Strafprozessrecht

Bestellung der amtlichen Verteidigung durch die Jugendanwaltschaft


Die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung gemäss Art. 24 lit. b JStPO sind erfüllt, wenn es dem Beschuldigten aufgrund seines jugendlichen Alters und seiner gesetzlichen Vertretung mangels ausreichender Deutschkenntnisse nicht möglich ist, ein medizinisches Gutachten zu verstehen, daraus Schlüsse zu ziehen, Ergänzungsfragen zu stellen sowie die Glaubwürdigkeit des Gutachtens zu beurteilen.


Die Mittellosigkeit als Voraussetzung der amtlichen Verteidigung im Sinne von Art. 25 Abs. 1 lit. c JStPO ist bei einem monatlichen Manko von Fr. 56.55 gegeben. Dabei ist der praxisgemässe Zuschlag zum Grundbetrag von 15% nicht als Überschuss zu berücksichtigen, da dies zur Folge hätte, dass die Anrechnung des Zuschlags beim Grundbedarf rückgängig gemacht würde.



Sachverhalt

A. Mit Eingaben vom 15. April 2011 sowie vom 13. und 15. Juli 2011 ersuchte A.____ um Bewilligung der amtlichen Verteidigung im gegen ihn geführten Untersuchungsverfahren vor der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft wegen Gefährdung des Lebens und einfacher Körperverletzung.


B. Mit Verfügung vom 2. September 2011 wies die Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft das Gesuch von A.____ um amtliche Verteidigung ab.


C. Mit Beschwerde vom 16. September 2011 beantragte A.____ (nachfolgend: Beschwerdeführer), es sei die Verfügung der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft vom 2. September 2011 aufzuheben, es sei ihm Advokatin Claudia Weibel Imhof als amtliche Verteidigerin beizuordnen, es sei ihm für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung mit Advokatin Claudia Weible Imhof zu bewilligen, unter o/e Kostenfolge.


D. In ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2011 begehrte die Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft, die Beschwerde sei abzuweisen.


E. In seiner Beschwerdeeingabe stellte der Beschwerdeführer verschiedene Beweisbegehren, namentlich es sei eine Parteibefragung durchzuführen, es sei seine Mutter als Auskunftsperson einzuvernehmen und es sei B.____ als Auskunftsperson einzuvernehmen. Mit Verfügung vom 14. Oktober 2011 wies der Präsident der Abteilung Strafrecht des Kantonsgerichts Basel-Landschaft diese Beweisanträge des Beschwerdeführers ab.


F. Mit Eingabe vom 24. Oktober 2011 und unter Bezugnahme auf die Ziff. 6 der Verfügung des Präsidenten der Abteilung Strafrecht des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 14. Oktober 2011, wonach die vollständigen Akten des Verfahrens 250 11 5 beigezogen werden, beantragte der Beschwerdeführer, es seien die während der Hauptverhandlung vom 20. September 2011 angefertigten Tonbandaufnahmen ebenfalls beizuziehen.


G. Der Präsident der Abteilung Strafrecht des Kantonsgerichts Basel-Landschaft verfügte am 25. Oktober 2011, dass in Gutheissung des Antrags des Beschwerdeführers vom 24. Oktober 2011 die Aufnahmen der Jugendgerichtsverhandlung vom 20. September 2011 beigezogen werden.


H. Mit inzwischen in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Jugendgerichts Basel-Landschaft vom 20. September 2011 wurde der Beschwerdeführer der fahrlässigen Körperverletzung und der Tätlichkeiten schuldig erklärt und zu einer persönlichen Leistung von 4 Tagen (à 8 Arbeitsstunden) verurteilt. Der Entscheid über den Antrag um Gewährung der amtlichen Verteidigung für das Verfahren vor dem Jugendgericht wurde ad separatum verwiesen und sistiert bis zum vorliegenden Entscheid der Beschwerdeinstanz betreffend die Abweisung des Gesuchs um amtliche Verteidigung durch die Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft vom 2. September 2011.



Erwägungen

1. (…)


2.1 Die Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft erwog in der angefochtenen Verfügung im Wesentlichen, dass eine amtliche Verteidigung beizugeben sei, wenn die beschuldigte Person bzw. deren gesetzliche Vertretung mittellos sei und die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung erfüllt seien. Weder der Handlungsablauf noch der medizinische Sachverhalt habe sich ursprünglich überdurchschnittlich kompliziert dargestellt. Vielmehr sei die Komplexität des Falles erst durch die Argumentation der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers herbeigeführt worden. Ausserdem sei zu beachten, dass die Mutter des Beschwerdeführers mit ihren Kindern in einem ansprechenden Doppeleinfamilienhaus an privilegierter Lage in C.____ in einer Lebensgemeinschaft mit B.____ lebe. Zudem arbeite sie in dessen Schuhgeschäft D.____ GmbH, wo sie im Einkauf und als Verkäuferin tätig sei. Auch könne davon ausgegangen werden, dass sie nach einem langjährigen Aufenthalt in der Schweiz über ausreichende Deutschkenntnisse verfüge, um die Interessen ihres Sohnes wahrnehmen zu können. Vom Lebenspartner dürfe überdies erwartet werden, dass dieser sie bei Bedarf unterstütze. Sodann sei die Privatklägerschaft vorliegend nicht anwaltlich vertreten, weshalb eine Waffenungleichheit zwischen den Parteien entstehen würde, wenn dem Beschwerdeführer eine notwendige Verteidigung zugesprochen würde. Im Übrigen sei auch keine Schadenersatzforderung eingereicht worden. Der Beschwerdeführer habe somit weder nach dem Grad der Komplexität des Sachverhalts noch nach den persönlichen Verhältnissen noch nach der beabsichtigten Sanktion objektiv begründeten Anlass gehabt, einen Anwalt beizuziehen, weshalb kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliege. Ferner sei festzustellen, dass auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer unentgeltlichen Verteidigung nicht gegeben seien. So verfüge nämlich die Mutter des Beschwerdeführers, ausgehend von einem monatlichen Einkommen von Fr. 3'569.30 und monatlichen Auslagen Fr. 3'494.80 (inkl. eines Zuschlags von 15% zum Grundbetrag), über einen Überschuss von Fr. 74.50 pro Monat.


2.2 In seiner Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, der Umstand, dass die Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft von sich aus und ohne entsprechenden Antrag von ihm eine Abklärung beim Institut für Rechtsmedizin in Auftrag gegeben habe, beweise, dass der Sachverhalt komplex sei und insbesondere im medizinischen Bereich ein erheblicher Klärungsbedarf vorliege. Dies gehe auch klar aus der Tatsache hervor, dass die Jugendanwaltschaft seine Ergänzungsfragen zum Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin vom 8. November 2010 zugelassen und selbst ebenfalls Ergänzungsfragen gestellt habe. Mit dem Stellen von weiteren Ergänzungsfragen an das Institut für Rechtsmedizin am 5. Mai 2011 habe die Jugendanwaltschaft dargetan, dass eindeutig Klärungsbedarf bestehe und der Sachverhalt nicht einfach, sondern komplex sei. Ferner ergebe sich weder aus der Einsprache vom 6. Januar 2011 noch aus der Einsprachebegründung vom 15. April 2011 eine unnötige Komplizierung des Sachverhalts durch seine Rechtsvertreterin. Vielmehr sei lediglich auf Ungereimtheiten und Unklarheiten hingewiesen worden. Im Weiteren ergebe sich aus den Verfahrensakten eindeutig, dass er aufgrund seines jugendlichen Alters, seiner Unerfahrenheit sowohl in strafrechtlichen, strafprozessrechtlichen als auch medizinischen Belangen nicht in der Lage sei, seine Verfahrensrechte selbst ausreichend wahrzunehmen. Auch seine gesetzliche Vertreterin, seine Mutter, sei dazu nicht in der Lage, da sie als gebürtige Russin nicht über genügend Deutschkenntnisse verfüge, um die juristischen und medizinischen Sachverhalte im vollen Ausmass und Umfang zu verstehen. Überdies fehle es dem Vorbringen der Vorinstanz, vom Lebenspartner der Mutter könne erwartet werden, dass er seine Partnerin bei Bedarf unterstütze, an einer gesetzlichen Grundlage. Auch sei die Lebensgemeinschaft mit dem Lebenspartner zerrüttet. Unzutreffend sei weiter, dass seine Mutter im Schuhgeschäft des Lebenspartners arbeite, da dieser die GmbH per 30. Juni 2011 verkauft habe und aus der Unternehmung ausgeschieden sei. Durch den Verkauf habe sich die Personalsituation sehr stark verändert, worauf die Mutter an psychischen Problemen erkrankt sei, welche ihr das Arbeiten verunmöglicht hätten. Sodann sei eine Schadenersatzforderung geltend gemacht worden, zwar nicht vom mutmasslichen Opfer, jedoch von dessen Krankenversicherung. Die Argumentation betreffend die Waffengleichheit gehe ebenfalls fehl. Für die Bestellung der notwendigen und amtlichen Verteidigung könne nicht massgebend sein, ob die Privatklägerschaft anwaltlich vertreten sei oder nicht; hierzu enthalte die JStPO keine Grundlage. Hinsichtlich seiner Mittellosigkeit entspreche die Argumentation der Vorinstanz nicht den Tatsachen, da die Kinderalimente Unterhaltsbeiträge des Stiefbruders darstellten und daher nicht in die Berechnung seiner Mittellosigkeit mit einzubeziehen seien. Des Weiteren sei unklar, wie die Vorinstanz ein monatliches Erwerbseinkommen der Mutter von Fr. 1'699.30 errechnet habe. Gemäss den eingereichten Unterlagen erziele sie lediglich ein Nettoeinkommen von Fr. 1'568.60 (ohne Kinderzulagen). Dieses beinhalte auch Ferienentschädigungen von Fr. 161.35, welche abzuziehen seien, und Provisionen; inkl. 13. Monatslohn erziele seine Mutter somit ein durchschnittliches Einkommen von netto Fr. 1'568.00. Ausserdem seien zusätzliche Ausgaben für auswärtige Verpflegung von Fr. 200.00 hinzuzurechnen, da er seit dem neuen Schuljahr 2011/2012 das Gymnasium E.____ besuche und sich dort über Mittag verpflegen müsse. Ebenfalls habe er zusätzliche Schulkosten von Fr. 165.00 zu übernehmen, da die obligatorische Schulpflicht beendet sei. Ferner sei der Zuschlag zum Grundbetrag lediglich mit 15% veranschlagt worden, statt mit praxisgemässen 20%. Die Ausgaben seiner Mutter würden sich somit auf Fr. 3'872.25 belaufen, wobei noch kein Anteil für die Miete berücksichtigt worden sei. Dem stehe ein Einkommen von Fr. 2'408.00 gegenüber, weshalb die Mittellosigkeit erstellt sei. Selbst wenn man der Argumentation in der bestrittenen Verfügung folgen würde, so wäre auch bei einem monatlichen Überschuss von Fr. 74.50 von einer Mittellosigkeit auszugehen.


2.3 In ihrer Stellungnahme wendete die Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft dagegen ein, sie habe am 30. Oktober 2010 eine körperliche Untersuchung des Geschädigten durch das Institut für Rechtsmedizin angeordnet, um abzuklären, ob durch den Beschwerdeführer eine unmittelbare Lebensgefahr herbeigeführt worden sei. Eine solche Untersuchung werde keineswegs nur bei einem überdurchschnittlich komplexen Sachverhalt vorgenommen. Erst die verkomplizierende Darstellung des Sachverhaltes in der Einsprache respektive in der Einsprachebegründung habe das Stellen der Ergänzungsfragen erforderlich gemacht. Das Jugendstrafverfahren zeichne sich dadurch aus, dass es pädagogisch orientiert und nach Möglichkeit unkompliziert und schnell durchzuführen sei. Anwaltschaftliche Vertretungen im Bereich der Bagatelldelikte seien deshalb die Ausnahme. Das Strafverfahren sei von Seiten des Beschwerdeführers unnötigerweise verkompliziert und auf eine rein juristische und medizinische Auseinandersetzung reduziert worden. Weiter sei die Mutter am 15. August 1998 in die Schweiz gezogen und ihr Sohn sei ihr im September 1999 gefolgt. Sie habe mehrere Jahre als Einkäuferin und Verkäuferin im Schuhgeschäft ihres Lebenspartners gearbeitet, weshalb ihre Deutschkenntnisse belegt seien. Ausserdem sei im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung weder geltend gemacht worden, dass die Lebensgemeinschaft zerrüttet sei, noch dass der Lebenspartner sein Schuhgeschäft verkauft habe. Im Übrigen unterlasse es der Beschwerdeführer weiterhin anhand klarer Belege darzulegen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer unentgeltlichen Verteidigung gegeben seien. Des Weiteren würden bei Stundenlöhnen die Ferien- und Feiertage typischerweise direkt in Prozenten entschädigt und monatlich abgegolten, weshalb die Ferienentschädigung zum festen Bestandteil des monatlichen Erwerbseinkommens gehöre. Hinsichtlich der Mehrkosten durch den Besuch des Gymnasiums E.____ ab dem neuen Schuljahr 2011/2012 sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer die erforderlichen Angaben und Belege bereits im massgeblichen Entscheidungszeitpunkt hätte einreichen müssen, was er jedoch unterlassen habe. Sodann entspreche der Zuschlag von bloss 15% des Grundbetrags der langjährigen kantonalen Gerichtspraxis. Der praxisgemässe Zuschlag sei grundsätzlich frei verfügbar und nicht an fixe Ausgaben gebunden, weshalb dieser Betrag beim monatlichen Überschuss von Fr. 74.50 mit zu berücksichtigen sei. Somit verfüge die Mutter des Beschwerdeführers über einen Überschuss von gesamthaft Fr. 457.00 pro Monat.


2.4 Mit Eingabe vom 3. November 2011 führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Mutter seit dem 1. November 2011 arbeitslos sei und die Arbeitslosenentschädigung 80% ihres bisherigen Verdienstes betrage. Damit sei die Mittellosigkeit nachgewiesen.


2.5 Zunächst ist strittig und zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer eine notwendige Verteidigung bestellt werden muss.


2.5.1 Die oder der Jugendliche muss gemäss Art. 24 lit. b JStPO verteidigt werden, wenn sie oder er die eigenen Verfahrensinteressen nicht ausreichend wahren kann und auch die gesetzliche Vertretung dazu nicht in der Lage ist. Unvermögen kann gegeben sein bei fehlenden intellektuellen Fähigkeiten, bei Unkenntnis der hiesigen Gepflogenheiten sowie bei Vorliegen einer Interessenkollision zwischen dem Jugendlichen und seinen gesetzlichen Vertretern. Das Unvermögen ist umso mehr zu bejahen, je komplizierter der zu beurteilende Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung sind (Christoph Hug/Patrizia Schläfli, in: Basler Kommentar StPO/JStPO, 2011, Art. 24 JStPO N 3).


2.5.2 Vorliegend ergibt sich aus den Verfahrensakten, dass sich der Beschwerdeführer zu Beginn der Untersuchungen noch im 15. Altersjahr befunden hat. Überdies ist ersichtlich, dass die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers, mithin seine Mutter, nur über mangelhafte Deutschkenntnisse verfügt. Gerade wenn - wie in casu - ein medizinisches Gutachten durchgeführt wird, ist es wesentlich, dass die beschuldigte Person bzw. seine gesetzliche Vertretung die Expertise versteht, daraus Schlüsse ziehen, allfällige Ergänzungsfragen stellen sowie schliesslich die Glaubwürdigkeit des Gutachtens bzw. der Gutachter aus eigener Erkenntnis beurteilen kann. Dies war dem Beschwerdeführer aufgrund des jugendlichen Alters respektive seiner gesetzlichen Vertretung mangels ausreichender Deutschkenntnisse nicht möglich, weshalb die Verfahrensinteressen nicht genügend gewahrt werden konnten. Alsdann kann auch der Sachverhalt keineswegs als einfach angesehen werden, insbesondere da unter anderem wegen Gefährdung des Lebens ermittelt wurde. Ferner kann dem Vorbringen der Jugendanwaltschaft, erst die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers habe dem Verfahren die Komplexität verliehen, nicht gefolgt werden. Die von der Rechtsvertreterin in der Einsprachebegründung vom 15. April 2011 vorgebrachten Argumente erweisen sich denn auch als durchaus plausibel und nachvollziehbar und keinesfalls als haltlos. Vielmehr muss es einer Verteidigung möglich sein, die vorgebrachten Einwendungen in guten Treuen geltend zu machen, ansonsten eine wirksame Verteidigung illusorisch erscheint. Diesbezüglich ist auf Art. 128 StPO in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 JStPO hinzuweisen, wonach die Verteidigung in den Schranken von Gesetz und Standesregeln allein den Interessen der beschuldigten Person verpflichtet ist. Der Verteidigerin ist daher kein Vorwurf zu machen, zumal sie die Verurteilung wegen einfacher Körperverletzung gemäss Strafbefehl der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft vom 28. Dezember 2010 erfolgreich auf eine solche wegen fahrlässiger Körperverletzung und Tätlichkeiten gemäss Urteil des Jugendgerichts vom 20. September 2011 reduzierte. Nicht gefolgt werden kann dem Argument der Jugendanwaltschaft, der Privatkläger sei ebenfalls nicht anwaltlich vertreten, weshalb eine Waffenungleichheit entstehen würde, wenn dem Beschwerdeführer eine notwendige Verteidigung zugesprochen würde. Der blosse Umstand, dass der Privatkläger keine Rechtsvertretung bestellt hat, kann nicht dazu führen, dass Abstriche bei den Rechten des Beschwerdeführers gemacht werden. Wie die Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005 ausdrücklich festhält, hat die beschuldigte Person auch im Jugendstrafprozess den Anspruch, von einer Verteidigerin oder einem Verteidiger unterstützt zu werden (BBl. 2006 S. 1365). Im Weiteren ist dem Beschwerdeführer durchaus zuzugestehen, das Verfahren auf rein juristische Fragestellungen reduzieren zu dürfen, weshalb ihm insofern kein Vorwurf zu machen ist. Es zeigt sich daher, dass der Beschwerdeführer respektive seine gesetzliche Vertretung nicht in der Lage gewesen sind, die Verfahrensinteressen ausreichend wahrzunehmen, weshalb die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung im Sinne von Art. 24 lit. b JStPO erfüllt sind.


2.6 Im Weiteren bleibt zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer auch Anspruch auf eine amtliche Verteidigung hat.


2.6.1 Die zuständige Behörde ordnet aufgrund von Art. 25 Abs. 1 lit. c JStPO eine amtliche Verteidigung an, wenn bei notwendiger Verteidigung die oder der beschuldigte Jugendliche und die gesetzliche Vertretung nicht über die erforderlichen Mittel verfügen. Als mittellos gilt, wer die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne die Mittel anzugreifen, deren er zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich und seine Familie bedarf. Die Mittellosigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation der oder des beschuldigten Jugendlichen bzw. dessen gesetzlichen Vertretung. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die finanziellen Mittel. Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhalts soll nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, sondern den individuellen Umständen Rechnung getragen werden. So ist Mittellosigkeit nur anzunehmen, wenn das Einkommen nicht höher liegt als das durch einen Zuschlag von 15% des Grundbetrags erweiterte Existenzminimum. Ein allfälliger Überschuss zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen und dem Zwangsbedarf der oder des beschuldigten Jugendlichen bzw. der gesetzlichen Vertretung ist mit den für den konkreten Fall zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen; dabei sollte es der monatliche Überschuss erlauben, die Prozesskosten bei weniger aufwendigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen (BLKGE 2007 S. 7; Niklaus Ruckstuhl, in: Basler Kommentar StPO/JStPO, 2011, Art. 132 StPO N 24).


2.6.2 Im vorliegenden Fall geht die Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft von einem Überschuss der Mutter des Beschwerdeführers von Fr. 74.50 (recte: Fr. 74.15) aus, wobei nicht ersichtlich ist, wie sie auf das angenommene Nettoeinkommen von Fr. 1'699.30 kommt. Aufgrund des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege vom 22. Juni 2011 und der Lohnabrechnung für den Mai 2011 der D.____ GmbH ist vielmehr von einem monatlichen Nettoeinkommen der Mutter des Beschwerdeführers von Fr. 1'568.60 auszugehen (act. 65, 81). Dies führt ausgehend von diesem Einkommen von Fr. 1'568.60, Kinder- und Familienzulagen von Fr. 450.00, Unterhaltsbeiträgen von Fr. 1'030.00 und Prämienbeihilfen für die Krankenkasse von Fr. 390.00 zu einem Gesamteinkommen von Fr. 3'438.60. Dieser Position steht gemäss der Berechnung der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft ein Auslagentotal von Fr. 3'494.80 gegenüber, wobei diese Zahl bei richtiger Addition auf Fr. 3'495.15 zu korrigieren ist. Daraus ergibt sich ein monatliches Manko von Fr. 56.55, weshalb die Mittellosigkeit erstellt ist. Angemerkt sei, dass auch bei dem von der Jugendanwaltschaft berechneten Überschuss von Fr. 74.15 von einer Mittellosigkeit auszugehen wäre. Denn selbst bei einem solchen sehr marginalen Überschuss würde allein die Tilgung der Kosten für das Vorverfahren vor der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft von Fr. 1'410.00 (vgl. Kostenblatt der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft, act. 557, sowie Ziff. 3 des Urteils des Jugendgerichts vom 20. September 2011) rund 19 Monate in Anspruch nehmen. Weil zudem noch die Kosten der Verteidigung hinzukommen würden, könnte nicht von einer Tilgung innert absehbarer Zeit ausgegangen werden. Im Weiteren geht das Vorbringen der Jugendanwaltschaft, der Zuschlag von 15% auf den Grundbetrag sei dem Überschuss hinzuzurechnen, fehl. Eine solche Hinzurechnung hätte zur Folge, dass die Anrechnung des Zuschlags beim Grundbedarf rückgängig gemacht würde. Weil ein solcher Zuschlag, wie in Erw. 2.6.1 gezeigt, zu gewähren ist, ist dies jedoch nicht statthaft. Ferner macht der Beschwerdeführer geltend, es sei ein Zuschlag zum Grundbetrag von 20% zu veranschlagen, statt bloss von 15% wie in der angefochtenen Verfügung. Dem kann nicht gefolgt werden, weil ein Zuschlag von 15% gemäss ständiger kantonsgerichtlicher Praxis als ausreichend zu betrachten ist. Des Weiteren ist - entgegen den Ausführungen der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft - die Vermögenslage des Lebenspartners der Mutter vorliegend nicht von Relevanz, hält Art. 25 Abs. 1 lit. c JStPO doch ausdrücklich fest, dass einzig die finanzielle Situation des beschuldigten Jugendlichen sowie seiner gesetzlichen Vertretung massgebend ist. Es zeigt sich somit, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch seine gesetzliche Vertretung nicht über die erforderlichen Mittel im Sinne von Art. 25 Abs. 1 lit. c JStPO verfügen. Aus diesem Grund und weil ein Fall von notwendiger Verteidigung gegeben ist, sind die Voraussetzungen zur Gewährung der amtlichen Verteidigung in casu erfüllt.


2.7 Aufgrund der obigen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als begründet und ist daher gutzuheissen. Die Verfügung der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft vom 2. September 2011 ist aufzuheben und dem Beschwerdeführer ist für das Verfahren vor der Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft die amtliche Verteidigung mit Advokatin Claudia Weible Imhof zu gewähren.


3. (…)


Beschluss der Dreierkammer des Kantonsgerichts, Abteilung Strafrecht, vom 13. Dezember 2011 (470 11 173/HAD)


Amtliche Verteidigung
- Voraussetzungen


SR 312.1 Schweizerische Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009 (JStPO)
- Art. 24 lit. b Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung
- Art. 25 Abs. 1 lit. c Voraussetzungen der amtlichen Verteidigung



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