Steuern und Abgaben

Steuererlass aufgrund des Vertrauensschutzes


Materielle Voraussetzung des Steuererlasses (Art. 167 Abs. 1 DBG, Art. 139 Abs. 1 StG; E. 4.1 - 4.2.1)


Das Konkubinat ist kein Institut des Familienrechts; dem Konkubinatspartner stehen keine Unterhalts- und Beistandsansprüche gegen den anderen Partner zu. Insofern handelt es sich bei der finanziellen Unterstützung des Konkubinatspartners um eine freiwillige Leistung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 EV DGB, womit eine so entstandene Notlage selbstverschuldet ist und die Ausgaben für den Partner bei der Beurteilung des Erlassgesuchs grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (E. 5)


Das Gesetzmässigkeitsprinzip verlangt zwar, dass die Verwaltungsbehörde grundsätzlich nach Massgabe des Gesetzes und nicht nach Massgabe der vom Gesetz abweichenden Auskunft entscheidet. Trotzdem kann eine unrichtige behördliche Auskunft eine Vertrauensgrundlage bilden und beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, Rechtswirkungen haben (E. 6 - 6.4)


Das betreibungsrechtliche Existenzminimum ist so zu berechnen, wie es aufgrund des zu schützenden Vertrauens anzunehmen ist (E. 6.5)


Sachverhalt


Am 29. Oktober 2007 stellte B. bei der Gemeindeverwaltung ein Gesuch um Erlass der Gemeindesteuern des Jahres 2006 (Fr. 2'184.80). Zusätzlich beantragte sie gleichentags auch bei der Finanz- und Kirchendirektion (FKD) einen Erlass der Staats- und Bundessteuern 2006 (Fr. 3'526.00 und Fr. 345.00). Sie begründete ihre Gesuche damit, dass ihre finanzielle Situation die Begleichung der Steuerrechnungen nicht zulasse, zumal die Steuerbeträge nicht ihrer effektiven finanziellen Leistungsfähigkeit entsprechen würden. Sie unterstütze ihren Konkubinatspartner vollumfänglich, da dieser keine Berechtigung auf Unterstützung durch die Sozialhilfe oder andere Institutionen habe. Dadurch seien ihr massive Mehrauslagen entstanden, womit es ihr nicht möglich sei, die Steuerrechnungen zu bezahlen. Am 15. Dezember stellte B. bei der FKD erneut ein Gesuch um Steuererlass für die Staats- und Bundessteuern des Jahres 2007 (Fr. 3'706.35 und Fr. 379.00) mit derselben Begründung wie im Jahr zuvor (29. Oktober 2007). Gleichzeitig beantragte sie hiermit sinngemäss den Erlass der Gemeindesteuern des Jahres 2007 (Fr. 2'323.10). Mit Entscheid vom 12. Januar 2009 wies die FKD die Steuererlassgesuche ab.


Gegen diesen Entscheid erhob B. am 15. Januar 2009 Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft (Regierungsrat). Gemäss den Sozialämtern habe die Beschwerdeführerin als Konkubinatspartnerin vollumfänglich für ihren Partner aufzukommen. Aus diesem Grund habe sie auch keine Rücklagen mehr, das Vermögen sei aufgebraucht. Sie bitte darum, bei der Berechnung der Lebenshaltungskosten die vollen Miet- und Nebenkosten, Krankenkassenprämien und den Grundbedarf für sich und ihren Partner einzubeziehen. Mit Beschluss vom 12. Mai 2009 wies der Regierungsrat die Beschwerde ab und bestätigte die Abweisung der Steuererlassgesuche. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die finanzielle Notlage nur eine Erlassvoraussetzung sei. Eine zweite sei, dass der Erlass ausschliesslich den Steuerpflichtigen und nicht etwa Dritten zugute kommen dürfe. Der Erlass der Steuern würde nicht der Beschwerdeführerin, welche mit ihren eigenen finanziellen Verhältnissen keine Probleme hätte, die Steuern zu begleichen, sondern ihrem Konkubinatspartner zugute kommen.


Gegen den Regierungsratsbeschluss vom 12. Mai 2009 erhob B. mit Eingabe vom 24. Mai 2009 beim Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsgericht (Kantonsgericht), Beschwerde und beantragte sinngemäss die Gutheissung ihrer Erlassgesuche sowie die Aufhebung des vorinstanzlichen Beschlusses. Die FKD und die Gemeinde beantragen jeweils in ihrer Vernehmlassung dem Kantonsgericht die Abweisung der Beschwerde vom 24. Mai 2009. Die FKD führte zudem aus, dass nach Auffassung des kantonalen Sozialamtes und dessen Handbuch zum Sozialhilferecht die Beschwerdeführerin zuerst ihre eigenen Verpflichtungen zu regeln habe. Die finanzielle Unterstützung eines Lebenspartners richte sich nach dem Betrag, welcher nach Abzug der Kosten gemäss sozialhilferechtlichem Existenzminimum sowie Steuern, zur freien Verfügung stehe. Das Einkommen der Beschwerdeführerin sei ausreichend, um ihren eigenen Verpflichtungen nachzukommen. Aus dem Steuererlassentscheid der Steuerverwaltung von Basel-Stadt resultiere kein Präjudiz gegenüber der Steuererlasspraxis im Kanton Basel-Landschaft.


Erwägungen


1. - 3.3 ( … )


4.1 Materielle Voraussetzung des Steuererlasses ist in objektiver Hinsicht zunächst, dass die Steuerveranlagung abgeschlossen ist und eine rechtskräftig veranlagte Steuer vorliegt. Erst wenn die genaue Höhe der geschuldeten Beträge im Veranlagungsverfahren festgesetzt worden ist, kann im Rahmen des Erlassverfahrens - einem Institut des Steuerbezugs - auch über einen allfälligen Erlass derselben entschieden werden. Das Erlassverfahren ersetzt mithin weder das Rechtsmittelverfahren noch soll damit die Revision rechtskräftiger Steuerveranlagungen bezweckt werden (vgl. ausdrücklich Art. 1 Abs. 2 EV DBG; Beusch, a.a.O., N. 7 zu Art. 167 DBG). Weiter ist vorausgesetzt, dass die Steuer noch überhaupt nicht oder nur unter Vorbehalt bezahlt worden ist. Wurde eine Steuer (vorbehaltlos) bezahlt, so ist die Steuerforderung durch Erfüllung untergegangen und ein Erlass derselben naturgemäss nicht mehr möglich. Der betreffende Steuerbetrag ist mithin nicht mehr "geschuldet" im Sinne von Art. 167 Abs. 1 DBG bzw. § 139b Abs. 1 StG (vgl. im Zusammenhang mit der direkten Bundessteuer ausdrücklich Art. 7 Abs. 2 bzw. Abs. 3 lit. b EV DBG).


4.2.1 In subjektiver Hinsicht wird die Gewährung des Steuererlasses sodann vom Vorliegen einer Notlage bzw. einer grossen Härte für die gesuchstellende Person abhängig gemacht (Art. 167 Abs. 1 DBG; § 139b Abs. 1 StG). Eine Notlage lag nach konstanter Rechtsprechung des ehemaligen Verwaltungsgerichts zum inhaltlich ähnlichen § 142 Abs. 1 aStG vor, wenn die steuerpflichtige Person nicht in der Lage war, mit dem zur Verfügung stehenden Einkommen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine unbillige Härte war nach der Praxis des Verwaltungsgerichts zu bejahen, wenn die Bezahlung des geschuldeten Betrags für die Schuldnerin oder den Schuldner ein Opfer bedeutet hätte, das in einem Missverhältnis zu ihrer bzw. seiner finanziellen Leistungsfähigkeit stand und ihr bzw. ihm nicht zugemutet werden konnte (vgl. grundlegend BLVGE 1982, S. 39; zuletzt VGE i.S. S.R. vom 15. Februar 1995 [94/237] E. 2). Obwohl die beiden subjektiven Voraussetzungen der Notlage und der grossen Härte auch in Art. 167 Abs. 1 DBG und in § 139b Abs. 1 StG jeweils einzeln genannt werden, lassen sie sich nicht scharf voneinander abgrenzen, sondern überschneiden sich weitgehend. Entsprechend enthält die Legaldefinition der Notlage in Art. 9 Abs. 1 EV DBG denn auch Elemente - namentlich dasjenige des Missverhältnisses -, welche zwanglos auch dem Begriff der grossen Härte zugeordnet werden könnten (vgl. Beusch, a.a.O., N. 18 zu Art. 167 DBG). Eine Notlage im Sinne der genannten Bestimmung liegt somit vor, wenn der ganze geschuldete Betrag in einem Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit der steuerpflichtigen Person steht. Bei natürlichen Personen ist ein solches Missverhältnis insbesondere dann gegeben, wenn die Steuerschuld trotz Einschränkung der Lebenshaltungskosten auf das Existenzminimum in absehbarer Zeit nicht vollumfänglich beglichen werden kann. In jedem Fall liegt eine Notlage vor bei Einkommens- und Vermögenslosigkeit oder wenn die öffentliche Hand für die Lebenshaltungskosten der steuerpflichtigen Person und deren Familie aufkommen muss (Art. 9 Abs. 2 EV DBG). Aus welchem Grund die steuerpflichtige Person in eine solche Notlage geraten ist, ist für den Erlassentscheid grundsätzlich unerheblich (vgl. ausdrücklich Art. 2 Abs. 2 EV DBG). Nicht berücksichtigt wird indessen eine selbstverschuldete Notlage, wie dies etwa bei einer freiwilligen Entäusserung von Einkommensquellen oder Vermögenswerten der Fall ist (vgl. Art. 12 Abs. 2 EV DBG). Anerkannte Ursachen für eine Notlage im Sinne der vorstehenden Erwägungen sind demnach vorwiegend ausserordentliche Umstände wie eine aussergewöhnliche Belastung durch den Unterhalt der Familie, andauernde Arbeitslosigkeit oder Krankheit sowie Unglücksfälle etc. (vgl. auch die beispielhafte Aufzählung anerkannter Ursachen für eine Notlage in Art. 10 Abs. 1 lit. a-d EV DBG).


4.2.2 (…)


5.1 Vorliegend ist unbestritten, dass sich die Einkommens- und Vermögenssituation der Beschwerdeführerin ab 2006 - zuvor hatte sie im Kanton Basel-Stadt einen Steuererlass erhalten - wesentlich verschlechtert hat und sie derzeit in engen finanziellen Verhältnissen lebt. Die vorliegend desolate wirtschaftliche Situation der Beschwerdeführerin gründet unbestrittenermassen in dem Umstand, dass sie seit gut 10 Jahren ihren mehrheitlich arbeitslosen Konkubinatspartner finanziell vollumfänglich unterstützt. Es ist somit vorerst zu prüfen, ob es sich bei dieser finanziellen Unterstützung um eine gesetzliche Pflicht handelt oder allenfalls um eine freiwillige Leistung der Beschwerdeführerin.


5.2 Das Konkubinat ist kein Institut des Familienrechts; dem Konkubinatspartner stehen keine Unterhalts- und Beistandsansprüche gegen den anderen Partner zu. Vielmehr steht es den Partnern frei, die Beziehungen unter sich durch vertragliche Vereinbarungen zu regeln. (vgl. hierzu Frank/Grisberger/Vogt/Walder/Weber, Die eheähnliche Gemeinschaft [Konkubinat] im schweizerischen Recht, Zürich 1984, § 8 Rz. 4 und BGE 129 I 1 E. 3.2.4 mit Hinweisen sowie BGE 112 Ia 251 E. 4b mit Hinweisen). Dies kann zwar auch konkludent geschehen, doch reicht dazu gemäss der Rechtsprechung des damaligen Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG; seit 1. Januar 2007: Bundesgericht, sozialrechtliche Abteilungen) der blosse Umstand, dass die Konkubinatspartnerin ihrem Partner während längerer Zeit Unterhaltsleistungen erbrachte, nicht aus (vgl. hierzu Urteil des EVG vom 14. Juli 2004, Nr. U 104/03). Nach Würdigung der vorliegenden Aktenlage besteht zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Konkubinatspartner keine vertragliche Regelung betreffend Unterhalts- sowie Beistandspflichten. Andere Umstände, welche die Annahme eines konkludenten Unterhaltsvertrages zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Partner rechtfertigen würden, bringt die Beschwerdeführerin nicht vor. Auch können entgegen der Auffassung der Gemeinde nicht die Regelungen des Bundesgesetzes über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz, PartG) vom 18. Juni 2004 in Analogie herangezogen werden. Die Umschreibung des Regelungsgegenstandes des PartG stellt klar, dass das Schweizer Institut der eingetragenen Partnerschaft nur gleichgeschlechtlichen Paaren offen steht. Verschiedengeschlechtlichen Paaren steht die eingetragene Partnerschaft deshalb nicht zur Verfügung, weil sie heiraten können und die Öffnung der eingetragenen Partnerschaft für verschiedengeschlechtliche Paare im Widerspruch stünde zum Verfassungsauftrag, die Ehe zu schützen (vgl. hierzu Andrea Büchler, Familienrechts-Kommentare, Eingetragene Partnerschaft, Art. 1 PartG, N 1). Aus den Akten geht auch nicht hervor, dass die Beschwerdeführerin und ihr Konkubinatspartner ihre Beziehung vertraglich den Regeln des PartG unterstellt hätten. Zudem ist auch die eheliche Unterhalts- und Beistandspflicht im Sinne von Art. 159 und Art. 163 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) vom 10. Dezember 1907 nicht auf das vorliegende Konkubinatsverhältnis anwendbar, da es sich offensichtlich eben nicht um eine Ehe im Sinne des ZGB handelt (vgl. hierzu Ivo Schwander in: Honsell/Vogt/Geiser, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I [BSK, ZGB I], 3. Auflage, Art. 159 N 3 und Franz Hasenböhler/ Andrea Opel in: BSK, ZGB I, Art. 163 N 2).


5.3 Zusammenfassend ist demzufolge festzustellen, dass objektiv keine gesetzliche und rechtlich bindende Verpflichtung der Beschwerdeführerin, ihren Konkubinatspartner finanziell zu unterstützen, besteht. Insofern handelt es sich bei der vorliegenden finanziellen Unterstützung des Konkubinatspartners um eine freiwillige Leistung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 EV DGB (vgl. E. 4.2.1 hiervor), womit die Notlage der Beschwerdeführerin selbstverschuldet ist und ihre Ausgaben für den Partner bei der Beurteilung des Erlassgesuchs grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.


6. Zu prüfen bleibt dennoch, ob die Beschwerdeführerin subjektiv von einer gesetzlichen Unterstützungspflicht des Konkubinatspartners ausgehen durfte und sie somit in ihrem Vertrauen zu schützen ist.


6.1 Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet ein loyales und vertrauenswürdiges Verhalten im Rechtsverkehr. Er ist für die Beziehungen unter den Privaten wie für das Verhältnis zwischen dem Gemeinwesen und den Privaten, aber auch zwischen den Gemeinwesen elementar (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz 622). Der Grundsatz von Treu und Glauben verleiht den Privaten in der Form des sogenannten Vertrauensschutzes einen Anspruch auf Schutz ihres berechtigten Vertrauens in das bestimmte Erwartungen begründende Verhalten der Behörden. Der Vertrauensschutz will im Sinne der Rechtsstaatsidee die Privaten gegen den Staat schützen. Anderseits verbietet der Grundsatz von Treu und Glauben als Verbot widersprüchlichen Verhaltens und als Verbot des Rechtsmissbrauchs sowohl den staatlichen Behörden wie auch den Privaten, sich in ihren öffentlich-rechtlichen Beziehungen widersprüchlich oder rechtsmissbräuchlich zu verhalten (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz 623).


6.2 Damit der Vertrauensschutz wirksam wird, muss zunächst eine Vertrauensgrundlage geschaffen werden. Dies setzt voraus, dass sich behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten auf eine konkrete, die betroffene Person berührende Angelegenheit beziehen (BGE 130 I 60 E. 8.1). Mit anderen Worten muss das Verhalten des staatlichen Organs bei den Betroffenen bestimmte Erwartungen auslösen. Entscheidend ist mithin der Bestimmtheitsgrad der Vertrauensgrundlage. Dieser muss so gross sein, dass die Privatperson daraus die für ihre Dispositionen massgebenden Informationen entnehmen kann (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 631). Typische Vertrauensgrundlagen sind deshalb Verfügungen und Entscheide, deren Funktion es gerade ist, der Privatperson Klarheit über ihre konkreten Rechte und Pflichten zu verschaffen, während Rechtssetzungsakte aus diesen Gründen in der Regel keine Vertrauensgrundlage darstellen. Eine praktisch besonders wichtige Anwendung des Vertrauensschutzes stellt sodann der Schutz der privaten Person bei unrichtigen Auskünften der Behörde dar. Das Gesetzmässigkeitsprinzip verlangt zwar, dass die Verwaltungsbehörde grundsätzlich nach Massgabe des Gesetzes und nicht nach Massgabe der vom Gesetz abweichenden Auskunft entscheidet. Trotzdem kann eine unrichtige behördliche Auskunft eine Vertrauensgrundlage bilden und beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, Rechtswirkungen haben. So setzt die Berufung auf den Vertrauensgrundsatz voraus, dass die behördliche Auskunft zur Begründung von Vertrauen geeignet war, diese von der zuständigen Behörde vorbehaltlos erteilt worden war, die allfällige Fehlerhaftigkeit weder erkennbar war noch erkannt werden musste, aufgrund der Auskunft eine Disposition getätigt wurde, die ohne Nachteil nicht wieder rückgängig gemacht werden kann und keine Änderung des Sachverhaltes oder der Rechtslage eingetreten ist. Schliesslich muss noch ein überwiegendes Interesse am Schutz des Vertrauens in die unrichtige Auskunft gegenüber dem Interesse an der richtigen Rechtsanwendung vorliegen (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 668 ff. mit Hinweisen).


6.3.1 Die Beschwerdeführerin führt aus, dass sie aufgrund der Information der Sozialhilfebehörde der Gemeinde davon ausgegangen sei, dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sei, ihren arbeitslosen Konkubinatspartner zu unterstützen und er aus diesem Grund keinen Sozialhilfeanspruch habe. Infolgedessen habe sie ihren Konkubinatspartner guten Glaubens auch weiterhin finanziell unterstützt. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass nicht mehr eruiert werden kann, ob und allenfalls, in welcher Form die fragliche Auskunft erteilt worden ist. Fest steht aber, dass die Sozialhilfebehörde der Gemeinde in ihrem Schreiben vom 25. April 2009 die vorgenannte Behauptung der Beschwerdeführerin vorbehaltlos bestätigt, indem sie unter Hinweis auf das PartG und die Beistandspflicht gemäss ZGB einen Sozialhilfeanspruch des Partners verneint. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass auch bereits zuvor dieselbe Information erteilt wurde, wodurch die Beschwerdeführerin in den darauffolgenden Jahren ihren Partner weiterhin vollumfänglich unterstützt hat, was sie bei einer gegenteiligen Auskunft der Sozialhilfebehörde höchst wahrscheinlich nicht gemacht hätte. Die damalige Aussage der Sozialhilfebehörde der Gemeinde war somit geeignet, bei der Beschwerdeführerin schutzwürdiges Vertrauen zu begründen, sicherlich verstärkt dadurch, dass sie auch im Kanton Basel-Stadt in den Jahren zuvor (2003-2005) dieselbe Auskunft betreffend ihrer Unterstützungspflicht erhalten hatte.


6.3.2 Diesbezüglich bleibt zusätzlich zu beachten, dass widersprüchliches Verhalten der Verwaltungsbehörden grundsätzlich - wie in Erwägung 6.1 dargelegt - gegen Treu und Glauben verstösst (vgl. Art. 5 Abs. 3 BV). Die Verwaltungsbehörden dürfen insbesondere nicht einen einmal in einer bestimmten Angelegenheit eingenommenen Standpunkt ohne sachlichen Grund wechseln (vgl. hierzu Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O. Rz. 707 f.). Es liegt auf der Hand, dass sich die Verwaltungsbehörden der Gemeinde in ihren Auskünften offensichtlich widersprüchlich verhalten, indem die Steuerbehörde einen Steuererlass der Beschwerdeführerin mit dem Argument verneint, sie habe keine gesetzliche Unterstützungspflicht gegenüber ihrem Konkubinatspartner, womit es sich bei ihrer finanziellen Unterstützung um eine freiwillige Leistung handle, welche einen Steuererlass grundsätzlich ausschliesse. Die Sozialhilfebehörde derselben Gemeinde bejaht hingegen eine solche gesetzliche Unterstützungspflicht, wenn auch mit den falschen gesetzlichen Grundlagen (vgl. E. 6.3.1). Diese Fehlerhaftigkeit der Auskunft war für die Beschwerdeführerin, als juristischer Laie, nicht erkennbar und hätte von ihr auch nicht erkannt werden müssen. Auch die Frage der Zuständigkeit kann bejaht werden, da die Beschwerdeführerin ohne weiteres davon ausgehen durfte, dass die Sozialhilfebehörde der Gemeinde für die Erteilung der in Frage stehenden Auskunft befugt war.


6.3.3 Indem die Beschwerdeführerin nach Erteilung der behördlichen Auskunft ihren Konkubinatspartner weiterhin finanziell unterstützte, liegt unweigerlich eine Vertrauensbetätigung vor, die ohne Nachteil nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Aus den Akten ist des Weiteren auch nicht ersichtlich, dass sich der Sachverhalt oder allenfalls die Rechtslage seit der Erteilung der fraglichen Aussage geändert hätte.


6.3.4 Nach Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen ist schliesslich zum Schluss zu kommen, dass dem privaten Interesse der Beschwerdeführerin am Schutz ihres Vertrauens in die unrichtige Auskunft vorliegend mehr Gewicht zukommt als dem öffentlichen Interesse. Der Schutz des privaten Vertrauens in die vorbehaltlos erteilte Auskunft der Sozialhilfebehörde der Gemeinde, wonach die Beschwerdeführerin gesetzlich verpflichtet sei, ihren Konkubinatspartner vollumfänglich finanziell zu unterstützen, überwiegt in casu das öffentliche Interesse an der richtigen Rechtsanwendung.


6.4 Nach dem Gesagten ist zusammenfassend festzustellen, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Vertrauen zu schützen ist, indem sie subjektiv in gutem Glauben von einer gesetzlichen Unterstützungspflicht ausgegangen ist und nachteilige Vermögensdispositionen vorgenommen hat. Die Auskunft der Sozialhilfebehörde der Gemeinde wird somit trotz ihrer Unrichtigkeit in casu verbindlich.


6.5 Aufgrund der obigen Ausführungen ist nachfolgend das Existenzminimum der Beschwerdeführerin zu berechnen, wie es aufgrund des zu schützenden Vertrauens anzunehmen ist. Praxisgemäss stützt sich diese Berechnung auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum (Notbedarf nach Artikel 93 des SchKG) und die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 24. November 2000.


Diesen Ausgaben in der Höhe von Fr. 4'643.-- stehen monatliche Einkünfte von Fr. 4'398.-- gegenüber, was einen Negativsaldo von Fr. 245.-- ergibt. Reichen die Einkünfte der gesuchstellenden Personen nicht aus, um die laufenden, nach betreibungsrechtlichen Massstäben festgelegten Lebenshaltungskosten zu decken, so ist ein Erlassgrund in der Regel zu bejahen (vgl. E. 4.2.1 hiervor). Da zur Beurteilung der Frage, ob eine Notlage oder unbillige Härte im Sinne des Art. 167 Abs. 1 DBG und § 139b Abs. 1 StG vorliegt, üblicherweise eine Orientierung an den Kriterien zur Ermittlung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vorgenommen wird und die Einnahmen nicht für die Bestreitung der Lebenskosten und Zahlungspflichten ausreichen, liegt demnach eine Notlage für die Beschwerdeführerin vor. Demzufolge ist ein Erlass der direkten Bundessteuern, der Staatssteuern und der Gemeindesteuern für die Jahre 2006 und 2007 unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes zu gewähren.


7. - 9. (…)


KGE VV vom 23. September 2009 i.S. B. (810 09 183)



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