Zivilprozessrecht

Wesentliche Verfahrensmängel im Verfahren vor dem Friedensrichter


Gegen prozessuale Endentscheide des Friedensrichters einschliesslich Abschreibungsverfügungen ist die Beschwerde zulässig (§ 233 Abs. 1 ZPO, E. 1).


Nach dem basellandschaftlichen Prozessrecht stellt die Unterschrift der Parteien ein Gültigkeitserfordernis eines friedensrichterlichen Vergleichs dar. Die Abschreibung des Verfahrens gestützt auf einen von den Parteien nie unterzeichneten Vergleich ist ein wesentlicher Verfahrensmangel (§ 91 ZPO, E. 2).



Sachverhalt

Am 15.01.2009 fand vor dem Friedensrichter des Kreises X. eine Verhandlung über die von B.S. und G.S. gegen E.B. erhobene Klage statt. Im Anschluss an diese Verhandlung stellte der Friedensrichter den Parteien den Abschreibungsbeschluss vom 15.01.2009 zu, wonach das Verfahren zufolge nachträglich zu Protokoll genommener Vereinbarung erledigt abgeschrieben wurde. Mit Einschreiben vom 21.01.2009 teilte die Beklagte dem Friedensrichter mit, dass das Vergleichsprotokoll weder der Forderung in der Vorladung zur Friedensrichterverhandlung noch dem Gespräch der Verhandlung entspreche und dass sie an der Widerklage festhalte. Daraufhin erklärte der Friedensrichter am 27.01.2009 den Vergleich gemäss Protokoll vom 15.01.2009 als ungültig und stellte der Klagpartei den Akzessschein aus. Mit Schreiben vom 30.01.2009 ersuchten die Kläger den Friedensrichter, die Verfügung vom 27.01.2009 aufzuheben und das Vergleichsprotokoll vom 15.01.2009 mitsamt Verfügung zu bestätigen, weil der Fall schon seit dem 15.01.2009 zufolge Vergleichs rechtskräftig erledigt sei. Mit Verfügung des Friedensrichters vom 07.02.2009 wurde dem Gesuch der Kläger vom 30.01.2009 stattgegeben, der Akzessschein vom 27.01.2009 aufgehoben und das Vergleichsprotokoll vom 15.01.2009 resp. der zufolge Vergleichs ergangene Abschreibungsbeschluss vom 15.01.2009 ausdrücklich für rechtsgültig erklärt. Mit Schreiben vom 14.02.2009 erhob E.B. gegen die Verfügung des Friedensrichters vom 07.02.2009 Beschwerde und beantragte deren Aufhebung.



Erwägungen

1. Im vorliegenden Fall ist die Beschwerde gegen die angefochtene Verfügung vom 07.02.2009 am 16.02.2009 der Schweizerischen Post übergeben worden. Damit ist die gesetzliche Beschwerdefrist eingehalten worden. Gegen prozessuale Endentscheide des Friedensrichters einschliesslich Abschreibungsverfügungen ist die Beschwerde zulässig (vgl. Weibel/Rutz, Gerichtspraxis zur basellandschaftlichen ZPO, 4. Aufl., Liestal 1986, S. 278 f.; Staehelin/Sutter, Zivilprozessrecht, Zürich 1992, § 21 N 77). Aufgrund einer Beschwerde kann das Kantonsgericht gemäss § 233 Abs. 1 ZPO einen angefochtenen Entscheid nur auf unrichtige Beurteilung der Zuständigkeit, wesentliche Verfahrensmängel und Willkür überprüfen. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und begründet dies sinngemäss damit, dass sie an Verfahrensmängeln leide. Sie beruft sich mithin auf einen zulässigen Beschwerdegrund, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.


2. Als Verfahrensmangel gilt jeder Verstoss gegen Verfahrensnormen auf dem Weg zum Urteil und beim Urteilserlass, ohne dass der Inhalt des Urteils betroffen würde (S. Schweizer, Das Rechtsmittelsystem im basellandschaftlichen Zivilprozessrecht, Diss. 1988, S. 90 ff). Wesentlich ist der Verfahrensmangel, wenn sich der Verstoss gegen grundlegende Verfahrensregeln richtet, so dass eine geordnete und loyale Prozessführung in Frage gestellt wird, und wenn er für die betreffende Partei einen Rechtsnachteil zur Folge hat (vgl. Staehelin/Sutter, a.a.O., § 21 N 83). Die Beschwerdeführerin rügt die auf Begehren der Kläger hin erfolgte Aufhebung des Akzessscheins, obwohl der vom Friedensrichter protokollierte Vergleich nicht dem Vergleichsgespräch entsprochen habe, und sinngemäss auch die fehlende Unterschrift der Parteien unter den Vergleich.


Der friedensrichterliche Vergleich ist ein Sonderfall des gerichtlichen Vergleichs. Der gerichtliche Vergleich ist ein prozessrechtlicher und ein materiellrechtlicher Vertrag (vgl. Weibel/Rutz, a.a.O., S. 126 f., 138). Deshalb kann das Prozessrecht für den gerichtlichen Vergleich die Beobachtung einer besonderen Form auch dann vorschreiben, wenn er als Rechtsgeschäft des Privatrechts formlos geschlossen werden kann. Der formlos abgeschlossene Vergleich ist alsdann ein aussergerichtlicher Vergleich (vgl. Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 395), der nur mittelbar zur Prozesserledigung führt, wenn sich der Kläger verpflichtet, seine bereits eingereichte Klage zurückzuziehen (vgl. Staehelin/Sutter, a.a.O., § 19 N 19). Gemäss § 91 Abs. 1 ZPO wird beim Zustandekommen eines Vergleichs dieser zu Protokoll genommen und nach Richtigbefinden von den Parteien und der Friedensrichterin bzw. dem Friedensrichter unterzeichnet. Vor der Unterschrift haben die Parteien also nochmals die Möglichkeit zu überprüfen, ob der vom Friedensrichter protokollierte Vergleich ihre Abmachungen richtig wiedergibt und ihrem freien Willen entspricht. Gemäss § 91 Abs. 2 ZPO hat der unterzeichnete Vergleich die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Gestützt auf den Wortlaut und den Zweck von § 91 Abs. 1 ZPO sowie aufgrund der weitreichenden prozessualen Wirkung eines friedensrichterlichen Vergleichs laut § 91 Abs. 2 ZPO ergibt sich klar, dass nach dem basellandschaftlichen Prozessrecht die Unterschrift der Parteien ein Gültigkeitserfordernis darstellt. Ohne Einhaltung dieser Form kommt somit gar kein friedensrichterlicher Vergleich zustande. Indem der Friedensrichter mit der angefochtenen Verfügung das Verfahren gestützt auf einen von den Parteien nie unterzeichneten und von der Beklagten auch nachträglich nie bekräftigten Vergleich abgeschrieben hat, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Dabei ist unerheblich, ob überhaupt eine Abweichung zwischen der mündlichen Einigung und dem Vergleichsprotokoll des Friedensrichters besteht. Denn auch dadurch könnte der Formmangel nicht geheilt werden.


3. ( … )


KGE ZS vom 12. Mai 2009 i.S. E.B. gegen F.X. sowie B.S. und G.S. (200 09 200/ZWH)



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