Zivilprozessrecht

Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden der ersten Instanz in altrechtlichen Verfahren


Nach dem 1. Januar 2011 eröffnete Zwischenentscheide in altrechtlichen Verfahren sind mit den neuen Rechtsmitteln anzufechten (Art. 405 Abs. 1 ZPO, Erw. 1).


Der angefochtene Entscheid ist daraufhin zu überprüfen, ob die Vorinstanz die im Zeitpunkt der Entscheidfällung geltenden Normen richtig angewendet hat (Erw. 2).



Sachverhalt

In einem Forderungsprozess vor dem Bezirksgericht Arlesheim, der im Jahre 2009 angehoben worden war, ersuchte der Beklagte mit Schreiben vom 13.07.2010 um die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung. Der Bezirksgerichtspräsident X. wies dieses Gesuch mit Verfügung vom 06.01.2011 ab.



Erwägungen

1. Der angefochtene Entscheid betr. Verweigerung der unentgeltlichen Prozessführung stellt eine prozessleitende Verfügung dar und ist nach dem Datum des Inkrafttretens der Schweizerischen Zivilprozessordnung eröffnet worden. Gemäss Art. 405 Abs. 1 der Schweiz. Zivilprozessordnung (Schweiz. ZPO, SR 272) gilt für die Rechtsmittel das Recht, das bei der Eröffnung des Entscheides in Kraft war. Es fragt sich, ob diese Übergangsbestimmung nur auf Entscheide anzuwenden ist, welche das Verfahren für die betreffende Instanz beenden, oder auch auf Vor-, Zwischen- und prozessleitende Entscheide. In der Literatur ist diese Frage umstritten. Nach BSK ZPO-Frei/Willisegger, Art. 404 N 12 und Art. 405 N 7, und ZK ZPO-Sutter-Somm/Seiler, Art. 404 N 10, setzt ein Rechtswechsel voraus, dass das Verfahren vor der betroffenen Instanz zum Abschluss gekommen ist, weshalb das Anfechtungsobjekt einen Endentscheid darstellen müsse. Vor-, Zwischen- sowie prozessleitende Entscheide würden daher von dieser Regelung nicht erfasst. Nach KuKo ZPO-Domej, Art. 405 N 3, und Gasser, Anwaltsrevue 6-7/2010 S. 256, hat sich der Rechtszug an höhere Instanzen gegen Entscheide, die nach dem 31.12.2010 eröffnet werden, unterschiedslos nach neuem Recht zu richten unabhängig davon, ob sie das Verfahren vor der betreffenden Instanz beenden oder nicht. Fischer, Stämpflis Handkommentar, ZPO, Art. 405 N 1, und ZK ZPO-Freiburghaus/Afheldt, Art. 405 N 7, nehmen keine Differenzierung zwischen Endentscheiden und nicht verfahrensabschliessenden Entscheiden vor. Die Entstehungsgeschichte dieser Übergangsbestimmung zeigt folgendes Bild: Der Vorentwurf der Expertenkommission sah die Weitergeltung des bisherigen kantonalen Rechts bis zum letztinstanzlichen kantonalen Entscheid und somit auch für Rechtsmittel für sämtliche bei Inkrafttreten der Zivilprozessordnung rechtshängigen Prozesse vor (Art. 391 VE ZPO). Im Vernehmlassungsverfahren wurde mehrheitlich gefordert, für die innerkantonalen Rechtsmittelverfahren das neue Recht für anwendbar zu erklären (vgl. Zusammenstellung der Vernehmlassungen, Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die Schweizerische Zivilprozessordnung, S. 835 ff.). Der bundesrätliche Entwurf nahm dies auf und sah in Art. 402 Abs. 1 E ZPO vor, dass für die Rechtsmittel das Recht gilt, welches bei der Eröffnung des Entscheids in Kraft ist. Im Parlament fand zu den Übergangsbestimmungen keine Diskussion statt (vgl. Bulletin Ständerat 21.06.2007 und Bulletin Nationalrat 12.06.2008) und es wurde die Bestimmung aus der bundesrätlichen Botschaft mit einer kleinen sprachlichen Änderung übernommen. Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte sprechen somit dafür, dass das neue Recht auf alle Rechtsmittel, die gegen nach dem 31.12.2010 eröffnete End-, Teil-, Zwischen- oder prozessleitende Entscheide ergriffen werden, Anwendung findet. Wenn der Gesetzgeber neue Vorschriften erlässt, will er diese auch angewendet wissen, geben diese doch seine gegenwärtige Auffassung zum "richtigen" Recht wieder. Für diesen gesetzgeberischen Willen spricht auch, dass es der Gesetzgeber trotz Hinweisen im Vernehmlassungsverfahren (vgl. Zusammenstellung der Vernehmlassungen, Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die Schweizerische Zivilprozessordnung, OGZH, S. 836, AVZH, S. 837) abgelehnt hat, einen Vorbehalt für das jeweils günstigere Novenrecht anzubringen. Gälte das alte Recht für Rechtsmittel gegen nach dem 31.12.2010 eröffnete, nicht verfahrensabschliessende Entscheide weiter, würde sich der Übergang zum neuen Recht auf unbestimmte Zeit verzögern (vgl. Zusammenstellung der Vernehmlassungen, Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die Schweizerische Zivilprozessordnung, OGZH, S. 835 f.). Ferner wäre es kaum zweckmässig, wenn etwa kantonale Kassationsgerichte deshalb nicht aufgelöst werden könnten, weil weiterhin Verfahren vor Unterinstanzen hängig sind, deren Vor-, Zwischen- und prozessleitende Entscheide möglicherweise Gegenstand eines Rechtmittels an ein derartiges Gericht werden könnten (vgl. KuKo ZPO-Domej, Art. 405 N 3). Auch aus Gründen der Rechtssicherheit spricht nichts dagegen, für die Rechtsmittel gegen im Jahr 2011 eröffnete Teil-, Zwischen- und prozessleitende Entscheide neues Recht anzuwenden, waren doch die nun Gesetz gewordenen Übergangsbestimmungen seit gut 2 Jahren vor Inkrafttreten der Schweiz. ZPO bekannt. Die Gründe für die Anwendung des neuen Rechts auch für die Rechtsmittel gegen ab dem 01.01.2011 eröffnete, nicht verfahrensabschliessende Entscheide überwiegen daher deutlich (vgl. auch Obergericht ZH, I. Zivilkammer, Verfügung vom 17.02.2011, NK110009-O/Z01, E. 2.a, publiziert unter www.gerichte-zh.ch / Aktuelles / Entscheide neue ZPO / Zwischenentscheide der ersten Instanz, Art. 405 Abs. 1 ZPO). Folglich ist für die Fragen, welches Rechtsmittel zur Verfügung steht, nach welchen Regeln das Rechtsmittelverfahren abzulaufen hat und wer die sachlich zuständige Rechtsmittelinstanz ist, auf die Schweiz. ZPO und auf das EG ZPO BL abzustellen.


Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise abgelehnt oder entzogen, so kann der Entscheid gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 121 Schweiz. ZPO mit Beschwerde angefochten werden. Diese ist gemäss Art. 321 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 119 Abs. 3 Schweiz. ZPO bei der Rechtsmittelinstanz innert 10 Tagen seit der Zustellung des begründeten Entscheids oder seit der nachträglichen Zustellung der Entscheidbegründung schriftlich und begründet einzureichen. Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind gemäss Art. 326 Schweiz. ZPO ausgeschlossen. Gemäss § 5 Abs. 1 lit. b EG ZPO BL ist das Präsidium der Abteilung Zivilrecht des Kantonsgerichts für die Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide der Präsidien der Bezirksgerichte sachlich zuständig. Der angefochtene Entscheid wurde dem Beschwerdeführer am 10.01.2011 zugestellt. Die am 19.01.2011 der Post übergebene Beschwerde ist somit rechtzeitig eingereicht worden. Da auch die übrigen Beschwerdeformalien erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.


2. Unabhängig davon, ob das Rechtsmittelverfahren weiterhin den kantonalen Regeln folgt oder denjenigen der Schweiz. ZPO, ist der angefochtene Entscheid daraufhin zu überprüfen, ob die Vorinstanz die im Zeitpunkt der Entscheidfällung geltenden Normen richtig angewendet hat (vgl. auch Obergericht ZH, II. Zivilkammer, Beschluss vom 12.01.2011, NK100014-O/U, E. 3, publiziert unter www.gerichte-zh.ch / Aktuelles / Entscheide neue ZPO / Rechtsmittelverfahren, Art. 404 ZPO). Im erstinstanzlichen Verfahren war gemäss Art. 404 Abs. 1 Schweiz. ZPO noch das bis 31.12.2010 geltende kantonale Prozessrecht anwendbar. Ob die Beschwerde materiell begründet erscheint, ist somit aufgrund der Bestimmungen der ZPO BL zu prüfen. (…)


3. ( … )


4. ( … )


KGE Z vom 1. März 2011 i.S. V.N. gegen U.M. (410 2011 4/ZWH)



Back to Top