Datenschutz

Auskunftsrecht in Bezug auf medizinische Behandlungsunterlagen


Das Einsichtsrecht gibt einer Person die Möglichkeit, direkten physischen Zugang zu den gewünschten Informationen zu erhalten. Demgegenüber bezieht sich das Auskunftsrecht auf die Auskunftserteilung über die betreffenden Informationen, sei dies aufgrund mündlicher Mitteilung oder schriftlich in Form von Fotokopien der in Frage stehenden Dokumente (E. 4.5).


Bei der Übermittlung von Kopien medizinischer Unterlagen an die betroffene Person handelt es sich um eine schriftliche Auskunft im Sinne von § 18 Abs. 2 Datenschutzgesetz, für die gemäss § 29 Abs. 2 lit. a Datenschutzgesetz keine Gebühren erhoben werden können (E. 4.6).



Sachverhalt

A. Mit Schreiben vom 16. Januar 2009 ersuchte X. das Kantonsspital Bruderholz (nachfolgend: Kantonsspital) im Zusammenhang mit einer haftpflicht- und versicherungsrechtlichen Angelegenheit um Zustellung ihrer medizinischen Unterlagen in Kopie. Am 17. Februar 2009 übermittelte das Kantonsspital X. die gesamten Krankenakten und stellte ihr dafür Fr. 10.-- als Grundgebühr, Fr. 33.80 für 169 Kopien à Fr. 0.20 sowie Fr. 60.-- für Arbeitsaufwand, gesamthaft somit Fr. 103.80, in Rechnung. Dagegen erhob X. am 2. März 2009 Beschwerde beim Regierungsrat. Sie stellte den Antrag, die Rechnung sei aufzuheben und das Kantonsspital Bruderholz sei zu verpflichten, ihr kostenlos Einsicht in die vollständige Krankengeschichte zu gewähren. Mit Entscheid vom 9. Juni 2009 wies der Regierungsrat die Beschwerde ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar gemäss § 29 Abs. 2 Buchstabe a des Gesetzes über den Schutz von Personendaten (Datenschutzgesetz) vom 7. März 1991 die Einsichtnahme und Auskunft an die betroffene Person gebührenfrei seien. Diese Bestimmung beziehe sich jedoch nur auf die Einsichtnahme und Auskunftserteilung vor Ort. Die Erstellung von Kopien und deren Versand seien davon nicht erfasst. Vorliegend sei das Kantonsspital gestützt auf § 11 Abs. 3 der Verordnung über die Rechte und Pflichten der Patienten in den kantonalen Krankenanstalten (Patientenverordnung) vom 1. November 1988 zur Gebührenerhebung berechtigt gewesen. Gegen den Entscheid des Regierungsrats erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 22. Juni 2009 Beschwerde beim Kantonsgericht, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht (Kantonsgericht).



Erwägungen

1.-3. (…)


4.1 Umstritten ist vorliegend, ob das Kantonsspital der Beschwerdeführerin für die Zustellung von Kopien medizinischer Unterlagen zu Recht den Betrag von Fr. 103.80 in Rechnung gestellt hat. Die Anwendbarkeit des kantonalen Datenschutzgesetzes - und nicht des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG) vom 19. Juni 1992 - wird von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht mehr bestritten. So handelt es sich beim Kantonsspital, wie auch die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zutreffend ausführt, um eine kantonale Behörde im Sinne von § 3 lit. a Datenschutzgesetz. Unbestritten ist sodann, dass die fraglichen medizinischen Unterlagen Personendaten gemäss § 5 Datenschutzgesetz enthalten. Der Anwendungsbereich des DSG ist demgegenüber auf das Bearbeiten von Daten natürlicher und juristischer Personen durch private Personen sowie Bundesorgane beschränkt.


4.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass gestützt auf eine korrekte Auslegung von § 29 Abs. 2 lit. a Datenschutzgesetz die schriftliche Auskunft mittels Kopien kostenlos zu erfolgen habe. Der vom Beschwerdegegner angeführte § 11 Abs. 3 Patientenverordnung, wonach Kopien der einsehbaren Unterlagen gegen Gebühr erhältlich sind, widerspreche damit dem Datenschutzgesetz. Da die Patientenverordnung vom 1. November 1988, das Datenschutzgesetz jedoch vom 7. März 1991 datiere, sei die Bestimmung gestützt auf den Grundsatz "lex posterior derogat legi priori" nicht anwendbar.


4.3 Die Vorinstanz führt im angefochtenen Entscheid aus, dass sich der Anspruch auf gebührenfreie Einsicht und Auskunft nach § 29 Abs. 2 lit. a Datenschutzgesetz einzig auf die Einsichtnahme und Auskunftserteilung vor Ort beziehe. Die Erstellung von Kopien und deren Versand seien davon nicht erfasst, weshalb dafür eine Kanzleigebühr erhoben werden dürfe. In der Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 3. August 2009 wird wiederum geltend gemacht, aus dem Wortlaut von § 29 Abs. 2 lit. a Datenschutzgesetz ergebe sich klar, dass lediglich die Einsichtnahme vor Ort, nicht jedoch die Zustellung von Kopien kostenlos sein solle. So sei offensichtlich, dass das Erstellen und Versenden von Kopien einen erheblich grösseren Verwaltungsaufwand verursache als die Bereitstellung eines Dossiers für eine Einsichtnahme vor Ort. Die Regelung von § 11 Abs. 3 Patientenverordnung decke sich im Übrigen mit einer korrekten Auslegung des Datenschutzgesetzes.


4.4 Gemäss § 18 Abs. 1 Datenschutzgesetz erhält jede Person auf Verlangen Auskunft, welche Daten über sie in einer bestimmten Datensammlung bearbeitet werden. Die Auskunft wird in allgemeinverständlicher Form und auf Verlangen schriftlich erteilt (§ 18 Abs. 2 Datenschutzgesetz). Nach § 18 Abs. 3 Datenschutzgesetz erhält sodann jede Person auf Verlangen Einsicht in ihre Daten. In § 29 Abs. 1 Datenschutzgesetz ist geregelt, dass die Behörden für die auf dieses Gesetz gestützten Verrichtungen Gebühren erheben, welche sich nach dem Verwaltungsaufwand bemessen und Fr. 5.-- bis Fr. 5'000.-- betragen. Keine Gebühren werden unter anderem erhoben für die Einsichtnahme und Auskunft an die betroffene Person (§ 29 Abs. 2 lit. a Datenschutzgesetz). Diese Regelung entspricht im Wesentlichen der Regelung auf Bundesebene, wonach die Auskunft in der Regel schriftlich, in Form eines Ausdrucks oder einer Fotokopie sowie kostenlos zu erteilen ist (Art. 8 Abs. 5 DSG). Vorliegend stellt sich damit die Frage, ob die Zustellung von medizinischen Unterlagen an die Beschwerdeführerin durch das Kantonsspital als kostenlose Einsichtnahme respektive Auskunft im Sinne von § 29 Abs. 2 lit. a Datenschutzgesetz anzusehen ist.


4.5 Das Einsichts- sowie das Auskunftsrecht im Sinne der obgenannten Bestimmungen des Datenschutzgesetzes sind Teil des sog. Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, wie es in Lehre und Rechtsprechung anerkannt wird (vgl. Rainer J. Schweizer, St. Galler Kommentar zu Art. 13 BV, N 45; BGE 122 I 153 E. 6b/aa). Trotz gemeinsamer Grundlage ist dabei zwischen dem Einsichtsrecht und dem Auskunftsrecht zu unterscheiden. Das Einsichtsrecht gibt einer Person die Möglichkeit, direkten physischen Zugang zu den gewünschten Informationen zu erhalten. Demgegenüber bezieht sich das Auskunftsrecht auf die Auskunftserteilung über die betreffenden Informationen, sei dies aufgrund mündlicher Mitteilung oder schriftlich in Form von Fotokopien der in Frage stehenden Dokumente (vgl. Oliver Schnyder, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht, Bern 2002, S. 4 ff.; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 9. November 2004, in: BVR 2005 S. 301 ff. E. 4.4).


4.6 Im Lichte der vorstehenden Erwägungen handelt es sich bei der vorliegend erfolgten Übermittlung von Kopien medizinischer Unterlagen an die Beschwerdeführerin um eine schriftliche Auskunft im Sinne von § 18 Abs. 2 Datenschutzgesetz. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 29 Abs. 2 lit. a Datenschutzgesetz dürfen dafür keine Gebühren erhoben werden. Die genannte Bestimmung des Datenschutzgesetzes geht als höherrangiges Recht der davon abweichenden Regelung von § 11 Abs. 3 Patientenverordnung ohne Weiteres vor. Die von der Beschwerdeführerin angerufene "lex posterior"-Regel gelangt dagegen vorliegend nicht zur Anwendung, bezieht sich diese doch einzig auf die Rangordnung zwischen Normen der gleichen Erlassstufe (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2008, A-5781/2007, E. 7.2). An der Kostenlosigkeit der Auskunft ändert im Übrigen auch der Umstand nichts, dass die fraglichen Unterlagen vorliegend nicht vor Ort ausgehändigt, sondern per Post zugestellt wurden. Sowohl das Kopieren wie auch der Versand der Unterlagen sind grundsätzlich in jedem Fall einer Auskunftserteilung erforderlich. Dass dem Kantonsspital durch den Versand der Unterlagen ein im Vergleich zu deren Aushändigung vor Ort unverhältnismässiger Mehraufwand entstanden wäre, ist angesichts des relativ geringen Umfangs der Akten nicht ersichtlich (vgl. BGE 125 II 312 [= Pra 89/2000 Nr. 44] E. 3b; siehe auch VPB 65 [2001] Nr. 50 E. 4c). Die Beschwerde ist nach dem Gesagten vollumfänglich gutzuheissen.


5. (…)


KGE VV vom 23.09.2009 i.S. X. (810 09 234)/WEM



Back to Top