Strafprozessrecht

Verteidigung - Widerruf einer amtlichen Verteidigung und Bestellung einer Wahlverteidigung


Gemäss Art. 134 Abs. 1 StPO widerruft die Verfahrensleitung das Mandat des amtlichen Verteidigers, sobald kein Grund mehr dafür besteht. Die Bestellung eines Wahlverteidigers stellt einen solchen Widerrufsgrund dar. Art. 129 Abs. 1 StPO sieht vor, dass in jedem Strafverfahren und auf jeder Verfahrensstufe eine Wahlverteidigung mandatiert werden kann. Gemäss Art. 129 Abs. 2 StPO genügt das Einreichen einer entsprechenden schriftlichen Vollmacht zur Mandatierung. Ab diesem Zeitpunkt besteht grundsätzlich kein Grund mehr für die Aufrechterhaltung der amtlichen Verteidigung, so dass diese entlassen werden muss (E. 3.4).


Dass die Entlassung des amtlichen Verteidigers mit der Bedingung verknüpft wird, die Verteidigerkosten müssten zumindest bis zum Ende des erstinstanzlichen Verfahrens sichergestellt sein, entspricht bloss der Praxis in gewissen Kantonen und gilt nicht als allgemeingültige rechtliche Voraussetzung. Ob diese Praxis mit der Schweizerischen Strafprozessordnung in Einklang zu bringen ist, kann offen bleiben, sofern eine Deckung der Aufwendungen rechtsgenüglich dargelegt wurde (E. 3.5-3.6).


Ein Verteidigerwechsel kann stets Abklärungen der Verfahrensleitung auslösen, welche einen gewissen Zeitaufwand benötigen. Es kann folglich aus der Einreichung der Vollmacht kein Anspruch darauf entstehen, sofort als Verteidiger anerkannt zu werden. Solange eine andere wirksame Verteidigung für den Angeschuldigten zur Verfügung steht, stellt dies auch keine Verletzung des Rechts auf eine Verteidigung gemäss Art. 127 StPO respektive Art. 32 Abs. 2 BV dar (E. 5.2).



Erwägungen

(…)


3.3 In vorliegendem Fall ist zunächst unbestritten, dass es sich um eine notwendige Verteidigung gemäss Art. 130 lit. b StPO handelt, da der Beschwerdeführer der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz beschuldigt wird, wofür gemäss Art. 19 Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG, SR 812.121) eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vorgesehen ist. Da der Beschwerdeführer einerseits geltend machte, er kenne keinen und wolle auch keinen Verteidiger und er andererseits offensichtlich nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügte, wurde ihm in Anwendung von Art. 132 Abs. 1 lit. a und b StPO korrekterweise eine amtliche Verteidigung in der Person von RA A. bestellt.


3.4 Gemäss Art. 134 Abs. 1 StPO widerruft die Verfahrensleitung das Mandat des amtlichen Verteidigers, sobald kein Grund mehr dafür besteht. Die Bestellung eines Wahlverteidigers stellt einen solchen Widerrufsgrund dar (vgl. BGer 6B_294/2008 vom 1. September 2009, E. 8.5; BSK StPO-Ruckstuhl, Art. 134 N 2). Art. 129 Abs. 1 StPO sieht vor, dass in jedem Strafverfahren und auf jeder Verfahrensstufe eine Wahlverteidigung mandatiert werden kann. Da gemäss Art. 129 Abs. 2 StPO das Einreichen einer entsprechenden schriftlichen Vollmacht zur Mandatierung genügt, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer am 8. Februar 2011 (Eingang der unterzeichneten Vollmacht bei der Beschwerdegegnerin) RA B. mit seiner Verteidigung betraute, womit ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich kein Grund mehr für die Aufrechterhaltung der amtlichen Verteidigung bestand und diese hätte entlassen werden müssen.


3.5 Die Beschwerdegegnerin knüpft an die Entlassung des amtlichen Verteidigers die Bedingung, dass die Verteidigerkosten zumindest bis zum Ende des erstinstanzlichen Verfahrens sichergestellt sind. Begründet wird dies mit einem Hinweis auf die bisherige Praxis sowie auf die Lehre. Der Hinweis auf die Praxis wird nicht näher belegt, jedoch wurde aus Erfahrung des Kantonsgerichts bisher im Kanton Basel-Landschaft zumindest keine konsequente und einheitliche Praxis betreffend einer solchen Sicherstellung verfolgt. Vielmehr wurde bei einem Wechsel von amtlicher Verteidigung auf Wahlverteidigung festgehalten, dass bei einer erneuten Bedürftigkeit des Angeschuldigten nicht der Wahlverteidiger, sondern erneut der ursprüngliche amtliche Verteidiger eingesetzt würde, womit die Gefahr, auf diesem Weg den Wechsel der amtlichen Verteidigung zu erzwingen, ebenfalls wirksam gebannt ist (vgl. auch ZR 93 [1994]). Diesen Vorbehalt hat die Beschwerdegegnerin ebenfalls in ihrem Schreiben vom 10. Februar 2011 angebracht. Auch die von der Beschwerdegegnerin zitierte Kommentarstelle (BSK StPO-Ruckstuhl, Art. 134 N 2) gibt das Vorgehen, eine Sicherstellung der Kosten zu verlangen, bloss als Praxis in gewissen Kantonen, nicht aber als allgemeingültige rechtliche Voraussetzung wieder ("wird hie und da verlangt"). Über deren Rechtmässigkeit werden keine Angaben gemacht. Immerhin wurde in einem Urteil des Bundesstrafgerichts dieses Vorgehen ebenfalls angewandt (TPF 2007 18). Schliesslich ist dem Beschwerdeführer auch gemäss seiner eigenen Beschwerde vom 24. Februar 2011 bewusst, dass er die Kosten einer Wahlverteidigung selbst tragen muss.


3.6 Es kann jedoch im Ergebnis offenbleiben, ob die Praxis, eine Sicherstellung der Anwaltskosten zu verlangen, mit der Schweizerischen Strafprozessordnung in Einklang zu bringen ist, da nach Dafürhalten des Kantonsgerichts der Wahlverteidiger ohnehin rechtsgenüglich dargelegt hat, dass seine Aufwendungen gedeckt sind. Bereits in der vorprozessualen Korrespondenz legte er mehrmals dar, dass er für einen Arbeitsaufwand von 50 Stunden finanziell gedeckt sei. Die Beschwerdegegnerin führt zwar wiederholt aus, dass dies nicht genüge und der Aufwand für das gesamte erstinstanzliche Verfahren gedeckt sein müsse. Durch das Verwehren der Akteneinsicht konnte der Wahlverteidiger jedoch den Verfahrensaufwand gar nicht abschätzen. Auch liegen dem Kantonsgericht keinerlei Informationen vor, welche auf die Dauer und Komplexität des Verfahrens schliessen lassen, so dass die Angemessenheit der 50 Arbeitsstunden nicht in Zweifel gezogen werden kann. Es ist demnach auch nicht zu prüfen, ob die behauptete Sicherheitsleistung des Bruders des Beschwerdeführers für das gesamte erstinstanzliche Verfahren genügend substantiiert ist. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlverteidiger dem Anwaltsgeheimnis untersteht und er deshalb nur sehr zurückhaltend über das Mandatsverhältnis, wozu auch die Bezahlung der anfallenden Kosten gehört, Auskunft geben kann.


4. Die fehlende Sicherstellung der Anwaltskosten ist der einzige Punkt, welcher gemäss der angefochtenen Verfügung vom 24. Februar 2011 der Entlassung der amtlichen Verteidigung entgegensteht. Auch in der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 18. März 2011 werden keine anderen Gründe genannt. Insbesondere wird nicht mehr eine allfällige Kollusionsgefahr geltend gemacht, wie dies noch aus dem Schreiben und der Verfügung vom 14. Februar 2011 hervorgeht. Aufgrund dessen erübrigt sich eine diesbezügliche Prüfung. Es ist aus der Sicht des Kantonsgerichts auch nie zur Diskussion gestanden, dass der Beschwerdeführer zwei Verteidiger mandatieren möchte, wie dies die Beschwerdegegnerin mit dem Hinweis auf Art. 127 Abs. 2 StPO angenommen hat. Es kann somit festgestellt werden, dass die Mandatierung von RA B. als Wahlverteidiger rechtmässig erfolgt ist und deshalb RA A. als amtlicher Verteidiger entlassen werden kann.


5.1 Es bleibt folglich noch zu klären, ob die seit dem 8. Februar 2011 durchgeführten Untersuchungshandlungen, Zustellungen und Vorladungen gültig erfolgt sind. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er seit diesem Termin als einziger Verteidiger angesehen werden müsse und deshalb die gesamte Korrespondenz über ihn hätte laufen müssen. Die Beschwerdegegnerin hält dafür, dass in dieser Zeit die Frage der Verteidigung nicht geklärt gewesen sei und sie deshalb weiterhin den amtlichen Verteidiger anerkannt habe.


5.2 Hiezu ist zunächst auszuführen, dass ein Verteidigerwechsel stets Abklärungen der Verfahrensleitung - beispielsweise betreffend Kollusionsgefahr - auslösen kann, welche einen gewissen Zeitaufwand benötigen. Es kann folglich aus der Einreichung der Vollmacht kein Anspruch darauf entstehen, sofort als Verteidiger anerkannt zu werden. Solange eine andere wirksame Verteidigung für den Angeschuldigten zur Verfügung steht, stellt dies auch keine Verletzung des Rechts auf eine Verteidigung gemäss Art. 127 StPO respektive Art. 32 Abs. 2 BV dar. Auch wenn der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 1. April 2011 festhält, dass der amtliche Verteidiger ihn nicht besuchen würde, so ergibt sich aus den Verfahrensakten ein anderes Bild. Aus den Einvernahmeprotokollen geht einerseits hervor, dass der amtliche Verteidiger stets daran teilnahm und andererseits, dass er jeweils zuvor oder danach mit dem Beschwerdeführer unter vier Augen sprechen konnte. Es bestehen deshalb keine Zweifel daran, dass der amtliche Verteidiger seine Aufgabe gewissenhaft ausgeführt hat und jederzeit eine wirksame und rechtsgenügliche Verteidigung für den Beschwerdeführer vorhanden war. Folglich behalten auch sämtliche Untersuchungshandlungen, Zustellungen und Vorladungen, welche seit dem 8. Februar 2011 erfolgt sind, ihre Gültigkeit.


(…)


Beschluss der Dreierkammer des Kantonsgerichts, Abteilung Strafrecht, vom 26. April 2011 (470 11 18 und 470 11 19/VO3)


Verteidigung


Widerruf einer amtlichen Verteidigung und Bestellung einer Wahlverteidigung


SR. 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007


Art. 128 ff. Verteidigung



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