Unfallversicherung

Konkurrenz von zwei Unfällen


Gemäss Art. 11 UVV werden Versicherungsleistungen auch für Rückfälle und Spätfolgen gewährt. Bei einem Rückfall handelt es sich um das Wiederaufflackern einer vermeintlich geheilten Krankheit; von Spätfolgen spricht man, wenn ein scheinbar geheiltes Leiden im Verlaufe längerer Zeit organische oder psychische Veränderungen bewirkt, die zu einem anders gearteten Krankheitsbild führen können (E. 2.1).


Vorliegend ist die natürliche und die adäquate Kausalität zwischen dem zweiten Unfallereignis und dem erlittenen Schenkelhalsbruch zu bejahen. Die Adäquanz kann nicht allein wegen einer konstitutionellen Prädisposition, vorliegend wegen der bestehenden Osteoporose, verneint werden. Weil der Betroffenen im Zeitpunkt des zweiten Unfallereignisses nicht mehr bei der SUVA unfallversichert war, entfällt deren Leistungspflicht. (E. 2.2).


Osteoporose hat zwar als Spätfolge des ersten - versicherten - Unfalls zu gelten. Der mit dem zweiten Unfall erlittene Schenkelhalsbruch kann aber nicht in den erforderlichen Kausalzusammenhang mit dem ersten Unfall gestellt werden. Damit findet auch Art. 36 Abs. 1 UVG keine Anwendung (E. 3).



Sachverhalt

Der 1960 geborene M. erlitt am 11. Juli 1987 einen Motorradunfall und zog sich dabei eine komplette Paraplegie zu. Als Angestellter der Walter Stöcklin AG, Dornach, war er im Unfallzeitpunkt bei der SUVA gegen die Folgen von Unfällen versichert. In der Folge sprach die SUVA M. eine Entschädigung für eine Integritätseinbusse von 90%, eine Rente gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 100% sowie eine Hilflosenentschädigung aufgrund einer Hilflosigkeit leichten Grades zu. Diese Leistungen sind in Rechtskraft erwachsen.


Am 25. Oktober 2006 stürzte M. mit dem Rollstuhl. Dabei erlitt er eine Schenkelhalsfraktur links. Ferner stellten die Ärzte eine ausgeprägte Osteoporose fest, welche sich als Folge der Paraplegie entwickelt habe. Die SUVA lehnte mit Verfügung vom 6. Juli 2007 die Ausrichtung von Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit der Schenkelhalsfraktur mangels Versicherungsdeckung ab. Mit Einsprache-Entscheid vom 6. Dezember 2007 wies die SUVA die dagegen erhobene Einsprache vom 23. August 2007 ab.


Gegen den ablehnenden Einsprache-Entscheid erhob M. Beschwerde und beantragte, der Einsprache-Entscheid sei aufzuheben und die SUVA zur Übernahme sämtlicher Kosten im Zusammenhang mit der osteoporosebedingten Schenkelhalsfraktur vom 25. Oktober 2006 zu verurteilen sei.



Erwägungen

1. (Zuständigkeit).


2. Der Versicherte erlitt am 11. Juli 1987 einen Unfall, den die SUVA als Versicherungsfall anerkannte und für den sie Leistungen erbrachte. Diese Leistungszusprechung ist rechtskräftig und nicht umstritten. Fest steht ausserdem, dass der Beschwerdeführer im Jahre 2006 nicht mehr bei der SUVA unfallversichert und auch bei keinem anderen Leistungsträger obligatorisch oder freiwillig nach UVG versichert war. Ebenso wenig war der Beschwerdeführer gemäss eigenen Angaben in diesem Zeitpunkt krankenversichert. Vorliegend strittig ist, ob die SUVA für die Kosten, die durch die Schenkelhalsfraktur entstanden sind, aufzukommen hat.


Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass der Schenkelhalsbruch in einem Zusammenhang mit dem Motorradunfall vom 11. Juli 1987 steht. Frakturen infolge der osteoporosebedingten Knochenbrüchigkeit seien bei Paraplegikern relativ häufig, weil die Osteoporose eine häufige Begleiterscheinung der Querschnittlähmung sei. Der Schenkehlhalsbruch hätte in extremis sogar spontan und ohne äussere Einwirkung im Sinne einer Eigendynamik allein durch die Osteoporose verursacht werden können. Der einfache Sturz aus dem Rollstuhl vom 25. Oktober 2006 stelle im Vergleich zur Knochenbrüchigkeit, welche durch den Unfall vom 11. Juli 1987 verursacht worden sei, eine Bagatelle dar und trete völlig in den Hintergrund.


2.1 Gemäss Art. 11 der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV) vom 20. Dezember 1982 werden Versicherungsleistungen auch für Rückfälle und Spätfolgen gewährt. Bei einem Rückfall handelt es sich um das Wiederaufflackern einer vermeintlich geheilten Krankheit, so dass es zu ärztlicher Behandlung, möglicherweise sogar zu (weiterer) Arbeitsunfähigkeit kommt; von Spätfolgen spricht man, wenn ein scheinbar geheiltes Leiden im Verlaufe längerer Zeit organische oder psychische Veränderungen bewirkt, die zu einem anders gearteten Krankheitsbild führen können. Rückfälle und Spätfolgen schliessen somit begrifflich an ein bestehendes Unfallereignis an. Die Leistungspflicht der Unfallversicherung setzt damit - beim Grundfall ebenso wie bei Rückfällen und Spätfolgen (Art. 11 UVV; BGE 118 V 296 E. 2c) - das Vorliegen eines natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs voraus (BGE 129 V 181 E. 3.3). Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten oder nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann. Entsprechend dieser Umschreibung ist für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht erforderlich, dass ein Unfall die alleinige oder unmittelbare Ursache gesundheitlicher Störungen ist; es genügt, dass das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen die körperliche oder geistige Integrität der versicherten Person beeinträchtigt hat, der Unfall mit andern Worten nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch die eingetretene gesundheitliche Störung entfiele (BGE 129 V 181 E. 3.1, 406 E. 4.3.1, 119 V 337 E. 1, 118 V 289 E. 1b, je mit Hinweisen).


Ob zwischen einem schädigenden Ereignis und einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber die Verwaltung bzw. im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt für die Begründung eines Leistungsanspruches nicht (BGE 129 V 181 E. 3.1, 119 V 338 E. 1, 118 V 289 E. 1b, je mit Hinweisen).


Bei organischen Unfallfolgen deckt sich die adäquate, das heisst rechtserhebliche Kausalität im Übrigen weitgehend mit der natürlichen Kausalität; die Adäquanz hat hier praktisch keine selbstständige Bedeutung (BGE 118 V 291 E. 3a, 117 V 365 E. 5d/bb mit Hinweisen; SVR 2007 UV Nr. 28 S. 94, U 413/05).


2.2 Vorliegend steht eine Schenkelhalsfraktur und damit ein organischer Gesundheitsschaden zur Diskussion. Nach dem oben Gesagten ist somit zu prüfen, ob die natürliche Kausalität zwischen dem Schenkelhalsbruch und dem Unfall vom 25. Oktober 2006 zu bejahen ist.


Wie dem Schreiben der REHAB Basel vom 25. Mai 2007 zu entnehmen ist, hat sich im Rahmen der langjährigen Paraplegie eine ausgeprägte Osteoporose entwickelt, die zu einer erhöhten Frakturgefahr und einem verzögerten Heilungsverlauf führt. Die Schenkelhalsfraktur ist vorliegend durch den Sturz vom 25. Oktober 2006 mit dem Rollstuhl entstanden. Dieser Unfall ist damit für die Fraktur ursächlich. Jedenfalls kann er nicht als Bagatelle bezeichnet werden, denn der Sturz kann nicht weggedacht werden, ohne dass auch die Fraktur entfallen würde. Selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer davon ausgehen würde, dass die Osteoporose auch geeignet wäre, einen Bruch ohne äussere Einwirkung zu verursachen, steht vorliegend fest, dass der Schenkelhalsbruch eben nicht auf diese Weise eingetreten ist. Er ist ohne Zweifel durch den Sturz entstanden. Damit steht der natürliche Kausalzusammenhang zwischen Schenkelhalsbruch und Unfallereignis vom 25. Oktober 2006 fest. Demzufolge entfällt eine Leistungspflicht der SUVA, weil der Beschwerdeführer im Oktober 2006 nicht mehr bei der SUVA versichert gewesen ist und diese deshalb nicht für die Folgen des Unfallereignisses vom 25. Oktober 2006 aufzukommen hat.


Ergänzend ist anzufügen, dass ein Sturz nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge durchaus geeignet ist, eine Fraktur zu bewirken. Auch Personen ohne Osteoporose erleiden bei einfachen Stürzen beim Gehen oder auch bei Stürzen von einem Stuhl nicht selten Frakturen. Dazu kommt, dass die Adäquanz gemäss Praxis nicht allein wegen einer konstitutionellen Prädisposition, vorliegend also wegen der bestehenden Osteoporose, verneint werden kann, weil sich die Frage nach der generellen Eignung, bestimmte Gesundheitsschädigungen herbeizuführen, nicht nur auf psychisch und physisch gesunde Personen, sondern auch auf Versicherte mit krankhaften Vorzuständen bezieht (BGE 125 V 463 E. 5c).


3. Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass die Osteoporose selber zwar als Spätfolge des Motorradunfalls vom 11. Juli 1987 zu gelten hat und die SUVA insofern leistungspflichtig ist. Der Schenkelhalsbruch kann allerdings nicht in den erforderlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis vom 11. Juli 1987 gestellt werden. Er ist auf den Rollstuhlsturz vom 25. Oktober 2006 zurückzuführen. Damit kann der Beschwerdeführer auch nichts aus Art. 36 Abs. 1 UVG zu seinen Gunsten ableiten. Art. 36 Abs. 1 UVG würde lediglich dann Anwendung finden, wenn auch der zweite Unfall vom 25. Oktober 2006 unter die Versicherungsdeckung fallen würde, was - wie oben dargelegt - nicht der Fall ist.


Damit ergibt sich, dass die vorliegende Beschwerde abzuweisen ist.


4. (Kosten).


KGE SV vom 30. Januar 2009 i.S. M. (725 08 195)



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