gericht wiederum erst gestattet, die Rügepunkte umfassend zu prüfen. Das Akteneinsichtsrecht findet weiter seine Grenzen an öffentlichen Interessen des Staates und berechtigten Geheimhaltungsinteressen Dritter (BGE 121 I 227 E. 2a; § 11 Abs. 1 und Abs. 2 VPO).


4.2 Es fragt sich somit, ob für die Beurteilung der Prüfung des Beschwerdeführers die Prüfungsunterlagen der übrigen Kandidaten wesentlich sind, und bejahendenfalls, ob entgegenstehende Interessen ausnahmsweise eine Verweigerung der Akteneinsicht rechtfertigen. Vorliegend hat das Examen zum Zweck, die fachliche Eignung der jeweiligen Kandidaten für einen bestimmten Beruf zu beurteilen. Massgebend dafür ist, ob der einzelne Kandidat die entsprechende Eignung besitzt. Anders als bei Wettbewerben, bei denen es darum geht, aus einer Anzahl von Bewerbern die geeignetsten herauszusuchen, ist bei Eignungsprüfungen vorerst nicht Gegenstand der Beurteilung, ob andere Kandidaten die Examensaufgabe besser oder schlechter erledigen. Unvermeidlicherweise fliesst in eine Prüfungsbewertung zwar auch eine vergleichende Beurteilung aller Kandidaten ein. Daraus kann aber nicht per se gefolgert werden, dass ein solcher Quervergleich die Grundlage sei für den Entscheid über die einzelnen Arbeiten. Im Allgemeinen gehören die Arbeiten anderer Kandidaten somit nicht zu den Akten, in die der Kandidat Einsicht hat (BGE 121 I 228 E. 2c). Freilich ist nicht zu übersehen, dass ein Rechtsmittel, mit welchem eine allfällige rechtsungleiche Behandlung der Kandidaten beanstandet werden soll, praktisch nur substantiiert werden kann, wenn die Akten der anderen Kandidaten bekannt sind. Nach bisheriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann das aber nicht zur Folge haben, dass alle Kandidaten, die eine Prüfung nicht bestanden und gegen den Prüfungsentscheid ein Rechtsmittel ergreifen wollen, automatisch Einblick in die Prüfungsakten aller anderen Kandidaten beanspruchen können. Vielmehr muss gemäss Bundesgericht verlangt werden, dass konkrete Anhalts- oder Verdachtspunkte vorgebracht werden, die auf eine rechtsungleiche Behandlung schliessen lassen (BGE 121 I 228 E. 2c). Anders zu entscheiden würde nach höchstrichterlicher Praxis sowohl die öffentlichen Interessen an einer praktikablen Durchführung von Prüfungsbeurteilungen als auch die privaten Interessen der übrigen Kandidaten erheblich tangieren.


4.3 In der Lehre wird dagegen geltend gemacht, dass auf konkrete Anhalts- oder Verdachtspunkte, die auf eine rechtsungleiche Behandlung schliessen lassen würden, erst hingewiesen werden könne, wenn Einsicht in die Akten Dritter genommen bzw. ein gewisser Quervergleich vorgenommen werden könne. Weiter widerspreche es aller praktischer Erfahrung, dass Quervergleiche nicht auch massgebliche Grundlage für die Beurteilung einer einzelnen Arbeit bilden könnten; unter dem Gesichtspunkt rechtsgleicher Behandlung aller Kandidaten sei dies sogar gefordert (vgl. Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Auflage, Bern 1999, S. 531). Albertini führt aus, dass es unter Umständen geboten sein könne, auch andere Aktenstücke offen zu legen, die nicht zum Dossier des Betroffenen gehören würden, um diesem die Einreichung einer substantiierten Beschwerde zu ermöglichen. Weiter könne die Verwaltung im Sinne des Verhältnismässigkeitsprinzips die Einsichtnahme auf das für die Geltendmachung der Rüge rechtsungleicher Behandlung Notwendige beschränken (Albertini, a.a.O., S. 245). Es würden sich bei solchen Konstellationen der Verwaltung genügend Möglichkeiten anbieten, um dem Praktikabilitätsaspekt hinreichend Rechnung zu tragen (Albertini, a.a.O., S. 245). Diesbezüglich macht auch Plotke geltend, dass es heute - dank moderner Technik - ohne weiteres möglich sei, relativ einfach anonymisierte Kopien herzustellen, die dem Beschwerdeführer ohne Verletzung des Datenschutzes ausgehändigt werden könnten (Herbert Plotke, Schweizerisches Schulrecht, 2. Auflage, Bern 2003, S. 695). Ausserdem könne die Zahl der einzusehenden Arbeiten auf ein zumutbares Mass beschränkt werden. Wolle der Betroffene darüber hinaus zusätzliche Akten einsehen, so müsse er zumindest andeutungsweise Gründe für sein Begehren vorbringen (Plotke, a.a.O., S. 695). Insofern könnte dadurch auch den Überlegungen von J.P. Müller Rechnung getragen werden, da ansonsten das Recht, allgemein in die Akten anderer Kandidaten Einsicht zu nehmen, ohne besondere Gründe dartun zu müssen, bei Prüfungen mit vielen Examinanden zu einer Lahmlegung des Betriebes führen könne (Plotke, a.a.O., S. 695). Auch Plotke geht demnach von einem voraussetzungslos gewährleisteten Recht auf Akteneinsicht in die Prüfungsunterlagen anderer Kandidaten aus, welches allerdings - je nach Anzahl der zu Prüfenden - im Sinne des Verhältnismässigkeitsprinzips auf ein zumutbares Mass begrenzt werden kann.


4.4 Vorliegend weist der Beschwerdeführer in seiner vorläufigen Beschwerdebegründung darauf hin, dass in der Bewertung der Privatrechtsklausur festgehalten worden sei, das Herausgabebegehren sei nicht zulässig. Bei einer anderen Kandidatin sei jedoch das Herausgabebegehren nicht beanstandet worden. Die rechtsungleiche Behandlung liege darin begründet, dass beim Beschwerdeführer das Herausgabebegehren als Fehler gewertet worden sei, bei der anderen Kandidatin nicht. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Indizien stellen selbst im Sinne der oben referierten höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend konkrete Anhalts- oder Verdachtspunkte dar, die auf eine rechtsungleiche Behandlung schliessen lassen. Bereits nach Einsicht in die Prüfung einer einzigen anderen Kandidatin kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass das Rechtsgleichheitsgebot vorliegend verletzt wurde. Dem Akteneinsichtsrecht in die Prüfungen der anderen Kandidaten sowie deren Bewertungen ist demnach stattzugeben. Folglich muss auch nicht mehr entschieden werden, ob das Akteneinsichtsrecht vorbehaltlos gewährt oder nur unter der Voraussetzung anerkannt wird, dass konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsungleiche Behandlung vorhanden sind. Weiter stehen weder öffentliche noch private Interessen dem Akteneinsichtsgesuch gegenüber. Private Geheimhaltungsinteressen können unter anderem mit dem Schutz persönlichkeitsbezogener Rechtsgüter begründet sein. Diese sind ausserdem in Bezug zu setzen zum Interesse einer Partei an der vollumfänglichen Einsicht in die Akten und es ist eine konkrete, sorgfältige und umfassende Abwägung der sich entgegenstehenden Interessen vorzunehmen. Der Persönlichkeitsschutz wird bei der Einsichtnahme in die Lösungen und Bewertungen von Klausuraufgaben nicht überaus gross tangiert. Ihm kann zudem mit einer Anonymisierung des jeweiligen Verfassers Rechnung getragen werden, so dass das private Geheimhaltungsinteresse nicht mehr als sonderlich substantiell bezeichnet werden kann. Wie oben in Erwägung 4.3 ausgeführt, kann aus Praktikabilitätsaspekten das Einsichtsrecht auf ein zumutbares Mass begrenzt werden. Im Rahmen einer Anwaltsprüfung nehmen durchschnittlich ca. 20 bis 30 Kandidaten teil. Es ist demnach ohne weiteres möglich, dem Betroffenen Einsicht in alle Prüfungen zu gewähren, ohne dass gewichtige entgegenstehende öffentliche Interessen ersichtlich wären. Aufgrund des substantiierten Vorbringens des Beschwerdeführers überwiegen klar seine Interessen an Einsicht in alle von ihm beantragten Prüfungsakten.


KGE VV vom 20. Februar 2008 i.S. S (810 2007 434 / WIR)


noch nicht in Rechtskraft erwachsen



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