Zivilprozessrecht

Erläuterung - Anfechtbarkeit eines Erläuterungsentscheids und Erläuterungsfähigkeit von gerichtlichen Vergleichen


Die Anfechtbarkeit des Erläuterungsentscheids ist anhand des inhaltlichen Gegenstands des Erläuterungsbegehrens zu beurteilen; dies unabhängig davon, welches Rechtsmittel gegen den Erstentscheid zulässig war. Das Erläuterungsurteil selbst und nicht der zu erläuternde Entscheid muss die Appellationsvoraussetzungen des § 9 ZPO erfüllen (§ 227 Abs. 2 ZPO).


Ein gerichtlicher Vergleich ist nicht erläuterungsfähig, es sei denn, er unterliegt der gerichtlichen Genehmigung und verliert dadurch seinen privatrechtlichen Charakter (§ 226 ZPO).



Erwägungen

1. Gemäss § 227 Abs. 2 ZPO ist ein Urteil, das auf ein Erläuterungsbegehren hin ergeht, appellabel, wenn es von einem Gericht unterer Instanz ausgeht und die übrigen Appellationsvoraussetzungen des § 9 ZPO erfüllt sind.


1.1 ( … )


1.2 Fraglich ist, wie die Regelung in § 227 Abs. 2 ZPO auszulegen ist. In der Tat geht ein Teil der Lehre davon aus, ein Erläuterungsurteil könne nur mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das gegen den Erstentscheid zulässig war. Ein Erläuterungsentscheid sei daher nur appellabel, wenn gegen den zu erläuternden Entscheid die Appellation möglich gewesen sei (Haas, a.a.O., S. 192). Die Bestimmung in § 227 Abs. 2 ZPO kann jedoch auch dahingehend verstanden werden, die Anfechtbarkeit des Erläuterungsentscheids sei anhand des inhaltlichen Gegenstands des Erläuterungsbegehrens zu beurteilen; dies unabhängig davon, welches Rechtsmittel gegen den Erstentscheid zulässig war.


Entgegen den Ausführungen der Appellaten besteht keine gefestigte kantonsgerichtliche Praxis zu dieser Frage; dies bereits aufgrund der Seltenheit entsprechender Fälle. Nach Meinung des Kantonsgerichts spricht zwar Einiges dafür, auf dem Wege des Erläuterungsverfahrens keine Erweiterung der Rechtsmittel zu schaffen. Jedoch muss aufgrund des klaren Wortlauts der heutigen Regelung in § 227 Abs. 2 ZPO der zweiten Auslegungsvariante der Vorzug gegeben werden (vgl. auch Schweizer, a.a.O., S. 128 f.). Das Erläuterungsurteil selbst (und nicht der ursprüngliche Entscheid) muss folglich die Appellationsvoraussetzungen des § 9 ZPO erfüllen.


Im Urteil vom 29. November 2007, welches auf das Erläuterungsbegehren hin erging, geht es materiell um die Feststellung des Eigentums bzw. um eine Grundbuchberichtigung (Rückabwicklung eines Grundstückkaufvertrags und deren nähere Modalitäten). Der Streitwert ist damit unbestimmt und das Urteil gemäss § 9 Abs. 1 lit. c ZPO appellabel. Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man zur Ermittlung des Streitwerts auf den Gegenstand des ursprünglichen Prozesses abstellt. Das Hauptbegehren lautete auch damals auf Feststellung des Eigentums und Grundbuchberichtigung. Es kann daher in casu offen gelassen werden, ob bzw. inwiefern zur Bestimmung des Streitwerts des Erläuterungsurteils der Prozessgegenstand des ursprünglichen Verfahrens herbeizuziehen ist.


1.2 ( … )


2. Gemäss § 226 ZPO kann jede Partei beim Richter, welcher das Urteil erlassen hat, um Erläuterung nachsuchen, wenn die Bestimmungen (Dispositiv) eines Urteils unklar, zweideutig oder widersprechend sind. Der Rechtsbehelf der Erläuterung dient dazu, bereits getroffene Anordnungen durch authentische Interpretation des erlassenden Gerichts klarzustellen. Mit anderen Worten soll die Möglichkeit bestehen, einen vom Gericht klar gedachten und gewollten, aber unklar formulierten Entscheid nachträglich klar zu formulieren oder zu präzisieren. Die nachträgliche Erläuterung dient bloss der formellen Änderung, Verdeutlichung und Vollstreckbarmachung; sie bezweckt jedoch nicht die inhaltliche Änderung des Entscheids (Schweizer, Rechtsmittelsystem der basellandschaftlichen Zivilprozessordnung, Diss. Basel, 1988, S. 119; Weibel/Rutz, Gerichtspraxis zur basellandschaftlichen Zivilprozessordnung, 1986, S. 269).


2.1 Strittig und zu prüfen ist zunächst, ob die Vorinstanz zu Recht davon ausging, Ziffer 2 der Abschreibeverfügung bzw. Ziffer 2 des Vergleichs vom 24. Mai 2007 seien erläuterungsfähig.


( … )


2.2 In der Tat wird in der Lehre praktisch einhellig die Meinung vertreten, erläuterungsfähig seien nur Erlasse, die eine gerichtliche Entscheidung enthalten, weil nur bei diesen von einer erkennenden Tätigkeit des Richters gesprochen werden könne. Gerichtlichen Vergleichen jedoch komme kein Erkenntnischarakter zu und sie seien daher nicht erläuterungsfähig, es sei denn, sie würden zu ihrer Gültigkeit der gerichtlichen Genehmigung bedürfen (Stähelin/Sutter, Zivilprozessrecht, 1992, § 21 N 118; Weibel/Rutz, a.a.O., S. 269; Schweizer, a.a.O., S. 121; Haas, Berichtigung und Erläuterung im Zivilprozess der Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Aargau und Solothurn, Diss. Basel, 1998, S. 147 ff.).


Die Vorinstanz hat nun betreffend die Erläuterungsfähigkeit von gerichtlichen Vergleichen eine weitere Differenzierung eingeführt. Sie unterscheidet zwischen einem aussergerichtlich ausgehandelten oder unter Einbezug der Parteien redigierten Vergleich und einem vom Gericht vorformulierten Vergleichsvorschlag. Wenn die unklare oder zumindest umstrittene Formulierung vom Gericht ausgehe, müsse anders als bei einem aussergerichtlich ausgehandelten oder allenfalls bei einem unter Einbezug der Parteien redigierten Vergleich, die Erläuterung möglich sein. Es sei hier einzig das Gericht, welches die vereinbarten Punkte authentisch interpretieren könne (angefochtenes Urteil E. 2.2).


Nach Meinung des Kantonsgerichts ist dem nicht beizupflichten. Dies einerseits, weil bei einem durch das Gericht unterbreiteten Vergleich die Mitwirkung der Parteien sehr unterschiedlich ausfallen kann. Es würde grosse Abgrenzungsprobleme mit sich bringen, zu entscheiden, ob die Formulierung im Einzelfall (allein) vom Gericht bestimmt wurde, oder ob und wie stark die Parteien auf die Ausgestaltung des Vergleichs Einfluss nahmen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil Vergleichsverhandlungen nicht protokolliert werden. Ferner gehen die Willenserklärungen letztlich von den Parteien und nicht vom Gericht aus. Nach privatrechtlichen Grundsätzen ist entscheidend, was die Parteien unter dem Vergleich verstanden haben bzw. verstehen durften und nicht, was vom Gericht gewollt war. Das Gericht kann daher nicht befugt sein, die Vereinbarung autoritativ nach dem von ihm angestrebten Zweck bzw. Willen auszulegen bzw. zu erläutern. Ergibt sich bei der Abwicklung ein Streit über die Tragweite oder die Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs, so müssen die Parteien zur Geltendmachung der aus dem Vergleich abgeleiteten Ansprüche den gewöhnlichen Prozessweg beschreiten. Der Richter, der den vorangegangenen Prozess als durch Vergleich erledigt abgeschrieben hat, kann dabei höchstens als Zeuge in Betracht kommen (Haas, a.a.O., S. 148 f.). War ein Punkt für eine Partei wesentlich, so obliegt es ihr grundsätzlich, zu verlangen, dass dieser in den Vergleich aufgenommen wird. Ein gerichtlicher Vergleich ist somit nicht erläuterungsfähig, es sei denn, er unterliege der gerichtlichen Genehmigung und verliere dadurch seinen privatrechtlichen Charakter (vgl. BGE 119 II 297 E. 3 m.w.H.).


Was die Erläuterungsfähigkeit der Ziffer 2 des Abschreibungsbeschlusses betrifft, so ist festzuhalten, dass ein Abschreibungsbeschluss grundsätzlich der Erläuterung zugänglich ist. Es handelt sich hierbei um eine gerichtliche Willenserklärung mit Erkenntnisfunktion. Im vorliegenden Fall ist jedoch auch Ziffer 2 der Abschreibungsverfügung nicht erläuterungsfähig, zumal sie wortwörtlich mit der Formulierung in Ziffer 2 des beigehefteten Vergleichs übereinstimmt. Es wäre in sich widersprüchlich unter diesen Umständen die Erläuterung der Ziffer 2 der Abschreibungsverfügung zuzulassen. Die Vorinstanz hätte folglich, wie die Appellantin zu Recht geltend macht, auf das Erläuterungsbegehren vom 5. September 2007 nicht eintreten dürfen.


3. ( … )


4. ( … )


KGE ZS vom 20. Mai 2008 i.S. R. C., C. K. und R. N. gegen C. S. (100 08 55/LJK)



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