Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Rechtsverzögerung im Konkursverfahren


Art. 270 SchKG bestimmt, dass das Konkursverfahren innert einem Jahr nach der Eröffnung des Konkurses durchgeführt sein soll. Diese Frist kann nötigenfalls durch die Aufsichtsbehörde verlängert werden. Die Konkursverwaltung hat die Pflicht, ihre Aufgabe innerhalb einer angemessenen Zeit zu erfüllen. Die Gläubiger haben einen Anspruch darauf, dass das Konkursverfahren ohne unnötige Verzögerung durchgeführt wird (Art. 17 Abs.3 SchKG; E. 2).



Sachverhalt

Mit Eingabe vom 30. Juli 2008 an das Bezirksgericht S. erklärte sich H. U., Inhaber der Einzelfirma U. mit Sitz in S., für zahlungsunfähig und beantragte die Konkurseröffnung über sein Vermögen. In der Folge eröffnete die Präsidentin des Bezirksgerichts S. mit Urteil vom 31. Juli 2008 in Anwendung von Art. 191 SchKG den Konkurs über den Gesuchsteller. Am 12. August 2008 machte das Konkursamt S. die Eröffnung des Konkurses öffentlich bekannt und forderte die Gläubiger des Gesuchstellers und alle, die Ansprüche auf die in seinem Besitz befindlichen Vermögensstücke haben, ihre Forderungen oder Ansprüche samt Beweismitteln bis 8. September 2008 dem Konkursamt einzugeben. Mit Rechtsverzögerungsbeschwerde vom 21. Mai 2010 gelangte A. V. an die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs.



Erwägungen

1. ( … )


2.1 Zur Begründung seiner Rechtsverzögerungsbeschwerde trägt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, über seine vormalige Arbeitgeberin, die U., sei im Juli 2008 der Konkurs eröffnet worden. Er habe in der Folge Lohnforderungen gegen die Konkursitin beim Konkursamt S. angemeldet. Das Konkursamt S. habe das Konkursverfahren nach wie vor nicht abgeschlossen. Das Konkursamt S. sei nicht einsichtig und behandle den Fall nicht prioritär. Das Konkursamt S. räumt ein, eine generelle Überbelastung des Amtes habe dazu geführt, dass das fragliche Konkursverfahren noch nicht habe abgeschlossen werden können. Die Gründe dafür würden in personellen Engpässen liegen. Die Konkursverwaltung werde den beanstandeten Konkursfall unverzüglich beförderlich behandeln und nach Möglichkeit bis Endes des laufenden Jahres abschliessen.


2.2 Eine Rechtsverzögerung liegt vor, wenn ein Betreibungsorgan eine vom Gesetz umschriebene Amtshandlung ungerechtfertigt nicht innert der gesetzlichen oder durch die Umstände gebotenen Frist vornimmt (vgl. KuKo SchKG-Dieth, N 31 zu Art. 17 SchKG). Art. 270 SchKG bestimmt, dass das Konkursverfahren innert einem Jahr nach der Eröffnung des Konkurses durchgeführt sein soll. Diese Frist kann nötigenfalls durch die Aufsichtsbehörde verlängert werden. Die vom Gesetz festgelegte Frist hat keinen direkten Sanktionscharakter. Selbst wenn die Frist überschritten wird und die Aufsichtsbehörde die Frist nicht verlängert, kann ein Gläubiger oder Schuldner keine direkten Konsequenzen daraus ziehen. Die Konkursverwaltung hat jedoch die Pflicht, ihre Aufgabe innerhalb einer angemessenen Zeit zu erfüllen. Insbesondere die Gläubiger haben einen Anspruch darauf, dass das Konkursverfahren ohne unnötige Verzögerung durchgeführt wird. Auch wenn ihre Forderungen schliesslich gedeckt werden, erleiden sie durch die Verlängerung des Verfahrens doch einen entsprechend grösseren Zinsverlust. Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um einen Konkurs, in dem Lohnforderungen geltend gemacht werden, so sprechen auch sozialpolitische Überlegungen dafür, dass die Gläubiger möglichst rasch zu ihrem Geld kommen. Letztlich sind die Kantone verpflichtet, ihren Bürgern eine ordnungsgemässe Rechtspflege zu gewährleisten, wozu auch das Betreibungs- und Konkurswesen gehört. Die Gutheissung der Beschwerde wegen Rechtsverzögerung hat zur Folge, dass die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs die Vollziehung von Handlungen anordnet, deren Vornahme das Amt unbegründetermassen verzögert hat. Die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs kann demnach keinen Sachentscheid treffen, sondern nur die Nachholung des Versäumten anordnen (vgl. KuKo SchKG-Dieth, N 33 zu Art. 17 SchKG).


2.3 Im vorliegenden Fall kann den vorgelegten Akten entnommen werden, dass die Präsidentin des Bezirksgerichts S. mit Urteil vom 31. Juli 2008 in Anwendung von Art. 191 SchKG den Konkurs über H. J. U., Inhaber der Einzelfirma U. mit Sitz in S., eröffnete. Am 12. August 2008 machte das Konkursamt S. sodann die Eröffnung des Konkurses öffentlich bekannt und forderte die Gläubiger des Schuldners und alle, die Ansprüche auf die in seinem Besitz befindlichen Vermögensstücke haben, ihre Forderungen oder Ansprüche samt Beweismitteln bis 8. September 2008 dem Konkursamt einzugeben. Weitere Unterlagen sind der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs nicht vorgelegt worden. Das Konkursamt S. räumt ein, dass das Verfahren noch nicht habe abgeschlossen werden können. Es ist mithin festzustellen, dass seit der Eröffnung des Konkurses nahezu zwei Jahre verstrichen sind und die vom Gesetzgeber vorgesehene Frist bereits um fast ein Jahr überschritten worden ist. Eine Verlängerung der Frist für die Durchführung des Konkurses, welche beim Regierungsrat als administrative Aufsichtsbehörde einzuholen wäre, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Das Konkursamt S. anerkennt mit der Vernehmlassung zwar, dass es zu einer Verzögerung des Verfahrens gekommen sei. Allein mit der blossen Feststellung einer Rechtsverzögerung darf sich die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs nicht begnügen. Die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs hat das Konkursamt S. vielmehr anzuhalten, beim Regierungsrat als administrative Aufsichtsbehörde um eine Verlängerung der Frist für die Durchführung des Konkurses nachzusuchen und die Angelegenheit nunmehr beförderlich zu behandeln. Es wird erwartet, dass das Konkursamt S. dem zuständigen Bezirksgericht bis Ende 2010 den schriftlichen Schlussbericht mit sämtlichen Akten und Belegen unter Einschluss der Quittungen der Gläubiger für die Konkursdividende einreicht (vgl. Art. 92 KOV). Die bevorzugte Behandlung des besagten Konkursverfahrens darf jedoch nicht zur Folge haben, dass andere, möglicherweise noch ältere Verfahren länger liegen bleiben. Das wäre mit dem Gebot rechtsgleicher Behandlung nicht vereinbar (BGE 107 III 3 E. 2). Diesfalls wäre der Regierungsrat in seiner Eigenschaft als administrative Aufsichtsbehörde gehalten, geeignete Massnahmen zu treffen und auf die Behebung des personellen Missstandes beim Konkursamt S. unmittelbar einzuwirken, zumal der Kanton, welcher die Organisation des Betreibungs- und Konkurswesens in personeller Hinsicht vernachlässigt, sich unter Umständen haftpflichtig macht (vgl. BGE 119 III 1 E. 3).


3. ( … )


Entscheid der AB SchKG vom 13. Juli 2010 i.S. K. gegen Konkursamt S. (200 10 735/LIA)



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