Obligationenrecht

Abgeltung des Ferienlohnanspruchs mit dem laufenden Lohn


Ausnahme vom Verbot der Abgeltung des Ferienlohns: Voraussetzung ist neben der objektiven Notwendigkeit aufgrund der unregelmässigen Beschäftigung, dass sowohl aus dem Arbeitsvertrag wie auch aus den periodischen Lohnabrechnungen ersichtlich ist, welcher Teil des Arbeitslohnes den Ferienlohnanspruch abgelten soll (Art. Art. 329d Abs. 1 und 2 OR; E. 2).



Erwägungen

1. ( … )


2.1 Der Bezirksgerichtspräsident L. kam im Urteil vom 24. März 2009 zum Schluss, dass die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin und heutige Appellantin am 12. April 2008 gerechtfertigt war. Er verpflichtete die Beklagte allerdings noch zur Ausrichtung einer Ferienentschädigung von insgesamt CHF 2'332.40 brutto an den vormaligen Arbeitnehmer. Gegen den besagten Entscheid hat lediglich die Beklagte appelliert, so dass vor zweiter Instanz nur mehr strittig sein kann, ob die Abgeltung des Ferienlohnanspruchs mit dem laufenden Lohn zurecht erfolgt ist oder ob der Kläger eine erneute Zahlung von Ferienlohn geltend machen kann. Es wird dabei insbesondere zu prüfen sein, ob dem Appellaten ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorzuwerfen ist. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, es sei mit dem Kläger darin einig zu gehen, dass im Falle einer Ferienabgeltung durch einen entsprechenden Lohnzuschlag, wie dies im vorliegenden Fall von den Parteien gemäss ihren in diesem Punkt übereinstimmenden Ausführungen offenbar vereinbart worden sei, der entsprechende Lohnzuschlag stets gesondert und getrennt von der übrigen Lohnauszahlung auszuweisen sei. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, dass in der von ihr mit dem Kläger vereinbarten Umsatzbeteiligung die Ferienentschädigung bereits inbegriffen sei, sei sie demzufolge nicht zu hören. Die Appellantin lässt gegen das fragliche Urteil einwenden, die Ferien würden in ihrem Unternehmen seit Jahren nicht zusätzlich abgegolten und es sei mit sämtlichen Mitarbeitern abgemacht, dass der Ferienlohn in der Umsatzbeteiligung eingeschlossen sei. Eine solche Vereinbarung habe (mündlich) auch mit dem Kläger bestanden und bisher habe noch niemand einen solchen Anspruch angemeldet. Der Kläger könne nicht beweisen, dass mit ihm etwas anderes verabredet worden sei.


2.2 Nach Art. 329d Abs. 1 OR hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Ferien den gesamten darauf entfallenden Lohn zu entrichten. Nach Lehre und Rechtsprechung bedeutet diese Bestimmung, dass der Arbeitnehmer während den Ferien lohnmässig nicht schlechter gestellt werden darf, als wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte, zumal allein damit die Ferien ihrem Erholungszweck gerecht werden können. Der Arbeitgeber hat den Angestellten den Ferienlohn dann auszurichten, wenn sie den Urlaub beziehen. Die Angestellten sollen zu diesem Zeitpunkt über die erforderlichen Mittel verfügen, um die Ferien sorgenfrei verbringen zu können. Die Bestimmung ist relativ zwingend, so dass Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer schlechter stellen, nichtig sind (Art. 362 Abs. 2 OR). Die Durchsetzung des Verbots der Abgeltung mit dem laufenden Lohn kann bei unregelmässigen Beschäftigungen, so etwa bei Teilzeitstellen, Schwierigkeiten bereiten. Die Gerichtspraxis hat deshalb eine Abgeltung des Ferienlohnes in solchen Fällen oder bei sehr kurzen Arbeitseinsätzen in Abweichung vom Gesetzestext ausnahmsweise zugelassen. Voraussetzung ist allerdings neben der objektiven Notwendigkeit aufgrund der unregelmässigen Beschäftigung, dass sowohl aus dem Arbeitsvertrag wie auch aus den periodischen Lohnabrechnungen klar ersichtlich ist, welcher Teil des Arbeitslohnes den Ferienlohnanspruch abgelten soll (vgl. BGE 118 II 136 E. 3b; 116 II 515 E. 4a). Damit soll den Angestellten ermöglicht werden, ihr Feriengeld auszuscheiden und im Hinblick auf den späteren Ferienbezug auf die Seite zu legen. Da der für die Ferien bestimmte Betrag sowohl aus dem Arbeitsvertrag als auch aus den einzelnen Lohnabrechnungen eindeutig hervorgehen muss, ist eine schriftliche Fixierung unabdingbar. Nur so besteht für den Arbeitnehmer die notwendige Klarheit und kann er den genauen Betrag auch noch in einem späteren Zeitpunkt feststellen. Somit ist in allen Fällen unerlässlich, dass der Ferienlohn auf jeder periodischen Lohnabrechnung oder Lohnquittung prozent- oder betragsmässig ausgewiesen wird. Wurde ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen, ist die Vereinbarung über die laufende Ferienlohnabgeltung zudem in diesem Rahmen schriftlich zu treffen, unter Angabe des im Lohn eingeschlossenen, für die Ferien bestimmten Betrages oder prozentualen Lohnanteils. Einzig wenn die Parteien bloss einen mündlichen und keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen haben, rechtfertigt es sich, auch eine mündliche Abgeltungsvereinbarung zuzulassen (vgl. BGE 116 II 515 E. 4b). In einem solchen Fall wird mit der Erwähnung des Ferienlohnanteils in den periodischen Lohnabrechnungen genügend Klarheit geschaffen und die entsprechende mündliche Vereinbarung laufend in schriftlicher Form bestätigt.


2.3 Im vorliegenden Falle nun fehlt es bereits an den formellen Voraussetzungen für eine Abgeltung des Feriengeldes im laufenden Lohn. Aus den beigebrachten monatlichen Abrechnungen der Arbeitgeberin lässt sich lediglich der tägliche Umsatz sowie die entsprechende Beteiligung des Klägers entnehmen. Es fehlt hingegen auf den einzelnen monatlichen Abrechnungen ein Vermerk, in welcher Höhe ein Zuschlag zur Umsatzbeteiligung als Feriengeld entrichtet wurde. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag, der eine solche Abgeltungsvereinbarung festhalten würde, liegt ohnehin nicht vor. Es fehlt mithin offenkundig an einer gültigen Abrede über die Abgeltung des Ferienlohnes mit dem laufenden Leistungslohn und die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte grundsätzlich zur Nachzahlung des entsprechenden Ferienlohnes verpflichtet blieb. Die Berechnungen des konkreten Ferienlohnes, wie sie der Bezirksgerichtspräsident unter Ziff. 3 im Urteil vom 24. März 2009 vorgenommen hat, erweisen sich als korrekt und sind durch die Appellantin auch nicht bestritten worden. Die gängige Berechnungsmethode des Ferienlohnes für Arbeitnehmer ergibt bei der Kalkulation des Ferienlohnes am Entlassungstag einen Wert von 8,33 % des Jahreslohnes (vgl. BGE 129 III 664 E. 7.3). Ausgehend von einer massgebenden Umsatzbeteiligung von CHF 27'998.55 resultiert somit ein Ferienlohn von 2'332.40 brutto, welchen die Appellantin dem Kläger grundsätzlich schuldet. ( … )


3.1 Die Appellantin wendet sodann sinngemäss ein, der Kläger habe während des gesamten Arbeitsverhältnisses gewusst, dass die Ferienlohnentschädigung in der Umsatzbeteiligung inbegriffen gewesen sei. Unter diesen Umständen sei die Geltendmachung des Ferienlohnes nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtsmissbräuchlich. Der Appellat erwidert, er habe seinen Vorgesetzten wiederholt gefragt, was mit dem Ferienlohn sei. Dieser habe allerdings nie auf seine Nachfragen reagiert.


3.2 Gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB findet der offenbare Missbrauch eines Rechtes keinen Rechtsschutz. Wann ein solcher Missbrauch vorliegt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen, wobei die von der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs zu beachten sind. Zu diesen Fallgruppen ist etwa die Rechtsausübung zu zählen, die ohne schützenswertes Interesse erfolgt oder zu einem krassen Missverhältnis berechtigter Interessen führen würde. Ebenso kann gesagt werden, dass die Geltendmachung eines Rechts missbräuchlich ist, wenn sie im Widerspruch zu einem früheren Verhalten steht und dadurch erweckte berechtigte Erwartungen enttäuscht. Allerdings ist im Widerspruch zwischen der Zustimmung zu einer Vereinbarung und der nachträglichen Geltendmachung ihrer Ungültigkeit unter Berufung auf zwingendes Recht nur dann ein Rechtsmissbrauch zu erblicken, wenn zusätzliche besondere Umstände gegeben sind; ansonsten würde dem Arbeitnehmer der mit der zwingenden Gesetzesbestimmung gewährte Schutz auf dem Weg über Art. 2 ZGB wieder entzogen. Die Partei, die das Recht der Gegenpartei zur Anrufung der Nichtigkeit aufgrund eines Formmangels bestreitet, hat mithin besondere den konkreten Fall kennzeichnende Umstände nachzuweisen, die offensichtlich machen, dass die Berufung auf den Formmangel treuwidrig ist. Solche Umstände können vorliegen, wenn die Partei sich auf zwingendes Recht beruft, welche die dagegen verstossende Vereinbarung in eigenem Interesse und in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit selber vorgeschlagen und damit beim Rechtserwerb unredlich gehandelt hat. Besondere Umstände, welche die Berufung auf zwingendes Recht als missbräuchlich erscheinen lassen, sind sodann zu bejahen, wenn die von der angerufenen Norm zu schützenden Interessen entfallen oder sonst wie gewahrt wurden oder wenn die Partei mit der Geltendmachung der Nichtigkeit der Vereinbarung derart lange zuwartet, dass der anderen Partei dadurch verunmöglicht wurde, ihre eigenen Interessen zu wahren (BGE 129 III 498 E. mit weiteren Nachweisen).


3.3 Im vorliegenden Falle sind keine besonderen Umstände ersichtlich, welche die Geltendmachung der Ungültigkeit der Vereinbarung über die Abgeltung des Ferienlohns mit dem laufenden Lohn als rechtsmissbräuchlich erscheinen liessen. Die Beklagte behauptet nicht, der Vorschlag, den Ferienlohn mit dem laufenden Lohn abzugelten, sei vom Kläger gekommen. Sie führt im Gegenteil aus, dass entsprechende Vereinbarungen auch mit allen anderen Angestellten bestehen würden. Die erstmalige Forderung zur nachträglichen Leistung der Ferienentschädigung ist weniger als einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Es ist nicht zu sehen, inwiefern der Appellantin durch das Zuwarten mit der Geltendmachung bis nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein ungerechtfertigter Nachteil entstanden sein soll, der bei einem früheren Einfordern des Ferienlohnes hätte vermieden werden können. Die Einforderung des Ferienlohnes mangels Einhaltung der formellen Voraussetzungen zu seiner Abgeltung ist ferner auch nicht rechtsmissbräuchlich, falls der Kläger Ferien während des Arbeitsverhältnisses bezogen haben sollte, was die Beklagte nicht geltend macht. Damit Feriengeld auch tatsächlich für die Ferien zur Verfügung steht und die Gerichte zudem überprüfen können, ob der vereinbarte Ferienlohnanteil die unverminderte Lohnfortzahlung während den Ferien gewährleistet, bleibt der Arbeitgeber trotz pauschaler Abreden und ungeachtet der auf dieser Grundlage erbrachten Leistungen auch dann verpflichtet, dem früheren Arbeitnehmer die gesetzlich vorgeschriebenen Ferienlöhne nach Vertragsauflösung als Entschädigung nachzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer die ihm zustehenden Ferien tatsächlich bezogen hat (BGE 118 II 136 E. 3b). Im Ergebnis ist die Appellation gegen das Urteil des Bezirksgerichtspräsidenten L. vom 24. März 2009 somit abzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger CHF 2'332.40 brutto zu bezahlen.


4. ( … )


KGE ZS vom 30. Juni 2009 i.S. V. gegen M. (100 09 551/LIA)



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