Strafrecht

Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestandes der Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB bei der Aufnahme und Verwendung von Darlehen


Grundsätzlich sind Darlehensgeber auf die zivilrechtlichen Möglichkeiten der Darlehensrückforderung zu verweisen. Nur unter besonderen Umständen ist die strafrechtlich relevante Veruntreuung eines Darlehens überhaupt möglich. In Würdigung der Lehre und bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelangt das Kantonsgericht zur Einsicht, dass es dazu vier Vorraussetzungen braucht, welche kumulativ gegeben sein müssen (Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, E.1.-8.).


Die Tathandlung besteht bei der Veruntreuung von Vermögenswerten in einem Verhalten des Täters, durch welches dieser seinen Willen, den obligatorischen Anspruch des Treugebers zu vereiteln, eindeutig bekundet. Da das Tatobjekt bei der Veruntreuung von Vermögenswerten für den Täter nur wirtschaftlich fremd ist, muss das Opfer mit der Tathandlung in seinem Vermögen geschädigt werden. Bei Forderungen reicht für die Bejahung eines Vermögensschadens, wenn diese durch die Tathandlung in ihrem Wert gemindert werden (E. 9.-11.).


Die Veruntreuung von Vermögenswerten gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB bedarf des Vorsatzes und einer - im Gesetzestext nicht genannten - unrechtmässigen Bereicherungsabsicht des Täters. Zur Bejahung der unrechtmässigen Bereicherungsabsicht genügt Eventualvorsatz (E. 13-15).


Die unrechtmässige Bereicherungsabsicht kann fehlen, wenn der Täter eine Ersatzbereitschaft aufweist. Die Ersatzbereitschaft setzt sich zusammen aus dem Willen und der Fähigkeit, Ersatz zu leisen. Um ersatzfähig zu sein, muss der Täter aus eigenen Mitteln leisten können (E. 16-21).



Sachverhalt

Zwischen Juni und September 2004 kontaktierte der Angeklagte L.R. verschiedene ihm aus seiner Funktion als Dirigent des Orchestervereins X. in A. bekannte aktive Mitglieder dieses Vereins und ersuchte sie - teilweise mehrmals - um die Gewährung kurzfristiger Darlehen unterschiedlicher Höhe. In den meisten Fällen sprach er jeweils von einer grossen Dringlichkeit, das Geld umgehend zu erhalten, da ihm sonst die Möglichkeit, einen historischen Hammerflügel für sich oder seine Stiftung zu erwerben, entgehen würde. Diesen Flügel oder dessen Transport von Frankreich in die Schweiz müsse er umgehend bezahlen. In einem Fall bat er ein Orchestermitglied um Gewährung eines Darlehens, um eine Anzahlung an einen Liegenschaftskauf zu tätigen. Auch hier kommunizierte er, dass er das Geld dringend benötige, da ihm sonst die Gelegenheit, diese Liegenschaft zu erwerben, durch "die Lappen ginge". Bei der Aufnahme zweier Darlehenstranchen ersuchte er die betroffenen Orchestermitglieder, ihm Geld zu geben, damit er in England Steuern zahlen bzw. dort notwendige Bankgeschäfte tätigen könne. Danach habe er Zugriff auf eine grössere Geldsumme, mit welcher er auch die bereits erhaltenen Darlehen zurückzahlen könne. L.R. selber war zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahmen in einer prekären finanziellen Situation, was insbesondere die Betreibungsregisterauszüge zweier schweizerischer Betreibungsämter belegen. Rund ein Jahr vor der Aufnahme der vorgenannten Darlehen hatte er ein E-mail eines angeblichen Sohnes des verstorbenen Präsidenten der vormals Demokratischen Republik Zaire, heute Republik Kongo, erhalten, in welchem ihm eine Schenkung in Millionenhöhe versprochen worden war (im Folgenden: Mobutu Schenkung). In den folgenden Monaten hatte er indessen nie Zugriff auf dieses in Aussicht gestellte Geld erhalten, sondern vielmehr immer wieder grössere Beträge für angebliche Steuern, Gebühren, Erstellung von Dokumenten etc. bezahlt. Im Verlaufe des Strafverfahrens gab L.R. an, damit selber ein Opfer der sogenannten "Nigeria Connection" zu sein. Vor Strafgericht war L.R. mit Urteil vom 5. November 2008 mangels Erfüllung des subjektiven Tatbestands von der Begehung der mehrfachen Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB freigesprochen worden. Mit Eingabe vom 14. November 2008 appellierte die Staatsanwaltschaft (nachfolgend: Appellantin) gegen dieses Urteil und beantragte die Verurteilung und Bestrafung von L.R. (nachfolgend: Appellat) wegen mehrfacher Veruntreuung in sechs von ursprünglich sieben angeklagten Fällen.



Erwägungen

1. Gemäss der vorinstanzlichen Urteilsbegründung gelangte das Strafgerichtspräsidium in allen zu beurteilenden Fällen zur Einsicht, der Appellat habe den Tatbestand der mehrfachen Veruntreuung in objektiver Hinsicht erfüllt. Dementsprechend richtet sich die Kritik der Appellantin auch nicht gegen diesen Teil der rechtlichen Würdigung der zu beurteilenden Sachverhalte. Trotzdem überprüft das Kantonsgericht die Erfüllung des objektiven Teils des Straftatbestandes, da in der Schweiz der sogenannte Schuldverhaft und somit die persönliche Haftung für Schulden abgeschafft wurde. Somit ist die strafrechtliche Verfolgung eines die Darlehensrückzahlung schuldig gebliebenen Kreditnehmers grundsätzlich nicht unproblematisch. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Vergabe eines Darlehens im Grunde genommen immer ein Risikogeschäft ist und bleibt. Darlehensgeber sind in aller Regel auf die zivilrechtlichen Möglichkeiten (aber auch Grenzen) der Darlehensrückforderung zu verweisen, und die staatlichen Strafverfolgungsorgane haben sich nicht mit der Zahlungsmoral von Darlehensnehmern zu befassen. Dahingehend zielt auch die Kritik der Verteidigung des Appellaten, welche den objektiven Tatbestand der mehrfachen Veruntreuung vorliegend als nicht erfüllt erachtet, weil der Schaden der Betroffenen nicht aus der abredewidrigen Verwendung der Darlehen resultiere.


2. Wegen Veruntreuung macht sich gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB strafbar, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet. Tatobjekt der Veruntreuung von Vermögenswerten ist daher das anvertraute Vermögen . Anvertraut sind Vermögenswerte immer dann, wenn sie zwar der Verfügungsmacht desjenigen unterliegen, welchem sie in guten Treuen übergeben wurden - der Treugeber seinen Gewahrsam darüber somit vollständig aufgegeben hat -, wirtschaftlich aber nicht dem Treuhänder gehören (BSK Strafrecht II, 2. Auflage 2007, Niggli/Riedo, N 76 f. zu Art. 138). Deshalb hat der Treuhänder vom Empfang der Vermögenswerte an ständig über eine gleiche Menge und Art von Sachen zu verfügen, bis er diese rück-, weiter- oder abzugeben hat. Dies gilt auch, wenn eine entsprechende pflichtgemässe Disposition erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erfolgen hat. Auch vertretbare Sachen können Gegenstand einer solchen Pflicht sein. Darlehen sind in aller Regel aber davon auszunehmen, da der Borger sich meist nur verpflichtet, den geliehenen Geldbetrag zum vereinbarten Termin zurückzuerstatten. Ausnahmsweise kann jedoch auch bei Vorliegen eines Darlehensvertrages die Pflicht zur ständigen Werterhaltung bestehen, namentlich dann, wenn das Darlehen für einen bestimmten Zweck gegeben wird und die ständige Werterhaltungspflicht einen wesentlichen Bestandteil des Darlehensvertrages bildet (Rehberg/Schmid/Donatsch, Strafrecht III Delikte gegen den Einzelnen, 8. Auflage 2003, § 7 Kapitel 2.313 b). Die Lehre dazu ist indessen nicht einhellig und setzt sich kritisch mit Details zu dieser grundsätzlichen Aussage auseinander. So werfen Stratenwerth und Jenny die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die Zweckbindung von Darlehen eine Werterhaltungspflicht ergeben könne. Für sie scheint ungewiss, ob es genügt, wenn der vereinbarte Darlehenszweck geradezu darauf gerichtet ist, das Verlustrisiko zu begrenzen oder ob es darüber hinaus des zusätzlichen Erfordernisses der gemeinsamen Interessensverwirklichung unter gleichzeitiger Ausübung von Kontrollmöglichkeiten bedarf (Stratenwerth/Jenny, Schweizerisches Strafrecht BT I, 6. Auflage 2003, § 13 N 56). Gestützt auf weitere Lehrmeinungen gehen Trechsel und Crameri davon aus, dass eine Werterhaltungspflicht bei Darlehen regelmässig zu verneinen sei. Eine Geldsumme, die zu einem bestimmten Zweck geborgt worden sei, könne nur als anvertraut gelten, wenn die Verwendung unmittelbar auch den Interessen des Darleihers diene (Trechsel/Crameri, Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, 1. Auflage 2008, N 14 zu Art. 138). Niggli und Riedo halten eine mit dem Darlehenszweck einhergehende gemeinsame Interessensverwirklichung für nicht notwendig und verlangen einzig, es sei zu prüfen, ob der Borger ständig über die empfangenen Vermögenswerte oder ein Surrogat verfügen müsse und ihn dementsprechend eine Werterhaltungspflicht treffe (BSK Strafrecht II, 2. Auflage 2007, Niggli/Riedo, N 68 zu Art. 138).


3. Das Bundesgericht hatte im Laufe der Zeit Gelegenheit, mehrere Male über die strafrechtliche Würdigung einer angeklagten Veruntreuung von Darlehen zu befinden. Dieser Rechtsprechung lässt sich eine Rechtsentwicklung im Themenbereich entnehmen. So war das Bundesgericht in seiner Beurteilung der Anklage im Fall BGE 86 IV 167 tendenziell zurückhaltend und verneinte eine Veruntreuung von CHF 1'000.00, welche eine Darlehensgeberin einem Darlehensnehmer zur Begleichung von Unterhaltsschulden ausgeliehen hatte, obwohl dieser das geliehene Geld abredewidrig für persönliche Zwecke aufgebraucht hatte. Zur Begründung führte das Bundesgericht aus, gemäss dem zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Verwendungszweck des Darlehens habe die Darleiherin dem Borger das Geld in dessen eigenen Interesse und nicht im Interesse der Unterhaltsgläubiger übergeben. In BGE 120 IV 117 bejahte das Bundesgericht indessen die Veruntreuung eines Darlehens, welches dem Darlehensnehmer für den Kauf einer bestimmten Liegenschaft übergeben worden war. Dabei verwies das Bundesgericht auf die Literatur, welche davon ausgehe, dass sich der Darlehensnehmer der Veruntreuung schuldig mache, wenn er Geld empfange, um es im Interesse des Darleihers oder auch im gemeinsamen Interesse des Darleihers und des Borgers zu verwenden, dann aber entgegen dieser Abmachung über das Geld verfüge. Das Bundesgericht schloss daraus, dass sich ein Darlehensnehmer nur der Veruntreuung schuldig machen könne, wenn er zu einer ständigen Werterhaltung verpflichtet sei. Sofern bei der Darlehensvergabe kein bestimmter Verwendungszweck verabredet werde, sei eine solche Pflicht zu verneinen. Der Darleiher habe im gegebenen Fall aber davon ausgehen können, dass der Borger bei vertragsgemässer Verwendung des geliehenen Geldes über die notwendigen Mittel zur Rückzahlung des Darlehens verfügen werde. Es sei offensichtlich, dass das Darlehen nicht gewährt worden wäre, wenn der Darleiher gewusst hätte, dass der stark überschuldete und über kein regelmässiges Einkommen verfügende Borger das Geld zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verwenden würde. In BGE 124 IV 9 bestätigte das Bundesgericht seine Rechtsprechung, indem es wieder ausführte, der Darleiher habe in diesem Fall davon ausgehen können, dass der Borger bei einer vertragsgemässen Verwendung des Darlehens über die Mittel zur Rückzahlung des Darlehens verfügen werde. Die Festlegung des Verwendungszweckes sei für den Darleiher somit entscheidend im Hinblick auf die Begrenzung seines Verlustrisikos. Es verwies weiter auf das Schriftentum, welches ausführe, dass nicht jede vertragliche Bezugnahme auf die Verwendung des Darlehens genüge, um ein Anvertrauen zu begründen, sondern verlange, dass es sich um eine greifbar gewordene gemeinsame Verwirklichung von Interessen handle. Im Entscheid BGE 129 IV 257 bejahte das Bundesgericht im Grunde die Veruntreuung sodann in einem Fall, in welchem der Darleiher dem Borger Geld ausgeliehen hatte, damit dieser es als Einsatz in einem Spiel verwende. Trotz dem hohen Risiko beim Spiel zu verlieren, sei der Borger verpflichtet gewesen, die Gewinnchancen wahrzunehmen und das Geld nicht anderweitig zu verwenden. Die Qualifikation als Veruntreuung verlange, dass der verabredete Verwendungszweck die Deckung des darlehensgeberischen Risikos sichere oder zumindest geeignet sei, das Verlustrisiko zu mindern. Verneint wurde eine Veruntreuung in diesem Fall einzig, weil dem Darlehensgeber im Falle der vereinbarungsgemässen Verwendung des geliehenen Geldes keine zivilrechtliche Rückforderungsklage offengestanden wäre, da gemäss Art. 513 Abs. 1 OR aus Spiel keine klagbare Forderung entsteht.


4. Das Kantonsgericht kommt in Berücksichtigung der Lehre und Rechtsprechung zum Schluss, dass für die Bejahung der Veruntreuung eines Darlehens jeweils vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen. Erstens bedarf es bei Abschluss des Darlehensvertrages einer Zweckbindung des geliehenen Geldes, das heisst der Darleiher und der Borger müssen zusammen verbindlich festlegen, wofür das Geld zu verwenden ist. Zweitens muss die vereinbarte Zweckbindung für den Darlehensgeber conditio sine qua non sein. Aus dem Sachverhalt muss demgemäss hervorgehen, dass der Darleiher dem Borger das Geld nicht gegeben hätte, hätte er gewusst, dass dieser es für etwas anderes als das Vereinbarte verwenden wird. Drittens muss sich die vereinbarte Zweckbindung eignen, das Verlustrisiko zu begrenzen. Als vierte und letzte Voraussetzung muss die vereinbarte Zweckbindung des Darlehens entweder im ausschliesslichen Interesse des Darleihers oder beider Parteien oder einer gemäss Wunsch des Darleihers zu begünstigenden Person liegen. Dabei kann diese durch die Darlehensverwendung bezweckte Interessensverwirklichung materieller, aber auch ideeller Natur sein.


5. Im vorliegenden Fall sagte D. W. aus, sie habe dem Appellaten das Geld gegeben, weil es dem Kauf eines Hammerflügels dienen sollte, und sie habe dies dem Appellaten auch mitgeteilt. Deutlich äusserte sich auch B.L., welche aussagte, sich durch das Ausleihen von Geld für einen Hammerflügel und dessen Transport als Kleinsponsorin für Musik gefühlt zu haben und weiter meinte, sie hätte dem Appellaten das Geld nicht gegeben, wenn sie gewusst hätte, dass dieser es für seine persönlichen Bedürfnisse ausborge. Bei K.G. erklärte der Appellat nicht nur, er werde das ausgeliehene Geld für den Kauf eines Flügels verwenden, sondern brachte zusätzlich eine Stiftung ins Spiel, welche zu einem späteren Zeitpunkt den Flügelkauf übernehmen werde. Er behauptete, die Stiftung verfüge über die notwendigen finanziellen Mittel. Zudem äusserte er, den Flügel für sein Orchester zu brauchen. K.G. sagte aus, sie habe gerne ein musikalisches Projekt unterstützen wollen. Auch gegenüber M.S. behauptete der Appellat, das Geld für den Kauf eines Hammerflügels zu benötigen. Diese sagte dazu aus, sie sei immer von einer Verwendung des geliehenen Geldes für den Flügel ausgegangen. Ebenso weckte der Appellat bei B.G. den Glauben, er werde das von ihr geborgte Geld für den Kauf eines Hammerflügels verwenden. Sie glaubte ihm und wollte der Verwirklichung dieses Ziels nicht im Wege stehen.


6. Alle Darlehensgeberinnen, welche vom Appellaten um ein Darlehen zur Bezahlung des historischen Hammerflügels oder dessen Transports ersucht worden waren, gaben dem Appellat das Geld folglich ausschliesslich, weil sie davon ausgingen, dass der Appellat dieses tatsächlich für die angegebenen Zwecke verwenden werde. Alle diese Darlehen waren somit zweifelsfrei zweckgebunden und die Zweckbindung für alle Darleiherinnen conditio sine qua non. Die Investition von Geld in den Kauf eines historischen Hammerflügels ist im Weiteren zweifellos geeignet, das Verlustrisiko des Darlehensgebers zu beschränken. Ein solches Instrument hat - je nach Zustand - einen Wert von mehreren tausend Franken; zudem wird der Wert eines derartigen antiken Instruments mit wachsendem Zeitablauf zunehmen, was als gerichtsnotorisch anzusehen ist. Der Vorinstanz ist folglich zuzustimmen, wenn sie feststellte, dass es sich beim Kauf eines Hammerflügels um eine Investition handle, die bei einem Weiterverkauf grundsätzlich wieder erhältlich gemacht werden könne. Indem der Appellat gegenüber K.G. zudem von der Übernahme des Flügels durch eine Stiftung sprach, erweckte er den Eindruck, es existiere zusätzlich eine juristische Person als finanzielle Garantin im Hintergrund. Somit durfte sie davon ausgehen, dass ihr Darlehen aufgrund des Darlehenszwecks und dem finanziellen Einstehen einer Stiftung abgesichert sei. Der Appellat hatte mittels der angeblichen Zweckbindung der Darlehen die Musikförderung zum Ziel der Darlehen gemacht. Alle Darlehensgeberinnen wollten die Musik als solche unterstützen und nicht den Appellaten als Einzelperson individuell alimentieren. Die Darlehensvergaben verfolgten demgemäss einen gemeinsamen ideellen Zweck, welcher gleichzeitig geeignet ist, das Rückzahlungsrisiko zu mindern. Bei allen Darlehen zum Zweck des Kaufs eines Hammerklaviers bzw. dessen Transports sind somit die vier kumulativ notwendigen Voraussetzungen für die Bejahung einer Veruntreuung von Darlehen gegeben.


7. Ähnlich ist die Darlehensaufnahme im Fall 7 zu bewerten. Auch in diesem Fall sagte I.G. unmissverständlich aus, sie habe dem Appellaten das Darlehen gegeben, da der Appellat dieses gemäss seinen Angaben dringend für die Anzahlung an einen geplanten Hauskauf benötigt habe. Das Darlehen war somit zweckgebunden und die vom Appellaten behauptete Zweckbindung unabdingbare Voraussetzung der Darlehensvergabe. Die Anzahlung an einen Hauskauf ist ausserdem in besonderem Masse geeignet, das Risiko eines Verlustes zu mindern, kann doch davon ausgegangen werden, dass sich bei einer späteren Rückforderung des Darlehens eine Liegenschaft als Verwertungssubstrat im Vermögen des Schuldners befindet. Das Interesse der Darleiherin war in diesem Fall somit auf die Verwirklichung der Absicherung der Darlehensschuld gerichtet. Sofern der Appellat auch ihr gegenüber die unabdingbare Notwendigkeit von Liegenschaftseigentum für einen Musiker ins Feld geführt haben sollte, könnte zusätzlich gar von einem ideellen Interesse ausgegangen werden, da diesfalls I.G. ihm durch die Absicherung des Hauskaufes auch seine Tätigkeit als Musiker ermöglichen wollte.


8. Es kann somit festgestellt werden, dass die dem Appellaten von allen Darlehensgeberinnen gewährten Darlehen als anvertraute Vermögenswerte im Sinne des Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu qualifizieren sind. Davon auszunehmen sind einzig diejenigen Darlehen bzw. Darlehenstranchen, welche vom Appellaten zu einem anderen Zweck als die Finanzierung und Realisierung des Hammerflügel- oder der Hauskaufes bzw. des Transportes des Flügels aufgenommen wurden. ( ... )


9. Die Tathandlung besteht bei der Veruntreuung von Vermögenswerten im Sinne des Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in einem Verhalten des Täters, durch welches dieser eindeutig seinen Willen bekundet, den obligatorischen Anspruch des Treugebers zu vereiteln. Bei vertretbaren Sachen manifestiert er diesen Willen, indem er sie beispielsweise verbraucht, ohne dass er gleichzeitig eine entsprechende Quantität von Sachen zur Verfügung des Treugebers hält (BSK Strafrecht II, 2. Auflage 2007, Niggli/Riedo, N 98 ff. zu Art. 138).


10. Im vorliegenden Fall hat der Appellat im Verlaufe der gegen ihn geführten Strafuntersuchung eine Vielzahl sich widersprechender Angaben über die tatsächliche Verwendung der ihm gewährten Darlehen gemacht. Das Kantonsgericht folgt der vorinstanzlichen Würdigung dieser Aussagen und gelangt somit ebenfalls zur Einsicht, dass der Appellat die Darlehensgelder entgegen seiner Aussagen im Juni 2006 nicht im Elternhaus in D. aufbewahrt hatte, sondern alle Darlehen jeweils für seine persönlichen Zwecke verwendete. Ob er diese für die von ihm einverlangten Zahlungen zur Auslösung der angeblichen Mobutu Schenkung oder aber für die Finanzierung seiner persönlichen Ausgaben brauchte, ist letztendlich unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass er die Gelder abredewidrig verbrauchte und im massgebenden, inkriminierten Zeitraum nicht über den von ihm behaupteten Geldbetrag oder -wert verfügte. Aufgrund seiner prekären finanziellen Situation war er weder während der laufenden Darlehensfristen noch nach deren Ablauf in der Lage, den Darleiherinnen ihre Gelder zurückzuerstatten. Aber selbst wenn der Appellat die Darlehensgelder tatsächlich im Elternhaus aufbewahrt hätte, hätte er die Tathandlung erfüllt. Indem er diesfalls das Geld eben versteckt hätte und trotz jeweiliger Fälligkeit der Darlehensrückzahlungen und entsprechenden Mahnungen der Darleiherinnen nicht zahlte, hätte er seinen Willen manifestiert, deren Forderungen eben gerade nicht zu erfüllen. Bei der Weiterführung der Betreibung wären diese Gelder, da versteckt und nicht deklariert, dem Verwertungssubstrat der Gläubiger entzogen gewesen. Somit hat der Appellat, indem er die Darlehensgelder zweckentfremdet ausgab, eindeutig seinen Willen kundgetan, die obligatorischen Ansprüche seiner Gläubiger zu vereiteln.


11. Da das Tatobjekt bei der Veruntreuung von Vermögenswerten für den Täter nur wirtschaftlich, nicht aber rechtlich fremd ist, bedarf es für die Bejahung einer Veruntreuung seitens des Opfers eines Vermögensschadens. Nur wenn die Tathandlung die Verwirklichung des obligatorischen Anspruchs des Treugebers gefährdet, kann eine Veruntreuung vorliegen. Sofern dies geschieht, ist der Treugeber in seinem Vermögen geschädigt, da seine Forderung gegenüber dem Täter in ihrem Wert gemindert ist. Indessen ist die Vermögensschädigung bereits mit der Bejahung der Tathandlung gegeben, namentlich mit der Bejahung der unrechtmässigen, abredewidrigen Verwendung, welche sich eignet, den obligatorischen Anspruch der Treugeber zu vereiteln. Dementsprechend wurde in der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgehalten, dass eine Veruntreuung ohne Schädigung begrifflich ausgeschlossen sei (vgl. dazu BSK Strafrecht II, 2. Auflage 2007, Niggli/Riedo, N 103 zur Art. 138 mit Verweis auf BGE 111 IV 19, 23 und BGE 124 IV 241, 244 f, E. 4c und 4d). Vorliegend kann nochmals festgehalten werden, dass der Appellat mit der jeweiligen abredewidrigen Verwendung der Darlehen für seine persönlichen Zwecke die geborgten Gelder dergestalt verbrauchte, dass die Handlungen sich eigneten, die Rückzahlungschancen der Darleiherinnen massiv zu schmälern und somit den Wert ihrer obligatorischen Forderungen entsprechend zu mindern. Die Kritik der Verteidigung, angesichts der Finanzlage des Appellaten hätte ohnehin niemals von einer Rückzahlung ausgegangen werden können, geht insofern fehl, als dass bei einer verabredungskonformen Verwendung dieser Gelder im Betreibungsfalle mehr Verwertungssubstrat vorhanden gewesen wäre und die obligatorischen Forderungen folglich einen ungleich höheren Wert genossen hätten. Somit ist in allen Fällen ein Vermögensschaden vorhanden. ( … )


12. ( … )


13. Die Erfüllung des Tatbestands der Veruntreuung von Vermögenswerten bedarf neben dem Vorsatz zusätzlich der Bereicherungsabsicht (vgl. statt vieler Trechsel/Crameri, Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, 1. Auflage 2008, N 18 zu Art. 138). Bereicherungsabsicht bedeutet die Absicht des Täters, sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern. Als angestrebte Bereicherung genügt grundsätzlich jeder wirtschaftliche Vorteil, wobei dieser Vorteil zumeist in der Sache selbst liegt (Stratenwerth/Jenny, Schweizerisches Strafrecht BT I, 6. Auflage 2003, § 13 N 31 ff.) Umstritten ist in der Lehre, ob die Bereicherungsabsicht einen direkten Vorsatz erfordert. Das Kantonsgericht folgt diesbezüglich der Lehrmeinung und höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach die Absicht als Willensrichtung auf ein bestimmtes Ziel hin zu verstehen ist und nicht die Identität von Handlungsziel und Verwirklichungswillen meint. Deshalb ist eine eventuelle Bereicherungsabsicht ausreichend (Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, 1. Auflage 2008, N 11 zu Vor Art. 137, mit Verweis auf BGE 72 IV 125 und 105 IV 36), wie dies bereits von der Vorinstanz richtigerweise festgehalten wurde. Da auch bei diesem Tatbestandselement der Nachweis einer inneren Tatsache verlangt ist, erweist sich die Beweisführung oftmals als schwierig. Im vorinstanzlichen Urteil wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass gerade hier der strafrechtliche Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" (in dubio pro reo) von besonderer Bedeutung sei. Dabei verlangt dieser Grundsatz bei der Beweiswürdigung, dass das Gericht bei verbleibendem Zweifel über den Sachverhalt zugunsten des Angeklagten zu entscheiden hat. Das Urteil hat dabei auf einer Überzeugung zu gründen, welche nach Massstab eines besonnenen und lebenserfahrenen Beobachters jeden vernünftigen Zweifel ausschliesst (Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage 2005, § 54 N 19 und 11).


14. Vorliegend behauptete der Appellat in fünf der sechs zu beurteilenden Fälle (Fälle 1 bis 4 und 6) gegenüber den Darlehensgeberinnen, er brauche das geliehene Geld dringend für die Bezahlung eines historischen Hammerflügels bzw. für den Transport desselben. Der Appellat blieb dem Kantonsgericht den Nachweis schuldig, dass der Hammerflügel im Verlauf des Sommers 2004 überhaupt noch zum Verkauf stand, nachdem er den Kauf nicht Ende Mai 2004 abgewickelt hatte. Das einzige von ihm in diesem Zusammenhang eingereichte Dokument datiert vom 31. Mai 2004. In diesem Schreiben des Verkäufers wird der Appellat aufgefordert, das Instrument unverzüglich in Frankreich abzuholen und sich deswegen sofort mit dem Verkäufer in Verbindung zu setzen. Der Appellat konnte keine weitere, nach Erhalt dieses Schreibens erfolgte Kommunikation mit dem Verkäufer nachweisen. Da der Verkäufer Ende Mai 2004 den Flügel unverzüglich bezahlt und abgeholt wissen wollte, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeit, den Hammerflügel zu kaufen, zu einem späteren Zeitpunkt noch bestand. Die diesbezüglichen Ausführungen des Appellaten, der Hammerflügel stehe gar heute noch zum Verkauf bereit, sind unglaubwürdig und deshalb als reine Schutzbehauptungen zu werten. Noch viel weniger vermag zu überzeugen, dass die in jedem Fall vorgegebene Dringlichkeit des Kaufes bzw. der Anzahlung an den einzelnen Tagen der Darlehensaufnahmen vorlag. Gemäss den Ausführungen des Appellaten wurde diese Dringlichkeit in jedem einzelnen Fall und in aller Regel noch am selben Tag wieder relativiert. Diese Darstellung der Ereignisse erscheint schlicht und einfach unrealistisch und es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass der Kauf bzw. die Bezahlung eines Flügels zu verschiedenen Zeitpunkten immer wieder sofort erfolgen sollte und sich diese dringende Zahlung jedes Mal im Nachhinein als doch nicht notwendig erweist. Noch viel weniger ist der Transport eines Flügels umgehend zur Zahlung fällig, wenn der Flügel selber nicht einmal bezahlt worden ist und dementsprechend immer noch dort steht, wo er abgeholt werden sollte. Ein vernünftiger Zweifel an dieser Beurteilung des Sachverhalts kann nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden. Das Kantonsgericht geht deshalb davon aus, dass der Appellat bei der Aufnahme aller Darlehen zum Kauf eines historischen Hammerflügels bzw. zur Bezahlung des Transportes dieses Flügels die Verwendung der Gelder zu diesen konkreten Zwecken nie ernsthaft beabsichtigte.


15. Auch im Falle des angeblichen Kaufes der Liegenschaft in A. (Fall 7) bzw. der für einen solchen Kauf zu leistenden Anzahlung geht das Kantonsgericht davon aus, dass der Appellat zum Zeitpunkt der dafür getätigten Darlehensaufnahmen bei I.G. am 27. bzw. 29. Juli 2004 nicht beabsichtigte, das geborgte Geld für eine solche Anzahlung zu verwenden. Der Appellat vermag in diesem Zusammenhang lediglich einen ursprünglich vorgesehenen Verurkundungstermin des Hauskaufes am 27. Mai 2004 sowie den Entwurf eines Kaufvertrages nachzuweisen. Am vorgesehenen Termin kam der Abschluss des Kaufvertrages indessen nicht zustande. Eine Anzahlung von CHF 50'000.00 wäre gemäss Kaufvertragsentwurf ebenfalls am 27. Mai 2004 fällig geworden. Weitere Unterlagen oder andere Beweismittel, welche das Weiterbestehen dieses Kaufangebotes belegen, existieren nicht. Es erscheint wiederum äusserst unwahrscheinlich, dass der Verkäufer nach geplatztem Verurkundungstermin weiter am Appellaten als potentiellem Käufer festhielt. Vielmehr spricht die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass der Appellat nach diesem Verlauf der Ereignisse für den Verkäufer als möglicher Käufer definitiv nicht mehr in Frage kam. Die Aussage des Appellaten, er hätte sich zum Zeitpunkt dieser Darlehensaufnahme immer noch die Anwartschaft auf diesen Hauskauf sichern können, erscheint somit unglaubhaft. Auch die angebliche Dringlichkeit einer Anzahlung ist unglaubhaft, da der Appellat nachweislich auch zu diesem Zeitpunkt keine Anzahlung an diesen Hauskauf leistete. Das Kantonsgericht geht in Würdigung der vorliegenden Beweismittel und Aussagen auch in diesem Fall davon aus, dass der Appellat zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahmen für eine Kaufpreisanzahlung an die besagte Liegenschaft nicht beabsichtigte, diese Anzahlung tatsächlich zu tätigen, sondern plante, das Geld anderweitig zu nutzen. Dem Kantonsgericht ist kein sachlicher Grund ersichtlich, welcher vernünftige Zweifel an dieser Sachverhaltswürdigung aufkommen liesse.


16. Da der Appellat im Bewusstsein handelte, die Darlehen zweckgebunden erhalten zu haben - er selber hatte die Zweckbindung jeweils in den Vordergrund gerückt -, wusste er auch um die wirtschaftliche Fremdheit dieser Gelder bzw. um seine Verpflichtung zur Werterhaltung und Verwendung der Darlehen im Interesse der Darleiherinnen. Aufgrund seiner finanziell prekären Situation wusste er weiter um das hohe oder zumindest erhöhte Rückzahlungsrisiko bedingt durch die abredewidrige Verwendung. Problematisch mag auf den ersten Blick erscheinen, dass der Appellat trotz der offensichtlich von Vornherein beabsichtigten anderweitigen Verwendung der Darlehensgelder die Schädigung seiner Gläubiger allenfalls nicht wollte. Immer wieder machte er geltend, er hätte die obligatorischen Forderungen seiner Darleiherinnen nach Erhalt der Mobutu Schenkung umgehend befriedigt, weshalb die Schädigungsabsicht nicht ohne Weiteres bejaht werden kann. Hier überschneiden sich indessen die Willensseite des Vorsatzes in Bezug auf den Vermögensschaden mit der zusätzlich notwendigen Bereicherungsabsicht bzw. der Ersatzfähigkeit des Appellaten.


17. Wie von der Vorinstanz richtig festgehalten, kann die unrechtmässige Bereicherungsabsicht fehlen, wenn der Täter eine sogenannte Ersatzbereitschaft aufweist und dementsprechend zum Zeitpunkt der Tat den Willen hat, fristgerecht Ersatz zu leisten. Die Dauer bzw. der Zeitpunkt der Ersatzbereitschaft hängt dabei von der konkreten Vereinbarung ab. Die Ersatzbereitschaft setzt sich zusammen aus dem Willen und der Fähigkeit, Ersatz zu leisten. Ob der Wille vorlag, ist dabei weitgehend Beweisfrage. Ersatzfähigkeit verlangt, dass der Täter aus eigenen Mitteln leisten kann. Dabei sind an die Ersatzfähigkeit strenge Massstäbe zu setzen. Sie wird beispielsweise verneint, wenn der Täter nur aufgrund einer Zahlung eines Dritten leisten könnte und dieser Dritte nicht zur Zahlung verpflichtet ist oder der Täter erst bei einer Bank einen Kredit aufnehmen muss (vgl. dazu Trechsel/Crameri, Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, 1. Auflage 2008, N 19 zu Art. 138).


18. Die Vorinstanz kam gestützt auf diese Rechtslage zum Schluss, dass mit Blick auf die objektive Finanzlage des Appellaten Ersatzwille und Ersatzfähigkeit nicht angenommen werden könnten. Mit dieser Feststellung dürfe es allerdings nicht sein Bewenden haben. In Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles sei zu beachten, dass der Appellat subjektiv von einer anderen wirtschaftlichen Situation ausgegangen sei. Da dem Appellaten mit einer professionellen, betrügerischen Inszenierung die Tatsache suggeriert worden sei, er könne unmittelbar über einen Millionenbetrag - resultierend aus der Mobutu Schenkung - zu seinen Gunsten verfügen, sei der Appellat davon ausgegangen, zahlungsfähig zu sein. Der Appellat habe über das fingierte Konto Transaktionen durchgeführt, welche zunächst zu funktionieren schienen, sich im Nachhinein jeweils aber als fehlgeschlagen herausstellten. Es seien dem Appellaten diesbezüglich von den Drahtziehern der angeblichen Mobutu Schenkung die Situation und die Gründe für das Scheitern der Transaktionen jeweils plausibel erklärt worden, weshalb der Appellat im zur Beurteilung der vorliegenden Anklage massgebenden Zeitpunkt als Opfer eines professionell und raffiniert ausgeführten Betruges einer international operierenden Bande stets darauf vertraute, über sein vermeintliches Geld unmittelbar verfügen zu können. Anders zu entscheiden hätte im Übrigen die Konsequenz, dass die Drahtzieher der "Nigeria Connection", würde man ihrer habhaft, für ihren Betrug zum Nachteil insbesondere des Appellaten - mangels Erfüllung der Arglistvoraussetzung - nicht ins Recht gefasst werden könnten, was kaum sachgerecht wäre. Die unrechtmässige Bereicherungsabsicht - wie im Übrigen auch ein Eventualvorsatz in Bezug auf die Schädigung seiner Darlehensgeberinnen - sei daher, insbesondere vor dem "in dubio pro reo" Grundsatz, zu verneinen, weshalb der Appellat mangels Nachweises bzw. Erfüllung des subjektiven Tatbestandes freizusprechen sei.


19. ( … )


20. Nach Ansicht des Kantonsgerichts darf in der vorliegenden Appellation eine hypothetische strafrechtliche Beurteilung der "Nigeria Connection" keine Rolle spielen. Es geht vorliegend nicht darum, zu bewerten, ob bei einer entsprechenden Anklage das Kriterium der Arglist beim Betrug zu bejahen wäre oder nicht. Zur Beurteilung des Vorhandenseins einer Bereicherungsabsicht seitens des Appellaten gilt es einzig, die Ersatzfähigkeit und den Ersatzwillen des Appellaten im inkriminierten Zeitraum zu bewerten. Entgegen den Feststellungen der Vorinstanz ist hierbei darauf hinzuweisen, dass der Appellat im relevanten Zeitraum eben gerade nicht von einem unmittelbaren Zugriff auf einen Millionenbetrag ausgehen konnte. Vielmehr war mehr als 1 Jahr seit Erhalt des ersten E-Mails im Zusammenhang mit der Mobutu Schenkung verstrichen, und der Appellat hatte immer noch keinen Rappen dieser Schenkung gesehen, geschweige denn gebrauchen können. Das angebliche Online-Konto hatte er bereits zu Beginn des Jahres 2004 zu belasten versucht und war betreffend das Nichtfunktionieren dieser Transaktionen mit äusserst unglaubwürdigen Ausreden bedient worden. Hätte der Appellat überdies tatsächlich geglaubt, über dieses Geld unmittelbar verfügen zu können, wäre die Aufnahme von Darlehen gar nicht notwendig gewesen. Zudem hat der Appellat mehrfach zugegeben, dass ihn nicht unerhebliche Zweifel betreffend den tatsächlichen Erhalt der Mobutu Schenkung plagten. Somit ist festzustellen, dass der Appellat zum Zeitpunkt der jeweiligen Darlehensaufnahmen und -rückzahlungstermine aus eigener finanzieller Kraft nicht in der Lage war, diese zurückzuerstatten. Indem er die Darlehen abredewidrig verwendete und somit den Wert des obligatorischen Anspruchs der einzelnen Darleiher unmittelbar minderte, verwirklichte er die Vermögensschäden. Die abredewidrigen Verwendungen waren beabsichtigt, weshalb sein Vorsatz in Bezug auf die Vermögensschädigung bejaht werden muss. Der Appellat könnte somit einzig der Überzeugung gewesen sein, diesen Schaden zum jeweiligen Zeitpunkt der Fälligkeit der Darlehen - dank zukünftiger Ersatzfähigkeit - wieder beheben zu können. Auf die Mobutu Schenkung konnte er nach Massgabe einer vernünftigen, objektiven Einschätzung sowie auch gestützt auf seine eigenen Einschätzungen im Frühjahr/Sommer 2004 längst nicht mehr zählen. Ausserdem reicht für die Bejahung der Ersatzfähigkeit die versprochene Leistung eines Dritten, welcher nicht zur Zahlung verpflichtet ist, eben gerade nicht. Dass die Mobutu Schenkung auf zivilrechtlichem Weg im Nichtzahlungsfalle nicht erhältlich gemacht werden konnte, musste dem Appellaten klar gewesen sein, entsprechende Schritte leitete er jedenfalls nie ein. Es ist deshalb in Übereinstimmung mit der Appellantin festzustellen, dass der Appellat zum Zeitpunkt der Aufnahme der Darlehen nicht ernsthaft davon ausging und ausgehen konnte, dass er rückzahlungsfähig sein werde und zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Darlehen nicht zahlungsfähig war. Somit nahm er die Bereicherung nicht nur billigend in Kauf, sondern beabsichtigte sie geradezu. Es könnte vielmehr umgekehrt gesagt werden, er nahm in Kauf, die Darlehen zurückzuzahlen, falls die Schenkung wider Erwarten doch noch eintreffen sollte. Entsprechend der Lehre wäre seine Bereicherungsabsicht indessen auch bei Vorliegen eines Eventualdolus zu bejahen. Bei dieser Würdigung des Sachverhalts verbleibt kein Raum für einen Freispruch aufgrund des in "dubio pro reo" Grundsatzes.


21. Vollständigkeitshalber sei an dieser Stelle noch ausgeführt, dass die Bereicherungsabsicht des Appellaten auch dann zu bejahen wäre, wenn man seiner Darstellung des Sachverhalts betreffend die Aufbewahrung der Darlehengelder Glauben schenken würde. Diesfalls wäre zwar die Zahlungsfähigkeit zu bejahen, nicht aber der Zahlungswille des Appellaten. Nachdem nämlich sämtliche Darlehen fällig geworden waren und die betroffenen Orchestermitglieder Kenntnis davon hatten, dass der Appellat bei mehreren Mitgliedern Darlehen aufgenommen hatte und nicht zurückzahlte, kam es zur Androhung von Strafanzeigen, und es wurde dem Appellaten die Kündigung seiner Anstellung als Dirigent des Orchestervereins X. in A. in Aussicht gestellt. Selbst unter diesem massiven Druck zahlte der Appellat die Darlehen nicht zurück. Wäre er tatsächlich zahlungsfähig gewesen, hätte er mit diesem Verhalten folglich eindeutig seinen Zahlungsunwillen demonstriert.


KGE ZS vom 20. Oktober 2009 i.S. Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft gegen L.R. (100 09 80 [A 10]/GRB)


Gegen dieses Urteil hat der Appellat Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht (Entscheid derzeit noch ausstehend).



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