Zivilprozessrecht

Verrechnung von hypothetischen Anwaltskosten


Die Verteilung der ordentlichen und der ausserordentlichen Kosten im Zivilprozess (§ 209 Abs. 2 ZPO, § 210 ZPO sowie § 211 ZPO; E. 3.2).


Für die Verteilung der Kosten ist der Prozessausgang als wesentlichster Faktor zu berücksichtigen. Sodann ist zu prüfen, inwieweit eine unnötige Vermehrung der Kosten verursacht worden ist und sich dadurch ein Abweichen vom reinen materiellen Prozessausgang rechtfertigen lässt. Nicht zulässig ist es, die bei vergleichbar hohen Anwaltskosten auf beiden Seiten üblicherweise vorgenommene Verrechnung der Parteientschädigungen bei teilweisem Obsiegen zweier durch einen Rechtsanwalt vertretener Parteien auf denjenigen Fall zu übertragen, in welchem tatsächlich lediglich die eine Partei vertreten ist, und eine Verrechnung von effektiven mit hypothetischen Kosten vorzunehmen, da es bei einer Parteientschädigung um den Ausgleich eines finanziellen Schadens geht, welcher der vertretenen Partei in Form des Tätigwerdens ihres Rechtsvertreters effektiv entstanden ist (§ 210 ZPO und § 211 ZPO; E.3.3).



Sachverhalt

Mit Urteil vom 23. Mai 2008 in Sachen R. H., W. H. und T. M. gegen O. H. betreffend Erbteilung erkannte die Fünferkammer des Bezirksgerichts Laufen hinsichtlich der Kostenverteilung in Ziffer 5 was folgt:


„5. Die Gerichtskosten, einschliesslich Urteilsgebühr und Auslagen endgültig bestimmt bei Fr. 3'600.--, erliegen den drei Klägern mit je Fr. 1'000.-- und den (sic!) Beklagten mit Fr. 600.--. Dessen provisorisch zugebilligtes Armenrecht ist ihm mit Blick auf das Prozessergebnis hiermit entzogen. Er hat den drei Klägern an deren Kostenvorschüsse je Fr. 200.-- zu ersetzen. Dagegen haben die drei solidarisch und intern zu je gleichen Teilen verbundenen Kläger dem Beklagten eine reduzierte Parteientschädigung von pauschal Fr. 5'000.-- auszurichten. Die weiteren Parteikosten sind wettgeschlagen. Im Appellationsfall betragen die erstinstanzlichen Gerichtskosten Fr. 5'000.--."


Dagegen erhob O. H. mit Eingabe vom 2. Juni 2008 Beschwerde und beantragte dabei, es sei Ziffer 5 des angefochtenen Urteils aufzuheben (Ziff. 1) und es seien die Gerichtskosten, einschliesslich Urteilsgebühr und Auslagen, von CHF 3'600.-- den Klägern aufzuerlegen, welche ausserdem solidarisch zu verpflichten seien, dem Beklagten eine Parteientschädigung von CHF 26'271.70 (inklusive Auslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen (Ziff. 2); dies unter o/e Kostenfolge. Auf die Begründung dieser Beschwerde sowie der nachfolgenden Eingaben der Parteien wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen des vorliegenden Beschlusses eingegangen.


Demgegenüber beantragte die Beschwerdegegnerin 1 in ihrer Stellungnahme vom 5. Juni 2008 die Abweisung der Beschwerde. Ebenso sind die Beschwerdegegner 2, 3 und 4 in ihrer Stellungnahme vom 9. Juni 2008 (unterschrieben vom Beschwerdegegner 3 am 9. Juni 2008, von der Beschwerdegegnerin 4 am 10. Juni 2008 und vom Beschwerdegegner 2 am 13. Juni 2008) sinngemäss der Ansicht, dass die Beschwerde abzuweisen sei.



Erwägungen

1. ( … )


2. ( … )


3.1 ( … )


3.2 Gemäss § 209 Abs. 2 ZPO wird in der Regel die unterliegende Partei zur Zahlung der ordentlichen Prozesskosten verurteilt. Wenn in einem Urteile die Parteien teilweise verfällt oder abgewiesen werden oder wenn das Gericht findet, dass die unterliegende Partei bei der Führung des Prozesses in guten Treuen habe sein können, so kann das Gericht eine verhältnismässige Teilung der ordentlichen Kosten zwischen den Parteien eintreten lassen. Dasselbe kann verfügt werden, wenn der obsiegende Teil eine unnötige Vermehrung der Kosten verursacht hat (§ 210 ZPO). Hinsichtlich der ausserordentlichen Prozesskosten wird in § 211 ZPO festgehalten, dass der unterliegenden Partei in dem Masse, als sie im Unrecht erfunden wird, im Urteil die Bezahlung einer in festen Summe anzugebenden Entschädigung an die Gegenpartei auferlegt werden kann. Die Parteikosten werden somit grundsätzlich ebenfalls nach Massgabe des Prozessausganges verlegt. Aufgrund der „Kann"-Vorschrift ist das Gericht jedoch nicht schlechterdings verpflichtet, der obsiegenden Partei eine Parteientschädigung zuzusprechen, sofern sich eine Abweichung vom materiellen Prozessergebnis entsprechend begründen lässt (Heinrich Weibel/Magdalena Rutz, Gerichtspraxis zur basellandschaftlichen Zivilprozessordnung, 4. Auflage 1986, S. 224). Eine ohne zwingende Gründe vom Prozessergebnis abweichende Kostenverteilung verstösst jedoch gegen das Willkürverbot (Adrian Staehelin/Thomas Sutter, Zivilprozessrecht, Basel 1992, § 15 N 10). Die Praxis des Kantonsgerichts pflegt hinsichtlich der Parteientschädigung die Regeln über die Gerichtskosten analog anzuwenden (Weibel/Rutz, a.a.O., S. 224).


3.3 Im vorliegenden Fall ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz zunächst festzustellen, dass der Beschwerdeführer lediglich in überwiegendem Masse und nicht fast vollständig im Erbteilungsprozess obsiegt hat. So wurde durch die Klage erreicht, dass der Nachlass verteilt wird, der Beklagte die Liegenschaft definitiv verlassen muss und die beiden Liegenschaften öffentlich versteigert werden. Es entspricht nun der gängigen Praxis der basellandschaftlichen Gerichte, dass in einem solchen Fall auch die mehrheitlich obsiegende Partei einen Teil der Verfahrenskosten zu tragen hat. Daraus ergibt sich, dass die Verteilung der ordentlichen erstinstanzlichen Kosten im Verhältnis von 5/6 (CHF 3'000.--) zu Lasten der Kläger zu 1/6 (CHF 600.--) zu Lasten des Beschwerdeführers ohne Weiteres im Ermessensrahmen des erkennenden Gerichts liegt und daher in Anwendung von § 210 ZPO nicht zu beanstanden ist.


Was die Verteilung der ausserordentlichen erstinstanzlichen Kosten anbelangt, ist hingegen für das Kantonsgericht nicht ersichtlich, dass der Beklagte kostenrechtlich gemäss dem Ausgang des Verfahrens behandelt worden wäre, wie dies von der Beschwerdegegnerin 1 ausgeführt wird. So steht zwar auch für die Vorinstanz fest, dass der Beklagte in überwiegendem Masse obsiegt hat, dennoch muss er im Resultat den überwiegenden Teil der tatsächlich angefallenen Vertretungskosten selbst übernehmen, indem er an die Honorarrechnung seines Rechtsvertreters in der Höhe von CHF 26'271.70 lediglich den Betrag von CHF 5'000.-- als Parteientschädigung zugesprochen erhält, was nicht einmal einem Fünftel seiner und im vorliegenden Fall zugleich der gesamten ausserordentlichen Kosten entspricht. Dieses Resultat ist offensichtlich unhaltbar. Hinzu kommt, dass die Begründung der Vorinstanz, wonach der Beklagte sich hypothetische Anwaltskosten auf Seiten der Kläger anrechnen lassen müsse, vom Kantonsgericht nicht geteilt werden kann. Für die Verteilung der Kosten ist zunächst einmal der Prozessausgang als wesentlichster Faktor zu berücksichtigen. Sodann ist zu prüfen, inwieweit beispielsweise der (mehrheitlich) obsiegende Teil eine unnötige Vermehrung der Kosten verursacht hat und sich dadurch ein Abweichen vom reinen materiellen Prozessausgang rechtfertigen lässt. Dass die eine Seite auf den Beizug eines Rechtsvertreters verzichtet hat, liegt jedoch allein in deren freien Entscheidung und kann keinen Einfluss auf die Verteilung der Parteikosten in dem Sinne haben, als der verzichtenden Partei hypothetische Anwaltskosten angerechnet werden. Auch ist es deren eigenes Risiko, wenn aufgrund des fehlenden Anwalts fehlerhafte Rechtsbegehren gestellt und unter entsprechender Kostenfolge abgewiesen werden. Nicht zulässig ist es, die bei vergleichbar hohen Anwaltskosten auf beiden Seiten üblicherweise vorgenommene Verrechnung der Parteientschädigungen bei teilweisem Obsiegen zweier durch einen Rechtsanwalt vertretener Parteien auf den vorliegenden Fall zu übertragen und eine Verrechnung von effektiven mit hypothetischen Kosten vorzunehmen, obwohl lediglich die eine Partei tatsächlich vertreten ist. Bei einer Parteientschädigung geht es um den Ausgleich eines finanziellen Schadens, welcher der vertretenen Partei in Form des Tätigwerdens ihres Rechtsvertreters entstanden ist. Diese Kosten müssen effektiv entstanden sein und dürfen nicht hypothetisch angerechnet werden, gewissermassen als Bonus dafür, dass die eine Partei im Sinne einer Kosteneindämmung auf einen Rechtsvertreter verzichtet hat. Im Übrigen haben im vorliegenden Fall auch die Kläger kostenmässig davon profitiert, dass sie selbst nicht anwaltlich vertreten waren, ansonsten nämlich auch auf ihrer Seite und somit insgesamt noch mehr Kosten entstanden wären, von denen sie aufgrund des für sie überwiegend negativen Prozessausgangs den grösseren Teil zu bezahlen gehabt hätten. In diesem Zusammenhang ist überdies festzustellen, dass eine Parteientschädigung nicht von Amtes wegen, sondern nur auf entsprechenden Antrag hin zuzusprechen ist, wobei ein solcher Antrag auf Seiten der Kläger nicht vorliegt. Somit wäre auch aus diesem Grunde im vorliegenden Fall eine Verrechnung der (tatsächlich angefallenen) Vertretungskosten auf Seiten des Beklagten mit (hypothetischen) Vertretungskosten auf Seiten der Kläger nicht zulässig gewesen.


Zuzustimmen ist hingegen der Ansicht der Vorinstanz, dass der Beklagte eine eigensinnige und in Bezug auf die Miterben rücksichtslose Haltung an den Tag gelegt und dadurch deren Versuche zur gütlichen Beilegung der Erbteilung erschwert hat. Dieses Verhalten, welches zu einer Aufblähung des Prozesses und damit auch zu einer Generierung von (unnötigen) ausserordentlichen Kosten geführt hat, ist ihm in analoger Anwendung von § 210 Satz 2 ZPO anzulasten. Dies hat zur Folge, dass der dadurch entstandene Mehraufwand - welcher nach Ermessen des Kantonsgerichts zusammen mit dem vom Beklagten aufgrund des teilweise Unterliegens sowieso zu tragenden Anteils an den Gesamtkosten in der Summe die Hälfte der eigenen Vertretungskosten ausmacht - trotz des mehrheitlichen Obsiegens durch den Beschwerdeführer zu tragen ist. Allerdings ist dem Beschwerdeführer das Ausbleiben von der Hauptverhandlung vor der Vorinstanz kostenrechtlich nicht anzulasten, da weder dargelegt wird noch ersichtlich ist, dass durch dieses Ausbleiben des anwaltlich vertretenen Beklagten eine tatsächliche Vermehrung der Kosten stattgefunden hat. Nach Gesagtem ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen und die Beschwerdegegner 2, 3 und 4 sind in Abänderung des Kostenentscheides der Vorinstanz - nachdem die Honorarnote des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 22. Mai 2008 in der Höhe von CHF 26'271.70 ausgewiesen und von keiner Partei angefochten worden ist - solidarisch zu verpflichten, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren in Höhe der Hälfte von dessen Vertretungskosten (CHF 13'135.85 inklusive Auslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.


4. ( … )


KGE ZS vom 16. September 2008 i. S. O. H. / BG L. und R. H., W. H. sowie T. M. (200 08 532 [D 104]/ NEP)



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