Strafprozessrecht

Haftentschädigung - Voraussetzungen, Höhe


Voraussetzung für die Zusprechung einer Entschädigung gemäss § 33 StPO ist eine ungerechtfertigte Strafverfolgung, die Substantiierung und der Nachweis des erlittenen Schadens sowie der Kausalität zwischen der Strafverfolgung und dem eingetretenen Schaden. Bei § 33 StPO handelt es sich um eine "Kann-Vorschrift", da die Entschädigungspflicht des Staates sich nur auf wesentliche Umtriebe beschränkt. Wesentliche Umtriebe liegen insbesondere vor, wenn sich der Betreffende in Haft befand oder eine Verteidigung angesichts der sachlichen und rechtlichen Komplexität des Falles notwendig war. Für diese wesentlichen Umtriebe ist der Betroffene grundsätzlich im Sinne einer Kausalhaftung des Staates zu entschädigen, d.h. ein Verschulden der Strafverfolgungsbehörden ist nicht Voraussetzung der Haftung. Eine Reduktion ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sowie gemäss § 33 Abs. 3 StPO nur bei Vorliegen eines prozessualen Verschuldens zulässig (§ 33 Abs. 1 und 3 StPO; E. 3).


Bei der Entschädigung für die Dauer der ungerechtfertigt verbüssten Untersuchungshaft handelt es sich um den Ersatz eines immateriellen Schadens. Eine Genugtuung ist auszurichten, falls eine schwere Verletzung in den persönlichen Verhältnissen gegeben ist, die nicht anders wieder gut gemacht worden ist. Es entspricht der Praxis der Behörden der Strafjustiz im Kanton Basel-Landschaft, wonach die "Kann-Vorschrift" in § 33 StPO im Falle einer Genugtuung für ungerechtfertigte Untersuchungshaft tendenziell zu einem Rechtsanspruch geworden ist. Die Höhe der Genugtuungssumme lässt sich für die im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft erlittene Unbill naturgemäss nicht errechnen, sondern nur abschätzen. Es ist unmöglich, allgemein gültige Ansätze aufzustellen. So sind insbesondere einheitliche Tagesansätze wegen der degressiven Wirkung des Freiheitsentzuges für die Entschädigung von längeren Haftstrafen nicht zweckmässig. Anhand konkreter Fälle lassen sich aber Massstäbe finden, die in anderen vergleichbaren Fällen Anhaltspunkte für die Bemessung ergeben können. Die Höhe des Tagessatzes für die erlittene Unbill für einen Tag ungerechtfertigter Untersuchungshaft liegt gemäss kantonaler und bundesgerichtlicher Praxis zwischen Fr. 100.-- und Fr. 300.--. Sofern die betreffende Person gut beleumundet sowie gesellschaftlich integriert ist und keine besonderen Verhältnisse vorliegen, wird bei der Bemessung einer Genugtuung in Haftfällen von einem Tagessatz von Fr. 200.-- ausgegangen (E. 4.3).



Erwägungen

1. Wird die angeschuldigte Person freigesprochen, wird das Verfahren eingestellt oder wird ihm keine weitere Folge gegeben, kann ihr die mit der Beendigung des Verfahrens befasste Behörde auf Antrag eine angemessene Entschädigung für ungerechtfertigte Haft, für Anwaltskosten sowie für anderweitige Nachteile zusprechen (§ 33 Abs. 1 StPO). Die Entschädigung wird verweigert oder herabgesetzt, wenn die angeschuldigte oder verurteilte Person das Verfahren durch ihr Verhalten verschuldet oder in unzulässiger Weise erschwert hat (§ 33 Abs. 3 StPO) ( … ).


2. ( … )


3. Voraussetzung für die Zusprechung einer Entschädigung gemäss § 33 StPO ist eine ungerechtfertigte Strafverfolgung, die Substantiierung und der Nachweis des erlittenen Schadens sowie der Kausalität zwischen der Strafverfolgung und dem eingetretenen Schaden. Bei § 33 StPO handelt es sich um eine "Kann-Vorschrift", da die Entschädigungspflicht des Staates sich nur auf wesentliche Umtriebe beschränkt. Wesentliche Umtriebe liegen insbesondere vor, wenn sich der Betreffende in Haft befand oder eine Verteidigung angesichts der sachlichen und rechtlichen Komplexität des Falles notwendig war (Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, 2004, Rz. 1219a f.). Dem Bürger ist zuzumuten, geringfügige Umtriebe (z.B. einzelne Einvernahmen) ohne Entschädigung in Kauf zu nehmen, sofern diese Umtriebe einen in vergleichbaren Fällen üblichen Rahmen nicht sprengen. Für diese wesentlichen Umtriebe ist der Betroffene grundsätzlich im Sinne einer Kausalhaftung des Staates zu entschädigen, d.h. ein Verschulden der Strafverfolgungsbehörden ist nicht Voraussetzung der Haftung. Sind die erwähnten Voraussetzungen erfüllt, so ist grundsätzlich voller Schadenersatz zu leisten. Es ist nicht zulässig, Schadenersatz mit der Begründung zu reduzieren oder zu verweigern, der Angeschuldigte bleibe erheblich verdächtig oder seine Unschuld sei nicht erwiesen (vgl. Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, 2005, § 109 N 10 m.w.H.). Eine Reduktion ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sowie gemäss § 33 Abs. 3 StPO nur bei Vorliegen eines prozessualen Verschuldens zulässig (vgl. Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O.).


4.1 Der Gesuchsteller macht zur Begründung seiner Anträge zunächst geltend, er habe aufgrund der vom 23. bis 29. Juni 2005 unrechtmässig ausgestandenen Untersuchungshaft Anspruch auf Genugtuung. Dabei erscheine ein Tagessatz von Fr. 300.-- als gerechtfertigt. Gemäss ärztlicher Bestätigung von Dr. med. H. J. vom 20. Mai 2008 habe die Untersuchungshaft den Gesuchsteller stark verunsichert und verängstigt, da er bereits vor der Verhaftung unter Platzangst gelitten habe. Die Untersuchungshaft habe bei ihm Angst- und Panikattacken zur Folge gehabt und er habe sich im Anschluss an die Haft gemäss Beurteilung durch Dr. med. H. J. in einer sehr schlechten psychischen Verfassung befunden. Es liege somit eine klar erhöhte Haftempfindlichkeit vor. Es werde deshalb für die erlittene Untersuchungshaft von 7 Tagen eine Genugtuung von Fr. 2'100.-- beantragt.


4.2 Die Staatsanwaltschaft führt in ihrer Stellungnahme zu diesem Punkt aus, der Gesuchsteller habe sich 7 Tage in Untersuchungshaft befunden. Da diesem nicht vorgeworfen werden könne, durch ein vorwerfbares Verhalten Anlass zur Eröffnung des Strafverfahrens (respektive zu Zwangsmassnahmen) gegeben zu haben oder durch ein vorwerfbares Verhalten im Strafprozess dessen Durchführung erschwert zu haben, sei ihm demzufolge grundsätzlich eine Haftentschädigung zuzusprechen. Der geforderte Tagessatz von Fr. 300.-- erscheine jedoch als unangemessen, werde doch in Fällen, in deren der Inhaftierte sozial gut integriert gewesen sei und durch die Untersuchungshaft eine schwere Rufschädigung erlitten habe, was vorliegend der Fall gewesen sei, ein Tagessatz von Fr. 200.-- zugesprochen. Entsprechend sei dem Gesuchsteller eine Haftentschädigung von Fr. 1'400.-- für die 7 Tage Untersuchungshaft zu bezahlen.


4.3 Bei der Entschädigung für die Dauer der ungerechtfertigt verbüssten Untersuchungshaft handelt es sich um den Ersatz eines immateriellen Schadens. Obwohl es sich - wie bereits oben erwähnt - bei § 33 StPO um eine "Kann-Vorschrift" handelt, ist im Fall der ungerechtfertigten Untersuchungshaft eine Genugtuung regelmässig geschuldet (vgl. Schmid, a.a.O., Rz. 1224 m.w.H.). Es entspricht auch der Praxis der Behörden der Strafjustiz im Kanton Basel-Landschaft, wonach die "Kann-Vorschrift" in § 33 StPO im Falle einer Genugtuung für ungerechtfertigte Untersuchungshaft tendenziell zu einem Rechtsanspruch geworden ist.


Der vom Gesuchsteller beigelegten ärztlichen Bescheinigung von Dr. med. H. J. vom 20. Mai 2008 sind die unter Ziff. 4.1 gemachten Angaben des Gesuchstellers zu entnehmen. Zusätzlich führt Dr. med. H. J. aus, der Gesuchsteller habe bereits während der Haftzeit durch den Gefängnisarzt entsprechende Beruhigungsmittel erhalten. Das Verhalten des Gesuchstellers sei stets korrekt und höflich gewesen. Seine Hilfsbereitschaft in seiner Umgebung sei bekannt und geniesse einen guten Ruf.


Die schwere Verletzung in den persönlichen Verhältnissen aufgrund der ungerechtfertigt verhängten Untersuchungshaft ist klar ausgewiesen. Es steht somit fest, dass dem Gesuchsteller eine Genugtuung dafür auszurichten ist.


Im Folgenden gilt es, die Höhe der Genugtuungssumme festzusetzen. Diese lässt sich für die im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft erlittene Unbill naturgemäss nicht errechnen, sondern nur abschätzen. Es ist unmöglich, allgemein gültige Ansätze aufzustellen. So sind insbesondere einheitliche Tagesansätze wegen der degressiven Wirkung des Freiheitsentzuges für die Entschädigung von längeren Haftstrafen nicht zweckmässig. Anhand konkreter Fälle lassen sich aber Massstäbe finden, die in anderen vergleichbaren Fällen Anhaltspunkte für die Bemessung ergeben können (vgl. Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O., N 8a mit Hinweis auf BGE 112 Ib 458 ff., 112 II 133, 113 Ib 156). Die Höhe des Tagessatzes für die erlittene Unbill für einen Tag ungerechtfertigter Untersuchungshaft liegt gemäss kantonaler und bundesgerichtlicher Praxis zwischen Fr. 100.-- und Fr. 300.-- (vgl. Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O.; Schmid, a.a.O., § 67 FN 110 mit Hinweis auf: AKA BGer 5.5.1997 i.S. B. gegen Bundesanwaltschaft: grundsätzlich Fr. 200.--/Tag, BGer 9.9.2003 in NZZ Nr. 23 26.9.2003: Fr. 300.--/Tag, Rep. 1998 379 = RS 2002 Nr. 210: Fr. 100.--/Tag, BJM 1999 340 = RS 2002 Nr. 212: Fr. 150.--/Tag, AGVE 2002 Nr. 31: Fr. 200.--/Tag; Urteil des Strafgerichts Basel-Landschaft vom 18. Juni 2001 i.S. A.D.: Fr. 100.--/Tag; KGE ZS vom 6. Juli 2004, in: Entscheide des Kantonsgerichts Basel-Landschaft 2004, Nr. 10, S. 85: Fr. 200.--/Tag). Eine Entschädigung von Fr. 100.-- für ungerechtfertigten Freiheitsentzug während sechs Tagen Untersuchungshaft wurde als so niedrig bezeichnet, dass sie keine Genugtuung verschafft und vor Art. 4 BV nicht stand hält (vgl. Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O.). Das Verfahrensgericht in Strafsachen Basel-Landschaft geht bei der Bemessung einer Genugtuung in Haftfällen in ständiger Praxis von einem Tagessatz von Fr. 200.-- aus, sofern die betreffende Person gut beleumundet sowie gesellschaftlich integriert ist und keine besonderen Verhältnisse vorliegen.


Zwar ist festzustellen, dass die ausgestandene Untersuchungshaft von sieben Tagen den Gesuchsteller mehr betroffen hat als eine andere Person in einer vergleichbaren Lage. Dies führt allerdings nicht zwangsläufig zur Annahme von besonderen Verhältnissen, welche einen Tagessatz von mehr als den praxisgemäss auszusprechenden Fr. 200.-- rechtfertigen würden. Zu einer derartigen Konstellation macht denn auch der Gesuchsteller selbst keine weiteren Ausführungen.


Unter Berücksichtigung der bisherigen Praxis erachtet das Kantonsgericht einen Tagessatz von Fr. 200.-- für die im vorliegenden Fall erlittene ungerechtfertigte Untersuchungshaft als angemessen. Für die sieben Tage dauernde Untersuchungshaft wird dem Gesuchsteller daher in teilweiser Gutheissung seines Antrags eine Genugtuung von gesamthaft Fr. 1'400.-- ausgerichtet.


5.-6. ( … )


7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen gemäss § 33 Abs. 1 StPO im vorliegenden Fall erfüllt sind und dem Gesuchsteller neben einer Genugtuung von Fr. 1'400.-- für die ungerechtfertigt verbüsste Untersuchungshaft von sieben Tagen ein Schadenersatz ( … ) auszurichten ist. Aus dem Verhalten des Gesuchstellers ergibt sich kein prozessuales Verschulden, wodurch das Strafverfahren verursacht oder unnötig verlängert worden wäre, weshalb die Entschädigung weder reduziert noch verweigert werden darf (vgl. § 33 Abs. 3 StPO e contrario).


KGE ZS vom 12. Januar 2010 i.S. T.L. gegen Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft (200 09 1343/ILM)



Back to Top