Zivilprozessrecht

Gültigkeit der Appellation - Beginn der Appellationsfrist


Gemäss basellandschaftlicher Gerichtspraxis beginnt die Appellationsfrist auch dann mit der mündlichen Urteilseröffnung zu laufen, wenn der Appellant abwesend ist und ihm das Urteil schriftlich zugestellt wird. Mit dem Nichterscheinen haben die Parteien freiwillig auf die Kenntnisnahme der Urteilsgründe vor dem Entscheid über das Rechtsmittel verzichtet. Eine derartige Eröffnungsfiktion setzt allerdings voraus, dass der Adressat mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der fraglichen Urteilseröffnung rechnen musste, was immer erst dann der Fall ist, wenn er als Partei in einem Verfahren beteiligt ist. Ein solches Prozessrechtsverhältnis entsteht mit der Rechtshängigkeit (§ 216 Abs. 3 ZPO; E. 2).



Erwägungen

1. ( … )


2. ( … ) Gemäss basellandschaftlicher Gerichtspraxis beginnt die Appellationsfrist auch dann mit der mündlichen Urteilseröffnung zu laufen, wenn der Appellant abwesend ist und ihm das Urteil schriftlich zugestellt wird (Stähelin/Sutter, Zivilprozessrecht, Zürich 1992, § 21 Rn. 23; mit Verweis auf BJM 1966 S. 209, 1963 S. 29, 1958 S. 375 und Weibel/Rutz, Gerichtspraxis zur basellandschaftlichen Zivilprozessordnung, 4. Auflage, Liestal 1986, S. 245 f.). Die mündliche Eröffnung ermöglicht den Parteien, wegen der vorangegangenen öffentlichen Urteilsberatung, die Aussichten einer allfälligen Appellation gründlich abzuwägen. Mit dem Nichterscheinen haben die Parteien freiwillig auf die Kenntnisnahme der Urteilsgründe vor dem Entscheid über das Rechtsmittel verzichtet (Weibel/Rutz, a.a.O., S. 246). Eine derartige Eröffnungsfiktion setzt - analog der Zustellfiktion bei schriftlichen Zustellungen am letzten Tag der Postabholungsfrist - allerdings voraus, dass die Adressatin mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der fraglichen Urteilseröffnung rechnen musste, was immer erst dann der Fall ist, wenn sie als Partei in einem Verfahren beteiligt ist (vgl. dazu BGE 127 I 31, 130 III 396). Ein solches Prozessrechtsverhältnis, welches die Parteien verpflichtet, sich nach Treu und Glauben zu verhalten, d.h. unter anderem dafür zu sorgen, dass man zur Gerichtsverhandlung erscheint oder sich zumindest im Anschluss daran über den Ausgang erkundigt, entsteht mit der Rechtshängigkeit (BGE 115 Ia 12).


Den Akten ist zu entnehmen, dass die Appellantin ordnungsgemäss, unter Androhung eines Versäumnisurteils, zur Hauptverhandlung vom 27. August 2009 vor dem Bezirksgericht vorgeladen wurde. Gemäss Empfangsbestätigung wurde diese Vorladung der Appellantin via Gemeindepolizei bereits am 6. Juli 2009 zugestellt. Der bevorstehende Gerichtstermin war der Appellantin somit frühzeitig bekannt. Trotzdem blieb sie der Parteiverhandlung vor dem Bezirksgericht fern. Dasselbe Verhalten legte die Appellantin bereits im friedensrichterlichen Verfahren an den Tag. Im Akzessschein des Friedensrichteramtes X. vom 27. Mai 2008 wurde deren "unentschuldigtes Nichterscheinen" festgestellt. Zum Zeitpunkt der Urteilseröffnung vom 27. August 2009 war der Appellantin somit bewusst, dass sie sich in einem Prozessrechtsverhältnis befand. Trotzdem unterliess sie es auch nach der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht, sich möglichst rasch nach dem Ausgang des Verfahrens zu erkundigen. Schliesslich äusserte sich die Appellantin auch nicht nachträglich zur Frage der Gültigkeit der Appellation, obwohl ihr das Kantonsgericht, Abteilung Zivil- und Strafrecht, mit Verfügung vom 14. September 2009 ausdrücklich die Gelegenheit dazu gewährt hatte. Damit hat die Appellantin minimale prozessuale Mitwirkungspflichten verletzt, weshalb sie daraus resultierende Folgen selbst zu tragen hat. In konkreten Fall bedeutet dies, dass das Urteil des Bezirksgerichts Arlesheim vom 27. August 2009 auch gegenüber der Appellantin als gleichentags eröffnet gilt, womit der Lauf der zehntägigen Appellationsfrist ausgelöst wurde ( … ).


3. ( … )


KGE ZS vom 9. März 2010 i.S. M.S. gegen D.B. (100 09 992/ILM)



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