Strafrecht

Strafzumessung - Geständigkeit, hohes Alter und bisherige Haftdauer als Strafminderungsgründe?


Aus rechtsstaatlichen Gründen sollte ein Geständnis als solches nicht strafmindernd berücksichtigt werden, weil eine solche Praxis die Entscheidung, auszusagen oder zu schweigen, beeinflussen kann. Sind prozesstaktische Überlegungen und zudem eine aussichtslose Beweislage mitbestimmend, muss das Geständnis gemäss Lehre und Rechtsprechung nicht strafmindernd berücksichtigt werden (E. IV.4).


Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein hohes Alter unter dem Titel der Strafempfindlichkeit im ordentlichen Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen; 59 Jahre sind jedoch nach höchstrichterlicher Praxis noch kein hohes Alter in diesem Sinne. Es ist nicht einzusehen, warum ein alter Mensch durch den Vollzug einer Freiheitsstrafe härter getroffen wird als ein jüngerer mit weitaus grösserer Restlebenserwartung. Ein 58-jähriger Täter ohne gesundheitliche Beschwerden ist durch den Vollzug einer Freiheitsstrafe nicht unverhältnismässig schwerer betroffen als ein jüngerer Täter (E. IV.4).


Die bis zur Urteilsfällung ausgestandene Haft ist jeweils mit dem begangenen Unrecht, insbesondere mit der ausgesprochenen Freiheitsstrafe, in Relation zu setzen. Ein seit der Inhaftierung bestehendes Wohlverhalten kann ebenso wenig strafmindernd berücksichtigt werden, wenn der Angeklagte eine Bewährung in der Freiheit nicht unter Beweis stellen konnte (E. IV.4).



Erwägungen

(…)


IV. Strafzumessung


1. Das Gericht hat die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu bemessen. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (Art. 47 StGB).


(…)


4. In Bezug auf das anwendbare Recht, den Strafrahmen, die Bildung einer Gesamtstrafe sowie die Strafzumessung im engeren Sinn kann wiederum grundsätzlich auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz auf S. 33-36 des Urteils verwiesen werden. Da die Appellation in Bezug auf den Fall 9 sowie das Qualifikationsmerkmal der Gewerbsmässigkeit abgewiesen wird, besteht grundsätzlich kein Anlass zur Reduktion der vorinstanzlich ausgesprochenen Strafe, sofern diese nicht offensichtlich unangemessen ist.


Das Kantonsgericht stellt fest, dass das Strafgericht die massgebenden Strafzumessungskriterien auch unter Berücksichtigung der aktuellen persönlichen Verhältnisse korrekt und nachvollziehbar angewandt hat: So spricht zu Lasten des Angeklagten, dass dieser mit mindestens Fr. 776'000.-- bzw. mindestens Fr. 61'000.-- einen sehr hohen Deliktsbetrag bzw. Sachschaden, begangen in einer relativ kurzen Zeit, zu verantworten hat. Dabei gilt es wiederum zu berücksichtigen, dass diese Beträge zu Gunsten des Angeklagten angenommen werden, da sie bei korrekter Berechnung deutlich höher, nämlich bei rund Fr. 810'000.-- bzw. Fr. 75'000.-- lägen. Aufgrund der Deliktsmehrheit erfolgt zwingend eine Strafschärfung. Der Angeklagte handelte zudem aus rein finanzieller Motivation; er reiste gleich zweimal als Kriminaltourist einzig zum Zweck des Delinquierens in die Schweiz ein. Zusammen mit mindestens einer weiteren Person war der Angeklagte Mitglied einer kleineren Gruppierung, welche sich hinsichtlich ihrer Delinquenz durch eine effiziente und schlagkräftige Organisation auszeichnete. Die Täter gingen äusserst raffiniert und fachmännisch vor. Der Angeklagte delinquierte intensiv und das Ausmass seiner kriminellen Energie ist als ausgesprochen hoch anzusehen. Sehr schwer ins Gewicht fallen die einschlägigen Vorstrafen in Deutschland sowie die Tatsache, dass der Angeklagte gerade einmal drei Monate nach seiner Haftentlassung in Deutschland im November 2004 unbeirrt weiter delinquierte. Dass der Angeklagte sich nicht von seinen Vorstrafen abschrecken liess, zeugt von dessen besonderer Dreistigkeit und Unbelehrbarkeit. Obwohl der Angeklagte aufgrund seiner beruflichen Ausbildung als Maschinenschlosser einer legalen handwerklichen Tätigkeit hätte nachgehen können, hat er sich dafür entschieden, seine Fähigkeiten für deliktische Handlungen zu nutzen. Wie bereits schon die Vorinstanz erachtet auch das Kantonsgericht die finanzielle Situation des Angeklagten, insbesondere in Bezug auf dessen Schulden, als zu wenig und zu unsubstantiiert dargetan. Aufgrund der vielen Widersprüche und Versionen in den Aussagen des Angeklagten im Verlauf des Verfahrens bestehen derart grosse Unklarheiten, dass der geltend gemachte finanzielle Druck nicht strafmindernd berücksichtigt werden kann. Insbesondere erscheint es als wenig plausibel, dass der Angeklagte es trotz des enormen Deliktsbetrages angeblich nicht bewerkstelligen konnte, die vergleichsweise viel tiefere Schuldenlast abzutragen. In diesem Zusammenhang ist der dreijährige Unterbruch zwischen den beiden Deliktsserien im Jahr 2005 und im Jahr 2008 ebenso wenig nachvollziehbar. Es wurde bereits zum Fall 9 ausgeführt, dass der geltend gemachte Beuteanteil von maximal 10% in Relation zum enormen Aufwand und Risiko für den Angeklagten als unrealistisch erscheint. Selbst wenn von der angegebenen Schuldenlast auszugehen wäre, ist dem Angeklagten anzulasten, dass er diese nicht mit legalen Mitteln abzutragen versuchte. Insbesondere für die zwischen den beiden Deliktsserien liegende Zeit wäre es dem Angeklagten gemäss dessen eigenen Angaben ohne weiteres möglich gewesen, ein geregeltes, legales Erwerbseinkommen zu erzielen. Trotz seiner Entschuldigung vor Gericht ist beim Angeklagten keine echte Reue oder Einsicht in das begangene Unrecht wahrzunehmen. In Bezug auf das familiäre Vorleben ergeben sich keine relevanten Hinweise auf das Verschulden. Demgegenüber lässt sich mit dem Strafgericht zu Gunsten des Angeklagten feststellen, dass dieser keine Einbrüche in Wohnhäuser begangen hat und damit keine Personen persönlich gefährdet und geschädigt wurden. Auch das Teilgeständnis in der Voruntersuchung und eine gewisse Kooperation sind dem Angeklagten zugute zu halten. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass gemäss einem Teil der Lehre ein Geständnis aus rechtsstaatlichen Gründen als solches nicht strafmindernd berücksichtigt werden sollte, weil eine solche Praxis die Entscheidung, auszusagen oder zu schweigen, beeinflussen kann (Stefan Trechsel et al., Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Art. 47 N 24, m.w.H.).


Im kantonsgerichtlichen Verfahren gilt es zusätzlich zu prüfen, ob, wie geltend gemacht, die Geständigkeit des Angeklagten vor zweiter Instanz, eine allfällige Strafempfindlichkeit aufgrund des Alters des Angeklagten sowie die bisherige Haftdauer eine Reduktion der ausgesprochenen Gesamtfreiheitsstrafe rechtfertigen.


Dass dem Geständnis im Allgemeinen nicht zwingend eine strafmindernde Wirkung zukommt, wurde bereits erläutert. Im vorliegenden Fall ist in Bezug auf die Geständigkeit des Angeklagten festzustellen, dass dieser immer nur so viel zugab, als ihm aufgrund der erdrückenden Beweislage ohnehin nachgewiesen werden konnte und ein nahezu umfassendes Geständnis erst vor zweiter Instanz erfolgte. Waren wie vorliegend prozesstaktische Überlegungen und zudem eine aussichtslose Beweislage mitbestimmend, muss das Geständnis nicht strafmindernd berücksichtigt werden (vgl. BSK Strafrecht I-Hans Wiprächtiger, Art. 47 N 130 f.; mit Hinweis auf Urteile des Bundesgerichts 6S.62/2006 vom 28. März 2006, 6S.467/2004 vom 11. Februar 2005, 6S.315/2004 vom 26. November 2004 und 6S.189/2003 vom 20. August 2003).


Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein hohes Alter unter dem Titel der Strafempfindlichkeit im ordentlichen Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen (BGE 96 IV 155, 92 IV 201). 59 Jahre sind jedoch noch kein hohes Alter im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Urteil 6B_14/2007 vom 17. April 2007.). Gemäss einem Teil der Lehre (so BSK Strafrecht I-Hans Wiprächtiger, a.a.O, N 119) ist nicht einzusehen, warum ein alter Mensch durch den Vollzug einer Freiheitsstrafe härter getroffen wird als ein jüngerer mit weitaus grösserer Restlebenserwartung. In casu ist der Angeklagte zum heutigen Zeitpunkt 58 Jahre alt, was gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht als hohes Alter anzusehen ist. Eine besondere Strafempfindlichkeit allein aufgrund dieses Alters ist nicht anzunehmen. Insbesondere hat der Angeklagte vor Gericht angegeben, es gehe ihm gesundheitlich gut. Damit ist der Angeklagte durch den Vollzug der Freiheitsstrafe nicht unverhältnismässig schwerer betroffen als ein jüngerer Täter. Eine besondere Strafempfindlichkeit aufgrund des Alters des Angeklagten ist demnach zu verneinen.


Auch die seit dem 9. September 2008 ausgestandene Haft erscheint unter Berücksichtigung des begangenen Unrechts, insbesondere im Verhältnis zur ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 6 Jahren, nicht als übermässig lange. Dass sich der Angeklagte überhaupt in Haft befindet, ist seinem deliktischen Verhalten und dem damit begangenen Unrecht zuzuschreiben. Es besteht demnach kein Anlass für eine Strafminderung. Das geltend gemachte seitherige Wohlverhalten kann ebenso wenig berücksichtigt werden, da der Angeklagte eine Bewährung in der Freiheit nicht unter Beweis stellen konnte.


Unter Berücksichtigung sämtlicher schuldrelevanten Elemente ist dem Angeklagten mit der Vorinstanz ein sehr schweres Verschulden zu attestieren. Bei einem möglichen Strafrahmen von bis zu 15 Jahren erscheint eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren als angemessen. Im Ergebnis wird die seitens der Vorinstanz ausgesprochene Strafe in Abweisung der Appellation bestätigt. Die seit dem 9. September 2008 ausgestandene Untersuchungshaft wird in Anwendung von Art. 51 StGB an diese Strafe angerechnet.


(…)


Urteil der Fünferkammer des Kantonsgerichts, Abteilung Strafrecht, vom 10. Mai 2011 (100 10 485/ILM)


Strafzumessung


Geständigkeit, hohes Alter und bisherige Haftdauer als Strafminderungsgründe?


SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937


Art. 47 Strafzumessung, Grundsatz



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