1 Strafrecht

Fahrlässige Körperverletzung


Eine Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung setzt eine Sorgfaltspflichtverletzung voraus. Ein Vorgesetzter hat aufgrund seiner leitenden Stellung bei der Erteilung von Weisungen an seine Untergebenen, alles Zumutbare zu tun, damit es zu keiner Verletzung von Leib und Leben kommt. So muss er seinen Untergebenen die notwendigen Instruktionen erteilen und sie beaufsichtigen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, erfahrene Mitarbeiter permanent zu überwachen. Vorliegend beging der Angeklagte bei der Auswechslung eines Arbeiters auf der Baustelle keine Sorgfaltspflichtverletzung (Erw. 5).


Ergreift bloss die Zivilpartei Appellation und ist diese abzuweisen, werden die Kosten des Appellationsverfahrens allein durch die Zivilpartei verursacht. Es rechtfertigt sich daher in diesem Fall, nach der bisherigen basellandschaftlichen Strafprozessordnung die Kosten des Appellationsverfahrens vollumfänglich der Zivilpartei aufzuerlegen und die Zivilpartei zu verpflichten, der angeklagten Person für das Appellationsverfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen (Erw. 7).



Sachverhalt

A. Mit Urteil vom 26. November 2009 sprach der Präsident des Strafgerichts B. (nachfolgend: Angeklagter) von der Anklage der fahrlässigen schweren Körperverletzung frei (Dispositiv-Ziffer 1). Ausserdem verwies er die dem Grundsatz nach geltend gemachte Schadenersatz- und Genungtuungsforderung von A. (nachfolgend: Appellant) auf den Zivilweg (Dispositiv-Ziffer 2).


B. Gegen dieses Urteil erhob der Appellant mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 Appellation.


C. In der Appellationsbegründung vom 26. August 2010 begehrte der Appellant, es sei das angefochtene Urteil aufzuheben; es sei der Angeklagte wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung schuldig zu sprechen; es sei seine Zivilforderung dem Grundsatz nach gutzuheissen und bezüglich der Höhe auf den Zivilweg zu verweisen; es sei ihm eine angemessene Parteientschädigung zulasten des Angeklagten zuzusprechen; es sei ihm die unentgeltliche Prozessführung mit seinem Rechtsvertreter zu bewilligen; unter o/e-Kostenfolge.


D. Mit Appellationsantwort vom 25. Oktober 2010 beantragte der Angeklagte sinngemäss, es sei die Appellation abzuweisen; eventualiter sei die Angelegenheit zur Ergänzung und Vornahme weiterer Abklärungen an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen; subeventualiter sei im Falle einer Gutheissung der Appellation im Strafpunkt die Zivilforderung im Umfang einer Haftungsquote von höchstens 30 % auf den Zivilweg zu verweisen; es sei ihm eine Parteientschädigung zuzusprechen.


E. Mit Verfügung vom 11. November 2010 wurde dem Appellanten die unentgeltliche Prozessführung mit seinem Rechtsvertreter gewährt.


F. Zur heutigen Verhandlung erscheinen die Parteien mit ihren Rechtsvertretern. Der Appellant hält an seinen Rechtsbegehren fest. Der Angeklagte beantragt sinngemäss, es sei die Appellation abzuweisen; eventualiter sei die Angelegenheit zur Ergänzung und Vornahme weiterer Abklärungen an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen; subeventualiter sei im Falle einer Gutheissung der Appellation im Strafpunkt die Zivilforderung vollumfänglich auf den Zivilweg zu verweisen; es seien keine Verfahrenskosten zu erheben und es sei gemäss neuer Strafprozessordnung von Amtes wegen über die Honorarnote zu entscheiden.



Erwägungen

1. ANWENDBARES PROZESSRECHT


Am 1. Januar 2011 trat die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO/CH) in Kraft. Gemäss Art. 453 Abs. 1 StPO/CH werden Rechtsmittel gegen Entscheide, welche vor Inkrafttreten der StPO gefällt wurden, noch nach bisherigem Recht beurteilt. Da das angefochtene Urteil des Präsidenten des Strafgerichts vor dem 1. Januar 2011 erging, kommen somit die Bestimmungen der bisherigen basellandschaftlichen Strafprozessordnung vom 3. Juni 1999 (StPO/BL) zur Anwendung (Hanspeter Uster, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, N. 1 zu Art. 453 StPO).


2 PRÜFUNG DES EINTRETENS


Der Appellant ist als Zivilpartei laut § 177 Abs. 1 lit. c StPO/BL zur Appellation legitimiert, sofern über seine zivilrechtlichen Ansprüche bereits im angefochtenen Urteil materiell entschieden wurde und die Voraussetzungen für die Appellation in Zivilsachen erfüllt sind. Diese Erfordernisse sind vorliegend gegeben. Auf die form- und fristgerecht erhobene Appellation ist daher einzutreten.


3. Rüge der verletzung des Anklagegrundsatzes


3.1.1 Der Appellant rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Frage, ob die ungenügende Abdeckung des Treppenschachts kausal für seinen Unfall gewesen sei, mangels Anklage nicht beurteilt werden könne.


3.1.2 Die Staatsanwaltschaft führte in dem mit Eingabe vom 8. Dezember 2008 als Anklageschrift an das Strafgericht weitergeleiteten Strafbefehl vom 22. Oktober 2008 unter anderem aus, als sich der Appellant auf dem Gerüst befunden habe und das Schalungselement am Kran habe befestigen wollen, habe sich das nicht mehr korrekt befestigte Schalungselement gelöst und sei nach vorne gekippt, wodurch der Appellant zusammen mit dem Schalungselement aus einer Höhe von 3,1 m in die Tiefe gestürzt sei. Der Appellant sei dabei zufolge des ebenfalls in pflichtwidriger Weise nicht korrekt abgedeckten Treppenschachts auf die ca. 1,7 m tiefer liegende Treppe geprallt und schliesslich am Fuss der Treppe verletzt liegen geblieben (act. 357). In ihrer Eingabe vom 8. Dezember 2008 hielt die Staatsanwaltschaft zudem fest, dass das Fehlen der Sicherheitsabdeckung für das Treppenhaus nicht kausal für den Unfall gewesen sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Unfall bei angebrachter Abdeckung des Treppenhauses nicht noch schlimmer geendet hätte (act. 387). Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft die ungenügende Abdeckung des Treppenhausschachts nicht als kausale Unfallursache anklagte. Im Übrigen könnte, selbst wenn vom im Strafbefehl angeklagten Sachverhalt auszugehen wäre, die fehlende Sicherheitsabdeckung des Treppenhausschachts dem Angeklagten nicht vorgeworfen werden. Denn im Strafbefehl wurde zwar festgestellt, dass der Treppenhausschacht in pflichtwidriger Weise ungenügend abgedeckt war, jedoch führte die Staatsanwaltschaft nicht aus, wer dies zu verantworten hat. Sie warf somit dem Angeklagten nicht vor, er habe es unterlassen, für eine zweckgemässe Sicherheitsabdeckung des Treppenhausschachts zu sorgen. Weil die ungenügende Abdeckung des Treppenhausschachts dem Appellanten in der Anklageschrift nicht vorgeworfen wurde, prüfte die Vorinstanz zu Recht nicht, ob diese kausal für den streitbetroffenen Unfall war.


3.2 Das sinngemässe Vorbringen des Appellanten, es hätten Gerüste zur Vermeidung eines Absturzes beim Ausschalen errichtet werden müssen, vermag dem Appellanten nichts zu helfen. Denn da im vorliegenden Fall die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten in der Anklageschrift nicht vorwarf, er habe es unterlassen, entsprechende Gerüste aufstellen zu lassen, kann nicht beurteilt werden, ob der Angeklagte gemäss Art. 18 der Verordnung über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bauarbeiten (BauAV; SR 832.311.141) für die Errichtung solcher hätte sorgen müssen.


4. Tatsächliches


4.1 Bezüglich der Aussagen der im vorliegenden Verfahren befragten Personen kann vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz unter Erw. 1.2 des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Unstrittig ist zudem aus den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz anzunehmen, dass der Angeklagte am Morgen des 8. Septembers 2005 auf der Baustelle der X. AG an der ____strasse 1 in Z. zunächst C. beauftragte, Vorbereitungsarbeiten für das Ausschalen des Liftschachtes vorzunehmen, insbesondere die Bindestangen, ausser denjenigen in der Mitte, Eckschienen und Schalungsschienen zwischen den einzelnen Schalungselementen zu lösen. Nachdem C. die ihm zugewiesenen Arbeiten ausgeführt hatte, zog ihn der Angeklagte von den Schalungsarbeiten ab, wies ihm andere Arbeiten zu und erteilte dem Appellanten den Auftrag, die Schalungselemente zu entfernen. Kurz nachdem der Appellant das Gerüst bestieg, stürzte er zusammen mit dem Schalungselement in die Tiefe, wodurch er sich schwere Verletzungen zuzog. Die unmittelbare Ursache dieses Unfalls ist, dass ein Schalungselement nicht mehr richtig gesichert bzw. angeschraubt war. Ergänzend bleibt festzuhalten, dass die von der Vorinstanz als Bindestangen bezeichneten Elemente gemäss den Angaben der Herstellerin Spannbolzen heissen und für die feste Verbindung von zwei Schalelementen in vertikaler Richtung neben dem Spannbolzen noch eine Sternmutter benötigt wird (act. 158).


4.2 Strittig ist, ob das fragliche Schalelement vor der Übergabe des Arbeitsplatzes von C. an den Appellanten noch genügend gesichert war.


4.2.1 Die Vorinstanz erwog, C. habe ausgeführt, dass er die Eckschienen und die beiden äusseren Schrauben beim Schalungselement entfernt habe. Die beiden inneren Schrauben habe er noch nicht entfernt. Diese hätte er erst gelöst, nachdem das Element am Kran gehangen hätte. Er habe alles soweit vorbereitet, dass man das Schalungselement an den Kran hätte anhängen können und dann nur noch die verbleibenden beiden Schrauben hätte lösen müssen. Das Schalungselement sei nur noch mit diesen beiden Schrauben gesichert gewesen. Der Appellant habe vorgebracht, dass sich das Schalungselement bereits gelöst habe, als er über die Leiter zum Schalungselement hochgestiegen sei. Vor dem Sturz habe er weder Schrauben gelöst noch sonstige Arbeiten ausgeführt, da er das Element zuerst an den Kran habe anhängen wollen. C. sei mit den Arbeitsabläufen des Ausschalens vertraut gewesen und habe einen klaren Auftrag vom Angeklagten erhalten gehabt. Zudem sei vorliegend kein Grund ersichtlich, weshalb C. sämtliche Schrauben lösen sollte, ohne das Element zuvor an den Kran angehängt zu haben. Damit hätte er sich nur unnötigerweise selbst in Gefahr gebracht, was kaum in seinem eigenen Interesse gelegen haben könne. Insofern seien seine Aussagen nachvollziehbar und plausibel. Die Aussagen des Appellanten seien ebenfalls nachvollziehbar. Das Interesse, die Wahrheit oder Unwahrheit zu sagen, sei bei beiden Personen in etwa gleich gross, da beide ein erhebliches (unter anderem finanzielles) Interesse haben dürften, nicht die Schuld an diesem Unfall zu tragen. Demzufolge gehe das Gericht im Zweifel zugunsten des Angeklagten davon aus, dass C. nicht alle vier, sondern nur die zwei äusseren Schrauben entfernt habe. Das Schalungselement sei somit korrekt gesichert gewesen, als der Appellant zu diesem hinaufgestiegen sei.


4.2.2 Der Appellant wendete dagegen ein, die Vorinstanz habe seine Aussagen und jene von C. als gleichermassen nachvollziehbar betrachtet, da das Interesse die Wahrheit oder die Unwahrheit zu sagen, bei beiden etwa gleich gross sei. Die Vorinstanz sei deshalb im Zweifel zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass C. nur die zwei äusseren Schrauben entfernt habe. Diese tatsächliche Feststellung negiere seine glaubhafte Schilderung, dass er von der Seite über die Leiter zu den obersten Schalungselementen hoch gestiegen sei und sich dann sofort, als er um die Ecke habe biegen wollen, das Schalungselement auf der anderen Seite gelöst habe und er zusammen mit diesem Element in die Tiefe gestürzt sei, nicht erklären lasse. Es sei schlichtweg nicht plausibel, dass er gemäss den vorinstanzlichen Erwägungen präzise und klar instruiert gewesen sei, dass er beim fraglichen Schalungselement die letzten beiden Schrauben nicht lösen sollte, ohne dieses zuvor an den Kran anzuhängen. Dies sehe auch die Vorinstanz so. Bezüglich C. führe sie nämlich aus, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb er sämtliche Schrauben lösen sollte, ohne das Schalelement vorher an den Kran anzuhängen, da er sich dadurch selbst gefährdet hätte. Dies müsse selbstverständlich auch für ihn gelten.


4.2.3 Vorab ist festzuhalten, dass die Vorinstanz und der Appellant vorliegend mit "Lösen von Schrauben" offenkundig das Entfernen von Spannbolzen und dazugehörigen Sternmuttern meinen.


Im hier zu beurteilenden Fall gibt es durchaus Gründe, weshalb es der Appellant gewesen sein könnte, der die letzten beiden Spannbolzen und Sternmuttern entfernte: Einerseits könnte er als Routinier gewusst haben, dass die Schalelemente in der Regel auch nach dem Entfernen der letzten Spannbolzen und Sternmuttern kraft der noch vorhandenen Feuchtigkeit weiterhin an der Betonmauer haften. Da der Kran noch nicht verfügbar war, könnte der Appellant darauf vertraut haben, dass das Schalelement trotz des Entfernens der letzten Spannbolzen und Sternmuttern noch solange an der Betonwand haftet, bis der Kran bereit ist. Eine andere Möglichkeit wäre die, dass er die letzten Spannbolzen und Sternmuttern entfernte, weil er irrtümlich annahm, es seien noch mehr Spannbolzen und Sternmuttern angebracht. Auch sein Vorbringen, C. habe geschildert, der Sturz mit Schrei habe sich kurz nach dem Arbeitswechsel ereignet, spricht nicht zwingend dafür, dass er die Spannbolzen und Sternmuttern schon vorher entfernt hatte. Was eine "kurze Zeit" bedeutet, ist nicht klar. Jedenfalls sagte Q. aus, er habe zum Unfallzeitpunkt als Kranführer andere Arbeiter, unter anderem C., bedient (act. 223). Dies bedeutet, dass C. bereits wieder an einem anderen Arbeitsplatz tätig war. Es muss also doch eine gewisse Zeit verstrichen sein, in der auch der Appellant seine Arbeit aufnahm und Zeit gehabt hätte, Spannbolzen und Sternmuttern zu entfernen. Unter Würdigung aller Umstände kann somit nicht festgestellt werden, ob der Appellant oder C. die Wahrheit sagte und wer von ihnen die beiden letzten Spannbolzen und Sternmuttern entfernte. Die Vorinstanz ging deshalb zu Recht davon aus, dass diese Frage offen bleiben und aufgrund des Grundsatzes "in dubio pro reo" von der für den Angeklagten günstigeren Variante ausgegangen werden muss. Es ist deshalb anzunehmen, dass vor der Übergabe des Arbeitsplatzes von C. an den Appellanten das fragliche Schalelement noch durch die beiden in dessen Mittelteil befindlichen Spannbolzen und Sternmuttern gesichert war.


4.3 Uneinig sind sich die Parteien zudem darüber, ob C. den Appellanten vor dem Arbeitswechsel darüber informierte, wie das Schalungselement gesichert war.


4.3.1 Die Vorinstanz erwog, aufgrund der Aussagen von C. und des Angeklagten sei als erstellt zu erachten, dass sich C. mit dem Appellanten unterhalten habe, bevor er zum Schalungselement hochgestiegen sei. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte sei ferner davon auszugehen, dass C. dem Appellanten mitgeteilt habe, dass das Schalungselement nur noch mit zwei Schrauben gesichert sei. Zudem sei davon auszugehen, dass der Appellant gesehen habe, dass C. die Winkelelemente entfernt habe, selbst wenn er von der Seite her zum Schalungselement gelangt sei. Das Fehlen solcher Elemente sei nämlich auch für Laien von blossem Auge erkennbar und umso mehr, wenn man an der Ecke vorbeigehen müsse. Demnach sei die gegenteilige Äusserung des Appellanten als Schutzbehauptung zu qualifizieren. Folglich sei zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass C. den Appellanten anlässlich des Wechsels und vor dem Hochsteigen des Appellanten zum Schalungselement darüber informiert habe, dass das Schalungselement nur noch mit zwei Schrauben gesichert sei und, dass das Element zuerst an den Kran anzuhängen sei; zumindest könne dies nicht ausgeschlossen werden.


4.3.2 Der Appellant führte dagegen aus, dass C. kurz nach dem Arbeitswechsel einen Schrei gehört und gesehen habe, wie der Appellant in den Treppenhausschacht gestürzt sei. Das würde bedeuten, dass in dieser kurzen Zeit der Appellant hochgestiegen wäre, die beiden Schrauben gelöst hätte, ohne den Kran zu bemühen. Dies obwohl er Sekunden zuvor präzise instruiert worden sei, dass nur noch zwei Schrauben das Schalelement sichern würden und er deshalb vor dem Lösen dieser Schrauben das Schalelement an den Kran hängen müsse. Ein solcher Ablauf der Geschehnisse sei abwegig und zeige auf, dass die Vorinstanz insgesamt zu Unrecht auf die Aussagen von C. abgestellt habe.


4.3.3 Wie bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass zwischen dem Arbeitswechsel und dem Sturz des Appellanten eine gewisse Zeit verging. Zudem erscheint es möglich, dass der Appellant die beiden fraglichen Spannbolzen und Sternmuttern löste, bevor er das fragliche Schalelement an den Kran hängte, weil er darauf vertraute, dass dieses aufgrund der Feuchtigkeit noch an der Betonwand haftet oder dachte, es seien noch weitere Spannbolzen und Sternmuttern vorhanden. Entgegen seinen Behauptungen kann somit nicht zweifelsfrei angenommen werden, dass er die Spannbolzen und Sternmuttern auf keinen Fall vor dem Anhängen der Schalelemente an den Kran entfernte. Die entsprechenden Einwendungen des Appellanten erweisen sich daher als unbegründet. Vorliegend erscheinen vielmehr die dargestellten Ausführungen der Vorinstanz als überzeugend, weshalb sich das erkennende Gericht diesen vollumfänglich anschliesst. Es ist somit anzunehmen, dass C. den Appellanten vor dem Arbeitswechsel darüber ins Bild setzte, dass das Schalungselement bloss noch durch zwei Spannbolzen und Sternmuttern gesichert war.


5. rechtliches


5.1 Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, er sei als Polier für die Sicherheit der Arbeiter zuständig gewesen. Indem er die heikle und nicht ungefährliche Aufgabe des Ausschalens auf zwei verschiedene Arbeiter verteilt habe, habe er das Gefahrenpotenzial auf der Baustelle pflichtwidrig erhöht. Er habe sich bereits pflichtwidrig verhalten, als er den gemäss seiner eigenen Auffassung für die Ausschalung noch nicht genügend qualifizierten C. für die heiklen und folgenschweren Vorbereitungshandlungen zur Ausschalung eingesetzt und deren Ausführung nicht überwacht habe. Da er der Meinung gewesen sei, dass C. für die Ausschalungsarbeiten nicht genügend qualifiziert sei, hätte er besonders darauf achten müssen, wie dieser die Vorbereitungshandlungen verrichtet habe, bevor er den nächsten Arbeiter zur Weiterführung der Arbeit an die Schalungselemente geschickt habe. Er habe den Wechsel nicht koordiniert und nicht sichergestellt, dass die sich ablösenden beiden Arbeiter untereinander über bereits erledigte Arbeiten absprächen. Diese Arbeitsaufteilung der Ausschalungsarbeiten und der unvorsichtig durchgeführte Wechsel hätten zum Sturz des Appellanten geführt. Demzufolge ist vorliegend zu prüfen, ob der Angeklagte durch diesen von ihm angeordneten Arbeitswechsel seine Sorgfaltspflichten verletzte.


5.2.1 Den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB erfüllt, wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt. Fahrlässig begeht der Täter ein Verbrechen oder Vergehen, wenn er die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB). Eine Sorgfaltspflichtverletzung ist nur anzunehmen, wenn der Täter eine Gefährdung der Rechtsgüter von Dritten hätte voraussehen können und müssen. Für die Beantwortung dieser Frage gilt der Massstab der Adäquanz. Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften. Fehlen solche, kann auf Regeln privater oder halbprivater Vereinigungen oder auf allgemeine Rechtsgrundsätze, wie etwa den allgemeinen Gefahrensatz, abgestellt werden (BGer. 6B_1016/2009 vom 11. Februar 2010, Erw. 2.2).


5.2.2 Die Straftat der fahrlässigen Körperverletzung kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden. Ein sog. unechtes Unterlassungsdelikt ist gegeben, wenn im Gesetz wenigstens die Herbeiführung des Erfolgs durch Tun ausdrücklich mit Strafe bedroht wird, die beschuldigte Person durch ihr Tun den Erfolg tatsächlich hätte abwenden können und infolge ihrer Garantenstellung dazu auch verpflichtet war, so dass die Unterlassung der Erfolgsherbeiführung durch aktives Tun gleichwertig erscheint (Art. 11 StGB). Für die Annahme einer Garantenstellung genügt nicht jede, sondern nur eine qualifizierte Rechtspflicht. Rechtsprechung und Lehre unterscheiden zwischen Obhutspflichten, d.h. Garantenstellungen zum Schutz eines bestimmten Rechtsgutes gegen alle ihm drohenden Gefahren, und Überwachungspflichten, d.h. Garantenstellungen zur Überwachung bestimmter Gefahrenquellen zum Schutze unbestimmt vieler Rechtsgüter (BGE 129 IV 119 nicht publ. Erw. 3; 113 IV 68 Erw. 5b). Eine Garantenstellung kann sich aus Gesetz, Vertrag, einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft oder aus der Schaffung einer Gefahr ergeben (Art. 11 Abs. 2 lit. a - d StGB; BGer. 6B_1016/2009 vom 11. Februar 2010, Erw. 2.3).


5.2.3 Verlangt wird sodann, dass der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs auch vermeidbar war. Dies ist der Fall, wenn der Erfolg bei pflichtgemässem Verhalten des Täters mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw. mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre (sog. hypothetischer Kausalzusammenhang). Am erforderlichen rechtserheblichen Kausalzusammenhang fehlt es hingegen, wenn die Folge so weit ausserhalb der normalen Lebenserfahrung liegt, dass sie nicht zu erwarten war, bzw. wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden eines Dritten oder Material- oder Konstruktionsfehler, hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache alle anderen mitverursachenden Faktoren in den Hintergrund drängen (BGer. 6B_1016/2009 vom 11. Februar 2010, Erw. 2.4).


5.2.4 Für die auf dem Bau zu beachtenden Sicherheitsvorschriften sind insbesondere die BauAV heranzuziehen. Ferner findet die Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV; SR 832.30), auf welche Art. 1 Abs. 2 BauAV verweist, Anwendung. Gemäss Art. 3 Abs. 1 VUV hat der Arbeitgeber zur Wahrung der Arbeitssicherheit alle Anordnungen und Schutzmassnahmen zu treffen, die den Vorschriften dieser Verordnung sowie den anerkannten sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Regeln entsprechen (BGer. 6B_861/2008 vom 22. Juni 2009, Erw. 3.3).


5.2.5 Der Angeklagte war nicht direkter Arbeitergeber des Appellanten und es bestand daher keine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen ihm und dem verunfallten Appellanten, welche eine Garantenstellung begründen könnte. Die VUV verbietet dem Arbeitgeber allerdings nicht, die mit seiner Verantwortung für die Arbeitssicherheit verbundenen Aufgaben an einen Arbeitnehmer zu delegieren. Werden Kompetenzen an Mitarbeiter delegiert, kommt ihnen innerhalb des delegierten Kompetenzbereichs eine Garantenstellung im Rahmen ihres Aufgabenbereichs zu (Urteil des Kantonsgerichts, Abt. Zivil- und Strafrecht, vom 8. Februar 2005 [100 04 720], Erw. 5c). Der Polier ist für die Sicherheit und den richtigen Einsatz der ihm zugeteilten Bauarbeiter verantwortlich (Equipe von ca. 15 bis 20 Leuten). Er muss die entsprechenden Unfallverhütungsvorschriften kennen und hat die ihm übergegebenen Pläne genau zu beachten. Jeder Polier haftet selbständig für seine Equipe (Bruno Roelli/Petra Fleischanderl, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Auflage, Basel 2007, N. 29 zu Art. 229). Der Vorarbeiter ist oft ein bewährter Facharbeiter, dessen Stellung sich nicht sehr stark von der seiner Untergebenen unterscheidet und an welchen nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden können wie an den Polier. Er hat jedoch eine leitende Funktion auf dem Arbeitsplatz. Als verantwortlicher Fachmann muss er für die Einhaltung der Pläne und Anordnungen des Arbeitgebers sorgen, sich um die erforderlichen Sicherheitsvorkehren kümmern und seinen Vorgesetzen auf allfällige Mängel aufmerksam machen (BGer. 6B_1016/2009 vom 11. Februar 2010, Erw. 5.2.3). Der Angeklagte war nach eigenen Angaben Vorarbeiter und seine Gruppe umfasste sechs Person (act. 47). Von C. und E. wurde der Angeklagte als Polier bezeichnet (act. 235, 213). Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob der Angeklagte als Vorarbeiter oder als Polier anzusehen ist. Denn aufgrund seiner leitenden Stellung hatte er auf jeden Fall, wenn er direkt Weisungen an seine Untergebenen erteilte, alles Zumutbare zu tun, damit es zu keiner Verletzung von Leib und Leben kommt. So musste er seinen Untergebenen die notwendigen Instruktionen erteilen und sie beaufsichtigen. Er war jedoch nicht verpflichtet, erfahrene Mitarbeiter permanent zu überwachen (vgl. BGer. 6B_1016/2009 vom 11. Februar 2010, Erw. 5.2.3; BGE 117 IV 130, Erw. 2d S. 135).


5.3 E. führte aus, dass der Appellant sich sehr gut mit Schalungsarbeiten auskenne und solche bei den fünf vorhergehenden Stockwerken verrichtet habe (act. 215). Q. sagte, dass der Appellant mit den Schalungsarbeiten sehr gut vertraut gewesen sei, da er von Baubeginn auf der fraglichen Baustelle gewesen sei (act. 225.). C. gab zu Protokoll, dass er und der Appellant schon einige Male Schalungsarbeiten und zwar nicht nur auf der streitbetroffenen, sondern auch auf anderen Baustellen ausgeführt hätten. Der Appellant kenne sich dabei gut aus (act. 231). F. führte aus, dass der Appellant in Schalungsarbeiten sehr erfahren sei (act. 59 ff., 268.51 ff.). O. sagte, dass der Appellant von Baubeginn an auf der streitbetroffenen Baustelle gewesen und auch schon einige Male Ausschalungsarbeiten ausgeführt habe (act. 268.61 ff.). Der Appellant brachte vor, dass er seit dem Jahr 1999 Schalungsarbeiten verrichte (act. 255). Aufgrund all dessen ist davon auszugehen, dass der Appellant für die Ausführung von Schalungsarbeiten qualifiziert war. Es ist daher anzunehmen, dass er im Moment, als er die fraglichen Ausschalungsarbeiten von C. übernahm, mit einem kurzen Blick erkennen konnte, welche der deutlich sichtbaren Spannbolzen und Sternmuttern C. an den Schalelementen schon entfernt hatte. Der Angeklagte hatte in keiner Weise mehr Fähigkeiten als der Appellant für die Prüfung, welche Arbeiten von C. bereits gemacht wurden. Der Angeklagte konnte es daher ohne Weiteres dem Appellanten überlassen, selbst zu sehen, was schon gemacht war und was noch nicht. Das Einzige, was sichergestellt werden musste, war, dass der Appellant wusste, dass C. mit der Demontage schon begonnen hatte. Der Appellant hatte im vorliegenden Fall unbestritten Kenntnis davon, dass C. mit der Demontage schon angefangen hatte. Dass der Angeklagte sich nicht höchstpersönlich vergewisserte, was C. schon gemacht hatte, stellt somit keine sorgfaltswidrige Unterlassung dar. Dies zumal er darauf vertrauen konnte, dass C. aufgrund seiner adäquaten Berufserfahrung die Ausschalungsarbeiten fachgerecht ausführt und seinen Arbeitsplatz in einem sicheren Zustand dem Appellanten übergibt. Denn mit der Vorinstanz ist zugunsten des Angeklagten davon ausgehen, dass C. aufgrund seiner während bereits vier Monaten auf der fraglichen Baustelle verrichteten Arbeitstätigkeit für das Ausschalen hinreichend qualifiziert und erfahren war. Der Behauptung des Appellanten, der Angeklagte habe C. von den Schalungsarbeiten abgezogen, weil er mit dieser Arbeit nicht gut "draus" gekommen sei, kann nicht gefolgt werden. So führte der Angeklagte an der vorinstanzlichen Hauptverhandlung aus, dass C. oft Schalungsarbeiten ausführte und die entsprechenden Arbeitsabläufe kenne (act. 461). Demzufolge ist davon auszugehen, dass der Angeklagte C. als für die Ausschalungsarbeiten qualifiziert hielt. Dass C. für die Ausschalungsarbeiten qualifiziert war, folgt im Übrigen aus den Ausführungen von E. Dieser sagte aus, dass der Angeklagte C., R. und den Appellanten mit Ausschalungsarbeiten beauftragt habe. Wenn er nicht an den Vorbereitungsarbeiten für eine andere Etappe gewesen wäre, hätte er auch beim Ausschalen geholfen. Ihre Gruppe - somit auch C. - sei ein eingespieltes Team, in dem jeder alles mache. Jeder wisse was er zu tun habe und die Arbeiten seien Routine (act. 217). Mit der Vorinstanz ist aus den von ihr angeführten Gründen darüber einzustimmen, dass der Angeklagte den Gehilfen C. von Schalungsarbeiten abzog, um den Appellanten - seinen "Schalungsspezialisten" - nicht durch Gehilfenarbeiten zu verärgern. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der Angeklagte durch den von ihm angeordneten Arbeitswechsel bei den erwähnten Ausschalungsarbeiten keine Sorgfaltspflichten verletzte.


5.4 Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Angeklagte beim genannten Arbeitswechsel zunächst hätte überprüfen müssen, ob das fragliche Schalungselement noch durch zwei Spannbolzen und Sternmuttern gesichert war, vermöchte dies dem Appellanten nichts zu helfen. Denn weil das betreffende Schalungselement im Zeitpunkt des Arbeitswechsels noch durch zwei Spannbolzen und Sternmuttern und damit genügend gesichert war, hätte der Angeklagte den fraglichen Unfall selbst durch eine Prüfung, ob das streitbetroffene Schalelement noch genügend gesichert war, nicht verhindert werden können.




5.5 Nicht streitentscheidend für die Beurteilung der Frage der Verletzung einer Sorgfaltspflicht durch den Angeklagten ist, ob C. den Angeklagten vor der Arbeitsübergabe über die das fragliche Schalelement noch sichernden Spannbolzen und Sternmuttern informierte. Denn der Angeklagte konnte darauf vertrauen, dass sich der berufserfahrene Appellant selber über den Stand der Sicherung des dieses Schalelements orientiert. Sollte der Appellant keine entsprechende Sichtkontrolle vorgenommen oder einen entsprechenden Informationsaustausch mit C. unterlassen haben, könnte dies dem Angeklagten deshalb nicht als Sorgfaltspflichtverletzung angelastet werden.


6. Ergebnis


Aufgrund der vorstehenden Ausführungen steht fest, dass dem Angeklagten bei der Anordnung des fraglichen Arbeitswechsels keine Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Demzufolge sprach die Vorinstanz den Angeklagten zu Recht vom Vorwurf der schweren fahrlässigen Körperverletzung frei. Die Appellation erweist sich somit als unbegründet und ist deshalb abzuweisen.


7. Kosten


7.1 Gemäss § 192 Abs. 3 StPO/BL sind bei Milderung des erstinstanzlichen Urteils der angeklagten Person die Kosten des Appellationsverfahrens mindestens teilweise zu erlassen. Das Gleiche gilt, wenn nur die Staatsanwaltschaft zuungunsten der angeklagten Person appelliert hat und das Urteil bestätigt und gemildert wird. Bei einer Abweisung der Appellation der angeklagten Person oder Gutheissung der von der Staatsanwaltschaft zuungunsten der angeklagten Person erhobenen Appellation sind die Kosten des Appellationsverfahrens aufgrund von § 192 Abs. 3 StPO/BL e contrario der angeklagten Person aufzuerlegen.


Weil der Gesetzgeber die vorgenannten Kostenverteilungsregeln spezifisch für das Appellationsverfahren aufstellte, ist davon auszugehen, dass § 31 StPO/BL für das Appellationsverfahren nicht zur Anwendung kommt und sich die Kostenverteilung im zweitinstanzlichen Verfahren nach der lex specialis von § 192 Abs. 3 StPO/BL richtet. Die Anwendung von § 31 Abs. 2 StPO/BL bei einem einzig durch eine Zivilpartei verursachten Appellationsverfahren ist zudem nicht angebracht, weil gemäss dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung der Staat die Verfahrenskosten bloss bei einem Freispruch, einer Verfahrenseinstellung oder Nichtfolgegebung eines von ihm aufgrund seiner Strafverfolgungspflicht veranlassten Strafverfahrens tragen soll; jedoch nicht wenn ein Appellationsverfahren ausschliesslich von einer Zivilpartei bewirkt wurde.


Die StPO/BL enthält offenkundig keine Regelung für die Kostenverteilung, wenn bloss die Zivilpartei appellierte und die Appellation abzuweisen ist. Die StPO/BL ist somit insoweit lückenhaft. Die fragliche Lücke hat das Gericht nach jener Regel zu schliessen, die es als Gesetzgeber aufstellen würde (BGE 125 V 8, Erw. 4c S. 14). Ergreift bloss die Zivilpartei Appellation und ist diese abzuweisen, wurden die Kosten des Appellationsverfahrens allein durch die Zivilpartei verursacht. Es rechtfertigt sich daher in diesem Fall, die Kosten vollumfänglich der Zivilpartei aufzuerlegen. Da im vorliegenden Fall einzig der Appellant als Zivilpartei Appellation erhob und seine Appellation abzuweisen ist, sind ihm die ordentlichen des kantonsgerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen. Aufgrund des Umfangs und der Schwierigkeit des vorliegenden Falls sind dem Appellanten eine Urteilsgebühr von Fr. 6'500.? und Auslagen von pauschal Fr. 125.? zu berbinden. Weil dem Appellanten mit Verfügung vom 11. November 2010 die unentgeltliche Prozessführung bewilligt wurde, sind diese Kosten auf die Gerichtskasse zu nehmen und ist ihm der bereits geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.? zurckzuerstatten. Die Dolmetscherkosten sind laut § 30 Abs. 1 Satz 2 StPO/BL auf die Gerichtskasse zu nehmen.


7.2 Laut § 192 Abs. 4 StPO/BL können die Anwaltskosten des zweitinstanzlichen Verfahrens analog vergütet werden. Diese Bestimmung bezieht sich offenkundig auf § 192 Abs. 3 StPO/BL. Aus § 192 Abs. 3 i.V.m. 4 StPO/BL ergibt sich, dass bei einer Milderung des vorinstanzlichen Urteils auf Appellation der angeklagten Person hin und Bestätigung oder Milderung des vorinstanzlichen Urteils aufgrund einer von der Staatsanwaltschaft zuungunsten der angeklagten Person ergriffenen Appellation die Anwaltskosten der angeklagten Person aus der Gerichtskasse vergütet werden können. Bei einer Milderung des angefochtenen Urteils wurde die Appellation durch einen Fehler der Vorinstanz veranlasst. Wird das Urteil der Vorinstanz aufgrund einer Appellation der Staatsanwaltschaft bestätigt, wurden die Kosten des Appellationsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft verursacht. In diesen beiden Fällen ist das Appellationsverfahren stets durch eine staatliche Behörde veranlasst und deshalb erscheint es als sachgerecht, dass der Gesetzgeber diesfalls die Bezahlung einer Parteientschädigung an die angeklagte Person aus der Gerichtskasse statuierte.


Weil der Gesetzgeber mit § 192 Abs. 3 i.V.m. 4 StPO/BL eine eigenständige Regelung für die Zusprechung einer Parteientschädigung im Appellationsverfahren aufstellte, ist davon auszugehen, dass § 33 Abs. 1 StPO/BL für das Appellationsverfahren nicht zur Anwendung kommt und sich die Zusprechung einer Parteientschädigung im zweitinstanzlichen Verfahren nach der lex specialis von § 192 Abs. 3 i.V.m. 4 StPO/BL richtet. Zudem ist zu beachten, dass § 33 Abs. 1 StPO/BL für die Zusprechung einer Parteientschädigung im zweitinstanzlichen Verfahren bei einem einzig durch eine Zivilpartei verursachten Appellationsverfahren nicht angebracht ist, weil gemäss dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung der Staat lediglich bei einem Freispruch, einer Verfahrenseinstellung oder Nichtfolgegebung eines von ihm aufgrund der Strafverfolgungspflicht veranlassten Strafverfahren eine Parteientschädigung bezahlen soll; jedoch nicht wenn ein Appellationsverfahren ausschliesslich von einer Zivilpartei bewirkt wurde.


Die StPO/BL enthält offenkundig keine Regelung für die Ausrichtung einer Parteientschädigung, wenn bloss die Zivilpartei appellierte und die Appellation abzuweisen ist. Die StPO/BL ist somit insoweit lückenhaft. Die fragliche Lücke hat das Gericht nach jener Regel zu schliessen, die es als Gesetzgeber aufstellen würde (BGE 125 V 8, Erw. 4c S. 14). Ergreift bloss die Zivilpartei Appellation und ist diese abzuweisen, wurde das Appellationsverfahren allein durch die Zivilpartei verursacht. Es rechtfertigt sich daher in diesem Fall die Zivilpartei zu verpflichten, der angeklagten Person für das zweitinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen. Da im vorliegenden Fall einzig der Appellant als Zivilpartei Appellation erhob und seine Appellation abzuweisen ist, hat der Appellant, dem Angeklagten für das kantonsgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen. Diese ist vorliegend aufgrund des Umfangs und der Schwierigkeit des Appellationsverfahrens auf Fr. 4'500.? festzusetzen.


7.3 Weil dem Appellanten mit Verfgung vom 11. November 2010 die unentgeltliche Prozessführung bewilligt wurde, ist dem Vertreter des Appellanten, Dr. R., Advokat, für seine Bemühungen im kantonsgerichtlichen Verfahren eine Parteientschädigung aus der Gerichtskasse auszurichten. Der von Dr. R. in seiner Honorarnote vom 31. Mai 2011 geltend gemachte Aufwand von Fr. 3'577.10 erscheint angesichts des Umfangs und der Schwierigkeit des Appellationsverfahrens als angemessen, weshalb ihm das beantragte Honorar aus der Gerichtskasse zu entrichten ist.


7.4 Aufgrund von § 33 Abs. 1 StPO/BL sind dem Vertreter des Angeklagten, Dr. Y., Advokat, nach Rechtskraft dieses Urteils entsprechend dem Umfang und der Schwierigkeit des strafgerichtlichen Verfahrens für seine Bemühungen in diesem Prozess ein Zeitaufwand von 24 Stunden zu Fr. 250.?, Auslagen von Fr. 158.? und die Mehrwertsteuer von Fr. 468.?, d.h. total Fr. 6'626.? aus der Gerichtskasse auszurichten.


KGE S vom 31. Mai 2011 (100 10 694/STS)



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