Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Abtretung von Rechtsansprüchen der Masse; Fristansetzung und -verlängerung für die Geltendmachung der Ansprüche


Die Ansetzung einer einmonatigen Frist zur gerichtlichen Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen gemäss Art. 752 ff. OR und Ansprüchen aus Begünstigungshandlungen gemäss Art. 285 ff. SchKG gegenüber den Organen der Fallitin ist unangemessen.



Erwägungen

1. ( … )


2.1 Das Konkursamt Sissach stellte der Beschwerdeführerin am 18. Januar 2011 das Formular über die Abtretung der Verantwortlichkeitsansprüche gemäss Art. 752 ff. OR gegenüber den Organen der A. AG und der Ansprüche aus Begünstigungshandlungen gemäss Art. 285 ff. SchKG aus. Zugleich setzte es der Beschwerdeführerin eine nicht erstreckbare Frist zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche bis 18. Februar 2011 und behielt sich die Annullierung der Abtretung für den Fall vor, falls binnen dieser Frist keine gerichtliche Geltendmachung erfolge. Die Abtretungsgläubigerin und heutige Beschwerdeführerin hält dafür, die besagte Frist sei aufzuheben und es sei neu eine Frist von einem Jahr anzusetzen. Die angesetzte Frist sei nämlich derart kurz, dass eine korrekte Prüfung und Geltendmachung von Ansprüchen unmöglich sei. Sie widerspreche den Gepflogenheiten, die schweizweit geübt werde. Das Konkursamt Sissach erwidert, die angesetzte Frist sei angemessen und genügend, zumal eine ungebührlich lange Fristansetzung nicht im Interesse der übrigen Gläubiger sein könne. Zu prüfen ist mithin, ob die besagte Frist zur gerichtlichen Geltendmachung der fraglichen Ansprüche angemessen ist. Hat eine Aufsichtsbehörde eine Verfügung auf ihre Angemessenheit zu überprüfen, so hat sie dabei ihr Ermessen an die Stelle desjenigen der Behörde zu setzen, die die angefochtene Verfügung erlassen hat (vgl. BGE 100 III 16, E. 2).


2.2 Gemäss Art. 260 Abs. 1 SchKG ist jeder Gläubiger berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet. Die Abtretung erfolgt durch formelle Verfügung der Konkursverwaltung. Hierzu ist gemäss Art. 80 Abs. 1 der Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter (KOV, SR 281.32) ein vorgeschriebenes Formular zu verwenden. Dieses obligatorische Formular (Form. K 7), welches sich im Anhang zur KOV findet, sieht unter Ziffer 6 der Bedingungen vor, dass sich die Konkursverwaltung die Annullierung der Abtretung für den Fall vorbehält, dass nicht bis zum (Frist) eine gerichtliche Geltendmachung erfolgt. Das besagte Formular beinhaltet in den Bedingungen somit keine definierte Dauer, innert welcher die Klage anzuheben ist, sondern räumt dem Konkursamt hierfür ein Ermessen ein. Da die Abtretung des Prozessführungsrechts eine konkursrechtliche Liquidationsmassnahme darstellt, somit einen Bestandteil des Vollstreckungsverfahrens bildet, das binnen absehbarer Zeit beendigt werden muss, kann sie nicht unbeschränkt lange andauern. Deshalb wird sie indirekt befristet, indem die Konkursverwaltung dem Abtretungsgläubiger eine angemessene Frist zur Anhebung der Klage ansetzt. Lässt er die Frist unbenützt verstreichen, ist die Konkursverwaltung befugt, die Abtretung zu widerrufen (BGE 121 III 293). Solange sie das aber nicht ausdrücklich tut, gilt die Frist jeweils als stillschweigend verlängert (BGE 64 III 110; 5C.54/2007).


2.3 Die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs erachtet die vorliegende Beschwerde als begründet und die Rüge der Beschwerdeführerin als stichhaltig. Aus dem präsentierten Sachverhalt erhellt, dass die Ansetzung einer einmonatigen Frist zur gerichtlichen Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen gemäss Art. 752 ff. OR und Ansprüchen aus Begünstigungshandlungen gemäss Art. 285 ff. SchKG gegenüber den Organen der A. AG unangemessen ist. Die Frist liegt zwar innerhalb des Ermessensspielraums, den das Gesetz dem Konkursamt einräumt, dieses Ermessen wird jedoch vor dem Hintergrund der sich im Zusammenhang mit den abgetretenen Ansprüchen stellenden Rechtsfragen unzweckmässig gehandhabt, ohne dass die Ermessensausübung geradezu willkürlich wäre. Stossend ist insbesondere auch, dass die massgebliche Frist als nicht erstreckbar angesetzt wurde. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführen lässt, ist eine korrekte Prüfung und Geltendmachung der abgetretenen Ansprüche innerhalb der angesetzten Frist nicht zumutbar. Selbst wenn der von der Beschwerdeführerin dargelegte Zeitablauf etwas gar grosszügig erscheint, verkennt das Konkursamt Sissach offenkundig, dass vor der gerichtlichen Anhängigmachung umfassendere Abklärungen unumgänglich sind, gehören doch Verantwortlichkeits- und Anfechtungsklagen mitunter zu den schwierigeren Verfahren. Zumal der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin laut Bekunden des Konkursamtes Sissach anlässlich einer Zusammenkunft am 13. Oktober 2010 die Buchhaltung der Konkursitin allerdings bereits einsehen konnte und im Nachgang zu einem Schreiben vom 29. Oktober 2010 weitere Unterlagen erhielt, er mithin bereits einigermassen dokumentiert wurde, erachtet die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs eine Frist zur Geltendmachung der abgetretenen Ansprüche von sechs Monaten als angemessen. Diese Frist ist jedoch auf ein begründetes Gesuch der Beschwerdeführerin hin durch das Konkursamt Sissach nochmals angemessen zu erstrecken. Im Ergebnis ist die Beschwerde daher teilweise gutzuheissen und das Konkursamt Sissach anzuweisen, die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung der abgetretenen Ansprüche unter den Bedingungen im Konkursformular in Ziffer 8 anzupassen und neu auf sechs Monate anzusetzen sowie eine einmalige Erstreckung gestützt auf ein begründetes Gesuch vorzusehen.


3. ( … )


Entscheid der AB SchKG vom 8. März 2011 i.S. F. gegen Konkursamt S. (420 11 6/LIA)



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