Ergänzungsleistungen

Beschwerdelegitimation der Schwiegertochter (Art. 59 ATSG, E. 1).


Definition des Vermögensverzehrs und des Verzichtsvermögens (Art. 3c Abs. 1 lit. c und g ELG, E. 3.1 - 3.3)


Bemessung des Vermögensverzehrs und Verzichtsvermögens: Die in Art. 17a Abs. 1 ELV getroffene Regelung bezüglich Amortisation des Verzichtsvermögens ist gesetzes- und verfassungsmässig (Art. 17a Abs. 1 ELV, E. 3.4, 3.5 und 4).



Sachverhalt

Der 1918 geborene X. bezieht seit mehreren Jahren Ergänzungsleistungen (EL) zu seiner AHV-Rente. Aufgrund der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Neuregelung der Pflegefinanzierung im Kanton Basel-Landschaft musste die Ausgleichskasse eine Neuberechnung der EL vornehmen. In der Folge sprach sie dem Versicherten rückwirkend auf 1. Januar 2008 EL in Höhe von monatlich Fr. 1'761.-- zu. Dabei berücksichtigte sie ein Verzichtsvermögen von Fr. 212'000.-- und rechnete gestützt darauf einen Vermögensverzehr von Fr. 19'120.-- als Einkommen an. Die gegen diese Verfügung erhobene Einsprache wies die Ausgleichskasse ab. X. und seine Nachkommen reichten durch ihren Rechtsvertreter gegen diesen Einspracheentscheid Beschwerde ans Kantonsgericht, Abteilung Sozialversicherungsrecht, ein. Sie beantragten, das Verzichtsvermögen sei für jedes Jahr, in welchem keine EL ausgerichtet worden seien, um Fr. 10'000.-- zu reduzieren. Für den Zeitraum, während welchem EL bezogen worden seien, sei eine Reduktion des anrechenbaren Verzichtsvermögens um den als Einkommen aufgerechneten Vermögensverzehr vorzunehmen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Art. 17a Abs. 1 ELV lediglich die Amortisation des Verzichtsvermögens von jährlich Fr. 10'000.-- für den Zeitraum regle, in welchem keine EL bezogen würden und deshalb kein Vermögensverzehr als hypothetisches Einkommen aufzurechnen sei. Sobald EL ausgerichtet würden, sei diese schematische und undifferenzierte Amortisation nicht mehr haltbar. Es sei willkürlich und stossend, wenn wie in casu ein Vermögensverzehr von rund Fr. 20'000.-- als hypothetisches Einkommen berücksichtigt werde, das verzehrte Vermögen im gleichen Zeitraum aber nur um Fr. 10'000.-- abnehme. Es gebe keinen sachlichen Grund, die Amortisation und den aufgerechneten Vermögensverzehr unterschiedlich zu bemessen. Das Verzichtsvermögen sei deshalb um den aufgerechneten Vermögensverzehr zu amortisieren. Die Ausgleichskasse beantragte in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde.



Das Kantonsgericht zieht i n E r w ä g u n g :

1.1 Gemäss § 16 Abs. 2 des Gesetzes über die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung (VPO) vom 16. Dezember 1993 hat das Kantonsgericht von Amtes wegen, d.h. unabhängig von allfälligen Parteianträgen, zu prüfen, ob auf das Rechtsmittel eingetreten werden kann. Zur Beschwerde berechtigt ist gemäss Art. 59 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 nebst der versicherten Person auch, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (BGE 127 V 3 E. 1b mit Hinweisen).


1.2 Vorliegend hat der Rechtsvertreter nebst dem auf EL anspruchsberechtigten Versicherten auch im Namen und Auftrag seiner Söhne und Schwiegertochter Beschwerde erhoben. Die Schwiegertochter ist die Ehefrau des vorverstorbenes Sohnes Y. Vor In-Kraft-Treten des ATSG am 1. Januar 2003 waren Blutsverwandte in auf- und absteigender Linie sowie Geschwister gestützt auf Art. 84 Abs. 1 der bis 31. Dezember 2002 in Kraft gewesenen Fassung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) vom 20. Dezember 1946 zur Beschwerdeerhebung im eigenen Namen befugt. Diese Bestimmung wurde durch die wesentlich offenere Regelung in Art. 59 ATSG ersetzt. Aus den Materialien zum ATSG ergeben sich keine Anhaltspunkte, wonach der Gesetzgeber eine Beschränkung des Beschwerderechts auf die leistungsberechtigte beziehungsweise die versicherte Person im Auge hatte (BBl 1999, S. 4623). Mit der Einführung des ATSG ist hinsichtlich der Beschwerdeberechtigung keine Änderung der Rechtslage beabsichtigt gewesen. Die Legitimation der Beschwerde führenden Söhne ist deshalb - nunmehr gestützt auf Art. 59 ATSG - zu bejahen. Desgleichen ist die Schwiegertochter zur Beschwerde legitimiert, da sie zweifellos durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung hat (vgl. dazu BGE 99 V 59 f.). Da die übrigen Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde vom 18. Juni 2008 einzutreten.


2.1 Vorliegend wurde im Jahr 1990 zwischen X. und seinem Sohn Y. ein Kauf- und Schenkungsvertrag abgeschlossen. Die Kaufsumme der damals veräusserten Liegenschaft Parzelle Nr. 134, GB Itingen, betrug Fr. 820'000.--. Die Ausgleichskasse zog von diesem Kaufpreis einerseits Fr. 245'000.-- für die Übernahme des Schuldbriefes und andererseits Fr. 193'000.-- als kapitalisierten Barwert für das an X. und seiner Ehefrau lebenslänglich eingeräumte Wohnrecht ab. Der Restbetrag von Fr. 382'000.-- amortisierte sie ab 1. Januar 1992 um jährlich


Fr. 10'000.--, so dass sie für das Jahr 2008 eine Schenkung in Höhe von Fr. 212'000.-- auf der Vermögensseite einsetzte. Es ist zu Recht unbestritten, dass mit dieser Schenkung eine Verzichtsverhandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. g des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) vom 19. März 1965 vorliegt. Weiter sind sich die Parteien darin einig, dass das Wohnrecht eine Gegenleistung für die Übertragung der Liegenschaft darstellt und deshalb bei der Berechnung des Verzichtsvermögens zu berücksichtigen ist. Der von der Ausgleichskasse ermittelte Betrag von Fr. 193'000.-- ist aufgrund der von der Eidgenössischen Steuerverwaltung herausgegebenen Tabelle festgesetzt worden und erweist sich somit unbestrittenermassen als korrekt (vgl. AHI 2003 S. 140 f.; Urs Müller, Anhang 6 [Kapitalisierungsfaktoren] in: Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2006, S. 25 f.). Die Beschwerde führenden Parteien beanstanden auch nicht, dass das Verzichtsvermögen ab 1. Januar 1992 jährlich amortisiert wird (vgl. dazu Art. 17 Abs. 2 der Verordnung über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV) vom 15. Januar 1971 und lit. a Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung der ELV vom 12. Juni 1989). Sie stellen sich dagegen auf den Standpunkt, dass die in Art. 17a Abs. 1 ELV vorgesehene pauschale Amortisation um jährlich Fr. 10'000.-- auf jenen Zeitraum keine Anwendung finden könne, in welchem EL bezogen würden. Bei EL-Bezügern sei die Höhe der Amortisation dem in der Einnahmenberechnung eingesetzten Betrag für den Vermögensverzehr anzupassen.


2.2 Es ist somit zu prüfen, ob die Ausgleichskasse die Amortisation des Verzichtsvermögens korrekt vorgenommen hat. Die richterliche Prüfung beschränkt sich praxisgemäss auf diesen streitigen Punkt. Es besteht somit kein Anlass, auf die übrigen unbestrittenen Berechnungspositionen näher einzugehen (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG, seit 1. Januar 2007: Bundesgericht, sozialrechtliche Abteilung] vom 17. August 2005, P 19/04, E. 4).


2.3 Das anrechenbare Einkommen wird nach den Bestimmungen der Art. 3 ff. ELG berechnet. Gemäss Art. 3c Abs. 1 lit. c Satz 1 ELG sind ein Fünfzehntel und bei Altersrentnern ein Zehntel des vorhandenen Reinvermögens (Vermögensverzehr) als Einnahmen anzurechnen. Ein derartiger Vermögensverzehr greift allerdings erst Platz, soweit das Reinvermögen bei Alleinstehenden Fr. 25'000.--, bei Ehepaaren Fr. 40'000.-- und bei Waisen sowie Kindern, die einen Anspruch auf Kinderrenten der AHV oder IV begründen, Fr. 15'000.-- übersteigt. Gestützt auf Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG wird der Vermögensverzehr nicht nur aufgrund des effektiv vorhandenen Vermögens berechnet, sondern er umfasst auch Vermögen, auf welches verzichtet worden ist (sog. Verzichtsvermögen, auch hypothetisches oder fiktives Vermögen).


Nebst den genannten Grundsätzen sahen das ELG und die ELV zunächst keine Regelung hinsichtlich der Bemessung des Verzichtsvermögens vor. Das Bundesgericht füllte damals diese Gesetzeslücke, indem es anordnete, die entäusserten Vermögenswerte seien so anzurechnen, wie wenn überhaupt kein Verzicht geleistet worden wäre (vgl. ZAK 1967 S. 558 ff. E. 1 und 1988 S. 191 ff. E. 5c). Die auf dieser Fiktion beruhende Rechtsprechung sah keine Möglichkeit einer Amortisation von Verzichtsvermögen vor (ZAK 1988 S. 191 ff. E. 5c). Damit war in ständiger Rechtsprechung des bis 31. Dezember 1986 in Kraft gestandenen Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG eine Amortisation des Verzichtsvermögens nicht möglich (vgl. BGE 113 V 195 E. 5c mit Hinweisen). EL-Bezüger, die auf Vermögen verzichteten, hatten somit im Gegensatz zu jenen, welche ihr Vermögen behielten, keine Möglichkeit, das ihnen weiterhin angerechnete Verzichtsvermögen abzutragen. Mit dem Erlass des Art. 17a Abs. 1 ELV, in Kraft seit 1. Januar 1990, schaffte der Verordnungsgeber erstmals eine Grundlage für die Amortisation von Verzichtsvermögen. Gemäss dieser Bestimmung sind Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist, jährlich um Fr. 10'000.- zu vermindern. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führte in seinen Erläuterungen zur Änderung der ELV zum neuen Art. 17a ELV aus, dass sich die Gerichtspraxis, wonach hypothetisches Vermögen in unveränderter Höhe angerechnet werde, solange EL bezogen würde, als ausserordentlich hart erweise. Deshalb sei eine regelmässige Verminderung des anrechenbaren Verzichtsvermögens einzuführen (vgl. auch Ralph Jöhl, Ergänzungsleistung zur AHV/IV, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, 2. Auflage, Basel/Genf/München 2007, S. 1814 Fn 880).


3.1 Die Beschwerde führenden Parteien sind der Auffassung, dass eine pauschale Amortisation willkürlich sei und gegen das Rechtsgleichheitsgebot verstosse. Richtig sei die Anpassung der jährlichen Amortisation des Verzichtsvermögens an den nach Art. 3c Abs. 1 lit. c ELG ermittelten Vermögensverzehr. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Das Verzichtsvermögen und der Vermögensverzehr beruhen auf unterschiedlichen gesetzgeberischen Überlegungen. Wie sich in den nachfolgenden Erwägungen zeigen wird, kann der anrechenbare Vermögensverzehr nicht der Amortisation des Verzichtsvermögen gleichgesetzt werden.


3.2 Beim sogenannten Vermögensverzehr handelt es sich um einen Teil des Wertes eines Vermögens, der als Einkommen angerechnet wird. Er stellt einen bestimmten Prozentsatz des Reinvermögens dar, soweit dieses gewisse Beträge (sog. Freibeträge) gemäss Art. 3c Abs. 1 lit. c ELG übersteigt. Um in den Genuss von EL zu kommen, ist es daher nicht notwendig, die Ersparnisse ganz oder bis zu einem bestimmten Betrag aufzubrauchen. Die ratio legis für die Anrechenbarkeit eines hypothetischen Vermögensverzehrs besteht darin, dass EL-Bezüger nicht Leistungen des Staates erhalten und gleichzeitig Vermögenswerte für sich oder ihre Erben horten sollen. Es wird den potenziellen EL-Bezügern zugemutet, einen Teil der "Reserven" zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bzw. zur Finanzierung eines Heimaufenthaltes auszugeben. Der Vermögensverzehr kann dazu führen, dass die Einnahmen die Ausgaben übersteigen und somit kein Anspruch auf EL besteht (Dieter Widmer, Die Sozialversicherung in der Schweiz, 6. Auflage, 2008, S. 124).


Wenn eine EL-beziehende Person den Wert ihres effektiv vorhandenen Vermögens für ihren Lebensunterhalt nicht antastet und dementsprechend vermindert, wird bei jeder Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse wieder von dem ausgegangen, was tatsächlich vorhanden ist. Demzufolge bleibt der Vermögensverzehr Jahr für Jahr als hypothetische Einnahme in gleicher Betragshöhe bestehen. Erst wenn EL-Bezüger tatsächlich einen Teil ihres Vermögens über das in Art. 3c Abs. 1 lit. c EKG vorgesehene Ausmass hinaus verwenden, beeinflusst der Vermögensverbrauch die Höhe des anrechenbaren Vermögensverzehrs (vgl. Stefan Werlen, Der Anspruch auf Ergänzungsleistung und deren Berechnung, Diss. Baden 1995, S. 121 f.).


3.3 Beim hypothetischen Vermögen (= Verzichtsvermögen) wird davon ausgegangen, dass das Vermögensobjekt, auf das verzichtet worden war, immer noch Teil des Vermögens des EL-Gesuchstellers bildet. Diese Fiktion ist jedoch nicht darin zu sehen, dass die versicherte Person nach wie vor Eigentümerin des Vermögensobjektes ist. Sie besteht vielmehr darin, dass davon ausgegangen wird, das Vermögensobjekt sei zu seinem Marktwert veräussert worden, d.h. der versicherten Person sei eine adäquate Gegenleistung zugeflossen (vgl. Jöhl, a.a.O., S. 1838). Diese Gegenleistung wird als hypothetisches Vermögen in die EL-Berechnung miteinbezogen, obwohl es der verzichtenden Person nicht mehr zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung steht. Das Verzichtsvermögen wird wie das tatsächlich vorhandene Vermögen als Vermögensverzehr gemäss Art. 3c Abs. 1 lit. c ELG angerechnet. Im Gegensatz zum effektiven Vermögen kann dieses hypothetische Vermögen in seiner Höhe nicht mehr festgestellt werden und beruht somit auf Annahmen. Da es sich um einen fingierten Vermögensverbrauch handelt, bedarf es für dessen wertmässige Bestimmung einer allgemeingültigen Regelung.


3.4 Aufgrund dieser Ausführungen zeigt sich, dass das Verzichtsvermögen und der Vermögensverzehr verschiedene Zielsetzungen haben. Entgegen der Auffassung der Beschwerde führenden Parteien ist daher die Annahme, dass sich das Verzichtsvermögen bei Vorliegen eines hypothetisch anrechenbaren Vermögens im Umfang des anrechenbaren Vermögensverzehrs vermindern soll, nicht zwingend. Wie in den nachfolgenden Erwägungen anhand von Beispielen aufgezeigt wird, stimmt der Vermögensverzehr bei tatsächlich vorhandenen Vermögenswerten nicht mit dem effektiven Vermögensverbrauch überein. Es besteht daher kein Grund, beim hypothetischen Vermögen davon auszugehen, der Vermögensverbrauch entspreche dem anrechenbaren Vermögensverzehr.


3.4.1 Als Erstes wird die Berechnung des Verzichtsvermögens und des Vermögensverzehrs illustriert. Die Berechnungsgrundlagen lehnen sich an den vorliegenden Sachverhalt, sind aber der Verständlichkeit halber vereinfacht worden.


Der amtliche Wert der Liegenschaft von X. beträgt 625'000.--. Im Jahr 1990 (= Verzichtsjahr) überträgt er die Liegenschaft mittels eines Schenkungsvertrages auf seine vier Kinder, wobei diese eine Hypothek im Umfang von Fr. 245'000.-- übernehmen. Im Jahr 2008 stellt X., der inzwischen eine ordentliche Altersrente der AHV bezieht, ein Gesuch um Ausrichtung von EL.


Gemäss Art. 17a Abs. 2 ELV ist das Vermögen unverändert auf den 1. Januar 1991 zu übertragen. Die erste Amortisationsrate wird demnach erst ab 1. Januar 1992 abgezogen. Demzufolge ergeben sich im unseren Berechnungsbeispiel 17 Jahre, die zu berücksichtigen sind. Dabei beträgt die Amortisationsrate gestützt auf Art. 17a Abs. 1 ELV jährlich Fr. 10'000.--.


3.4.2 Anhand dieser Berechnungen ist zu erkennen, dass die Amortisation von pauschal Fr. 10'000.-- nach geltendem Recht und ständiger Praxis unabhängig von der Höhe des anrechenbaren hypothetischen Vermögens und des Vermögensverzehrs gemäss Art. 3c Abs. 1 lit. c ELG erfolgt (vgl. für andere Berechnungsbeispiele: Stephan Stucki, Die Berücksichtigung unentgeltlicher Liegenschaftsabtretungen im Recht der Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Bernischer Notar [BN] 2006, S. 253 ff.). In diesem Zusammenhang lässt sich nun die Auffassung der Beschwerde führenden Parteien verdeutlichen, indem sie nun in Abweichung der anhand des vorliegenden Beispiels illustrierten gesetzlichen und verordnungsmässigen Grundlagen möchten, dass die jährliche Amortisationsrate nach Entstehung des EL-Anspruchs nicht unverändert Fr. 10'000.-- beträgt, sondern dem konkret ermittelten Vermögensverzehr auf dem Verzichtsvermögen entspricht.


3.5 a) X. verfügt im Jahr 2008 über ein Bruttovermögen von Fr. 210'000.--. Im folgenden Jahr zerrt er sein Vermögen nicht an.


Anhand dieser Beispiele ist festzustellen, dass in der EL-Berechnung jährlich ein Vermögensverzehr als Einnahme angerechnet wird; dies auch, wenn in tatsächlicher Hinsicht kein Vermögensverbrauch stattgefunden hat. Weiter geht hervor, dass ein effektiver Vermögensverbrauch die Höhe des Vermögensverzehrs beeinflusst. Aufgrund des zu berücksichtigenden Freibetrages entspricht der Vermögensverzehr zudem nicht dem tatsächlichen Vermögensverbrauch (vgl. dazu auch Widmer, a.a.O., S. 124). Damit zeigt sich, dass der Vermögensverzehr und der Vermögensverbrauch (= Amortisation) entgegen der Auffassung der Beschwerde führenden Parteien nicht gleichzusetzen sind.


4.1 Es ist weiter zu prüfen, ob die in Art. 17a Abs. 1 ELV vorgesehene pauschale Amortisation gesetzes- bzw. verfassungsmässig ist. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst dann gegen das Willkürverbot oder das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 9 und Art. 8 Abs. 1 der Bundesverfassung [BV] vom 18. April 1999), wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen ( BGE 132 V 273 E. 4 mit Hinweisen). Die Verwendung schematischer Kriterien verstösst grundsätzlich nicht gegen das Rechtsgleichheitsgebot (BGE 100 Ia 322 f.). Voraussetzung ist, dass sich die Schematisierung an vernünftige und verallgemeinerungsfähige Kriterien hält. In diesem Sinne ist eine Abwägung zwischen dem Erfordernis der Praktikabilität gesetzlicher Regelungen und dem Interesse des Einzelnen an seiner rechtsgleichen Behandlung abzuwägen. Die Interessenabwägung als solche ist unter dem Aspekt des in Art. 9 BV enthaltenen Willkürverbotes zu prüfen. Willkür ist gegeben, wenn die vorinstanzliche Beurteilung eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich schwer verletzt, sich mit sachlichen Gründen schlechthin nicht vertreten lässt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (vgl. zum Willkürbegriff: BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211, 129 I 8 E. 2.1 S. 9, 125 V 408 E. 3a S. 409, je mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts vom 22. August 2007, 8C_261/2007, E. 2).


4.2 Das Bundesgericht setzte sich in BGE 118 V 150 ff. unter anderem mit der Verfassungs- und Gesetzesmässigkeit des Art. 17a Abs. 1 ELV auseinander. Es stellte fest, dass der Bundesrat eine umfassende Kompetenz zur Regelung der Amortisation des anrechenbaren Verzichtsvermögens habe. Werde dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, könne das Gericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und habe auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Zur hier interessierenden Frage der Höhe der Amortisationsraten führte es aus, dass dem Bundesrat unter den Gesichtspunkten von Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit zukomme. Die vom Bundesrat getroffene Lösung schreibe ohne Rücksicht auf die übrige Vermögenslage eine jährliche pauschale Amortisationsrate von Fr. 10'000.-- vor. Es sei klar, dass auch andere differenziertere Regelungen denkbar wären. Indessen sei nicht ersichtlich, inwiefern diese einfache und geradlinige Lösung willkürlich oder rechtsungleich sei. Diese Rechtsprechung wurde seither bestätigt (vgl. Urteil des EVG vom 10. August 2005, P 14/05, E. 1.1).


4.3 Das Gericht hat keinen Anlass von diesen höchstrichterlichen Ausführungen abzuweichen. Dem von den Beschwerde führenden Parteien vorgebrachte Einwand, es werde gegen das Gebot der Rechtsgleichheit und das Willkürverbot verstossen, kann nicht gefolgt werden. Die Verletzung dieser beiden Rechtsgrundsätze wird dahingehend begründet, dass sich EL-Bezüger bei einer pauschalen Amortisation mit einem hohen anrechenbaren hypothetischen Vermögen auch hohe Einnahmen aus dem Verzehr des hypothetischen Vermögens anrechnen lassen müssten, was eine ungerechtfertigte Benachteiligung gegenüber denjenigen EL-Bezügern darstelle, welche über ein bescheideneres Verzichtsvermögen verfügen. Es ist zwar den Beschwerde führenden Parteien insofern beizupflichten, dass die von ihnen dargestellte Benachteiligung im vorliegenden Fall tatsächlich besteht. Beim altersrentenberechtigten Beschwerdeführer X. beträgt der aus dem Verzichtsvermögen resultierende Vermögensverzehr Fr. 19'120.-- (10 % von Fr. 191'200 des anrechenbaren Reinvermögens), amortisiert wird das hypothetische Vermögen aber nur um jährlich Fr. 10'000.--. Dagegen beläuft sich der Vermögensverzehr bei EL-Bezügern, welchen ein hypothetisches Vermögen nach Abzug des Freibetrages von weniger als Fr. 100'000.-- anzurechnen ist, auf weniger als Fr. 10'000.--. Die Amortisationsrate beträgt aber unverändert weiterhin Fr. 10'000.--. Die Benachteiligung von X. stützt sich aber auf haltbare Gründe technischer und praktischer Natur und lässt sich sachlich vertreten. Die Berücksichtigung eines Pauschalbetrages trägt dem besonders im Rahmen der Massenverwaltung zu beachtenden Erfordernis der Praktikabilität und der Verwaltungsökonomie Rechnung. Zudem dient die pauschale Lösung der Transparenz und der EL-Bezüger ist in der Lage, das anrechenbare Verzichtsvermögen im Voraus auf einfache und zuverlässige Weise zu ermitteln. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die geltend gemachte Benachteiligung nur zeitweise besteht, nämlich so lange, als der aufgrund des Verzichtsvermögens prozentual berechnete Vermögensverzehr über Fr. 10'000.-- liegt.


4.4 Eine im Sinne der Beschwerde führenden Parteien vertretene variable Lösung ist eine Möglichkeit von vielen. Sie erweist sich aber gegenüber einer pauschalen Amortisation nicht als eine bessere bzw. gerechtere Regelung und ist zudem weniger praktikabel. Eine variable Amortisationsrate bei EL-Bezügern müsste in Anwendung von Art. 17a Abs. 2 ELV für jedes Jahr ab Verzichtsjahr neu berechnet werden. Da der Vermögensverzehr eine Prozentzahl des Reinvermögens darstellt, das Reinvermögen aber ohne betragsmässige Bestimmung der Höhe der Amortisationsrate nicht berechnet werden kann, lässt sich die Amortisationsrate nur aufgrund des im vorangegangen Jahr berechneten Vermögensverzehrs ermitteln. Insoweit müsste die von den Beschwerde führenden Parteien vorgeschlagene Lösung ohnehin modifiziert werden. Inhaltlich erweist sich diese Variante für die Berechnung des Verzichtsvermögens als umständlich und ist für den EL-Bezüger nicht ohne weiteres nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass EL-Bezüger mit anrechenbarem Verzichtsvermögen gegenüber denjenigen, welche über Vermögen verfügen und nicht antasten, bevorzugt sind. Denn bei ihnen wird das anrechenbare Verzichtsvermögen in jedem Fall aufgrund der auf Art. 17a Abs. 1 ELV beruhenden Fiktion des Vermögensverbrauchs jährlich mindestens um Fr. 10'000.-- amortisiert. Es käme zu neuen Rechtsungleichheiten, wenn mit der von den Beschwerde führenden Parteien vertretenen variablen Lösung das Vermögen bei höherem Verzichtsvermögen noch schneller vermindert würde als es jetzt schon mit der pauschalen Amortisation geschieht. Das Ausmass solcher Ungleichbehandlungen wäre gross, da in tatsächlicher Hinsicht EL-Bezüger häufig ihr Vermögen nicht antasten und ihnen durch die fehlende Amortisation regelmässig der gleich hohe Vermögensverzehr angerechnet wird (vgl. Jöhl, a.a.O., S. 1839).


4.5 Es ist einzugestehen, dass die Regelung der Amortisation des Verzichtsvermögens nicht in allen Teilen zu befriedigen vermag. Die Pauschallösung erweist sich jedoch in ihrer Anwendung als praktischer als eine vom Vermögensverzehr abhängige variable Variante. Die vorliegende Streitfrage lässt sich ohnehin nicht isoliert betrachten, sondern muss im Gesamtzusammenhang der Einnahmen- und Vermögensberechnung im System der EL beantwortet werden. Angesichts des dem Bundesrat zustehenden weiten Ermessensspielraums ist es indessen nicht Sache des Gerichts, sondern allenfalls des Gesetz- oder Verordnungsgebers andere Varianten zu prüfen und gegebenenfalls eine neue Regelung zu treffen (vgl. BGE 127 V 175 E. 4b). Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist.


5. (Kostenentscheid)


KGE SV vom 6. Februar 2009 i.S. S. (745 08 199)



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