Strafprozessrecht

Haftbeschwerde - Legitimation der Staatsanwaltschaft, Anforderungen an die Begründung, Berücksichtigung von Noven, Haftgründe


Gemäss Art. 222 StPO kann die verhaftete Person Entscheide über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bei der Beschwerdeinstanz anfechten. Das Bundesgericht hat ebenso der Staatsanwaltschaft eine Beschwerdelegitimation zuerkannt. Das Verfahren richtet sich nach Art. 393 ff. StPO (E. 1.2). In der Beschwerde ist genau anzugeben, welche Punkte des Entscheides angefochten werden, welche Gründe einen anderen Entscheid nahe legen und welche Beweismittel angerufen werden (E. 1.4).


Das Kantonsgericht, Abteilung Strafrecht, übt in seiner Funktion als Beschwerdeinstanz trotz voller Kognitionsbefugnis mit der uneingeschränkten Möglichkeit, neue Tatsachenbehauptungen und Beweise vorzubringen, Zurückhaltung. In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass Beschwerden grundsätzlich in einem schriftlichen Verfahren behandelt werden und im Rechtsmittelverfahren generell keine Beweiserhebung stattfindet. Schliesslich wird bereits im Haftverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht die Prüfung des Tatverdachts oder der Haftgründe auf die Erhebung der sofort verfügbaren (liquiden) Beweise beschränkt. Damit wird dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen, welches im Beschwerdeverfahren ebenso Geltung hat, Rechnung getragen (E. 1.3).


Zwangsmassnahmen können nur ergriffen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Der erforderliche Tatverdacht richtet sich nach der Eingriffsschwere der Zwangsmassnahme. Bei den am schärfsten in die Freiheitsrechte eingreifenden Massnahmen wie Untersuchungs- oder Sicherheitshaft wird ein dringender Tatverdacht verlangt, während bei weniger eingreifenden Zwangsmassnahmen ein geringerer Grad erforderlich ist. Der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachts setzt konkrete, objektivierbare Anhaltspunkte voraus, die dafür sprechen, dass die beschuldigte Person Täterin eines Verbrechens oder Vergehens ist. Die blosse Möglichkeit der Tatbegehung, entsprechende Gerüchte oder gewisse vage Verdachtsgründe genügen nicht (E. 2.2).


Der besondere Haftgrund der Verdunkelungs- oder Kollusionsgefahr ist gegeben, wenn aufgrund konkreter Tatsachen bzw. entsprechender Aktivitäten der beschuldigten Person zu befürchten ist, sie werde Personen beeinflussen oder zu falschen Aussagen veranlassen, oder aber, dass sie - in Freiheit belassen - sonst auf Beweismittel einwirken könnte, um auf diese Weise die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen. Für die Annahme dieses Haftgrundes genügt allein nicht die Tatsache, dass noch nicht alle Beweise erhoben werden konnten (E. 2.3).


Der Haftgrund der Fluchtgefahr ist dann anzunehmen, wenn zu befürchten ist, der Beschuldigte werde sich durch Flucht ins Ausland oder Untertauchen im Inland der Strafverfolgung oder der zu erwartenden Strafe entziehen. Auch wenn keine konkreten Fluchtpläne u.ä. gefordert werden, sind doch strenge Anforderungen an die Annahme dieses Haftgrundes zu stellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts braucht es für die Annahme von Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Die Schwere der drohenden Sanktionen darf als Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse des Angeschuldigten, in Betracht gezogen werden. So ist es zulässig, die familiären und sozialen Bindungen des Häftlings, dessen berufliche Situation und Schulden sowie private und geschäftliche Kontakte ins Ausland und Ähnliches mitzuberücksichtigen (E. 2.4).


Gestützt auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit dürfen Untersuchungs- und Sicherheitshaft nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe. Daher dürfen "sanktionssichernde" Zwangsmassnahmen nicht einschneidender sein als die Sanktion selbst. Dabei ist aufgrund der Akten eine objektive Prognose über die zu erwartende Strafe zu erstellen, wobei die Schwere der vorgeworfenen Taten, die Frage nach Täterschaft oder Gehilfenschaft, aber auch weitere konkrete Umstände der Strafzumessung wie Alter, Abhängigkeiten und Vorstrafen zu berücksichtigen sind. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit hat auch immer dann einzufliessen, wenn eine Sanktion wie beispielsweise eine Geldstrafe, die nicht primär einen Freiheitsentzug zum Gegenstand hat, zu erwarten ist (E. 2.5).



Erwägungen

1. Formelles


(…)


1.2 Gemäss Art. 222 StPO kann die verhaftete Person Entscheide über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bei der Beschwerdeinstanz anfechten. Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid 1B_64/2011 vom 17. Februar 2011 (BGE 137 IV 22, bestätigt u.a. in 1B_65/2011 vom 22. Februar 2011, 1B_174/2011 vom 17. Mai 2011 [BGE 137 IV 87] und 1B_258/2011 vom 24. Mai 2011) ebenso der Staatsanwaltschaft eine Beschwerdelegitimation zuerkannt. Das Verfahren richtet sich nach Art. 393 ff. StPO. Laut Art. 393 Abs. 1 lit. c StPO ist die Beschwerde zulässig gegen die Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts in den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen. Die Beschwerde ist innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Die Beschwerdeinstanz beurteilt unter anderem Beschwerden gegen Verfahrenshandlungen und gegen nicht der Berufung unterliegende Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts in den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen (Art. 20 Abs. 1 lit. c StPO). Im Kanton Basel-Landschaft wird die Funktion der Beschwerdeinstanz gemäss § 15 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung (EG StPO, SGS 250) durch die Dreierkammer des Kantonsgerichts, Abteilung Strafrecht, ausgeübt.


(…)


1.3 Die Beschwerde stellt gestützt auf die in Art. 393 Abs. 2 StPO aufgezählten Beschwerdegründe ein umfassendes ordentliches Rechtsmittel dar. Die Rechtsmittelinstanz verfügt über eine volle Kognition. Mit der Beschwerde können alle Mängel des angefochtenen Entscheids geltend gemacht werden (Jeremy Stephenson / Gilbert Thiriet, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, Art. 393 N 15). Mit der Beschwerde können gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO zunächst Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, gerügt werden. Lit. b sieht die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts als Beschwerdegrund vor. Mit Hinweis auf die Lehre (vgl. Jeremy Stephenson / Gilbert Thiriet, a.a.O., N 16) sowie aus Gründen der Verfahrensökonomie übt das Kantonsgericht, Abteilung Strafrecht, in seiner Funktion als Beschwerdeinstanz trotz voller Kognitionsbefugnis mit der uneingeschränkten Möglichkeit, neue Tatsachenbehauptungen und Beweise vorzubringen, Zurückhaltung. In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass Beschwerden grundsätzlich in einem schriftlichen Verfahren behandelt werden (Art. 397 Abs. 1 StPO) und im Rechtsmittelverfahren generell keine Beweiserhebung stattfindet (vgl. Art. 389 Abs. 1 StPO). Schliesslich sieht Art. 225 Abs. 4 StPO bereits für das Haftverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht vor, dass sich dieses bei der Prüfung des Tatverdachts oder der Haftgründe auf die Erhebung der sofort verfügbaren (liquiden) Beweise zu beschränken hat. Damit wird dem in Art. 5 Abs. 2 StPO statuierten Beschleunigungsgebot in Haftsachen, welches im Beschwerdeverfahren ebenso Geltung hat, Rechnung getragen. Art. 393 Abs. 2 lit. c StPO sieht als letzten Beschwerdegrund die Unangemessenheit vor. In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelinstanz den Begriff der Unangemessenheit wird eng definieren müssen, um einer Beschwerdeflut vorzubeugen, die nicht sachgerecht wäre (vgl. Jeremy Stephenson / Gilbert Thiriet, a.a.O., N 17; Mark Pieth, Schweizerisches Strafprozessrecht, Basel 2009, S. 228).


(…)


1.4 In Bezug auf die Form der Beschwerde ist Art. 385 Abs. 1 StPO zu berücksichtigen, wonach genau anzugeben ist, welche Punkte des Entscheides angefochten werden (lit. a), welche Gründe einen anderen Entscheid nahe legen (lit. b) und welche Beweismittel angerufen werden (lit. c).


Die vorliegend knapp acht Seiten umfassende Beschwerdeschrift der Staatsanwaltschaft enthält in den ersten sechs Seiten eine Sachverhaltsdarstellung sowie formelle Ausführungen. Erst auf S. 7 f. folgt die Beschwerdebegründung, welche sich jedoch auf mit den Schlüssen des Zwangsmassnahmengerichts übereinstimmende Feststellungen, vage Formulierungen ("…liegt der Verdacht sehr nahe, dass…") und Verweise auf frühere Eingaben an das Zwangsmassnahmengericht beschränkt. Eine argumentativ vertiefte Auseinandersetzung mit dem angefochtenen vorinstanzlichen Entscheid ist nicht erkennbar. Ob eine derartige Beschwerdebegründung den gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Form genügt, erscheint als höchst fraglich. Dies muss auch der Staatsanwaltschaft bewusst gewesen sein, stellte sie doch selbst auf S. 3 ihrer Beschwerdeschrift die Nachreichung einer "ausführlichen" Beschwerdebegründung nach Vorliegen des begründeten Entscheides des Zwangsmassnahmengerichts in Aussicht. Bis zum Ablauf der 10-tägigen Beschwerdefrist und selbst bis dato ist diese angekündigte Rechtsschrift jedoch ausgeblieben.


(…)


2. Materielles


2.1 In Art. 212 Abs. 1 StPO wird der Grundsatz statuiert, wonach die beschuldigte Person in Freiheit bleibt. Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht (lit. a, sog. Fluchtgefahr); Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (lit. b, sog. Kollusionsgefahr); oder durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (lit. c, sog. Wiederholungsgefahr). Haft ist gemäss Art. 221 Abs. 2 StPO auch zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen (sog. Ausführungsgefahr). Als letzte Voraussetzung schliesslich darf Haft nur angeordnet oder aufrecht erhalten werden, wenn und solange sie verhältnismässig ist. Dieser Grundsatz ergibt sich aus Art. 197 Abs. 1 lit. d StPO. Wenn mildere Massnahmen zum gleichen Ziel führen, dann ist die Haft an deren Stelle aufzuheben und es können Ersatzmassnahmen angeordnet werden (Grundsatz der Subsidiarität; vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. c, Art. 212 Abs. 2 lit. c und Art. 237 StPO). Untersuchungs- und Sicherheitshaft dürfen nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (Art. 212 Abs. 3 StPO). Im Weiteren kann eine Haft die zulässige Dauer auch dann überschreiten, wenn das Strafverfahren nicht genügend vorangetrieben wird (Art. 5 Abs. 2 StPO e contrario; Urteil des Bundesgerichts 1B_289/2009 vom 28. Oktober 2009).


(…)


2.2 Gemäss Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO können Zwangsmassnahmen nur ergriffen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Der erforderliche Tatverdacht richtet sich nach der Eingriffsschwere der Zwangsmassnahme. Bei den am schärfsten in die Freiheitsrechte eingreifenden Massnahmen wie Untersuchungs- oder Sicherheitshaft wird gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO ein dringender Tatverdacht verlangt, während bei weniger eingreifenden Zwangsmassnahmen ein geringerer Grad erforderlich ist (Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009, Art. 197 N 4 mit Hinweis auf die Botschaft, BBl 2006 S. 1216). Der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachts setzt konkrete, objektivierbare Anhaltspunkte voraus, die dafür sprechen, dass die beschuldigte Person Täterin eines Verbrechens oder Vergehens ist. Nach Lehre und Praxis genügen die blosse Möglichkeit der Tatbegehung, entsprechende Gerüchte oder gewisse vage Verdachtsgründe nicht. Am Anfang eines Strafverfahrens sind an diesen Tatverdacht weniger strenge Anforderungen zu stellen. Wie bei allen Zwangsmassnahmen ist jedoch erforderlich, dass sich der Tatverdacht verdichtet, wenn die Massnahme über einen längeren Zeitraum fortgesetzt wird (Niklaus Schmid, a.a.O., Art. 221 N 4).


Die Beschwerdeführerin geht in ihrer Beschwerdeschrift vom 22. September 2011 vom allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachts in Bezug auf Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 StGB), Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB) und Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB) aus. Sie macht dazu im Wesentlichen geltend, der Beschuldigte sei am frühen Morgen des 18. September 2011 zusammen mit N. H. (Verfahren Nr. 470 11 163) in das Restaurant S. in B. eingebrochen und habe das dort vorgefundene Serviceportemonnaie behändigt. Zudem hätten der Beschuldigte und sein Begleiter diverse Gegenstände aus den auf den dortigen Parkfeldern stehenden Personenwagen gestohlen. Der Deliktsbetrag belaufe sich auf ca. Fr. 1'000.--, doch der Beschuldigte könne sich zufolge angeblichen starken Alkoholkonsums nicht mehr an die Geschehnisse erinnern und streite diese ab. Aufgrund der sichergestellten Gegenstände sowie der belastenden Aussagen von N. H. und des Augenzeugen C. S. seien genügend Erkenntnisse vorhanden, um einen dringenden Tatverdacht zu bejahen. Zudem liege der Verdacht sehr nahe, dass der Beschuldigte aufgrund des modus operandi in weitere, Ende August und anfangs September 2011 in O. begangene Einbruchsdiebstähle involviert sein könnte.


Einen dringenden Tatverdacht in Bezug auf den Einbruch in das Restaurant S. in B. sowie drei der dort parkierten Fahrzeuge nahm das Zwangsmassnahmengericht bereits in seinem angefochtenen Entscheid vom 21. September 2011 an. Auch der Beschuldigte hat einen diesbezüglichen dringenden Tatverdacht nicht bestritten, so dass ohne Weiteres davon auszugehen ist. Hierbei gilt es mit dem Zwangsmassnahmengericht und dem Beschuldigten klarzustellen, dass die Angabe des Beschuldigten, er könne sich wegen Alkoholkonsums nicht erinnern, nicht mit einem Abstreiten gleich zu setzen ist.


Was hingegen die weiteren, in O. begangen Einbruchdiebstähle betrifft, so wenden die Beschwerdegegner zu Recht ein, dass das seitens der Staatsanwaltschaft eingereichte Deliktsverzeichnis bereits schon mangels Lesbarkeit keine Berücksichtigung finden darf. Daran ändert auch ein weiteres, lesbares Deliktsverzeichnis in einem separaten Ordner nichts: Dieses Aktenstück reichte die Staatsanwaltschaft erst anlässlich des Beschwerdeverfahrens beim Kantonsgericht ein. Wie bereits im formellen Teil unter Ziff. 1.3 ausgeführt, übt das Kantonsgericht mit der Entgegennahme und Überprüfung von Noven im Beschwerdeverfahren eine gewisse Zurückhaltung. Bereits das Zwangsmassnahmengericht hat sich bei seiner Prüfung auf die zum Zeitpunkt von dessen Entscheid vorliegenden, liquiden Beweismittel zu stützen. Es handelt sich hierbei um die sog. Haftakten. Das Kantonsgericht als Beschwerdeinstanz verfährt bei der Beurteilung von Haftbeschwerden in analoger Anwendung von Art. 225 Abs. 4 StPO gleichermassen. Im Beschwerdeverfahren gilt es zusätzlich Art. 389 Abs. 1 StPO zu berücksichtigen, wonach das Rechtsmittelverfahren generell auf den Beweisen beruht, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind. Ist die Staatsanwaltschaft in Konstellationen wie der vorliegenden der Ansicht, dass sich (neue) Haftgründe erst nach einem abweisenden Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts ergeben haben, so steht es ihr offen, einen erneuten Antrag an das Zwangsmassnahmengericht auf Anordnung von Untersuchungshaft zu stellen. Die Geltendmachung derartiger Haftgründe erst im Beschwerdeverfahren hätte ansonsten für die Parteien den Verlust einer gerichtlichen Instanz zur Folge. Daraus folgt, dass gestützt auf die der Vorinstanz vorgelegenen, massgeblichen Akten klarerweise kein dringender Tatverdacht in Bezug auf die Einbrüche in O. abgeleitet werden kann. Nach Ansicht der Beschwerdeinstanz vermag die in diesem Zusammenhang äusserst knapp und vage gehaltene Formulierung der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdeschrift selbst einen hinreichenden Tatverdacht nicht zu begründen. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine blosse Vermutung bzw. einen Anfangsverdacht.


(…)


2.3 Der besondere Haftgrund der Verdunkelungs- oder Kollusionsgefahr ist gegeben, wenn aufgrund konkreter Tatsachen bzw. entsprechender Aktivitäten der beschuldigten Person, vor allem dem bisherigen Verhalten im Verfahren, zu befürchten ist, sie werde Personen wie Zeugen, Mitbeschuldigte u.Ä. beeinflussen oder zu falschen Aussagen veranlassen, oder aber, dass sie - in Freiheit belassen - sonst auf Beweismittel wie Tatwerkzeuge bzw. -spuren, Deliktsgut, Urkunden usw. einwirken, also diese beispielsweise verschwinden lassen, verbergen oder verändern könnte, um auf diese Weise die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (Niklaus Schmid, a.a.O., N 7). Für die Annahme dieses Haftgrundes genügt allein nicht die Tatsache, dass noch nicht alle Beweise erhoben oder z.B. noch nicht alle Zeugen bzw. Mitverdächtigen eruiert bzw. dingfest gemacht werden konnten (Niklaus Schmid, a.a.O., N 8). Der Abschluss des Vorverfahrens schliesst eine Verdunkelungsgefahr nicht generell aus. Die erfolgte Einvernahme aller wesentlichen Zeugen führt allerdings oft dazu, dass die anhaltende Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorhanden ist, wie denn auch als allgemeine Regel zu beachten ist, dass mit fortschreitendem Verfahren eine ursprünglich vorhandene Kollusionsgefahr abnimmt (Niklaus Schmid, a.a.O., N 9).


Die Staatsanwaltschaft verweist in ihrer Beschwerdeschrift auf ihren Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft an das Zwangsmassnahmengericht vom 19. September 2011. Darin wird geltend gemacht, aufgrund der widersprüchlichen Aussagen des Beschuldigten und von N. H. könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte sich im Falle der Entlassung aus der vorläufigen Festnahme mit N. H. absprechen könnte.


Das Zwangsmassnahmengericht erachtete in seinem Entscheid vom 21. September 2011 den besonderen Haftgrund der Kollusionsgefahr in Bezug auf die Delikte in B. für solange gegeben, als noch keine Konfrontationseinvernahme zwischen dem Beschuldigten und N. H. stattgefunden hat. Am 23. September 2011 wurde eine solche Konfrontationseinvernahme durchgeführt. Aufgrund des Geständnisses von N. H. konnten der Sachverhalt wie auch die Beteiligung des Beschuldigten weitgehend geklärt werden. Gestützt auf diese zwischenzeitlich stattgefundene, wesentliche Beweiserhebung darf der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr in Bezug auf die Delikte in B. als gebannt angesehen werden. Denn es erscheint als fraglich, wie sich der Beschuldigte und N. H. nunmehr noch absprechen könnten, um die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen.


Die Tatsache der am 23. September 2011 stattgefundenen Konfrontationseinvernahme wurde der Beschwerdeinstanz durch den Verteidiger von N. H. zugetragen, ohne dass die Staatsanwaltschaft dem Gericht einen entsprechenden Hinweis gemacht hätte. In dieser Konstellation zeigt sich die Problematik der Interessenverlagerung, wenn die Staatsanwaltschaft in der gleichen Sache von der verfahrensleitenden Behörde zur beschwerdeführenden Partei wechselt. Unabhängig von ihrer jeweiligen Rolle im Verfahren ist die Staatsanwaltschaft an Art. 6 Abs. 2 StPO gebunden, wonach sie die belastenden und die entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu untersuchen hat. Demnach wäre von der Staatsanwaltschaft zu erwarten gewesen, die Beschwerdeinstanz über derart wesentliche Fakten zu unterrichten.


2.4 Der Haftgrund der Fluchtgefahr ist dann anzunehmen, wenn zu befürchten ist, der Beschuldigte werde sich durch Flucht ins Ausland oder Untertauchen im Inland der Strafverfolgung oder der zu erwartenden Strafe entziehen. Auch wenn keine konkreten Fluchtpläne u.ä. gefordert werden, sind doch strenge Anforderungen an die Annahme dieses Haftgrundes zu stellen (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, 2004, N 701). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts braucht es für die Annahme von Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Die Schwere der drohenden Sanktionen, wozu auch der Widerruf eines bedingten Strafvollzuges zu zählen ist, darf als Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse des Angeschuldigten, in Betracht gezogen werden. So ist es zulässig, die familiären und sozialen Bindungen des Häftlings, dessen berufliche Situation und Schulden sowie private und geschäftliche Kontakte ins Ausland und Ähnliches (wie etwa ungeregelte Wohn- und Meldeverhältnisse) mitzuberücksichtigen (Marc Forster, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, Art. 221 N 5, mit zahlreichen Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung).


Wie bereits in den Ausführungen zum dringenden Tatverdacht (Ziff. 2.2) festgehalten, stehen die Delikte des Diebstahls, der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruch in Bezug auf das Restaurant S. in B. und drei auf dem dortigen Parkplatz stehenden Fahrzeuge im Raum. Im Falle eines Schuldspruches wegen dieser Delikte hat der Beschuldigte aufgrund seiner erstmals in Erscheinung tretenden Delinquenz als Sanktion eine bedingte Geldstrafe im unteren Bereich zu erwarten. Das damit in Zusammenhang stehende Argument der Vorinstanz, der Beschuldigte werde aufgrund dessen wohl kaum ernsthaft auf die Idee kommen, sein Asylgesuch durch Flucht ins Ausland zu gefährden, ist zwar nicht von der Hand zu weisen. Dennoch ist mit der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen zu berücksichtigen, dass der mittellose, aus Marokko stammende Beschuldigte als Asylbewerber über keinerlei berufliche, soziale oder familiäre Bindungen zur Schweiz verfügt. Die Gefahr, der Beschuldigte könnte die Freiheit dazu nutzen, unterzutauchen und sich dadurch der Strafverfolgung zu entziehen, ist daher entgegen der Ansicht der Beschwerdegegner zu bejahen.


2.5 Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gemäss Art. 197 Abs. 1 lit. d StPO wird in Art. 212 Abs. 3 StPO konkretisiert, wonach Untersuchungs- und Sicherheitshaft nicht länger dauern dürfen als die zu erwartende Freiheitsstrafe. Daher dürfen "sanktionssichernde" Zwangsmassnahmen nicht einschneidender sein als die Sanktion selbst (Marc Forster, a.a.O., N 12 FN 52). Dabei ist aufgrund der Akten eine objektive Prognose über die zu erwartende Strafe zu erstellen, wobei die Schwere der vorgeworfenen Taten, die Frage nach Täterschaft oder Gehilfenschaft, aber auch weitere konkrete Umstände der Strafzumessung wie Alter, Abhängigkeiten und Vorstrafen zu berücksichtigen sind (Gianfranco Albertini / Thomas Armbruster, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, Art. 212 N 13). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit hat auch immer dann einzufliessen, wenn eine Sanktion wie beispielsweise eine Geldstrafe, die nicht primär einen Freiheitsentzug zum Gegenstand hat, zu erwarten ist (Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009, Art. 221 N 4).


Im vorinstanzlichen Entscheid wird ausgeführt, es erscheine im Hinblick auf die noch ausstehenden Untersuchungshandlungen zur Beseitigung der Kollusionsgefahr (Konfrontationseinvernahme, allenfalls Einvernahme des Augenzeugen C. S.) eine Anordnung der Untersuchungshaft bis zum 23. September 2011 verhältnismässig. In seiner Stellungnahme vom 26. September 2011 verdeutlicht das Zwangsmassnahmengericht seine Ansicht dahingehend, dass die Planung und Durchführung einer Konfrontationseinvernahme durch einen erfahrenen Staatsanwalt oder eine erfahrene Staatsanwältin erfahrungsgemäss bei Fallkenntnis und unter Berücksichtigung, dass sich die beiden Beschuldigten in Haft befänden (und nicht andere Termine wahrnehmen müssten), wenige Stunden benötigten. Bereits die Haftanordnung von zwei Tagen sei an der Grenze des Zulässigen gewesen (Verhältnismässigkeit, Beschleunigungsgebot in Haftsachen).


Demgegenüber macht die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdeschrift geltend, der Beschuldigte müsse mit einer empfindlichen Strafe rechnen, welche die zu genehmigende Untersuchungshaft von drei Monaten übersteige. Bezüglich des Sachverhalts lägen widersprüchliche Aussagen vor und es müssten daher der Beschuldigte und N. H. erneut einvernommen und miteinander konfrontiert werden. Die Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft seien im Anfangsstadium und es gelte, weitere Delikte im Kanton Basel-Landschaft und gegebenenfalls noch weiteren Kantonen zu klären. Es sei der Staatsanwaltschaft nicht möglich, innerhalb von zwei Tagen die notwendigen Ermittlungshandlungen vorzunehmen.


Das Kantonsgericht stellt mit den Beschwerdegegnern fest, dass sich der dringende Tatverdacht vorliegend ausschliesslich auf die Delikte in B. beschränkt. Der Beschuldigte weist in der Schweiz keinerlei Vorstrafen auf. Wie bereits bei der Prüfung der Fluchtgefahr (Ziff. 2.4.) ausgeführt, hat der Beschuldigte im Falle eines Schuldspruchs eine Sanktion in Form einer Geldstrafe im unteren Bereich zu gewärtigen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist daher klarerweise nicht mit einer empfindlichen Strafe zu rechnen. Offenbar geht nunmehr die Staatsanwaltschaft selbst von einem Bagatellfall i.S.v. Art. 132 Abs. 3 StPO (e contrario) aus, hat sie doch in Sachen N. H. mit Verfügung vom 14. Oktober 2011 ein Gesuch um amtliche Verteidigung mit der Begründung abgewiesen, es drohe eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als 4 Monaten bzw. eine Geldstrafe von nicht mehr als 120 Tagessätzen. Zwar erscheint auf den ersten Blick eine Dauer von gerade einmal zwei Tagen zur Durchführung einer Konfrontationseinvernahme zwischen den beiden Beschuldigten als äusserst knapp. Mit der bereits am 23. September 2011 durchgeführten Konfrontationseinvernahme hat die Staatsanwaltschaft jedoch selbst unter Beweis gestellt, dass es ihr möglich war, die Vorgabe des Zwangsmassnahmengerichts einzuhalten. Dies berücksichtigend wäre eine Aufrechterhaltung der Haft nach dem 23. September 2011 sowohl in sachlicher wie auch in zeitlicher Hinsicht unverhältnismässig gewesen.


2.6 Zusammenfassend lässt sich die vorinstanzlich verfügte Verlängerung der Untersuchungshaft bis zum 23. September 2011 nicht beanstanden. Der angefochtene Entscheid beinhaltet nach Ansicht des Kantonsgerichts weder Rechtsverletzungen noch Unangemessenheiten. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist in Bestätigung des Entscheids des Zwangsmassnahmengerichts vom 21. September 2011 abzuweisen, soweit darauf überhaupt einzutreten ist.


(…)


Beschluss der Dreierkammer des Kantonsgerichts, Abteilung Strafrecht, vom 1. November 2011 (470 11 162/ILM)


Haftbeschwerde
- Haftbeschwerde - Legitimation der Staatsanwaltschaft, Anforderungen an die Begründung, Berücksichtigung von Noven, Haftgründe


SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007
- Art. 197 Zwangsmassnahmen, Grundsätze
- Art. 212 Freiheitsentzug, Untersuchungs- und Sicherheitshaft, Grundsätze
- Art. 221 Untersuchungs- und Sicherheitshaft, Voraussetzungen
- Art. 222 Untersuchungs- und Sicherheitshaft, Rechtsmittel
- Art. 385 Abs. 1 Begründung und Form des Rechtsmittels
- Art. 393 ff. Beschwerde



Back to Top