Strafrecht

Ersatzfreiheitsstrafe - Voraussetzungen der Modifikation


Art. 36 Abs. 3 StGB sieht vor, dass der Verurteilte, welcher die Geldstrafe nicht bezahlen kann, weil sich ohne sein Verschulden die für die Bemessung des Tagessatzes massgebenden Verhältnisse seit dem Urteil erheblich verschlechtert haben, dem Gericht beantragen kann, den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe zu sistieren und stattdessen entweder die Zahlungsfrist um bis zu 24 Monate zu verlängern, den Tagessatz herabzusetzen oder gemeinnützige Arbeit anzuordnen. Voraussetzungen bilden dabei auf formeller Seite ein Gesuch des Verurteilten und auf materieller Seite eine Verschlechterung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse, Erheblichkeit, Schuldlosigkeit sowie Zahlungsunmöglichkeit (Art. 36 Abs. 3 StGB; E. 1).


Es muss dem Verurteilten jederzeit freistehen, einen Antrag auf Modifikationen nach Art. 36 Abs. 3 lit. a-c StGB zu stellen. In der Regel wird die Lage für ihn aber erst mit der Umwandlung durch die Vollzugsbehörde akut. Unter Berücksichtigung von Doktrin, Rechtsprechung wie auch der Gesetzesmaterialien kann ein Antrag auf Modifikation auch nach Rechtskraft der Vollzugsverfügung gestellt werden, ansonsten es zu sachfremden oder absurden Ergebnissen kommen kann. Es erscheint praktikabler, entsprechende Anträge zumindest bis zum Antritt der Freiheitsstrafe zuzulassen (E. 2.1.-2.3).


Die wirtschaftliche Situation des Verurteilten muss sich ohne sein Verschulden verschlechtert haben. Schuldlosigkeit ist etwa gegeben bei Verlust des Arbeitsplatzes, Krankheit oder Unfall des Verurteilten. Bei der Beurteilung der Frage des Verschuldens ist übermässige Strenge fehl am Platz. Ist ein Strafantritt der Grund für eine wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, so kann dem Verurteilten nur vorgeworfen werden, durch die Begehung von Straftaten den Strafvollzug als solchen selbst verschuldet zu haben. Dies trifft hingegen auf den Zeitpunkt des Strafantritts nicht zu: Die Festlegung des Strafantritts erfolgt in einem behördlichen Entscheid, worauf der Beurteilte grundsätzlich keinerlei Einfluss hat (E. 3.3).



Erwägungen

1. Art. 36 Abs. 3 StGB sieht vor, dass der Verurteilte, welcher die Geldstrafe nicht bezahlen kann, weil sich ohne sein Verschulden die für die Bemessung des Tagessatzes massgebenden Verhältnisse seit dem Urteil erheblich verschlechtert haben, dem Gericht beantragen kann, den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe zu sistieren und stattdessen entweder die Zahlungsfrist um bis zu 24 Monate zu verlängern (lit. a), den Tagessatz herabzusetzen (lit. b) oder gemeinnützige Arbeit anzuordnen (lit. c).


Mit den in Art. 36 Abs. 3 StGB vorgesehenen Modifikationen sollen Härtefälle vermieden werden, wenn ein Verurteilter ohne sein Verschulden nicht in der Lage ist, die Geldstrafe zu bezahlen (Basler Kommentar, Strafrecht I, Dolge, Art. 36 N 17). Voraussetzungen bilden dabei auf formeller Seite ein Gesuch des Verurteilten und auf materieller Seite eine Verschlechterung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse, Erheblichkeit, Schuldlosigkeit sowie Zahlungsunmöglichkeit (Basler Kommentar, a.a.O., N 20 ff.).


2.1 Beim Gesuch des Verurteilten an das zuständige Gericht richtet sich der Antrag auf Sistierung des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe sowie die Gewährung einer der drei in Art. 36 Abs. 3 lit. a-c StGB genannten Modifikationen. Der Verurteilte hat die Voraussetzungen für die Modifikationen darzulegen, d.h. insbesondere die erhebliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu belegen sowie seine Schuldlosigkeit und die Zahlungsunmöglichkeit glaubhaft zu machen. Ist das Gesuch ungenügend begründet, ist dem Verurteilten Gelegenheit zur Verbesserung bzw. Ergänzung zu geben. Es muss dem Verurteilten jederzeit freistehen, einen Antrag auf Modifikationen nach Art. 36 Abs. 3 lit. a-c StGB zu stellen, wenn sich seine massgeblichen Verhältnisse seit der Rechtskraft des Urteils schuldlos und erheblich verschlechtert haben. In der Regel wird die Lage für ihn aber erst mit der Umwandlung durch die Vollzugsbehörde akut (Basler Kommentar, a.a.O., N 27 f.).


2.2 Das Strafgerichtspräsidium wies im angefochtenen Urteil darauf hin, dass der Beurteilte den Antrag gemäss Art. 36 Abs. 3 StGB mit Schreiben vom 30. November 2009 eingereicht habe; zu diesem Zeitpunkt habe das Bezirksstatthalteramt Arlesheim mit Verfügung vom 7. April 2009 jedoch bereits rechtskräftig den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet. Die Frage, ob es zulässig sei, einen Antrag auf Sistierung der Ersatzfreiheitsstrafe zu stellen, wenn über den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe bereits rechtskräftig entschieden worden sei, wurde seitens der Vorinstanz verneint. Dabei stützte sich das Strafgerichtspräsidium auf einen Aufsatz von Küffer (Anmerkungen zum Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 12. November 2008, in: forum poenale 2009 336, 338). Diese Autorin vertritt die Auffassung, ein derartiger Antrag könne nicht mehr zulässig sein, wenn die Umwandlung der Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe rechtskräftig angeordnet worden sei. Ansonsten könnte der Verurteilte nämlich auch noch nach Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe einen entsprechenden Antrag stellen (Küffer, a.a.O.). Das Strafgerichtspräsidium gelangte damit zum Schluss, anders zu entscheiden, würde letztlich zu einer Rechtskraftdurchbrechung von Vollzugsverfügungen führen, weil die betroffene Person beispielsweise auch noch im Strafvollzug einen derartigen Antrag stellen könnte. Der Antrag gemäss Art. 36 Abs. 3 StGB müsse deshalb spätestens vor Rechtskraft der Verfügung gestellt werden, die den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe anordne (vgl. S. 7 des angefochtenen Urteils).


2.3 Das Kantonsgericht stellt fest, dass die Verfügung des Bezirksstatthalteramtes Arlesheim vom 7. April 2009, welche den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe von 140 Tagen anordnete, abgesehen von einer 30-tägigen Zahlungsfrist für die Kosten und Gebühren keinerlei Rechtsmittelbelehrung enthält (vgl. act. 257 ff.). Das in diesem Bereich anwendbare Strafvollzugsgesetz (SGS 261) sieht kein Rechtsmittel gegen derartige Vollzugsverfügungen vor. Es ist aus diesen Gründen davon auszugehen, dass die Verfügung vom 9. April 2009 unmittelbar in Rechtskraft erwuchs. Ist an dieser Stelle kein Rechtsmittel gegeben, so muss jedoch zumindest gewährleistet sein, dass sich der Betroffene gegen derartige Verfügungen, welche einen schweren Eingriff in dessen Rechte darstellen, mit einem Antrag wehren kann. Hierbei stellt sich die Frage, bis wann ein entsprechender Antrag gestellt werden kann. Das Schreiben des Appellanten vom 30. November 2009, mithin über sieben Monate nach Erlass der Verfügung, erscheint zwar auf den ersten Blick als reichlich spät eingereicht. Da der Appellant jedoch vor Erlass - und gleichzeitigem Eintritt der Rechtskraft - der Verfügung keine Kenntnis von deren Inhalt haben konnte, kann ihm andererseits jedoch auch nicht der Vorhalt gemacht werden, er habe seine Anträge erst nach Rechtkraft dieser Verfügung gestellt.


Abgesehen vom obgenannten Aufsatz von Küffer sind weder in der Doktrin noch in der Rechtsprechung Voten ersichtlich, welche sich gegen eine Anwendung von Art. 36 Abs. 3 StGB nach rechtskräftiger Vollzugsanordnung aussprechen. Im Gegenteil wurde bereits in der Botschaft des Bundesrates vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1998 S. 2023, ausgeführt, dass der Verurteilte auch nach dem Umwandlungsentscheid den Vollzug der Freiheitsstrafe durch entsprechende Zahlungen jederzeit ganz oder teilweise abwenden kann (Botschaft, a.a.O., mit Verweis auf BGE 105 IV 16; Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil, § 5 N 42). Auch dem Wortlaut von Art. 36 Abs. 3 StGB kann nicht entnommen werden, dass dessen Anwendung nach Rechtskraft der Vollzugsanordnung ausgeschlossen wäre, was selbst die Vorinstanz auf S. 7 des angefochtenen Urteils festhält. Schliesslich weist auch die obgenannte Autorin Küffer in ihrem Aufsatz an anderer Stelle darauf hin, dass ein Gesuch gemäss Art. 36 Abs. 3 StGB auch im Rechtsmittelverfahren zulässig sein müsse. Denn zentrales Anliegen der Revision des allgemeinen Teils des StGB sei bekanntlich die Zurückdrängung von kurzen unbedingten Freiheitsstrafen gewesen (Küffer, a.a.O.).


Das Kantonsgericht hat bei der Beurteilung der vorliegenden Appellation nicht zwingend auf eine einzelne Lehrmeinung abzustellen, welche zudem weder in der Doktrin noch in der Rechtsprechung eine Stütze findet. Der Ansicht der Vorinstanz, dass eine Antragstellung ab Rechtskraft der Vollzugsverfügung nicht mehr möglich sein soll, kann daher nicht gefolgt werden. Das strikte Abstellen auf diese Formalien erscheint nicht nur als sachfremd, sondern kann in gewissen Fällen zu absurden Ergebnissen führen. Praktikabler erscheint es demgegenüber, Anträge auf Moderation gemäss Art. 36 Abs. 3 StGB zumindest bis zum Antritt der Freiheitsstrafe zuzulassen. Letztlich kann die Frage der Frist jedoch offen bleiben, und zwar bei der vorliegenden Fallkonstellation aus folgenden, die materiellen Erwägungen vorgreifenden Gründen: Das Bezirksstatthalteramt Arlesheim ging in seinem Strafbefehl vom 27. Oktober 2008 von einem Einkommen des Appellanten von Fr. 6'000.-- aus, basierend auf dessen Depositionen anlässlich der Einvernahme zur Person vom 11. April 2008 (act. 9). Daraus resultierend ergab sich eine Tagessatzhöhe von Fr. 140.--. Gemäss amtlicher Erkundigung beim Straf- und Massnahmenvollzug Basel-Landschaft vom 16. August 2010 befindet sich der Appellant jedoch schon seit dem 17. Mai 2008 im Strafvollzug, was er anlässlich der kantonsgerichtlichen Verhandlung bestätigt (Prot. S. 2). Demnach stimmte die Tagessatzhöhe von Fr. 140.-- gemäss Strafbefehl vom 27. Oktober 2008 nicht mehr mit den aktuellen persönlichen und finanziellen Verhältnissen überein. Nicht nachvollziehbar ist, warum sich der Appellant gegen diesen Strafbefehl nicht mittels Einsprache gewehrt hat. Vor den Schranken des Kantonsgerichts führt der Appellant dazu aus, es treffe zu, dass er anlässlich der Einvernahme zur Person am 11. April 2008 ein Einkommen von Fr. 6'000.-- genannt habe. Damals habe er aber noch nicht gewusst, wann er in den Strafvollzug komme. Es sei plötzlich sehr schnell gegangen, als die Behörden davon erfahren hätten, er wolle nach Brasilien reisen (Prot. S. 3). Der "Mangel" der fehlenden Einsprache wird in casu jedoch insofern behoben, als die Ermittlung des Nettoeinkommens und der sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Aufgabe der Ermittlungsbehörden ist (vgl. Basler Kommentar, a.a.O., Art. 34 N 88), wobei die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Urteils massgebend sind (vgl. Basler Kommentar, a.a.O., N 50). Es wäre somit dem Bezirksstatthalteramt Arlesheim oblegen, von Amtes wegen die aktuellen Zahlen zu erheben und diese dem Strafbefehl zugrunde zu legen. Indem dies vorliegend unterlassen wurde, erweist sich die Höhe des Tagessatzes gemäss obgenanntem Strafbefehl als von Vornherein falsch.


Unter Berücksichtigung der Erwägungen gemäss Ziffer 2.3 hievor tritt das Kantonsgericht auf das Gesuch des Appellanten vom 30. November 2009 ein und prüft nachfolgend die materiellen Voraussetzungen.


3.1 Was hierbei zunächst die finanziellen und persönlichen Verhältnisse des Verurteilten betrifft, so müssen sich diese nach Rechtskraft des Geldstrafenurteils erheblich verschlechtert haben. Von Bedeutung sind damit nur solche persönlichen Verhältnisse, welche sich finanziell auswirken und welche im Urteilszeitpunkt noch nicht voraussehbar waren, z.B. wenn der Verurteilte Vater wird und ihn damit zusätzliche Unterhaltspflichten treffen oder wenn sich durch Krankheit oder Unfall sein Erwerbseinkommen reduziert (Basler Kommentar, a.a.O., Art. 36 N 21).


Im angefochtenen Urteil führte das Strafgerichtspräsidium in materieller Hinsicht lediglich beiläufig aus, dass der Beurteilte im vorliegenden Verfahren nicht aufgezeigt habe, dass sich seine finanziellen Verhältnisse zwischen Zustellung der Verfügung vom 7. April 2009 und tatsächlicher Antragstellung am 30. November 2009 massgeblich verschlechtert hätten (vgl. S. 7 f. des angefochtenen Urteils).


Wie ein Blick auf die Akten zeigt, wies der Appellant im Schreiben vom 30. November 2009 das Bezirksstatthalteramt Arlesheim ausdrücklich darauf hin, dass er noch bis April 2011 eine Freiheitsstrafe verbüsse, weshalb er im Moment nicht in der Lage sei, die geforderte unbedingte Geldstrafe von Fr. 19'600.-- zu bezahlen. Danach werde er sich in ein ordentliches Arbeitsverhältnis begeben und somit die geforderte Summe abbezahlen können. Zudem machte er geltend, er sei fortgeschrittenen Alters und eine möglichst frühe Wiedereingliederung in die Arbeitswelt sei für ihn sehr wichtig. Für den Fall der Zusage werde er den gestellten Forderungen vollumfänglich nachkommen (vgl. act. 261 ff.). Der Appellant wies die Vorinstanz zudem bereits in seinem Ergänzungsschreiben zur Einsprache vom 6. März 2010 (act. 283) darauf hin, dass er einen Job als Chauffeur gefunden habe, und zwar bei der B. AG. Der Bruttolohn betrage Fr. 4'600.--. Der Appellant könne sobald als möglich anfangen. Auf S. 4 seiner Appellationsbegründung vom 9. Juni 2010 schliesslich machte der Appellant im Wesentlichen geltend, die massiven und erheblichen Verschlechterungen der Lebensverhältnisse des Appellanten seien in dessen Anträgen vom 30. November 2009 klar und deutlich aufgezeigt und dokumentiert worden. Eine gesetzeswidrige Einschränkung auf den Zeitraum vom 7. April 2009 bis 30. November 2009 erscheine hier als rein willkürlich und verletze Bundesrecht.


Dem aktuellen Strafregisterauszug lässt sich entnehmen, dass der Appellant resultierend aus mehreren Vorstrafen aus den Jahren 2002 bis 2007 zu insgesamt vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Gemäss obgenannter amtlicher Erkundigung beim Straf- und Massnahmenvollzug Basel-Landschaft vom 16. August 2010 verbüsst der Appellant seit dem 17. Mai 2008 diese vier Jahre Freiheitsstrafe sowie zusätzlich 149 Tage an umgewandelten Geldstrafen. Eine bedingte Entlassung stehe frühestens am 10. Januar 2011 an. Anlässlich der heutigen Parteiverhandlung vor dem Kantonsgericht bestätigt der Appellant diese Angaben: Er verbüsse zurzeit die genannten vier Jahre Freiheitsstrafe. Je nachdem, ob die umgewandelte Geldstrafe von 140 Tagessätzen hinzugerechnet werde oder nicht, werde er Ende Januar 2011 oder bereits früher entlassen. Bei den zusätzlichen neun Tagen handle es sich hingegen um Bussen, welche er akzeptiert habe (Prot. S. 2 ff.). Des Weiteren bestätigt der Appellant vor den Schranken, sich seit dem 17. Mai 2008 im Strafvollzug zu befinden. Nach einem Aufenthalt zunächst in den Strafanstalten Saxerriet und Schöngrün sei er seit dem 9. Juli 2010 im Vollzugszentrum Klosterfiechten. Er führt zudem aus, seit dem 12. Juni 2010 als Chauffeur bei der Firma B. AG angestellt zu sein. Sein monatlicher Bruttolohn betrage Fr. 4'600.--. Pro Tag müsse er für Wohnen und Essen in Klosterfiechten Fr. 44.-- abgeben. Er sei seit fünf Jahren verheiratet und habe ein zweijähriges Kind, um welches sich die Ehefrau kümmere (Prot. S. 2 f.).


Diese Tatsachen berücksichtigend, ist festzustellen, dass sich die finanziellen und persönlichen Verhältnisse des Appellanten nicht erst seit Rechtskraft des Geldstrafenurteils vom 27. Oktober 2008, sondern bereits schon vorher, mit Antritt des Strafvollzugs am 17. Mai 2008, verändert haben, was jedoch seitens des Bezirksstatthalteramtes Arlesheim bei Festsetzung der Tagessatzhöhe nicht berücksichtigt wurde (vgl. obige Ausführungen in Ziff. 2.3). So verfügte der Appellant vor Antritt des Strafvollzugs am 17. Mai 2008 gemäss eigenen Angaben noch über ein monatliches Einkommen von Fr. 6'000.--, währenddem er bei Antritt der Strafe diese Arbeitsstelle offensichtlich verlor und erst seit dem 12. Juni 2010 wieder über ein Erwerbseinkommen verfügt, welches mit Fr. 4'600.-- deutlich tiefer liegt. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Appellant im Jahre 2008 Vater wurde, womit sich dessen finanzielle Belastung zusätzlich erhöht hat.


Damit erachtet das Kantonsgericht die Voraussetzung der Verschlechterung der finanziellen und persönlichen Verhältnisse seit Rechtskraft des Geldstrafenurteils als klarerweise erfüllt.


3.2 Zur Annahme von Erheblichkeit genügt nicht jede Verschlechterung der massgebenden Verhältnisse. Eine Beurteilung erfolgt jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles. Entscheidend ist, ob die Tagessatzhöhe deutlich tiefer ausgefallen wäre, wenn die im Zeitpunkt der Vollstreckung herrschenden Verhältnisse schon im Urteilszeitpunkt bestanden hätten. Zu berücksichtigen ist, dass bei einer hohen Anzahl Tagessätze und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Bedrängnis die Erheblichkeit eher zu bejahen sein wird als bei einer geringen Anzahl Tagessätze (Basler Kommentar, a.a.O., N 22).


Auch diese Voraussetzung ist mit Verweis auf die unter Ziff. 3.1 gemachten Ausführungen klarerweise erfüllt: Wäre zum Zeitpunkt des Strafbefehls berücksichtigt worden, dass sich der Appellant bereits im Strafvollzug befand und demnach nicht mehr über ein Erwerbseinkommen von Fr. 6'000.-- verfügte sowie dass er zudem Vater geworden ist, dann wäre die Höhe des Tagessatzes erheblich tiefer ausgefallen. Dies trifft im vorliegenden Fall umso mehr zu, als der Appellant zu einer nicht geringen Anzahl von 140 Tagessätzen verurteilt worden ist.


3.3 Weiter muss sich die wirtschaftliche Situation des Verurteilten ohne sein Verschulden verschlechtert haben. Wer hingegen für die Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse selbst die Schuld trägt, hat den Vollzug der Freiheitsstrafe hinzunehmen. Schuldlosigkeit ist etwa gegeben bei Verlust des Arbeitsplatzes, Krankheit oder Unfall des Verurteilten (Basler Kommentar, a.a.O., N. 23 f.). Bei der Beurteilung der Frage des Verschuldens ist übermässige Strenge fehl am Platz (Trechsel/Keller, Praxiskommentar, N 7 zu Art. 36 StGB).


Wie soeben ausgeführt, war der Strafantritt vom 17. Mai 2008 der Hauptgrund für die wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Appellanten. Diesem könnte zwar vorgeworfen werden, durch die Begehung von Straftaten den Strafvollzug an sich selbst verschuldet zu haben. Dies trifft hingegen zumindest auf den Zeitpunkt des Strafantritts nicht zu: Die Festlegung des Strafantritts erfolgt in einem behördlichen Entscheid, worauf der Beurteilte grundsätzlich keinerlei Einfluss hat. Wie bereits oben unter Ziff. 2.3 erwähnt, wurde der Appellant gemäss seinen Ausführungen vor dem Kantonsgericht vom plötzlichen Strafantritt überrascht. Diese Aussage erscheint als glaubhaft. Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die Beurteilung der Verschuldensfrage nicht mit übermässiger Strenge zu handhaben ist. In Gesamtwürdigung dieser Umstände gelangt das Kantonsgericht zum Schluss, dass die wirtschaftlichen Veränderungen nicht auf ein Verschulden des Appellanten zurückzuführen sind.


3.4 In Bezug auf die Zahlungsunmöglichkeit ist entscheidend, dass der Verurteilte die Geldstrafe aufgrund der nachträglichen schuldlosen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr bezahlen kann oder die Bezahlung ihm zumindest sehr grosse Mühe bereitet. Es muss dem Verurteilten nach den gesamten Umständen unmöglich oder unzumutbar sein, die Geldstrafe - auch mit den von der Vollzugsbehörde zu gewährenden Ratenzahlungen und Fristverlängerungen - zu bezahlen. Zahlungsunmöglichkeit liegt vor, wenn die Betreibung ergebnislos verlaufen ist oder wegen Aussichtslosigkeit davon abgesehen werden konnte (Basler Kommentar, a.a.O., N 25 f.).


Bereits in der Verfügung des Bezirksstatthalteramtes Arlesheim vom 9. April 2009 wurde festgestellt, dass die unbedingte Geldstrafe auf dem Betreibungsweg uneinbringlich sei. Die wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich seither nicht wesentlich verändert, so dass auch die letzte materielle Voraussetzung von Art. 36 Abs. 3 StGB, die Zahlungsunmöglichkeit, als erfüllt zu erachten ist.


4. ( … )


KGE ZS vom 17. August 2010 i.S. Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft gegen M.S. (100 10 809/ILM)



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