Strafrecht

Versuchte schwere Körperverletzung


Wer eine solch massive Gewalt in Form eines Trittes gegen den Kopf bzw. das Gesicht eines Menschen ausübt, dass in der Folge das Opfer dadurch ohnmächtig wird und einen Nasenbeinbruch, eine Zahnfraktur am Unterkiefer sowie zwei Rissquetschwunden am Hinterkopf erleidet, muss damit rechnen und nimmt daher zumindest in Kauf, das Opfer schwer zu verletzen. Es muss als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass aufgrund der Empfindlichkeit der gesamten Kopfregion grundsätzlich jeder Tritt mit einer gewissen Wucht schwere Verletzungen hervorrufen kann (Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB, Art. 12 Abs. 2 StGB; E. 2.3 f.).


Damit ein Rechtfertigungsgrund im Sinne einer Notwehrhilfe angenommen werden kann, muss als Voraussetzung ein rechtswidriger Angriff vorliegen oder unmittelbar bevorstehen, wobei auch dann das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu wahren ist (Art. 15 StGB; E. 2.5).



Sachverhalt

Mit Urteil des Strafgerichts Basel-Landschaft vom 20. Mai 2009 wurde der Angeklagte B. I. der mehrfachen Tätlichkeit, des mehrfachen, teilweise versuchten und teilweise geringfügigen Diebstahls, der mehrfachen Sachbeschädigung, der versuchten Nötigung, des mehrfachen Hausfriedensbruchs, des mehrfachen Fahrens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand, der mehrfachen groben Verletzung von Verkehrsregeln sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne des Eigenkonsums schuldig erklärt und zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 18 Monaten, bei einer Probezeit von drei Jahren und unter Anrechnung der vom 4. bis zum 9. Januar 2006, vom 15. bis zum 24. Juni 2007, vom 2. bis zum 6. August 2007 sowie vom 14. September 2008 bis zum 20. Mai 2009 ausgestandenen Untersuchungshaft von insgesamt 268 Tagen, sowie zu einer Busse von CHF 300.-- verurteilt; dies in Anwendung von Art. 126 Abs. 1 StGB, Art. 139 Ziff. 1 StGB (teilweise in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB und Art. 172 ter Abs. 1 StGB), Art. 144 Abs. 1 StGB, Art. 181 StGB (in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB), Art. 186 StGB, Art. 90 Ziff. 2 SVG, Art. 91 Abs. 1 SVG, Art. 19a Ziff. 1 BetmG, Art. 42 Abs. 1 StGB, Art. 44 Abs. 1 StGB, Art. 49 Abs. 1 StGB, Art. 51 StGB sowie Art. 106 StGB. Demgegenüber wurde der Angeklagte in den Fällen 8 (vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung bzw. der einfachen Köperverletzung), 10b und 11 (vom Vorwurf der falschen Anschuldigung), 14 (vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne des Verkaufs), 15 (vom Vorwurf des versuchten Raubes), 19 (vom Vorwurf des mehrfachen, teilweise versuchten Verbreitens menschlicher Krankheiten), 21 (vom Vorwurf des Betruges und der Erpressung), 22 (vom Vorwurf der mehrfachen versuchten Nötigung) und 23 (vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne des Handelns) freigesprochen. Ausserdem wurde im Fall 23 dem Verfahren wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne des Eigenkonsums mangels Sachverhaltsschilderung keine Folge gegeben. Des Weiteren wurde der Angeklagte gemäss Art. 44 Abs. 2 StGB für mindestens zwei Jahre, höchstens für die Dauer der Probezeit, unter Bewährungshilfe gestellt und er wurde bei seiner Anerkennung diverser Zivilforderungen behaftet . Darüber hinaus wurde der Angeklagte verurteilt, der S. AG den Betrag von CHF 53'329.10 zu bezahlen. Schliesslich wurden diverse Zivilforderungen auf den Zivilweg verwiesen und mehrere beschlagnahmte Checks und Gelder zurückgegeben.


Gegen dieses Urteil erklärten sowohl die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 28. Mai 2009 als auch der Angeklagte mit Eingabe vom 2. Juni 2009 die Appellation, wobei der Angeklagte mit Schreiben vom 7. Dezember 2009 sein Rechtsmittel wieder zurückzog. Die Staatsanwaltschaft stellte in ihrer Appellationsbegründung vom 2. November 2009 die folgenden Anträge: Die Appellation der Staatsanwaltschaft sei gutzuheissen und der Angeklagte sei ebenfalls in den Fällen 8 (versuchte schwere Körperverletzung, eventualiter einfache Körperverletzung), 10b (falsche Anschuldigung), 15 (versuchter Raub) sowie 19 (Verbreiten einer menschlichen Krankheit zum Nachteil von M. R., eventualiter der Versuch dazu) schuldig zu sprechen. Dementsprechend werde beantragt, es sei das Urteil des Strafgerichts vom 20. Mai 2009 im Sinne der Appellation abzuändern und es sei der Angeklagte zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten zu verurteilen.


Demgegenüber beantragte der Angeklagte in seiner Appellationsantwort vom 1. Februar 2010, es sei die Appellation der Staatsanwaltschaft vollumfänglich abzuweisen und das angefochtene Urteil sei vollumfänglich zu bestätigen; dies unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.



Erwägungen

1. ( … )


2.1 Hinsichtlich des Falles 8 (versuchte schwere Körperverletzung, eventualiter einfache Körperverletzung) führt die Staatsanwaltschaft zur Begründung ihrer Appellation aus, der Angeklagte habe im Rahmen der Einvernahmen mehrfach ausgesagt, er habe mit dem Tritt gegen den Kopf von P. A. gezielt. Erst vor Gericht habe er angegeben, dass er den Oberkörper des Geschädigten habe treffen wollen. Es sei gerichtsnotorisch, dass Aussagen unmittelbar nach der Tat näher an der Wahrheit seien, weshalb letztere Behauptung als Schutzbehauptung abzutun sei, dies umso mehr, als anzunehmen sei, dass der Angeklagte als Fussballer eine gewisse Treffsicherheit mit dem Fuss aufweise. Die Verletzungen von P. A. seien aktenkundig. Es sei nur dem Zufall zu verdanken, dass dieser keine erheblicheren Verletzungen wie z.B. gravierende Augenverletzungen oder komplizierte Schädelbrüche erlitten habe. Der Angeklagte mache zu Unrecht Notwehrhilfe geltend. Erstens seien Security-Angestellte vor Ort gewesen, welche hätten eingreifen können, zweitens habe J. W. die Auseinandersetzung ausgelöst, was der Angeklagte gewusst habe, und drittens seien die Schläge von P. A. nicht schwer gewesen, ansonsten J. W. wohl schlimmere Verletzungen als lediglich eine blutende Lippe erlitten hätte. Eine Rechtfertigung für sein Verhalten sei demnach nicht gegeben, allenfalls könne das Motiv im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden.


2.2 Demgegenüber ist der Angeklagte der Ansicht, die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Einwände vermöchten gegen die überzeugende Beweiswürdigung und rechtliche Subsumption der Vorinstanz nicht zu überzeugen. Bei korrekter Würdigung der Aussagen des Angeklagten dürfe ein gezielter Tritt gegen den Kopf von P. A. keineswegs unterstellt werden. Angesichts des hektischen und dynamischen Geschehens dürfe auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Fussballer eine besondere Treffsicherheit mit dem Fuss aufweise, insbesondere wenn man die abrupten Bewegungen der Beteiligten im Rahmen einer Schlägerei berücksichtige. Schliesslich gelte der Grundsatz, dass bei einer nicht eindeutigen Beweislage von der für den Angeklagten günstigeren Variante auszugehen sei. Tatsache sei auch, dass niemand eingegriffen und J. W. im Zeitpunkt der Notwehrhilfe des Angeklagten wehrlos den heftigen Schlägen P. A.s ausgeliefert gewesen sei. Es sei auch keineswegs erstellt, dass Security-Angestellte eingriffsbereit gewesen seien und der Angeklagte dies habe wissen müssen. Angesichts der dramatischen Situation erscheine es auch reichlich naiv, wenn die Staatsanwaltschaft meine, es hätte wohl auch gereicht, P. A. von J. W. wegzustossen bzw. die Security darum zu bitten. Es müsse vielmehr zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden, dass einzig die Notwehrhilfe des Angeklagten habe verhindern können, dass J. W. von P. A. gravierende Verletzungen zugefügt worden wären.


2.3 Gemäss Art. 122 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen bestraft, wer vorsätzlich einen Menschen lebensgefährlich verletzt (Abs. 1), wer vorsätzlich den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt (Abs. 2) oder wer vorsätzlich eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht (Abs. 3). Mit der Generalklausel nach Abs. 3 von Art. 122 StGB sollen Fälle erfasst werden, welche den unter Abs. 2 beispielhaft aufgezählten Beeinträchtigungen hinsichtlich ihrer Qualität und ihrer Auswirkungen ähnlich sind. Einzubeziehen sind damit auch gesundheitliche Beeinträchtigungen, welche in den Fallgruppen nach Abs. 2 nicht genannt werden, so z.B. im Falle eines Schädelbruchs, der ein psychoorganisches Syndrom mit Gedächtnisstörungen, hoher Ermüdbarkeit und Sprechstörungen zur Folge hatte. Auf der subjektiven Seite ist Vorsatz gefordert, wobei Eventualdolus genügt. Der Vorsatz muss sich auf die schwere Schädigung selbst beziehen, wobei nicht gefordert ist, dass sich der Täter gerade die tatsächlich eingetretene Folge vorgestellt hat. Da die Abgrenzung des Willensinhaltes gegenüber einem blossen Vorsatz auf einfache Körperverletzung schwierig sein kann, müssen nicht selten vom Tatvorgehen aus Rückschlüsse auf den Willensinhalt des Täters gezogen werden (Andreas A. Roth/Anne Berkemeier, in: Basler Kommentar zum Strafrecht, 2. Auflage, Basel 2007, N 19 und N 24 zu Art. 122 StGB, mit Hinweisen). Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern (Art. 22 Abs. 1 StGB). Wie beim vollendeten Delikt genügt auch beim Versuch der Eventualvorsatz (Guido Jenny, in: Basler Kommentar zum Strafrecht, 2. Auflage, Basel 2007, N 2 zu Art. 22 StGB, mit Hinweisen). Nach Art. 123 Ziff. 1 StGB wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt.


Gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB begeht ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt, wobei bereits vorsätzlich handelt, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. Für den Nachweis des Vorsatzes darf das Gericht vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter die Verwirklichung der Gefahr als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, sie als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolges ausgelegt werden kann. Zu den äusseren Umständen, aus denen dieser Schluss gezogen werden kann, gehört die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die tatsächliche Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (Urteil des Bundesgerichts vom 28. März 2006 [6S.114/2005] E. 4, mit Hinweisen).


2.4 Im vorliegenden Fall ist der massgebliche Sachverhalt - abgesehen von der vom Angeklagten geltend gemachten Notwehrhilfe - unbestritten (vgl. dazu act. 985 ff., 1005 ff., 1049 ff., 2741 ff., Protokoll Kantonsgericht), womit davon auszugehen ist, dass der Angeklagte am 28. Mai 2006 früh am Morgen ca. um 04:00 Uhr in der Nähe der Turnhalle in S. im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen P. A. und J. W. dem auf J. W. knienden und diesen fixierenden bzw. schlagenden P. A. einen Fusstritt ins Gesicht verpasst und diesem dadurch einen Nasenbeinbruch, eine Zahnfraktur am Unterkiefer und zwei Rissquetschwunden am Hinterkopf zugefügt hat (vgl. das ärztliche Zeugnis von Dr. med. M. B., Facharzt FMH Innere Medizin in B., vom 8. Juni 2006; act. 997).


Wie bereits die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, erfüllen die vorstehend aufgelisteten Verletzungen des Opfers nicht den objektiven Tatbestand der schweren Körperverletzung, weshalb nachfolgend der Versuch dazu zu prüfen ist. In diesem Zusammenhang ist entgegen den Erwägungen der Vorinstanz festzuhalten, dass der subjektive Tatbestand von Art. 122 StGB zumindest in Form des Eventualvorsatzes als erstellt zu erachten ist. Diesbezüglich ergibt sich aus den Akten, dass der Angeklagte im Verlaufe der Einvernahmen in der Voruntersuchung bzw. gegenüber seinen Kollegen konstant davon gesprochen hat, dem Opfer einen Kick ins Gesicht versetzt zu haben (act. 1009, 1025, 1049). Es ist der Staatsanwaltschaft zuzustimmen, dass die erstmals vor dem Strafgericht getätigte Aussage des Angeklagten, wonach er das Opfer nicht im Gesicht sondern lediglich im Bereich der Brust habe treffen wollen (act. 2743), angesichts seiner Aussagen in der Untersuchung und angesichts der gerichtsnotorischen Tatsache, wonach der Wahrheitsgehalt von sogenannten Aussagen der ersten Stunde höher zu gewichten ist, da diese näher beim Tatgeschehen liegen, als Schutzbehauptung zu qualifizieren ist. Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass der Angeklagte als Hobbyfussballer durchaus gezielt zutreten kann; dies umso mehr, als sich die Auseinandersetzung zwischen J. W. und P. A. aufgrund der Tatsache, dass P. A. J. W. mit den Knien am Boden fixiert hatte, nicht derart dynamisch zugetragen haben konnte, dass ein gezielter Tritt entweder auf den Oberkörper oder an den Kopf nicht mehr möglich gewesen wäre. Im Ergebnis ist also festzustellen, dass der Angeklagte das Opfer am Kopf bzw. im Gesicht treffen wollte. Während die Schläge von P. A. - sofern dieser überhaupt mehrfach zugeschlagen hat, was sich jedoch aus den Akten nicht klar ergibt - offensichtlich nicht sehr heftig waren und bei J. W. denn auch nur zu einer leicht blutenden Lippe geführt haben, wurde das Opfer durch den Tritt des Angeklagten ohnmächtig und erlitt mit einem Nasenbeinbruch, einer Zahnfraktur am Unterkiefer sowie zwei Rissquetschwunden am Hinterkopf wesentlich gravierendere Verletzungen. Aufgrund dieser dokumentierten Verletzungen und der Ohnmacht des Opfers muss davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte mit einer grossen Wucht in das Gesicht des Opfers getreten hat. Wer jedoch eine solch massive Gewalt gegen den Kopf bzw. das Gesicht eines Menschen ausübt, muss damit rechnen und nimmt daher zumindest in Kauf, das Opfer schwer zu verletzen. Es muss als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass aufgrund der Empfindlichkeit der gesamten Kopfregion grundsätzlich jeder Tritt mit einer gewissen Wucht schwere Verletzungen hervorrufen kann. Es ist somit eigentlich nur dem Zufall zu verdanken, dass auf Seiten des Opfers keine Augenverletzungen, Schädel-Hirnverletzungen oder sonstige dauerhafte Schädigungen beispielsweise des Kiefers oder der Nase eingetreten sind. Im Sinne eines Zwischenergebnisses ist demnach nach dem Vorliegen des subjektiven Tatbestandes und dem Fehlen des objektiven Tatbestandes mangels Erheblichkeit der zugefügten Verletzungen der Versuch zu einer schweren Körperverletzung gemäss Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB zu bejahen. Lediglich als Vergleich dazu wurde in der Praxis auch schon der sogenannte "Schwedenkuss" (Kopfstoss gegen den Kopf eines anderen) als versuchte schwere Körperverletzung qualifiziert (Roth/Berkemeier, a.a.O., N 41 zu Art. 122 StGB, mit Hinweisen).


2.5 Was den vom Angeklagten geltend gemachten Rechtfertigungsgrund betrifft, bestimmt das Gesetz in Art. 15 StGB, dass der Angegriffene und jeder andere berechtigt ist, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren, wenn jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht wird. Gemäss Art. 16 Abs. 1 StGB mildert das Gericht die Strafe, wenn der Abwehrende die Grenzen der Notwehr überschreitet. Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so handelt er nicht schuldhaft (Art. 16 Abs. 2 StGB).


Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kommt das Kantonsgericht zum Schluss, dass für das Handeln des Angeklagten klarerweise kein Rechtfertigungsgrund im Sinne einer Notwehrhilfe ersichtlich ist. So fehlt es bereits am rechtswidrigen Angriff von P. A. gegenüber J. W., da J. W. die tätliche Auseinandersetzung zwischen den beiden ausgelöst hat. Dieser Umstand war dem Angeklagten sehr wohl bekannt, führte er doch sowohl in der Voruntersuchung als auch vor dem Strafgericht aus, während er mit dem Chef der Security geredet habe, sei J. W. aus dem Fahrzeug ausgestiegen und auf P. A. losgegangen (act. 1007, 2743). Des Weiteren fehlt es aber auch an der unter den gegebenen Umständen angemessenen Abwehr. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Angeklagte seinem Kollegen zu Recht gegen den Angriff des Opfers beigestanden hätte, müsste der Tritt ins Gesicht auf jeden Fall als unverhältnismässige Abwehr bezeichnet werden. Dies ergibt sich gleich aus mehreren Gründen. Zum einen hat J. W. aus der von ihm provozierten Auseinandersetzung mit P. A. gemäss seinen eigenen Aussagen in der Voruntersuchung lediglich eine leicht blutende Lippe davon getragen (act. 1035), während der Angeklagte mit seinem Tritt ins Gesicht des Opfers eine schwere Körperverletzung in Kauf genommen hat. Zum anderen wären in der konkreten Situation gleich mehrere mildere Mittel zur Abwehr denkbar gewesen, wie z.B. ein einfaches Wegstossen von P. A. oder ein Tritt auf das Bein des Opfers. Auch hätte der Angeklagte die Möglichkeit gehabt, einen Mitarbeiter der Security zu Hilfe zu holen, schliesslich hat er ja mit deren Chef gesprochen, als J. W. aus dem Fahrzeug ausgestiegen und auf P. A. losgegangen ist (act. 2743). In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die anwesenden Mitarbeiter der Security offenbar die Auseinandersetzung zwischen J. W. und P. A. nicht so dramatisch eingestuft haben wie der Angeklagte, ansonsten es ja wohl ihre Aufgabe gewesen wäre, für Ruhe und Ordnung zu sorgen.


Nach Ausgeführtem liegt kein Rechtfertigungsgrund für das Handeln des Angeklagten vor und dieser ist in Gutheissung der diesbezüglichen Appellation der Staatsanwaltschaft und in Abänderung des angefochtenen Urteils der Vorinstanz der versuchten schweren Körperverletzung gemäss Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig zu erklären.


3.-7. ( … )


KGE ZS vom 27. Juli 2010 i. S. Staatsanwaltschaft BL / B. I. (100 09 1018 [A 148] / NEP)


Die gegen das Urteil des KG ZS erhobene Beschwerde des Angeklagten wies das Bundesgericht mit Urteil vom 22. Dezember 2010 ab, soweit es darauf eintrat (6B_919/2010).



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