Zivilprozessrecht

Rechtsmittel gegen einen Abschreibungsbeschluss zufolge Gegenstandslosigkeit


Gegen einen Abschreibungsbeschluss zufolge Gegenstandslosigkeit steht das Rechtsmittel der Beschwerde offen (Art. 242 ZPO; E. 1)


Schlichtungsverfahren: Prüfung der Zuständigkeit von Amtes wegen.


Das Friedensrichteramt ist gehalten, bei Eingang eines Schlichtungsgesuchs seine sachliche und funktionelle Zuständigkeit zumindest summarisch zu prüfen. Bei offensichtlich fehlender sachlicher/funktioneller Zuständigkeit ist es angezeigt, der klagenden Partei vor der Durchführung einer Verhandlung diesen Umstand anzuzeigen und Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. zum Rückzug des Gesuchs einzuräumen. Soweit das Friedensrichteramt eine offensichtliche Unzuständigkeit feststellt, ist es in Anwendung von § 46 Abs. 4 GOG von Amtes wegen zur unverzüglichen Weiterleitung der Eingabe an die zuständige Behörde verpflichtet (Art. 97 ZPO; E. 2).



Erwägungen

1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Verfügung des Friedensrichteramtes Liestal vom 15. April 2011. Der Friedensrichter schrieb dannzumal ein Gesuch um definitive Rechtsöffnung der Gläubigerschaft und heutigen Beschwerdeführer gestützt auf Art. 206 Abs. 1 ZPO als gegenstandslos ab. Ob gegen einen Abschreibungsbeschluss zufolge Gegenstandslosigkeit ein Rechtsmittel gegeben ist und ein entsprechender Beschluss der Beschwerde oder sogar der Berufung zugänglich ist, ist zweifelhaft und in der Lehre umstritten. Da jedoch ein offenkundiges Interesse an der Anfechtung mit Beschwerde besteht, weil ansonsten ein evidentes Rechtsschutzdefizit in Fällen bestünde, in denen insb. keine Gegenstandslosigkeit vorlag, ist die Beschwerde als zulässig zu erachten (vgl. BSK ZPO-Oberhammer, Art. 242 N 11, mit weiteren Nachweisen). Gemäss Art. 321 Abs. 2 ZPO beträgt die Beschwerdefrist zehn Tage. Die angefochtene Verfügung vom 15. April 2011 wurde der Gläubigerschaft nachweislich am 19. April 2011 zugestellt. Die Beschwerdeschrift wurde am 29. April 2011 der Schweizerischen Post übergeben, so dass die Beschwerdefrist eingehalten ist. Der Kostenvorschuss von CHF 300.00 für das Rechtsmittelverfahren wurde am 6. Mai 2011 ebenfalls fristgerecht geleistet. Gemäss § 5 Abs. 1 lit. b EG ZPO ist für die Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide von Friedensrichtern das Präsidium der Abteilung Zivilrecht des Kantonsgerichts zuständig. Der Entscheid erfolgt in Anwendung von Art. 327 Abs. 2 ZPO aufgrund der Akten.


2.1 Gemäss Art. 320 ZPO kann mit der Beschwerde einerseits die unrichtige Rechtsanwendung (lit. a) und andererseits die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) gerügt werden. Bei der unrichtigen Rechtsanwendung spielt es keine Rolle, ob Bundesrecht oder kantonales Recht falsch angewendet wurde; auch nicht, ob es sich dabei um einen verfahrens- oder materiellrechtlichen Fehler der Vorinstanz handelt. Zu erwähnen sind insbesondere die fehlerhafte Anwendung der Zivilprozessordnung und ihrer Ausführungsbestimmungen. Die Beschwerdeinstanz überprüft die Rüge der unrichtigen Rechtsanwendung mit freier Kognition (vgl. Freiburghaus/Afheldt, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Komm., Art. 320 N 3).


2.2 In der Verfügung vom 15. April 2011 hielt der Friedensrichter fest, dass das Schlichtungsgesuch der klagenden Partei zufolge Säumnis als zurückgezogen gelte und das das Verfahren als gegenstandslos abgeschrieben werde. Die Gerichtsgebühr wurde der Klagpartei auferlegt. Als Rechtsgrundlagen für seinen Abschreibungsbeschluss führte der Friedensrichter im Dipositiv Art. 206 Abs. 1 ZPO sowie Art. 207 Abs. 1 lit. b ZPO an. Der Beschwerdeführer macht nun eine unrichtige Rechtsanwendung geltend. Er rügt sinngemäss, das Friedensrichteramt hätte das Rechtsöffnungsgesuch nicht in Anwendung von Art. 206 Abs. 1 ZPO zufolge Säumnis der Gläubigerschaft als gegenstandslos abschreiben dürfen. Die entsprechende Bestimmung sei im summarischen Verfahren nicht anwendbar, da dort das Schlichtungsverfahren entfalle. Der Friedensrichter räumt ein, er habe die fehlende Zuständigkeit übersehen. Die Klage sei jedoch in französischer Sprache abgefasst und an das Friedensrichteramt Liestal adressiert gewesen. Eine kurze Mitteilung hätte genügt und das Friedensrichteramt hätte den Fall wegen Unzuständigkeit an das Gericht weitergeleitet.


2.3 Aus den Akten erhellt, dass der Beschwerdeführer am 15. Februar 2011 mit seinem Gesuch um Beseitigung des Rechtsvorschlags (mainlevée définitive de l'opposition) an das Friedensrichteramt gelangte, welches in der Folge die Parteien zu einer Verhandlung vorladen liess und anschliessend das Verfahren zufolge Säumnis der klagenden Partei als gegenstandslos abschrieb. Wie die Gläubigerschaft in der Beschwerde zutreffend ausführt, entfällt jedoch das Schlichtungsverfahren gemäss Art. 198 lit. a ZPO im summarischen Verfahren. Das summarische Verfahren gilt insbesondere für Entscheide, die vom Rechtsöffnungsgericht getroffen werden (Art. 251 lit. a ZPO). Soweit der Friedensrichter das Gesuch um definitive Rechtsöffnung vom 15. Februar 2011 entgegen nahm und die Parteien zur Schlichtungsverhandlung laden liess, hat er die Prozessvoraussetzungen nicht richtig überprüft. Art. 59 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass das Gericht auf eine Klage oder ein Gesuch eintritt, sofern die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind. Als Prozessvoraussetzung gilt insbesondere auch die sachliche Zuständigkeit (Art. 59 Abs. 2 lit. b). Das Gericht prüft laut Art. 60 ZPO von Amtes wegen, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind. Der Gesetzestext erwähnt in Art. 59 und 60 ZPO jeweils nur das Gericht, jedoch gelten diese Bestimmungen grundsätzlich auch für die Schlichtungsbehörde resp. das Friedensrichteramt. Fehlt eine Prozessvoraussetzung, darf die Schlichtungsbehörde weder einen Urteilsvorschlag (Art. 210 ZPO) unterbreiten, noch einen Entscheid fällen (vgl. Müller, DIKE-Komm-ZPO, Art. 59 N 23). Unklarer und in der Literatur zur ZPO streitig ist jedoch die Situation bezüglich Schlichtungsversuch, zumal das Gesetz für die Schlichtungsbehörde die Möglichkeit des Nichteintretens grundsätzlich nicht vorsieht. Die einen Kommentatoren vertreten die Meinung, im Schlichtungsverfahren komme ein Nichteintretensentscheid nicht in Betracht, zumal der Schlichtungsbehörde im Wesentlichen die Aufgabe obliegt, die Parteien auszusöhnen (vgl. Zürcher, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Komm., Art. 59 N 6; Morf, in: ZPO-Kommentar Gehri/Kramer, Art. 59 N 11; KUKO ZPO-Domej, Art. 59 N 10). Die gegenteilige Meinung geht davon aus, dass die Schlichtungsbehörde bei fehlender Zuständigkeit die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ablehnen muss (vgl. Courvoisier, Stämpflis Handkommentar, ZPO, Art. 59 N 1). Das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivilrecht, hält dafür, dass das Friedensrichteramt gehalten ist, bei Eingang eines Schlichtungsgesuchs ihre Zuständigkeit zumindest summarisch zu prüfen. Insbesondere die sachliche und funktionelle Zuständigkeit, die bestimmt, welches der an einem Ort bestehenden Gerichte zur Entscheidung einer Streitsache berufen ist und im Rahmen eines Verfahrens in den verschiedenen Verfahrensstadien zuständig ist, muss bei Eingang eines Gesuchs überprüft werden (so auch Müller, a.a.O, N 26; Morf, a.a.O., N 12). Bei offensichtlich fehlender sachlicher/funktioneller Zuständigkeit erscheint es angezeigt, der klagenden Partei vor der Durchführung einer Verhandlung diesen Umstand anzuzeigen und Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. zum Rückzug des Gesuchs einzuräumen. Soweit das Friedensrichteramt - wie in der Vernehmlassung zur Beschwerde denn auch eingeräumt wird - eine offensichtliche Unzuständigkeit feststellt, ist es in Anwendung von § 46 Abs. 4 GOG (SGS 170) von Amtes wegen zur unverzüglichen Weiterleitung der Eingabe an die zuständige Behörde verpflichtet. Im vorliegenden Falle hätte der Friedensrichter mithin die Parteien nicht zur Vermittlung laden dürfen, sondern dem Gesuchsteller anzeigen müssen, dass das Schlichtungsverfahren von Gesetzes wegen entfällt und die Angelegenheit dem zuständigen Rechtsöffnungsrichter übermitteln müssen. Die Abschreibung des Verfahrens zufolge Säumnis der klagenden Partei gemäss Art. 206 Abs. 1 ZPO ist nach dem Vorstehenden als unrichtige Rechtsanwendung zu werten. Anzumerken bleibt, dass der sinngemässe Einwand des Friedensrichters, im Kanton Basel-Landschaft gelte Deutsch als Verfahrenssprache, zwar zutreffend ist. Soweit er allerdings damals das Gesuch in französischer Sprache entgegen nahm und die Gesuchstellerin nicht aufforderte, die Eingabe in deutscher Sprache einzureichen (vgl. Art. 132 Abs. 1 ZPO), kann er sich später nicht mehr darauf berufen, den Inhalt nicht richtig verstanden zu haben. Im Ergebnis ist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gutzuheissen. Da die Beschwerde wegen eines Verfahrensmangels geschützt wurde, ist eine Kassation des entsprechenden Entscheides angezeigt und die Verfügung vom 15. April 2011 somit aufzuheben. Der Friedensrichter ist anzuweisen, die Gläubigerschaft über die Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens in Kenntnis zu setzen und das Gesuch dem Rechtsöffnungsrichter zuzuleiten.


3. ( … )


KGE ZR vom 21. Juni 2011 i.S. Kanton VD gegen Friedensrichteramt Liestal (410 11 103/LIA)



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