Zivilprozessrecht

Spezifikationspflicht einer Teilklage - prozessuale Anforderungen an eine Stufenklage


Sofern die klagende Partei nur einen Teilbetrag geltend macht, muss sie angeben, welchen Teil jedes der Ansprüche sie in welcher Reihenfolge fordert. Ungenügend ist die unterschiedslose Angabe mehrerer Schadenersatzansprüche ohne die betragsmässige Aufteilung auf das Rechtsbegehren. Der Anspruch ist so zu begründen, dass über dessen Identität kein Zweifel entstehen kann. Lässt der Kläger offen, welcher Schaden in welcher Höhe aus welchem Verhalten eingeklagt wird, so ist das Rechtsbegehren nicht ausreichend begründet. Bei einer Teilklage ist auszuführen, welcher Anspruch aus welchem Lebensvorgang geltend gemacht wird (E. 2).


Eine Stufenklage, mit welcher der Kläger das Verfahren zunächst auf die Edition eines Beweismittels beschränken möchte, ist ausdrücklich als solche zu bezeichnen oder diese muss sich zumindest klar aus der Klagebegründung ergeben (E. 3).



Sachverhalt

Im zwischen den Parteien hängigen Arbeitsstreit hat der ehemalige Arbeitnehmer teilklageweise beantragt, seine frühere Arbeitgeberin zu verurteilen, ihm Arbeitszeitrapporte auszuhändigen und ihm Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe AHV-Abzüge entrichtet sowie bei welcher Vorsorgeeinrichtung in welcher Höhe BVG-Beiträge für ihn einbezahlt worden seien. Des Weiteren sei die Beklagte zur Bezahlung von CHF 22'000.-- nebst Zins zu verurteilen, eine Mehrforderung werde ausdrücklich vorbehalten. Das Bezirksgerichtspräsidium wies die Klage des ehemaligen Arbeitnehmers der Beklagten ab, soweit auf sie eingetreten werde. Die Vorinstanz wies in ihrer Urteilsbegründung unter anderem darauf hin, dass die Klage bereits mangels einer genügenden Substantiierung abzuweisen wäre. Gegen das erwähnte Urteil hat der Kläger die Appellation erklärt und unter anderem geltend gemacht, dass es sich im vorliegenden Fall um eine unechte Stufenklage handle, weshalb die Vorinstanz das Verfahren vorerst auf das Prozessthema der Beweismittel bzw. auf die Edition der beantragten Arbeitsrapporte hätte beschränken müssen.



Erwägungen

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2. Substantiierung der Klage


Nach Ansicht der Vorinstanz wäre die Klage bereits mangels einer genügenden Substantiierung abzuweisen. Der Appellant macht eine Teilklage im Forderungsumfang von CHF 22'000.-- unter dem ausdrücklichen Vorbehalt von Mehrforderungen geltend. Die grundsätzliche Zulässigkeit einer Teilklage, welche namentlich der Beschleunigung oder der Kostenersparnis dienen kann, ist unbestritten. Unter einer Teilklage versteht man, dass sich eine klagende Partei nach der Dispositionsmaxime damit begnügen kann, einzelne fällige Raten eines teilbaren Anspruchs oder allgemein einen nicht individualisierten Teilbetrag einer grösseren Gesamtforderung geltend zu machen, wobei der Vorbehalt einer Nachklage an sich gar nicht erforderlich ist. Die Möglichkeit der Erhebung einer blossen Teilklage kann aber nicht dazu führen, dass beim Vorliegen verschiedener Positionen diese im Sinne einer Auswahl der gerichtlichen Beurteilung anheimgestellt werden, wobei es dann Sache des Gerichts wäre, Position für Position in ihrer Gänze urteilsmässig abzuhandeln, idealiter so lange bis der Betrag der Teilklage erreicht ist. Sofern die klagende Partei nur einen Teilbetrag geltend macht, muss sie angeben, welchen Teil jedes der Ansprüche sie in welcher Reihenfolge fordert. Ungenügend ist mithin die unterschiedslose Angabe mehrerer Schadenersatzansprüche ohne die betragsmässige Aufteilung auf das Rechtsbegehren. Der Anspruch ist eben so zu begründen, dass über dessen Identität kein Zweifel entstehen kann. Lässt der Kläger offen, welcher Schaden in welcher Höhe aus welchem Verhalten eingeklagt wird, so ist das Rechtsbegehren nicht ausreichend begründet. Der Kläger alleine entscheidet, über welche Ansprüche das Gericht entscheiden soll. Deshalb ist bei einer Teilklage auszuführen, welcher Anspruch aus welchem Lebensvorgang geltend gemacht wird. Dies ist erforderlich, damit eine spätere Klage über den noch nicht entschiedenen Teil möglich ist (vgl. Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. Mai 2002, auszugsweise publ. in: Blätter für Zürcherische Rechtsprechung [ZR], 102 [2003], Nr. 45, S. 223, bestätigt durch das Bundesgericht mit Entscheid vom 25. März 2003: 4P.19/2003 sowie Urteil des Kantonsgerichts vom 22. April 2008 [100 07 1131]).


Im vorliegenden Fall liegt eine Spezifikation des Klägers vor, in welcher Höhe die geltend gemachten Positionen eingeklagt werden. So führt er in der Klage ausdrücklich aus, dass zunächst 626.25 Überstunden à CHF 29.15 (CHF 18'255.20), 236.75 Überstunden à 32.85 CHF (CHF 7'777.30), für seit dem 28. Dezember 2005 geleistete Überstunden à 32.85 (CHF 6'533.--) und somit unter der Position Überstunden gesamthaft CHF 32'565.50 gefordert würden. Hiervon würden teilklageweise zunächst CHF 22'000.-- nebst 5% Zins seit dem 5. Januar 2006 geltend gemacht. Vorbehalten blieben die Lohnforderung aus der Gesamtsumme der Überstunden, das höhere Salär als Bauführer und Polier, die Erstellung eines wohlwollenden Arbeitszeugnisses, die Schadenersatzforderungen aus der unangekündigten Räumung der dem Kläger zur Verfügung gestellten Werkswohnung, die Differenz des GAV-Mindestlohns zum ausbezahlten tatsächlichen Salär (Ansatz CHF 4'500.--) sowie ein anteiliges 13. Monatsgehalt. Der Kläger hat somit die Teilklage rechtsgenüglich spezifiziert, indem er vorerst lediglich einen Teil der Überstundenentschädigung geltend macht. Der Urteilserwägung der Vorinstanz, wonach die Klage auch aus formellen Gründen, nämlich der ungenügenden Substantiierung abzuweisen wäre, ist somit nicht zu folgen.


3. Beschränkung des Prozessthemas


Der Kläger hat vor erster Instanz die Beschränkung des Prozessthemas beantragt, was mit Verfügung vom 6. Juli 2007 abgewiesen worden ist. (…) Der Kläger stellt sich auf den Standpunkt, das Verfahren hätte aufgrund der Stufenklage zunächst auf die Frage der Edition der Arbeitszeitrapporte beschränkt werden müssen. Mittels einer Stufenklage steht es dem Kläger frei, das Verfahren zunächst auf die Edition eines Beweismittels zu beschränken. Dies ist gerade in solchen Fällen sinnvoll, wenn die Gegenpartei im Besitz eines wichtigen Beweismittels ist, mit welchem es dem Kläger erst möglich ist, seine Forderung zu beziffern. Die Stufenklage dient der vereinfachten Durchsetzung eines dem Kläger nach Bestand und Umfang unbekannten Anspruches, wenn die Unkenntnis auf Tatsachen beruht, die in der Sphäre des Beklagten liegen (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 15. Aufl., München 1993, S. 547). Dabei wird etwa ein Begehren um Rechnungslegung mit einer zunächst unbestimmten Forderungsklage auf Leistung des Geschuldeten verbunden (BGE 116 II 215 E. 4a S. 220; Vogel, recht 1992, S. 63). Hauptanspruch ist die anbegehrte Leistung, Hilfsanspruch deren Bezifferung durch Rechnungslegung. Das Bundesgericht hat in solchen Fällen die unbezifferte Forderungsklage als zulässig erachtet, da es dem Kläger in der Regel nicht möglich ist, seine Forderung ohne Erfüllung des Hilfsanspruchs umfangmässig genau zu bestimmen. Es widerspräche den Anliegen der Prozessökonomie und dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit, vom Kläger zu fordern, in einem ersten Prozess bloss auf Rechnungslegung zu klagen, um sich Klarheit über die Bezifferung des Hauptanspruchs zu verschaffen, und danach eine zweite (Leistungs-)Klage anzuheben (BGE 123 III 140 mit Verweis auf 116 II 215 E. 4a S. 220).


Im vorliegenden Fall hat der Kläger seine Klage als "Teilklage" benannt und ausdrücklich festgehalten, dass zunächst nur ein Teil der Forderungen, nämlich ein Teil der Überstunden, geltend gemacht werde, da der übrige Teil noch nicht bezifferbar sei. Es handelt sich somit nicht um eine Stufenklage, in welcher der Prozess zunächst auf die Beschaffung eines Beweismittels beschränkt wird. Die vorliegende Klage ist vielmehr als eine normale Teilklage verbunden mit Beweisanträgen betreffend die Edition von Beweismitteln und Auskunftserteilungen zu qualifizieren. Eine Stufenklage im Sinne der obigen Erwägungen hätte der Kläger ausdrücklich als solche bezeichnen müssen oder diese hätte sich zumindest klar aus der Klagebegründung ergeben müssen. Der Appellant dringt somit mit seiner Rüge, die Vorinstanz habe die von ihm beantragte Beschränkung des Prozessthemas zu Unrecht abgewiesen, nicht durch.


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KGE ZS vom 16. Dezember 2008 i.S. A.L / B. AG (100 08 713/AFS)



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