Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Beweiskraft der Protokolle und Register der Betreibungs- und Konkursämter


Eine beim Betreibungsamt eingereichte Beschwerde ist unverzüglich der Aufsichtsbehörde weiterzuleiten ist, ohne dass das Betreibungsamt weitere Abklärungen hinsichtlich des Sachverhalts zu machen hätte. Ab Erhebung einer Beschwerde ist das Beschwerdeverfahren vor der Aufsichtsbehörde rechtshängig und es steht einzig dieser zu, den Sachverhalt festzustellen (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG; E. 1).


Die von den Betreibungs- und Konkursämtern über ihre Amtstätigkeiten sowie über die bei ihnen eingehenden Begehren und Erklärungen geführten Protokolle und Register sind bis zum Beweis des Gegenteils für ihren Inhalt beweiskräftig (Art. 8 Abs. 2 SchKG; E. 1).


Eine während der Betreibungsferien vorgenommene Betreibungshandlung ist weder nichtig noch anfechtbar. Vielmehr entfaltet sie ihre Rechtswirkungen erst nach den Betreibungsferien (Art. 56 Ziff. 2 SchKG; E. 2).



Sachverhalt

A. In der Betreibung Nr. … wurde der am 06.06.2011 ausgestellte Zahlungsbefehl gemäss Protokoll des Betreibungsamtes W. am 08.06.2011 an die Ehefrau des Schuldners zugestellt. Innert Frist wurde kein Rechtsvorschlag erhoben. Die Gläubigerin stellte am 12.07.2011 das Fortsetzungsbegehren. Das Betreibungsamt W. kündigte dem Schuldner mit Schreiben vom 18.07.2011 die Pfändung auf den 18.08.2011 an.


B. Mit Schreiben vom 18.08.2011 erhob der Schuldner Beschwerde, welche er persönlich am 18.08.2011 beim Betreibungsamt W. einreichte. Zur Begründung machte er Folgendes geltend: Da er keine Leistung erhalten habe, sehe er keinen Grund, der Gläubigerin irgendeinen Betrag zu bezahlen. Er habe versäumt, Rechtsvorschlag zu erheben, was er hiermit nachholen wolle. Im Anschluss an die schriftliche Beschwerdebegründung des Schuldners wurde mit anderer Handschrift und ohne Angabe des Verfassers vermerkt, dass der Schuldner angebe, den Zahlungsbefehl selber nie erhalten zu haben, da er sonst sicher Rechtsvorschlag gemacht hätte. Mit einem undatierten, am 18.08.2011 verschickten Schreiben ersuchte das Betreibungsamt W. die Gläubigerin, den Original-Zahlungsbefehl dem Betreibungsamt zurückzusenden. Mit Schreiben vom 30.08.2011 übermittelte das Betreibungsamt W. diese Beschwerde der Aufsichtsbehörde. Das Betreibungsamt führte ergänzend aus, auf Rückfrage hin habe der Schuldner geltend gemacht, den Zahlungsbefehl nie erhalten zu haben, resp. allenfalls sei der Zahlungsbefehl seiner Ehefrau zugestellt worden. Der Aufforderung, den Zahlungsbefehl zur Überprüfung an das Betreibungsamt zurückzusenden, sei die Gläubigerin nicht nachgekommen. Im Übrigen erklärte das Betreibungsamt, auf eine weitergehende Stellungnahme zur Beschwerde zu verzichten.



Erwägungen

1. Eine Verfügung ist nichtig, wenn sie gegen Vorschriften verstösst, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Personen erlassen worden sind. Unabhängig davon, ob Beschwerde geführt worden ist, stellen die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen die Nichtigkeit einer Verfügung fest (Art. 22 Abs. 1 SchKG). Zunächst gilt es folglich zu prüfen, ob der Zahlungsbefehl vom 06.06.2011 mangels Zustellung an den Schuldner nichtig ist. Der Schuldner hat in seiner Beschwerde zwar nicht geltend gemacht, ihm sei der Zahlungsbefehl nicht zugestellt worden, sondern er hat einzig die materiell-rechtliche Berechtigung der Forderung bestritten. Hingegen hat der Schuldner auf Nachfrage des Betreibungsamtes den Erhalt des Zahlungsbefehls in Frage gestellt. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass eine Beschwerde unverzüglich der Aufsichtsbehörde weiterzuleiten ist, ohne dass das Betreibungsamt weitere Abklärungen hinsichtlich des Sachverhalts zu machen hätte. Das Betreibungsamt hat die Interessen des Gläubigers und des Schuldners zu wahren und hat sich daher neutral zu verhalten, weshalb es nicht angeht, durch Rückfragen beim Schuldner dessen Beschwerdeschrift mit Bemerkungen eines Betreibungsbeamten zu ergänzen und den Gläubiger mittels eines (undatierten) Einschreibens des Betreibungsamtes aufzufordern, den Originalzahlungsbefehl dem Betreibungsamt zurückzusenden. Ab Erhebung einer Beschwerde ist das Beschwerdeverfahren vor der Aufsichtsbehörde rechtshängig und es steht einzig dieser zu, den Sachverhalt festzustellen (vgl. Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG). Zu diesem Zweck werden in der Regel die verfahrensrelevanten Akten vom Betreibungsamt beigezogen und das Betreibungsamt zu einer Beschwerdevernehmlassung eingeladen. Gemäss Art. 8 Abs. 1 SchKG führen die Betreibungs- und Konkursämter über ihre Amtstätigkeiten sowie die bei ihnen eingehenden Begehren und Erklärungen Protokoll; sie führen die Register. Die Protokolle und Register sind gemäss Art. 8 Abs. 2 SchKG bis zum Beweis des Gegenteils für ihren Inhalt beweiskräftig. Das Protokoll über die Amtstätigkeit des Betreibungsamtes W. in der Betreibung Nr. … hält fest, dass der Zahlungsbefehl am 08.06.2011 an die Ehefrau des Schuldners zugestellt worden ist. Der Beweis des Gegenteils ist vom Schuldner in keiner Weise erbracht worden. Vielmehr deckt sich der Protokolleintrag mit der im Schreiben des Betreibungsamtes W. vom 30.08.2011 wiedergegebenen Äusserung des Schuldners, dass der Zahlungsbefehl allenfalls seiner Frau zugestellt worden sei. Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde steht somit fest, dass der Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. ... nach den Vorschriften von Art. 72 i.V.m. Art. 64 SchKG dem Schuldner rechtsgültig zugestellt worden ist.


2. Da keine nichtige Verfügung vorliegt, sind in der Folge die Eintretensvoraussetzungen in Bezug auf die Beschwerde vom 18.08.2011 zu prüfen. Mit Ausnahme der Fälle, in denen das SchKG den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden. Die sachliche Zuständigkeit der Dreierkammer der Abteilung Zivil- und Strafrecht des Kantonsgerichts ergibt sich aus § 6 Abs. 1 lit. b EG SchKG. Die Beschwerde muss gemäss Art. 17 Abs. 2 SchKG binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden. Die Pfändungsankündigung gilt als Verfügung (SchKG-Cometta/Möckli, Art. 17 N 21) und deren Zustellung stellt eine Betreibungshandlung dar (SchKG-Bauer, Art. 56 N 33). Betreibungshandlungen dürfen gemäss Art. 56 Ziff. 2 SchKG vom 15. Juli bis zum 31. Juli nicht vorgenommen werden. Eine während der Betreibungsferien vorgenommene Betreibungshandlung ist weder nichtig noch anfechtbar. Vielmehr entfaltet sie ihre Rechtswirkungen erst nach den Betreibungsferien (BGE 121 II 284 E. 2.b). Die Pfändungsankündigung ist am 18.07.2011 auf den 18.08.2011, 10.15 bis 11.15 Uhr, erfolgt. Spätestens nach Ablauf der Betreibungsferien, also am 02.08.2011 hat die Pfändungsankündigung Wirkung entfaltet. Ab diesem Zeitpunkt hätte der Schuldner das Recht gehabt, innert 10 Tagen Beschwerde gegen diese Verfügung zu erheben. Da die Frist mithin am 12.08.2011 abgelaufen ist, erweist sich die Beschwerde im vorliegenden Verfahren als verspätet. Deshalb ist darauf nicht einzutreten.


3. Soweit der Schuldner mit seiner Beschwerde vom 18.08.2011 sinngemäss die Wiederherstellung der Rechtsvorschlagsfrist beantragt, ist festzustellen, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen gemäss Art. 33 Abs. 4 SchKG ohnehin nicht gegeben sind.


4. Für das Beschwerdeverfahren werden gemäss Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG keine Kosten erhoben.


Entscheid der AB SchKG vom 27. September 2011 i.S. S.B. gegen Betreibungsamt W. (420 11 230/ZWH)



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