Zivilprozessrecht

Anfechtbarkeit von Entscheiden betreffend unentgeltliche Rechtspflege vor zweiter Instanz


Zweitinstanzliche Entscheide, welche die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise ablehnen oder entziehen, können innerkantonal nicht angefochten werden (§ 6 Abs. 1 lit. f EG ZPO, E. 2).



Erwägungen

1. ( … )


2. Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise abgelehnt oder entzogen, so kann der Entscheid mit Beschwerde angefochten werden (Art. 121 ZPO). Gemäss § 6 Abs. 1 lit. f EG ZPO beurteilt die Dreierkammer der Abteilung Zivilrecht des Kantonsgerichts Beschwerden gegen Entscheide des Präsidiums der Abteilung Zivilrecht des Kantonsgerichts betreffend unentgeltliche Rechtspflege vor zweiter Instanz. Diese Regelung entspricht § 11 Ziff. 3 lit. c der ausser Kraft gesetzten kantonalen Zivilprozessordnung. Es fragt sich jedoch, ob unter Geltung der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung gegen den Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts die Beschwerde gemäss Art. 319 ff. ZPO überhaupt zur Verfügung steht.


Im Rechtsmittelsystem der Schweizerischen Zivilprozessordnung gibt es nur noch bundesrechtliche Rechtsmittel, d.h. die kantonsinternen Rechtsmittel werden ausnahmslos und abschliessend durch das Bundesrecht geregelt (Karl Spühler, in: Karl Spühler / Luca Tenchio / Dominik Infanger (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel 2010, Vor Art. 308-334 N 5 f.). Bundesrechtlich ist vorgeschrieben, dass erstinstanzlich ein unteres kantonales Gericht eingesetzt werden muss, dessen Entscheid nach den Vorgaben der ZPO entweder mit Berufung (Art. 308 ff. ZPO) oder mit Beschwerde (Art. 319 ff. ZPO) zweitinstanzlich bei der oberen kantonalen Instanz angefochten werden kann (sog. Prinzip des doppelten Instanzenzugs, "double instance"; vgl. Art. 75 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 130 Abs. 2 BGG). Grundsätzlich unterliegen innerhalb dieses Rechtsmittelsystems nur untere erstinstanzliche Gerichte einer innerkantonalen Rechtsmittelkontrolle (Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7221, S. 7259). Gemäss dem ausdrücklichen Wortlaut in Art. 319 lit. a und b ZPO sind denn auch nur erstinstanzliche Entscheide mittels Beschwerde anfechtbar. Eine Beschwerde gegen einen Entscheid der Rechtsmittelinstanz ist somit ausgeschlossen; der Rechtsmittelzug auf kantonaler Ebene ist (zwingend) nur noch einstufig (Peter Reetz, in: Thomas Sutter-Somm / Franz Hasenböhler/Christoph Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2010, Vorbemerkungen zu den Art. 308-318 N 8; OGer ZH vom 13. April 2011, VB110009-O/U, E. 7). Dies bedeutet vorliegend konkret, dass die Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege durch das Präsidium des Kantonsgerichts aufgrund zwingender Vorschriften der ZPO innerkantonal nicht angefochten werden kann, weshalb die in § 6 Abs. 1 lit. f EG ZPO statuierte Zuständigkeitsvorschrift ins Leere läuft. Gegen zweitinstanzliche Entscheide und gegen kantonale Rechtsmittelentscheide, welche die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise ablehnen oder entziehen, ist vielmehr die Beschwerde in Zivilsachen resp. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht zu ergreifen (Viktor Rüegg, in: BSK-ZPO, a.a.O., Art. 121 N 2; Reetz, a.a.O., Vorbemerkungen zu den Art. 308-318 N 22; Benedikt Seiler, Die Berufung nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Basel 2011, Rz 1227).


3. ( … )


KGE ZR vom 26. April 2011 i.S. H.K. gegen Kantonsgerichtspräsidentin (410 2011 27/SUS)



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