Strafrecht

Strafzumessung


Auf den Widerruf rechtskräftiger bedingter Strafurteile ist das neue Recht anwendbar (Ziff. 1 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember 2002; E. 3.2).


Es liegt im Ermessen des kantonalen Gerichts, in welchem Umfang es die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Allerdings sind die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten. Besonders hohe Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung werden unter anderem gestellt, wenn die ausgesprochene Strafe ungewöhnlich hoch oder auffallend milde ist. Hingegen muss das Gericht nicht auf Umstände ausdrücklich eingehen, die es - ohne dass dies ermessensverletzend wäre - bei der Strafzumessung als nicht massgebend oder nur von geringem Gewicht erachtet (Art. 47 StGB und Art. 50 StGB; E. 3.2).


Wie bei der Strafzumessung müssen bei der Frage des teilbedingten Vollzugs die Gründe im Urteil so wiedergegeben werden, dass sich die richtige Anwendung des Rechts überprüfen lässt (Art. 43 StGB; E. 3.4).



Sachverhalt

Mit Urteil vom 6. Dezember 2007 erklärte das Strafgericht Basel-Landschaft den am 1. Januar 1974 in N. geborenen T. O. der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig und verurteilte ihn unter Berücksichtigung des Strafbefehls des Statthalteramtes Liestal vom 22. Februar 2006 als Gesamtstrafe zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/4 Jahren, unter Anrechnung der seit dem 11. Juli 2007 ausgestandenen Untersuchungshaft von 148 Tagen; dies in Anwendung von Art. 19 Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. a BetmG, Art. 46 Abs. 1 StGB und Art. 51 StGB. Die am 22. Februar 2006 vom Statthalteramt Liestal bedingt ausgesprochene Gefängnisstrafe von 14 Tagen, bei einer Probezeit von zwei Jahren, wurde in Anwendung von Art. 46 Abs. 1 StGB vollziehbar erklärt.


Gegen dieses Urteil erklärte der Angeklagte mit Eingabe vom 11. Dezember 2007 die Appellation. In seiner Appellationsbegründung vom 3. März 2008 stellte er die folgenden Anträge: Er sei wegen der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. a BetmG schuldig zu sprechen und in Abänderung des vorinstanzlichen Urteils zu einer Gefängnisstrafe von 16 Monaten zu verurteilen (Ziff. 1); dies unter Anrechnung der seit dem 11. Juli 2007 ausgestandenen Untersuchungs- respektive Sicherheitshaft (Ziff. 2). Die ausserordentlichen Kosten seien zufolge Bewilligung der Offizialverteidigung der Staatskasse aufzuerlegen. Von der Auferlegung der ordentlichen Kosten zu seinen Lasten sei zufolge offensichtlicher Uneinbringlichkeit abzusehen (Ziff. 3).


Demgegenüber beantragte die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 1. April 2008 die Abweisung der Appellation und die Bestätigung des angefochtenen Urteils.



Erwägungen

1. ( … )


2. ( … )


3.1 ( … )


3.2 Gemäss Art. 19 Ziff. 1 al. 9 BetmG in Verbindung mit Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG beträgt die Strafe in schweren Fällen - so wenn der Täter weiss oder annehmen muss, dass sich die Widerhandlung auf eine Menge von Betäubungsmitteln bezieht, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann - Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, womit eine Geldstrafe verbunden werden kann. Eine Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen liegt gemäss der konstanten Praxis des Bundesgerichts bei einer Menge von 18 Gramm reinem Kokain vor (BGE 109 IV 145 E. 3b). Im vorliegenden Fall geht es also um eine Rauschgiftmenge, welche knapp siebenfach über dem Grenzwert für einen schweren Fall liegt.


Der Angeklagte beging seine Taten teilweise vor dem Inkrafttreten des neuen Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches am 1. Januar 2007 und teilweise nachher. Bezüglich der Frage des anwendbaren Rechts normiert Art. 2 Abs. 2 StGB, dass das neue Recht anwendbar ist, sofern es für den Täter milder ist. Die Vorinstanz ist der Ansicht, dass das neue Recht das mildere sei, weil nach neuem Recht die Möglichkeit bestehe, eine widerrufene Strafe - wie sie vorliegend zur Diskussion stehe - mit der neuen Strafe zu einer Gesamtstrafe zu bilden, anstatt eine Zusatzstrafe auszusprechen. Diesbezüglich übersieht die Vorinstanz jedoch, dass sich Art. 2 Abs. 2 StGB nicht auf den Vollzug rechtskräftiger Strafurteile bezieht, sondern auf deren Erlass. Auf den Widerruf ist daher nicht wegen des „lex mitior"-Grundsatzes von Art. 2 Abs. 2 StGB neues Recht anzuwenden, sondern weil dies in Ziff. 1 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember 2002 ausdrücklich so vorgeschrieben ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 12. Juni 2008 [6B_330/2008] E. 3.1, mit Hinweisen zur Praxis). Im Übrigen ist es jedoch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auf alle Sachverhalte das neue Recht angewendet hat, sei es, weil ein Teil der Delikte nach dem Inkrafttreten begangen wurde, sei es, weil das neue Recht im vorliegenden Fall grundsätzlich das mildere Recht ist, was sich insbesondere auch daraus ergibt, dass bei einer zu bestätigenden Freiheitsstrafe von 27 Monaten (s. dazu unten E. 3.3) die Anwendung einer teilbedingten Strafe möglich und zu prüfen ist (unten E. 3.4).


Nach Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird in Abs. 2 dahingehend präzisiert, dass dieses nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden. Es liegt im Ermessen des kantonalen Gerichts, in welchem Umfang es die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn das kantonale Gericht den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn es von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn es wesentliche Komponenten ausser Acht gelassen bzw. falsch gewichtet hat oder wenn die Strafe in einem Masse unverhältnismässig streng bzw. mild erscheint, dass von einer Überschreitung oder einem Missbrauch des Ermessens gesprochen werden muss. Nach Art. 50 StGB hat das Gericht, sofern es sein Urteil zu begründen hat, die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten. Diese nunmehr gesetzlich festgeschriebene Begründungspflicht entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum bisherigen Recht, wonach das Gericht die Überlegungen, die es bei der Bemessung der Strafe vorgenommen hat, in den Grundzügen wiedergeben muss, so dass die Strafzumessung nachvollziehbar ist. Besonders hohe Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung werden unter anderem gestellt, wenn die ausgesprochene Strafe ungewöhnlich hoch oder auffallend milde ist (Urteil des Bundesgerichts vom 12. Mai 2007 [6B_48/2007] E. 3.1). Hingegen muss das Gericht nicht auf Umstände ausdrücklich eingehen, die es - ohne dass dies ermessensverletzend wäre - bei der Strafzumessung als nicht massgebend oder nur von geringem Gewicht erachtet (Urteil des Bundesgerichts vom 16. Februar 2007 [6P.66/2006] E. 4).


3.3 Entgegen den Ausführungen des Angeklagten ist das Kantonsgericht der Ansicht, dass die Vorinstanz die Strafzumessung korrekt vorgenommen hat. Da die ausgesprochene Strafe weder ungewöhnlich hoch noch auffallend milde ist, sind keine besonders hohe Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung zu stellen. Entscheidend ist, dass das Strafgericht auf diejenigen Umstände, welche es als massgebend erachtet hat, ausdrücklich eingegangen ist. So hat sie auch das Vorleben des Angeklagten genügend berücksichtigt und dies zu Recht im Rahmen von Art. 47 StGB und nicht von Art. 48 StGB. Nicht zu beanstanden ist des Weiteren, dass die Vorinstanz von einem erheblichen Verschulden ausgegangen ist. Dem Angeklagten ist es als klassischen „Money-Dealer" nur um den eigenen Gewinn gegangen, selbst war er nicht drogenabhängig. Er hat während einer langen Zeitdauer von ca. drei Jahren eine erhebliche Menge an Kokain an eine Vielzahl von Abnehmern verkauft und dabei einen Umsatz von ca. CHF 40'000.-- gemacht. Zwar war der Angeklagte nur ein einfacher Verkäufer, allerdings trat er mit den verschiedenfarbigen Kügelchen sehr professionell auf und er war jederzeit innerhalb von kürzester Zeit zur Stelle. Auch liess er sich weder durch polizeiliche Anhaltungen noch durch den Strafbefehl des Statthalteramtes Liestal vom 22. Februar 2006, womit er der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte schuldig erklärt und zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 14 Tagen (bei einer Probezeit von zwei Jahren) verurteilt wurde, von seiner deliktischen Tätigkeit abhalten. Dieser Strafbefehl stand im Übrigen ebenfalls im Zusammenhang mit einer Kontrolle durch die Polizei im Jahre 2004 wegen des Verdachts der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Dies alles spricht für eine erhebliche kriminelle Energie. Ebenfalls zu seinen Lasten zu werten ist des Weiteren, dass er einen Teil seiner Geschäfte an sehr neuralgischen Orten wie z.B. beim Schulhaus in Frenkendorf (act. 439) abwickelte. Unbestreitbar leidet der Angeklagte an Herz- und Nierenleiden, allerdings hat dies offensichtlich keine relevanten Auswirkungen im Alltag - so kann er immerhin boxen und joggen und auch die Ausübung seiner Drogengeschäfte stellte ihn nicht vor grössere Probleme - weshalb keine besondere Strafempfindlichkeit ersichtlich ist. Auch litt der Angeklagte nicht unter einer finanziellen Not, nachdem er als Asylbewerber vom Staat unterstützt wurde und bei Aushilfsjobs etwas dazuverdiente. Zwar hat der Angeklagte vor dem Kantonsgericht ein Geständnis abgelegt, dies kann jedoch nicht als echte Einsicht oder Reue gewertet werden. Zum einen hat er nur das gestanden, was ihm aufgrund der erdrückenden Beweislage sowieso nachzuweisen war, und auch hier hat er nicht den gesamten Tatzeitraum eingestanden. Zum anderen ist das Geständnis erst nach der erstinstanzlichen Verurteilung im Rahmen des Appellationsprozesses und damit zu spät erfolgt, um es noch strafmindernd zu berücksichtigen. Schliesslich kann es angesichts des inkriminierten Sachverhalts entgegen der Ansicht des Angeklagten keine Rolle spielen bei der Strafzumessung, dass er bisher noch nie einen Freiheitsentzug zu spüren bekommen hat.


Im Ergebnis erachtet das Kantonsgericht in Würdigung der vorgängig aufgeführten Umstände die vom Strafgericht verhängte Freiheitsstrafe von 27 Monaten als Gesamtstrafe als angemessen. Somit ist auch der vom Angeklagten nicht beanstandete Vollzug der Vorstrafe zu bestätigen, wobei bezüglich der Begründung vollumfänglich auf die entsprechenden Erwägungen der Vorinstanz (S. 11 ff.) verwiesen wird.


3.4 Nach dem neuen Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches stellt sich damit die Frage des teilbedingten Vollzugs. Gemäss Art. 43 StGB kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren nur teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen, wobei der unbedingt vollziehbare Teil die Hälfte der Strafe nicht übersteigen darf und sowohl der aufgeschobene wie der zu vollziehende Teil mindestens sechs Monate betragen muss. In objektiver Hinsicht ist der teilbedingte Aufschub angesichts der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 27 Monaten ohne Weiteres möglich. In subjektiver Hinsicht hat das Gericht für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges wie bisher eine Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters zu stellen. Die vom Bundesgericht entwickelten Prognosekriterien bleiben weiterhin massgebend. Bei der Prüfung, ob der Verurteilte für ein Wohlverhalten Gewähr bietet, ist eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung mit einzubeziehen sind neben den Tatumständen auch das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Für die Einschätzung des Rückfallrisikos ist ein Gesamtbild der Täterpersönlichkeit unerlässlich. Relevante Faktoren sind etwa strafrechtliche Vorbelastung, Sozialisationsbiographie und Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer Bindungen, Hinweise auf Suchtgefährdungen etc. Dabei sind die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheides mit einzubeziehen. Es ist unzulässig, einzelnen Umständen eine vorrangige Bedeutung beizumessen und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen. Wie bei der Strafzumessung müssen die Gründe im Urteil so wiedergegeben werden, dass sich die richtige Anwendung des Rechts überprüfen lässt (Urteil des Bundesgerichts vom 13. November 2007 [6B_214/2007] E. 5.3). Im vorliegenden Fall muss in subjektiver Hinsicht eine schlechte Prognose der Legalbewährung gestellt werden. Dies ergibt sich in erster Linie aus dem Umstand, dass der Angeklagte trotz der Kontrollen durch die Polizei und trotz seiner Vorstrafe unbeirrt und konstant während insgesamt ca. drei Jahren weiter intensiv delinquiert hat, wobei ihm während dieser Zeit durch die Telefonkontrolle über 700 Kontakte nachgewiesen werden können. Ausserdem hat auch der Strafbefehl betreffend Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte die beabsichtigte Schockwirkung offenbar verfehlt. Das vor dem Kantonsgericht vorgebrachte Geständnis kann nicht als echte Reue und Einsicht gewertet werden, wurde es doch erst im Appellationsverfahren aufgrund einer erdrückenden Beweislage vorgebracht und umfasst nicht einmal den ganzen dem Angeklagten zur Last gelegten Tatzeitraum. Schliesslich ist die Prognose auch deshalb so schlecht, weil der Angeklagte weder über eine Familie oder sonstige soziale Bindungen noch über eine Arbeit bzw. eine Beschäftigung verfügt, die ihm den nötigen Rückhalt geben könnten. Demzufolge ist die Freiheitsstrafe von 27 Monaten unbedingt auszusprechen; allerdings steht einer Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft gemäss Art. 51 StGB nichts im Wege.


4. ( … )


5. ( … )


KGE ZS vom 17. Juni 2008 i.S. Staatsanwaltschaft gegen T.O. (100 07 1128 [A 270]/NEP)



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