Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Negative Feststellungsklage gemäss Art. 85 SchKG


Das Rechtsschutzinteresse des Betriebenen an der Klage nach Art. 85 SchKG ist auch dann zu bejahen, wenn der Rechtsvorschlag nicht beseitigt worden ist (E. 2).


Das Rechtsschutzinteresse des Betriebenen an der Klage nach Art. 85 SchKG ist auch dann zu bejahen, wenn der Betriebene zuvor die Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung verweigert hat (E. 3).


Art. 85 SchKG spricht zwar nur von Tilgung oder Stundung, dennoch muss diese Bestimmung auch für das Nichtbestehen einer Forderung gelten, da die ratio legis von Art. 85 SchKG die Verhinderung der Vollstreckung einer Nichtschuld ist (E. 5).


Eine Willensmangelanfechtung stellt keine Urkunde im Sinne von Art. 85 SchKG dar (E. 5).



Erwägungen

1. ( … )


2. a) Die Gesuchsbeklagte und Appellantin hat sowohl im erstinstanzlichen Verfahren wie auch im vorliegenden Appellationsverfahren beantragt, es sei auf die Klage vom 27. August 2009 nicht einzutreten, da das Rechtsschutzinteresse aus mehreren Gründen fehle. Die Appellantin bringt zunächst vor, das Rechtsschutzinteresse an der Klage nach Art. 85 SchKG fehle, da die Betreibung durch den rechtzeitig erhobenen Rechtsvorschlag blockiert sei und es deshalb per se an einem Feststellungsinteresse fehle. ( … )


b) Voraussetzung der Klage nach Art. 85 SchKG ist das Laufen einer Betreibung (vgl. Bernhard Bodmer, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG I, Basel/Genf/München 1998, Art. 85 N 11). Diese Voraussetzung ist mit der hängigen Betreibung Nr. ( ... ) erfüllt.


Das Bundesgericht kommt im BGE 125 III 149 zum Schluss, dass die Feststellungsklage des Art. 85a SchKG trotz des im Gesetz verwendeten Begriffs "jederzeit" erst nach rechtskräftiger Beseitigung des Rechtsvorschlags erhoben werden kann. Bis zu diesem Moment bestehe gar kein Bedürfnis für die Klage nach Art. 85a SchKG. Es stellt sich nun die Frage, ob diese Rechtsprechung auch auf Art. 85 SchKG anwendbar ist und allenfalls kein Rechtsschutzinteresse an der Klage nach Art. 85 SchKG besteht, so lange die Betreibung durch den Rechtsvorschlag gestoppt ist. Diese Frage wurde bislang vom Bundesgericht - soweit ersichtlich - nicht explizit entschieden.


c) Eine Betreibung hat für den Betriebenen den Nachteil, dass die gegen ihn angehobene Betreibung im Betreibungsregister eingetragen ist und damit Dritten zur Kenntnis gelangt. Eine Betreibung kann eingeleitet werden, ohne den Bestand einer Forderung nachweisen zu müssen und das Betreibungsrecht geht von der Vorstellung aus, das Betreibungsregister halte lediglich verfahrensmässige Vorgänge fest, während sich ihm über die sachliche Begründetheit der protokollierten Betreibungshandlungen nichts entnehmen lasse. Im Geschäftsleben kommt jedoch Registereinträgen über Betreibungen erhebliche Tragweite zu. So wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass nur in einer verschwindend kleinen Anzahl von Fällen völlig grundlos betrieben wird, was dazu führt, dass die Kredit- und Vertrauenswürdigkeit des Betriebenen leidet, egal ob die gegen ihn eingeleiteten Betreibungen begründet waren oder nicht. Dies gilt jedenfalls, wenn namhafte Summen in Betreibung gesetzt werden (BGE 120 II 20, E. 3b). Für den Betriebenen besteht daher das Bedürfnis, die Bekanntgabe der Betreibung an Dritte zu verhindern. Die blosse Tatsache, dass die Betreibung durch den Rechtsvorschlag gestoppt ist, verhindert nicht, dass sie Dritten noch während fünf Jahren zur Kenntnis gebracht wird (Art. 8a Abs. 4 SchKG). Nach einer Aufhebung durch Urteil unterbleibt die Kundgabe an Dritte (Art. 8a Abs. 3 SchKG). Bernhard Bodmer vertritt den Standpunkt, dass im Lichte von BGE 120 II 20 ff. das Rechtsschutzinteresse des Betriebenen an der Klage nach Art. 85 SchKG selbst dann zu bejahen ist, wenn die Betreibung gestoppt ist (Bodmer, a.a.O., Art. 85 SchKG N 12 und N 4).


Der Appellat hat in casu überzeugend dargelegt, dass sich die Betreibung der Appellantin auf seine wirtschaftliche Bewegungs- und Entfaltungsmöglichkeit negativ auswirkt. Er ist als Jurist und eidgenössisch diplomierter Steuerexperte an exponierter Stelle im Geschäftsleben tätig. In dieser Position ist ein gutes Renommee von grosser Bedeutung und eine im Register verzeichnete Betreibung über die erhebliche Summe von CHF 600'000.-- kann zu einem irreversiblen oder nur schwer behebbaren Reputationsverlust führen. Das Interesse der Appellantin an der Betreibung liegt im vorliegenden Fall in der Unterbrechung der Verjährung, wie sie in der Klagantwort vom 23. September 2009, Ziff. 2.2 ausführt. Diese Unterbrechung ist durch die vorgenommene Betreibung bereits erfolgt. Gestützt auf diese Sachlage ist daher das Interesse des Appellaten an der Aufhebung der Betreibung höher zu werten als das Interesse der Appellantin am weiteren Registereintrag.


d) Die Klage nach Art. 85a SchKG weist eine Doppelnatur in dem Sinne auf, als sie sowohl materiellrechtliche wie auch betreibungsrechtliche Wirkungen entfaltet. Einerseits bezweckt sie als materiellrechtliche Klage die Feststellung der Nichtschuld bzw. Stundung; andererseits hat sie aber auch betreibungsrechtliche Wirkung, indem der Richter mit ihrer Gutheissung die Betreibung aufhebt oder einstellt (BGE 125 III 149, E. 2c; Bodmer, a.a.O., Art. 85a SchKG N 3). Dagegen hat eine Klage nach Art. 85 SchKG nur betreibungsrechtliche Wirkung und dem Entscheid kommt in Bezug auf den Bestand der strittigen Forderung keine materielle Rechtskraft zu (BGE 125 III 149, E. 2.b)aa); BGE 5P.8/2005, E. 1.1; Bodmer, a.a.O., Art. 85 SchKG N 35). Über den Bestand der Forderung wird also nicht entschieden. Darin liegt denn auch ein wesentlicher Unterschied zwischen den Rechtsbehelfen nach Art. 85 und 85a SchKG. Auf Grund der rein betreibungsrechtlichen Wirkung der Klage nach Art. 85 SchKG droht der Gesuchsbeklagten und Appellantin kein Anspruchsverlust, wie die Vorinstanz zu Recht festhält, und die Gläubigerin wird nicht zur vorzeitigen Beweisführung wie in der Klage nach Art. 85a SchKG gezwungen.


Im Gegensatz zu Art. 85a SchKG wird im Summarverfahren nach Art. 85 SchKG der strikte Beweis durch Urkunden verlangt. Jene Schuldner, welche sich mangels Urkunden in Beweisnot befinden, sollen als Notbehelf auf den mit der SchKG-Revision neu eingeführten ordentlichen Zivilprozess nach Art. 85a SchKG im beschleunigen Verfahren ausweichen dürfen. Das Summarverfahren nach Art. 85 SchKG verwendet den Begriff "jederzeit" ebenfalls. Nach Auffassung von Dominik Gasser darf der Bundesgerichtsentscheid BGE 125 III 149 ff. nicht zu restriktiver Interpretation auch von Art. 85 SchKG verleiten, denn dieser Behelf werde in der Praxis zu Recht auch nach erfolgtem Rechtsvorschlag zugelassen (Dominik Gasser, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht der Jahre 1999 und 2000 veröffentlicht in den Bänden 125 und 126, in: BlSchKG 2001, S. 94). Auch Bernhard Bodmer vertritt die Meinung, das Rechtsschutzinteresse des Betriebenen am Vorgehen nach Art. 85 SchKG sei seit der Revision des SchKG von 1994 auch dann zu bejahen, wenn der Rechtsvorschlag nicht beseitigt worden sei (Bodmer, a.a.O, Art. 85 SchKG N 4). Diesen Auffassungen ist im vorliegenden Fall zuzustimmen, da - wie bereits unter Erwägung Ziff. 2c festgehalten - ein Interesse des Appellaten besteht, dass die Betreibung gelöscht und Dritten nicht mehr zur Kenntnis gebracht wird. Zudem droht der Appellantin auch bei Gutheissung der Klage nach Art. 85 SchKG kein Anspruchsverlust wie in den obigen Ausführungen festgehalten wird. Dieser gewichtige Unterschied rechtfertigt es, den im BGE 125 III 149 für Art. 85a SchKG aufgestellten Grundsatz nicht auch auf Klagen nach Art. 85 SchKG anzuwenden. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz wird daher trotz erhobenem Rechtsvorschlag das Rechtsschutzinteresse des Appellaten an der Klage nach Art. 85 SchKG bejaht.


3. Die Appellantin verneint im Weiteren das Rechtsschutzinteresse des Appellaten, weil der Kläger und Appellat einen ohne Weiteres vermeidbaren Prozess angestrebt habe. Sie führt im Wesentlichen aus, sie habe den Appellaten mit Schreiben vom 4. August 2009 um eine Verjährungsverzichtserklärung gebeten und für den Fall der Nichterhältlichkeit die Betreibung in Aussicht gestellt. Nachdem der Appellat mit Schreiben seines Anwalts vom 6. August 2009 eine Verjährungsverzichtserklärung kategorisch abgelehnt habe, habe die Beklagte die Betreibung eingeleitet zwecks vorsorglicher Unterbrechung der ausservertraglichen Verjährungsfrist. Durch Abgabe einer absolut geschäftsüblichen Verjährungsverzichtserklärung hätte der Appellat die angekündigte Betreibung ohne Verfahren und Kosten verhindern können. Es liege kein rechtlich schützenswerter Verweigerungsgrund für die Verjährungsverzichtserklärung vor. Mit einer solchen Erklärung hätte sich der Appellat nichts vergeben, sondern er hätte im Gegenteil die beanstandete Betreibung abwenden können. Überfallartig sei dann die Klage nach Art. 85 SchKG ohne Vorankündigung eingereicht worden. Das Verhalten des Klägers und Appellaten sei unsinnig, widersprüchlich und treuwidrig und verdiene keinen Rechtsschutz.


Der Appellat entgegnet im Wesentlichen, nach Abschluss und Vollzug eines umfassenden Vergleichs mit Saldoklausel sei es in hohem Masse unüblich und auch unangebracht, ultimativ und ohne jede materielle Begründung Verjährungsverzichtserklärungen zu verlangen. Es gebe keine Pflicht zur Abgabe von Verjährungsverzichtserklärungen. Verweigere ein vermeintlicher Schuldner eine solche Erklärung, könne ihm die Verantwortung für eine daraufhin eingeleitete Betreibung nicht in die Schuhe geschoben werden. Vielmehr liege es in der Verantwortung des Betreibenden vorher abzuklären, wie am sachdienlichsten vorzugehen sei. Der Betreibende trage das damit verbundene Verfahrens- und Kostenrisiko. Es sei dem Betriebenen auch nach verweigerter Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung unbenommen, gegen eine Betreibung alle Verteidigungsmittel zu ergreifen, die ihm das Gesetz zur Verfügung stelle. Es wäre der Betreiberin offen gestanden, die Betreibung zurück zu ziehen und damit eine Klage nach Art. 85 SchKG zu vermeiden.


In der Rechtsordnung existiert keine Norm, welche eine Verpflichtung zur Abgabe von Verjährungsverzichten vorsieht. Es darf daher kein Nachteil entstehen, wenn keine solche Erklärung abgegeben wird. Dies bedeutet, dass dem Betriebenen auch nach Verweigerung einer Verjährungsverzichtserklärung alle in der Rechtsordnung vorgesehen Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, um sich gegen die Betreibung zu wehren. Es kann ihm daher kein widersprüchliches, treuwidriges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden, auch wenn die Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung die Betreibung möglicherweise verhindert hätte. Dies gilt umso mehr, als mit umgehendem Schreiben vom 6. August 2009 der Rechtsvertreter des Appellaten auf das Schreiben der Appellantin vom 4. August 2009 geantwortet hat und darin unter anderem miteilte, dass man sich gegen eine Betreibung zur Wehr setzen werde. Die Betreibende musste daher schon vor der Betreibung damit rechnen, dass sich der Betriebene mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln - zu welchen auch Art. 85 SchKG zählt - wehren könnte und sie musste dementsprechend die Risiken und Chancen abwägen. Der Appellantin sind entsprechend Art. 135 Ziff. 2 OR verschiedene Möglichkeiten offen gestanden, um die Verjährung zu unterbrechen. Sie hat sich bewusst für die Betreibung entschieden und hat die damit zusammenhängenden Prozessrisiken nunmehr zu tragen. Sie durfte nicht einfach darauf vertrauen, dass auf Seiten des Betriebenen kein Rechtsschutzinteresse existiert. Gestützt auf diese Ausführungen steht die Verweigerung der Verjährungsverzichtserklärung dem Rechtsschutzinteresse des Appellaten somit nicht entgegen.


4. ( … )


5. ( … ) Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im erstern Fall die Aufhebung, im letztern Fall die Einstellung der Betreibung verlangen (Art. 85 SchKG). Entsprechend der Bestimmung von Art. 25 Ziff. 2 lit. c SchKG sowie von § 263 Ziff. 1 ZPO sind Verfahren nach Art. 85 SchKG im summarischen Verfahren durchzuführen. Aus Art. 85 SchKG ergibt sich, dass der Beweis der Tilgung oder Stundung nur durch Urkunden zulässig ist. Zudem wird ein strikter Beweis für die Tilgung bzw. Stundung gefordert, blosses Glaubhaftmachen genügt nicht. Diese Beweisanforderungen gelten für beide Parteien, also auch für einen allfälligen Gegenbeweis des Gläubigers (BGE 5P.138/2002 vom 31. Mai 2002 und BGE 5P.8/2005 vom 3. Mai 2005, E. 3.1., mit weiteren Hinweisen). Art. 85 SchKG spricht zwar nur von Tilgung oder Stundung, dennoch muss diese Bestimmung auch für das Nichtbestehen einer Forderung gelten, da die ratio legis von Art. 85 SchKG die Verhinderung der Vollstreckung einer Nichtschuld ist (in diesem Sinne auch Bodmer, a.a.O., Art. 85 SchKG N 26; Jürgen Brönnimann, in Daniel Hunkeler (Hrsg.), Kurzkommentar SchKG, Basel 2009, Art. 85 SchKG N 4).


Der Appellat als Betriebener hat der Vorinstanz als Urkunde einerseits den Darlehensvertrag vom 7. April 2008 zwischen der Appellantin und der T. eingereicht, mit welchem die Appellantin der T. ein Darlehen von CHF 950'000.-- gewährt mit einer festen Laufzeit bis 15. August 2008. Andererseits reichte er die Vereinbarung vom 24. September 2008 zwischen der Appellantin und der M. ein. Diese Vereinbarung wurde geschlossen, nachdem das Darlehen nicht zurück bezahlt werden konnte. In Ziffer 1.3 dieser Vereinbarung wird als Vorbemerkung festgehalten, dass es zwischen der Appellantin, der T. und den Mitgliedern des Verwaltungsrates zu Diskussionen hinsichtlich der Unfähigkeit der Darlehensrückzahlung, der Gründe der Zahlungsunfähigkeit, möglicher Verantwortlichkeitsansprüche der Verwaltungsratsmitglieder, möglicherweise paulianisch anfechtbarer Transaktionen und allfälliger strafrechtlicher Verantwortung der Verwaltungsratsmitglieder gekommen sei. Gemäss Ziffer 2.1 dieser Vereinbarung verkauft und zediert die Appellantin ihre Darlehensforderung von CHF 950'000.-- gegenüber der T. an die M. zum Preis von CHF 350'000.--. In Ziffer 4.1 erklärt die Appellantin, dass es sich um einen echten Vertrag zu Gunsten Dritter handle und sie weder gegenüber der T. noch gegenüber deren Mitglieder des Verwaltungsrates (X, Y und A.L.) und allen übrigen Organen der T. irgendwelche Ansprüche habe, gleich welchen Rechtsgrundes; dies gelte insbesondere für allfällige Verantwortlichkeits- und/oder Anfechtungsansprüche. Im Weiteren verpflichtet sich die Appellantin, von einer allfälligen Strafanzeige gegen die T. und/oder deren Organe abzusehen. In Ziffer 4.2 der Übereinkunft vom 24. September 2008 erklären sich die Parteien mit dem Vollzug der vorliegenden Vereinbarung auch mit Wirkung gegenüber den in Ziffer 4.1 erwähnten Personen per Saldo aller gegenseitigen Ansprüche für auseinandergesetzt. Die Appellantin war im Zeitpunkt der Vergleichsverhandlungen anwaltlich vertreten. Die Vereinbarung vom 24. September 2008 ist klar und deutlich formuliert und die Saldo-Klausel wurde offenbar nach ausführlichen Diskussionen über verschiedene mögliche Haftungsgrundlagen unterzeichnet.


Diese Vereinbarung stellt im Verhältnis zwischen der Appellantin und dem Appellaten zwar keine Urkunde dar, welche eine Tilgung oder Stundung beweist. Sie stellt jedoch eine negative Schuldanerkennung dar, indem sich aus der Urkunde in direkter Weise der Nichtbestand einer Forderung ergibt. So hält diese Vereinbarung ausdrücklich und unmissverständlich fest, dass die Appellantin gegenüber dem Appellaten keine Ansprüche hat, was mit einer Saldo-Klausel noch untermauert wird. Damit hat der Appellat die Nichtschuld urkundlich bewiesen. Diesen Beweis der Nichtschuld kann die Appellantin mit einem Gegenbeweis entkräften, wobei dieser auch mit striktem Urkundenbeweis zu leisten ist und blosses Glaubhaftmachen nicht genügt. Die Appellantin sieht diesen Gegenbeweis mit ihrer Willensmangelanfechtung vom 4. August 2009 als erbracht. Diese Willensmangelanfechtung beweist jedoch lediglich, dass sich die Appellantin auf Willensmängel beruft und solche mithin geltend macht. Ob ein Willensmangel indessen tatsächlich vorliegt, wird klarerweise nicht bewiesen, da der Willensmangel keineswegs aus der Urkunde selber hervorgeht. So hat auch das Bundesgericht im BGE 5P.8/2005 vom 3. Mai 2005 zu Recht festgehalten, dass ein Schreiben, in welchem der Betroffene zu verstehen gibt, er fühle sich betrogen, keine Urkunde im Sinne von Art. 85 SchKG ist. Im erwähnten Urteil (vgl. Erwägung 3.3) hat das Bundesgericht sogar festgehalten, dass das Vorliegen eines allfälligen Willensmangels im Verfahren nach Art. 85 SchKG gar nicht geprüft werden kann. Die Appellantin führt dazu aus, der vorliegende Fall sei nicht mit der Ausgangslage des Bundesgerichtsentscheids 5P.8/2005 vergleichbar, da im zitierten Entscheid einerseits nicht versucht worden sei, eine Verjährungsverzichtserklärung einzuholen und andererseits keine eigentliche Willensmangelanfechtung erfolgt sei, sondern lediglich eine Erklärung, dass sich der Betroffene betrogen fühle. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Dass die Appellantin versucht hat, eine Verjährungsverzichtserklärung einzuholen, ändert nichts daran, dass es sich bei der blossen Willensmangelanfechtung nicht um eine Urkunde im Sinne von Art. 85 SchKG für den Beweis des effektiven Vorliegens des behaupteten Willensmangels handelt. Ebenso ist nicht ersichtlich, inwiefern es einen Unterschied machen sollte, ob man eine Willensmangelerklärung abgibt oder eine Erklärung, dass man sich betrogen fühle.


Eventualiter will die Appellantin den Beweis für den geltend gemachten Willensmangel mit den neu eingereichten Tatsachen und Beweismittel erbringen, nämlich mit den Akten, welche sie im Rahmen des Strafverfahrens erst am 2. bzw. 9. Juni 2010 habe einsehen können. Aus diesen Akten würde sich ergeben, dass das Darlehen nicht zweckgebunden für ( … ) verwendet worden sei, was die Verwaltungsratsmitglieder trotz Nachfrage der Appellantin verschwiegen hätten. Sie reicht mit der Appellationsbegründung diverse Kontoauszüge, Belastungsanzeigen und Rechnungen ein, aufgrund welcher sie die zweckfremde Verwendung des Darlehens und den Willensmangel herleiten will. Der Willensmangel muss sich jedoch aus der Urkunde selber ergeben. Die eingereichten Geschäftsunterlagen können diesen Beweis nicht erbringen, da zum einen viele verschiedene Urkunden zusammen geführt werden müssten und weil zum anderen eine zusätzliche rechtliche Bewertung erforderlich wird, um den Willensmangel zu beurteilen. Dies widerspricht offensichtlich dem strikten Urkundenbeweis. Die rechtliche Bewertung eines Willensmangels kann zudem ohnehin nicht Gegenstand eines summarischen Verfahrens sein.


6.-9. ( … )


KGE ZS vom 9. November 2010 i.S. A.L. / C.K. (100 10 689/ARK)



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