Zivilgesetzbuch

Ausschluss der Teilung der Austrittsleistungen


Gemäss Art. 123 Abs. 2 ZGB kann die Teilung jedoch ganz oder teilweise verweigert werden, wenn sie aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten nach der Scheidung offensichtlich unbillig wäre. Die Bestimmung ist restriktiv anzuwenden, damit der gesetzlich vorgesehene Grundsatz der hälftigen Teilung der Austrittsleistungen gewahrt bleibt. Unbilligkeit setzt voraus, dass die durch die Teilung entstandene vorsorgerechtliche Situation des einen Ehegatten im Vergleich zu jener des anderen offensichtlich stossend ist (Art. 123 Abs. 2 ZGB; E. 4).



Erwägungen

1. - 3. ( … )


4.1 Das Bezirksgericht L. teilte die Austrittsleistungen der beruflichen Vorsorge beider Ehegatten in Anwendung von Art. 122 Abs. 1 ZGB je hälftig und wies die Vorsorgeeinrichtung des Ehemannes an, von seinem Vorsorgekonto den Betrag von CHF 41'807.20 auf das Vorsorgekonto der Ehefrau zu überweisen. Die Appellantin hält dafür, dass in Abweichung vom Grundsatz der Teilung des während der Ehe geäufneten Guthabens auch das vom Ehemann vorehelich angesparte Guthaben in die Teilung mit einzubeziehen sei. Hieraus ergebe sich eine um rund CHF 12'000.00 höhere Ausgleichssumme. Die Vorsorgeeinrichtung des Ehemannes sei daher richterlich anzuweisen, von dessen Freizügigkeitskonto den Betrag von CHF 53'952.10 auf das Vorsorgekonto der Ehefrau zu überweisen. Die vom Bezirksgericht vorgenommene Teilung der Austrittsleistungen sei offensichtlich unbillig. Die Ehefrau habe mit der Geburt der gemeinsamen Tochter ihre Erwerbstätigkeit vorläufig aufgegeben und sich das Vorsorgeguthaben auszahlen lassen. Der Ehemann habe sein voreheliches Vorsorgeguthaben hingegen in der Pensionskasse lassen können und dieses habe seither eine beachtliche Verzinsung erfahren. Im Weiteren ergebe sich auch aus dem Resultat der güterrechtlichen Auseinandersetzung eine offensichtliche Unbilligkeit, zumal der Ehemann über nachehelichen Liegenschaftsbesitz in D., eine Pensionskasse, welche um mindestens CHF 20'000.00 besser belegt sei als diejenige der Ehefrau, und Barvermögen von CHF 123'471.30, welches ihm die Ehefrau auszahlen müsste, verfüge.


4.2 Das Bezirksgericht L. erwog im Zusammenhang mit der Teilung der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge, dass die hälftige Teilung der während der Ehedauer erworbenen Austrittsleistung die gesetzlich vorgeschriebene Regel darstelle, von der - ausser allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs - nicht abzuweichen sei. Überdies vermöge die Ehefrau nicht nachzuweisen, dass sie das im Jahre 1986 erhaltene Alterskapital tatsächlich für die Bedürfnisse der Familie verwendet habe. Somit sei das voreheliche Altersguthaben des Ehemannes bei der Berechnung ohne weiteres zu berücksichtigen. In der Folge ging das Bezirksgericht L. auf Grundlage der massgeblichen Unterlagen beim Ehemann für die Teilung von einem ehezeitlichen Vorsorgeguthaben in Höhe von CHF 121'122.60 aus. Die entsprechende Freizügigkeitsleistung der Ehefrau per 30. April 2008 betrage CHF 37'508.20. Gestützt auf die hälftige Teilung der Vorsorgebeträge von CHF 121'122.60 und CHF 37'508.20 sei der Differenzbetrag in Höhe von CHF 41'807.20 von der Vorsorgeeinrichtung des Ehemannes auf die Vorsorgeeinrichtung der Ehefrau zu überweisen.


4.3 Die Art. 122 f. ZGB regeln die Ansprüche aus beruflicher Vorsorge, wenn ein Ehegatte oder beide Ehegatten einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge angehört bzw. angehören und bei keinem Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten ist. Als Grundsatz gilt gemäss Art. 122 ZGB, dass jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte der nach dem Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 (SR 831.42) für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen Ehegatten hat (Abs. 1), wobei nur der Differenzbetrag zu teilen ist, wenn den Ehegatten gegenseitig Ansprüche zustehen (Abs. 2). Die Absicht des Gesetzgebers war es, dass die während der Ehe aufgebaute berufliche Vorsorge beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zugute kommen soll. Widmet sich ein Ehegatte der Haushaltführung und der Kinderbetreuung und verzichtet er ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit, so hat er bei der Scheidung Anspruch auf einen Teil der vom Partner während der Ehe aufgebauten Vorsorge. Die Teilung der Austrittsleistung bezweckt den Ausgleich seiner Vorsorgelücke und erlaubt ihm, sich in die eigene Vorsorgeeinrichtung wieder einzukaufen. Sie zielt auch auf seine wirtschaftliche Unabhängigkeit nach der Scheidung ab. Daraus folgt, dass jeder Ehegatte in der Regel einen voraussetzungslosen Anspruch auf die während der Ehe erworbenen Anwartschaften gegenüber den Einrichtungen der beruflichen Vorsorge hat (BGE 129 III 577 E. 4.2.1). Gemäss Art. 123 Abs. 2 ZGB kann die Teilung jedoch ganz oder teilweise verweigert werden, wenn sie aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten nach der Scheidung offensichtlich unbillig wäre. Nach BGE 129 III 577 E. 4.2.2 vermögen einzig diese wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung, zu denen auch die Vorsorgesituation eines geschiedenen Ehegatten gehört (BBl 1996 I S. 105), die Verweigerung zu rechtfertigen, wobei der Richter diese nach Recht und Billigkeit (Art. 4 ZGB) zu beurteilen hat. Art. 123 Abs. 2 ZGB ist restriktiv anzuwenden, damit der gesetzlich vorgesehene Grundsatz der hälftigen Teilung der Austrittsleistungen gewahrt bleibt (vgl. FamKomm Scheidung/Baumann/Lauterburg, N 47 zu Art. 123 ZGB). Unbilligkeit setzt voraus, dass die durch die Teilung entstandene vorsorgerechtliche Situation des einen Ehegatten im Vergleich zu jener des anderen offensichtlich stossend ist. Im BGE 133 III 497 hat sich das Bundesgericht anhand der Materialien und der Lehre einlässlich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen das Gericht die Teilung der Austrittsleistungen verweigern darf, auseinander gesetzt. Das Auslegungsergebnis lässt sich dahin zusammenfassen, dass das Gericht die Teilung der Austrittsleistungen nicht nur dann ganz oder teilweise verweigern kann, wenn sie aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung offensichtlich unbillig wäre. Eine Verweigerung fällt auch dort in Betracht, wo die Teilung im konkreten Einzelfall und bei Vorliegen eines dem gesetzlichen vergleichbaren oder ähnlichen Tatbestandes gegen das Verbot des offenbaren Rechtsmissbrauchs verstiesse (Art. 2 Abs. 2 ZGB). Für weitere Verweigerungsgründe bleibt hingegen kein Raum. Namentlich hat Art. 123 ZGB nicht die Funktion, ein Fehlverhalten während der Ehe zu sanktionieren.


4.4 Vor dem Hintergrund der hievor angeführten Rechtsprechung kommt das Kantonsgericht, Abteilung Zivil- und Strafrecht, zum Schluss, dass die Appellation der Ehefrau abzuweisen ist. Der Vorsorgeausgleich erfasst ausschliesslich die während der Ehe erwirtschaftete Vorsorge. Vor der Heirat akkumulierte Vorsorgebestandteile werden nicht veranschlagt; sie sind daher von der im Zeitpunkt der Scheidung vorhandenen Vorsorge abzuziehen. Soweit die Ehefrau bei der Ermittlung der erworbenen Vorsorge somit den Einbezug des vom Ehemann vorehelich angesparten Guthabens beansprucht, widerspricht dies zum Vornherein der gesetzlichen Konzeption des Vorsorgeausgleichs. Die Ehefrau stützt ihren Anspruch auf Art. 123 Abs. 2 ZGB. Diese Bestimmung sieht allerdings lediglich vor, dass das Gericht die Teilung ganz oder teilweise verweigert. Ein Einbezug von vorehelichen Vorsorgebestandteilen in das Teilungssubstrat lässt sich aus der vorgenannten Bestimmung nicht ableiten. Im Übrigen ist die Möglichkeit, die Teilung der Austrittsleistungen der beruflichen Vorsorge gegen den Willen des Berechtigten ganz oder teilweise zu verweigern, nach dem Vorstehenden ohnehin restriktiv anzuwenden. Analog der Regelung im Güterrecht gibt es beim Vorsorgeausgleich keine Härteklausel, welche es dem Gericht erlauben würde, die Vorschlagsteilung in irgendeiner Weise vom Verhalten eines Ehegatten während der Ehe oder im Zusammenhang mit deren Auflösung abhängig zu machen. Vorbehalten bleibt grundsätzlich allein die Beteiligungsforderung am Rechtsmissbrauchsverbot von Art. 2 Abs. 2 ZGB scheitern zu lassen. Allerdings ist Rechtsmissbrauch nur mit grösster Zurückhaltung anzunehmen. So etwa wenn die Teilung zu einem krassen Missverhältnis in der Vorsorge führt oder fundamental gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstösst. Im vorliegenden Falle werden diese qualifizierten Tatbestände klar nicht erreicht. Die Aufgabe der Erwerbstätigkeit der Ehefrau und die anschliessende Barauszahlung ihrer Austrittsleistung, welche bei Geburt der gemeinsamen Tochter erfolgt sein soll, kann nicht dazu führen, dass vom Normalfall des Vorsorgeausgleichs abgewichen werden darf. Dieser Vorgang wäre möglicherweise unter dem Kriterium von Art. 125 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB prüfenswert gewesen, rechtfertigt allerdings ein Abweichen von der hälftigen Teilung der Austrittsleistung gemäss Art. 122 ZGB nicht. Ebenso unbeachtlich ist im vorliegenden Falle das Resultat der güterrechtlichen Auseinandersetzung. Denn auch bei der Verweigerung mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung ist äusserste Zurückhaltung am Platz. Es handelt sich um einen selbständigen, neben dem Güterrecht bestehenden Anspruch, so dass ein blosses wirtschaftliches Gefälle die Teilung der Zweiten Säule in keiner Weise ausschliesst. Entsprechend genügt es für die Anwendung von Art. 123 Abs. 2 ZGB auch nicht, dass der aus dem Vorsorgeausgleich berechtigte Ehegatte ein Vermögen von mehreren Millionen ererbt hat (vgl. BGE 5C.49/2006). Das behauptete finanzielle Ungleichgewicht in den finanziellen Kapazitäten der Parteien rechtfertigt hier klarerweise keine Anwendung von Art. 123 Abs. 2 ZGB. Wohl mag es im Einzelfall unbefriedigend sein, wenn wegen der Teilung der Vorsorge eine Partei schliesslich über erheblich weniger Einkommen verfügt als die andere und mit Blick auf die konkreten Lebensumstände nicht in der Lage sein wird, ihr Einkommen oder ihre Vorsorge aufzubessern, während die andere Partei noch voll im Erwerbsleben steht. Eine Kompensation mag sich in diesen Fällen ohne weiteres rechtfertigen; diese kann aber nicht über die Verweigerung des Vorsorgeausgleichs erfolgen. Vielmehr hat der Ausgleich eben über den nachehelichen Unterhalt zu erfolgen. Dieser ist allerdings im vorliegenden Falle nicht strittig, haben doch beide Parteien bereits im Verfahren der Vorinstanz übereinstimmend auf die Geltendmachung von nachehelichen Unterhaltsbeiträgen verzichtet. Anzumerken bleibt, dass die konkrete Berechnung, wie sie durch das Bezirksgericht L. in Ziffer 4 des Urteils vom 23. Oktober 2008 vorgenommen worden ist, nicht beanstandet wurde und folglich keine Anpassung des entsprechenden Dispositivs vorgenommen wird, obwohl grundsätzlich die Voraussetzungen von Art. 141 ZGB nicht gegeben sind. Die Vorinstanz hätte mithin in Anwendung von Art. 142 ZGB mangels einer Konvention bloss über das Verhältnis, in welchem die Austrittsleistungen zu teilen sind, entscheiden dürfen.


5. - 7. ( … )


KGE ZS vom 15. September 2009 i.S. L. gegen L. (100 08 1059/LIA)



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