02-101: Mietkostenabzug: Verhältnis zum Eigenmietwert

Das Steuergericht stellt fest, dass die gegenwärtige Besteuerung von MieterInnen und WohneigentümerInnen nach dem basellandschaftliche Steuergesetz gegen das in Art. 8 BV statuierte Gleichbehandlungsgebot verstösst und insofern verfassungswidrig ist. Eine richterliche Normenkorrektur lehnt es jedoch ab, da dem Gesetzgeber nicht vorgegriffen werden kann und eine Regelung von derartiger Tragweite dem formellen Gesetzgebungsverfahren vorzubehalten ist; insoweit hat die Einzelfallgerechtigkeit vor dem fundamentalen Prinzip der Gewaltentrennung zurückzustehen.


(Mit Urteil vom 17. September 2003 wies das Kantonsgericht des Kantons Basel-Landschaft eine dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde (eventuell Verwaltungsgerichtsbeschwerde). Diese Rechtsmitteleingabe nahm das Bundesgericht als Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegen und wies sie mit Urteil vom 1. Juli 2005 [2P.319/2003] [publiziert auf: www.bger.ch ] ab.)



Sachverhalt:

A. In der definitiven Veranlagung der Staatssteuer 2001, Rechnung Nr. S 01/11, vom 19. März 2002, wurde der von den Steuerpflichtigen in der Steuererklärung geltend gemachte Mietkostenabzug von insgesamt Fr. 5'000.-- auf Fr. 2'000.-- herabgesetzt. Dagegen erhoben die Pflichtigen mit Schreiben vom 19. März 2002 Einsprache mit dem Begehren, es sei ihnen ein Mietkostenabzug in der Höhe von Fr. 2'500.-- pro im Haushalt lebende Person zu gewähren. Zur Begründung machten die Einsprecher insbesondere geltend, das in Art. 8 BV festgelegte Gebot der Rechtsgleichheit sei verletzt, da mit der Herabsetzung des geltend gemachten Mietkostenabzuges auf Fr. 1'000.-- pro Person die durch die deutlich zu niedrigen Eigenmietwerte hervorgerufene Ungleichbehandlung von MieterInnen und WohneigentümerInnen nicht ausgeglichen würde.


B. Die Steuerverwaltung hat die Einsprache mit Entscheid vom 5. Juli 2002 mit der Begründung abgewiesen, der geltend gemachte Mietkostenabzug sei zu Recht auf den im Steuergesetz vorgesehenen Betrag von Fr. 1'000.-- pro Kopf herabgesetzt worden. Der Abzug diene als Ausgleich für die unter 60 % des effektiven Marktwertes gelegenen Eigenmietwerte und sei vom Bundesgericht als verfassungsmässig beurteilt worden.


C. Mit Eingabe vom 5. August bzw. 12. September 2002 erhob die Vertreterin der Pflichtigen gegen den Einsprache-Entscheid Rekurs mit dem Begehren, es sei ein Mietkostenabzug von Fr. 2'500.-- pro im Haushalt lebende Person, d.h. von insgesamt Fr. 5'000.-- zu gewähren. Zur Begründung wurde vor allem geltend gemacht, die Gewährung eines Mietkostenabzuges in der gesetzlich vorgesehenen Höhe von lediglich Fr. 1'000.-- pro Person verletze das Rechtsgleichheitsgebot in Art. 8 BV, da MieterInnen gegenüber WohneigentümerInnen aufgrund der unter dem Marktwert liegenden Eigenmietwerte steuerlich benachteiligt würden. Steuerpflichtige in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen seien jedoch gleich zu besteuern. Das Bundesgericht habe wohl festgestellt, dass es nicht gegen Art. 8 BV verstosse, den steuerbaren Eigenmietwert gegenüber dem marktüblichen Mietzins herabzusetzen und in diesem Sinne EigentümerInnen und MieterInnen zahlenmässig nicht gleich zu behandeln, soweit die pauschale Herabsetzung des Eigenmietwertes mässig bleibe. Dabei würde für die Bemessung der Eigenmietwerte 60 % des effektiven Marktwertes in jedem Fall die untere Grenze dessen bilden, was mit Art. 4 aBV noch vereinbar sei. In diesem Sinne sei der Ausgleich eines zu tiefen Eigenmietwertes durch Gewährung eines Mietkostenabzuges auf Seiten der Mieterschaft als zulässig beurteilt worden.


Eine Erhebung der Eidgenössischen Steuerverwaltung zeige jedoch, dass die per 1998 im Kanton Basel-Landschaft geltenden Eigenmietwerte lediglich noch 34,8 % der effektiven Marktmieten betragen. Der auf der anderen Seite gewährte Mietkostenabzug von Fr. 1'000.-- reiche nicht aus, um den Einschlag gegenüber den vom Bundesgericht verlangten Wert von 60 % wettzumachen. Es liege damit ein offensichtlich rechtswidriger Zustand vor. Dies könne auch dem Vernehmlassungsentwurf des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft zur Änderung des Steuer- und Finanzgesetzes als Gegenvorschlag zur Volksinitiative "Gerechte Steuern für Mieterinnen und Mieter" entnommen werden, in welchem eine Erhöhung des Mietkostenabzuges auf Fr. 1'500.-- vorgeschlagen worden sei. Da dieser Vorschlag keine Mehrheit gefunden habe, habe der Regierungsrat in einem weiteren Vernehmlassungsentwurf eine Erhöhung des Mietkostenabzuges auf Fr. 1'250.-- pro Person und die gleichzeitige Erhöhung der Eigenmietwerte um 12 % vorgeschlagen. Auch in dieser Vorlage gestehe der Regierungsrat ein, dass ein dringlicher Handlungs- und Anpassungsbedarf bestehe.


Im vorliegenden Verfahren könne aufgezeigt werden, dass auch im konkreten individuellen Fall eine Ungleichbehandlung vorliege. Die Rekurrenten seien Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit vier Mietobjekten. Eine Wohnung werde durch den Eigentümer bewohnt. Die Wohnungen seien aber nicht im Stockwerkeigentum ausgeschieden, so dass kein konkreter Eigenmietwert bestehen würde. Würde von einem Mietzins von Fr. 20'000.-- pro Jahr ausgegangen, seien dies die Kosten, welche den Mietern effektiv entstehen. Die Eigentümer hätten sich lediglich einen Eigenmietwert von Fr. 8'200.-- (41 %) anzurechnen. Die Differenz von Fr. 11'800.-- werde mit der Gewährung eines Abzuges von Fr. 1'000.-- pro Person und Jahr offensichtlich nicht ausgeglichen. Weder im konkreten Fall, in dem das Mietobjekt durch die beiden Rekurrenten gemietet würde, noch bei einer allgemeinen Rechnung, bei der von einem 2,5 Personen Haushalt auszugehen sei.


Fraglich sei indessen, in welcher Höhe ein Ausgleich zugunsten der MieterInnen vorzunehmen sei. Der Regierungsrat gehe bei seiner Berechnung davon aus, dass die rund 41'000 WohneigentümerInnen über einen steuerlichen Vorteil von insgesamt Fr. 253 Mio. verfügen würden. Auf alle MieterInnen verteilt, würde daraus ein Mietkostenabzug von Fr. 1'497.-- resultieren. Laut Statistischem Amt des Kantons Basel-Landschaft würden 37 % der Bevölkerung im Eigenheim und 62 % zur Miete wohnen. Demnach würde eine weitaus kleinere Gruppe von WohneigentümerInnen einer wesentlich grösseren Gruppe von MieterInnen gegenübergestellt. Es müsse jedoch eine steuerliche Gleichbehandlung zwischen der einzelnen Wohneigentümerin bzw. dem einzelnen Wohneigentümer und der einzelnen Mieterin bzw. dem einzelnen Mieter angestrebt werden. Der steuerliche Vorteil betrage pro WohneigentümerIn rund Fr. 6'200.-- (Fr. 253 Mio. : 41'000), welcher korrekterweise durch einen Mietkostenabzug in derselben Höhe auszugleichen sei. Von einer durchschnittlichen Haushaltsgrösse von 2.5 Personen ausgehend, würde sich somit ein Mietkostenabzug von Fr. 2'480.-- ergeben (Fr. 6'200.-- : 2,5). Bei der vorgeschlagenen Erhöhung der Eigenmietwerte um 12 % würde sich mit der gleichen Berechnungsweise ein Mietkostenabzug von Fr. 2'054.-- pro Person ergeben. Der vorgeschlagene Abzug von Fr. 1'250.-- sei also ebenfalls ungenügend. Im Übrigen würde auch mit einem Mietkostenabzug von Fr. 2'500.-- pro Person nicht eine tatsächliche Gleichbehandlung zwischen EigentümerInnen und MieterInnen, sondern nur das gerade noch verfassungsrechtlich zulässige Mass von 60 % erreicht.


Dem kantonalen Gesetzgeber könne für die Behebung dieses seit längerem bekannten verfassungswidrigen Zustandes nicht unbeschränkt Zeit gelassen werden. Da in nächster Zeit weder bei Annahme noch bei Ablehnung der Gesetzesvorlage an der Volksabstimmung vom 24. November 2002 mit einer verfassungskonformen Lösung zu rechnen sei, sei das Gericht daher im Rahmen der akzessorischen Normenkontrolle gehalten, der verfassungswidrigen Regelung die Anwendung zu versagen und diese durch eine verfassungskonforme Regelung zu ersetzen.


D. Mit Vernehmlassung vom 16. Oktober 2002 beantragte die Steuerverwaltung die Abweisung des Rekurses mit der Begründung, der Regierungsrat bzw. der Gesetzgeber habe sich der Sache im vorliegende Fall sofort angenommen, um den verfassungsmässigen Zustand wiederherzustellen, das Eingreifen des Gerichts im vorliegenden Fall se daher nicht geboten. Die Berechnungsweise der Höhe des Mietkostenabzuges der Pflichtigen stimme nicht mit jener des Gesetzgebers überein. Bei der Berechnung des Gesetzgebers werde der gesamte steuerliche Vorteil (Volumen) der EigentümerInnen auf die einzelnen MieterInnen verteilt. Da die Zahl der MieterInnen aber höher sei als jene der EigentümerInnen, sei der Steuervorteil jeder einzelnen Mieterin bzw. jedes einzelnen Mieters schlussendlich kleiner als jener der einzelnen Eigentümerin bzw. des einzelnen Eigentümers. Die Pflichtigen gingen hingegen von einem Vorteilsvolumen aus, das es in dieser Höhe gar nicht gebe. Der steuerliche Vorteil jeder einzelnen Eigentümerin bzw. jedes einzelnen Eigentümers werde auf jede einzelne Mieterin bzw. jeden einzelnen Mieter umgerechnet. So würde zwar jede Mieterin bzw. jeder Mieter die gleiche Summe erhalten wie jede Eigentümerin bzw. jeder Eigentümer, das Gesamtvolumen wäre jedoch ungleich grösser als jenes der EigentümerInnen. Es müssten nicht nur die vorhandenen Mittel verteilt, sondern zusätzliche aufgeboten werden, die nicht vorhanden seien. Die Berechnungsweise des Gesetzgebers könne nicht als falsch bezeichnet werden, sie führe vielmehr zu einem korrekten Ergebnis.


E. An der heutigen Verhandlung hielten die Parteien an ihren Anträgen fest.




Aus den Erwägungen:


2. Der Beurteilung im vorliegenden Fall unterliegt die Frage, ob den Rekurrenten ein Mietkostenabzug von Fr. 2'500.-- pro im Haushalt lebende Person zu gewähren sei.


3. Gemäss § 33 lit. d StG in der für den vorliegenden Fall massgebenden Fassung vom 18. Mai 2000 (in Kraft seit 1. Januar 2001 [GS 33.1335]), werden für die Steuerrechnung vom Reineinkommen ein Mietkostenabzug von "je Fr. 1'000.-- für den Mieter und Pächter einer dauernd selbstbewohnten Liegenschaft, den mitsteuerpflichtigen Ehegatten sowie für jedes Kind, das mit dem Steuerpflichtigen in häuslicher Gemeinschaft lebt und für das ein Kinderabzug gemäss Buchstabe c beansprucht werden kann", abgezogen.


a) Die Rekurrenten bestreiten nicht, dass die angefochtene Veranlagung der Staatssteuer 2001 der geltenden kantonalen Gesetzgebung entspricht. Sie machen jedoch geltend, der Eigenmietwert betrage im Kanton Basel-Landschaft lediglich noch 34,8 % des effektiven Marktwertes. Dies sei eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zum Nachteil der MieterInnen. Um diesen zu beheben, sei ein Mietkostenabzug von Fr. 2'500.-- pro Person einzuräumen.


b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind die kantonalen Gerichte verpflichtet, das anzuwendende kantonale Recht akzessorisch bzw. vorfrageweise auf seine Bundesverfassungsmässigkeit zu überprüfen und grundsätzlich als verfassungswidrig erkanntes Recht im Einzelfall nicht anzuwenden (BGE 104 Ia 79, E. 2a; Basellandschaftliche Steuerpraxis [BlStpr], Band IX, S. 312 ff, E. 2c). Auf die von den Rekurrenten vorgebrachte Rüge der Verfassungsverletzung ist somit einzutreten.


4. Auf dem Gebiet der Steuern wird Art. 8 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerische Eidgenossenschaft (BV) vom 18. April 1999 in Art. 127 Abs. 2 BV konkretisiert durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie durch den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; danach sind Steuerpflichtige in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen gleich zu besteuern (BGE 124 I 145, E. 4a). Der Gesetzgeber hat im Abgaberecht innert der Schranken der Verfassung weitgehende Gestaltungsfreiheit. Art. 4 aBV (Art. 8 nBV) ist nicht schon verletzt, wenn der Gesetzgeber Lösungen trifft, die nicht in jeder Hinsicht einem bestimmten wirtschaftlichen, juristischen oder finanzwissenschaftlichen System folgen (BGE 116 Ia 321, E. 3f). Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verlangt nicht eine absolut gleiche Besteuerung. Es genügt, wenn die gesetzliche Regelung nicht in genereller Weise zu einer wesentlich stärkeren Belastung oder systematischen Benachteiligung bestimmter Gruppen von Steuerpflichtigen führt (BGE 124 I 193, E. 3e).


5. Das Bundesgericht hat sich bereits wiederholt zur Problematik der steuerlichen Gleichbehandlung von MieterInnen und WohneigentümerInnen geäussert.


a) Das Bundesgericht hat zugelassen, dass der Eigenmietwert tiefer angesetzt werden kann als der Marktmietwert. Dies wird unter anderem mit der geringeren Disponibilität in der Nutzung des Eigentums begründet sowie damit, dass die Selbstnutzung anderer Vermögenswerte auch nicht besteuert würden. Zulässig sei auch das Anliegen, die Selbstvorsorge durch Eigentumsbildung fiskalisch zu fördern (BGE 124 I 193, E. 3a). Das Bundesgericht hat jedoch eine zahlenmässig untere Grenze für die Besteuerung des Eigenmietwertes festgelegt und entschieden, dass dieser in jedem Fall mindestens 60 % des effektiven Marktwertes betragen müsse (124 I 145, E. 4d).


b) Es ist unbestritten, dass im Kanton Basel-Landschaft die Eigenmietwerte unter 60 % des effektiven Marktwertes liegen. Um die vom Bundesgericht geforderten ausgleichenden Massnahmen zu Gunsten der MieterInnen zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 1 lit. d aStG (Fassung vom 20. Juni 1991, rückwirkend in Kraft per 1. Januar 1991 [GS 30.669]) einen Mietkostenabzug von Fr. 1'000.-- pro im Haushalt wohnende Person eingeführt. Das Bundesgericht hat diese Lösung (Urteil vom 16. Juli 1992, publ. in Steuerrevue [StR] 47/1992, S. 599 ff.) als verfassungsmässig anerkannt und festgestellt, dass es nicht gegen Art. 4 aBV (Art. 8 nBV) verstosse, die steuerliche Privilegierung der Wohneigentümer aufgrund tiefer Eigenmietwerte durch einen Abzug für Mieter von Fr. 1'000.-- pro Person auszugleichen. Anzumerken bleibt indessen in diesem Zusammenhang, dass das Bundesgericht diese Lösung ausdrücklich als Übergangsregelung beurteilte. Zur Frage, wie die Höhe eines angemessenen Mietkostenabzuges zu berechnen ist, hat sich das Bundesgericht nicht geäussert.


c) In Bezug auf den hier zu beurteilenden Fall haben sich die Verhältnisse insofern geändert, als die Eigenmietwerte im Kanton Basel-Landschaft gemäss der Erhebung der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) nur noch 34,8 % des effektiven Marktwertes betragen. Demgegenüber beträgt der Mietkostenabzug unverändert Fr. 1'000.-- pro Person. Wie der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft in seiner Vorlage an den Landrat zur Steuergesetzrevision 2002 festgestellt hat und von den Rekurrenten zu Recht gerügt wird, wird mit dem Mietkostenabzug in Höhe von Fr. 1'000.-- die Differenz zwischen der vom Bundesgericht verlangten Limite von 60 % des Marktwertes und den deutlich darunter liegenden Eigenmietwerten nicht mehr ausgeglichen. Im Lichte der zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt damit eine Ungleichbehandlung der MieterInnen und WohneigentümerInnen vor, die vor Art. 8 BV nicht mehr standzuhalten vermag. Da die MieterInnen einer stärkeren steuerlichen Belastung ausgesetzt und gegenüber den WohneigentümerInnen systematisch benachteiligt werden, ist der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit offensichtlich verletzt.


6. Es stellt sich nun aber die Frage, welche Folgen sich aus der festgestellten Verfassungsverletzung ergeben. Gerade in der Feststellung der Verfassungsverletzung bzw. in den daraus sich ergebenden Konsequenzen liegt das Kernproblem des zu behandelnden Rekurses.


a) Es herrscht in der schweizerischen Lehre Einigkeit darüber, dass die Gerichte im Rahmen der akzessorischen bzw. vorfrageweisen Normenkontrolle nicht befugt sind, eine als gesetzes- oder verfassungswidrig erkannte Vorschrift formell ausser Kraft zu setzen. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit hat nur zur Folge, dass die betreffende Vorschrift auf die Beschwerdeführer nicht angewendet und der gestützt auf sie ergangene Einzelakt aufgehoben wird (Cagianut Francis, Der Steuerrichter und die Verfassung, in: Festschrift zum 70. Geburtstag von Ferdinand Zuppinger, Bern 1989, S. 141). Beim Vorliegen besonderer Gründe kann dieser Grundsatz jedoch Ausnahmen erleiden (BGE 110 Ia 7 ff.; Cagianut Francis, a.a.O.). Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die ganze oder teilweise Streichung einer Bestimmung dazu führen würde, dass eine noch unbefriedigendere Regelung Geltung erlangen würde. Das Bundesgericht verzichtet auf die Nichtanwendung einer als verfassungswidrig qualifizierten Vorschrift, wenn sich die als gerecht betrachtete Ordnung durch die Nichtanwendung bzw. Aufhebung einer Norm nicht erreichen lässt und es dazu einer Gesetzesänderung bedarf (Cagianut Francis, a.a.O., S. 142). Mit der Aufhebung des konkreten Anwendungsaktes lässt sich die Wiederherstellung des verfassungskonformen Zustandes nicht in allen Fällen erreichen. Auch im vorliegenden Fall ist das Problem mit der Aufhebung der angefochtenen Steuerveranlagung nicht gelöst, da die festgestellte Verletzung des Gleichheitsgebotes wohl kaum zur Folge haben kann, dass die Rekurrenten überhaupt keine Steuern bezahlen müssten. Über die in dieser Situation bestehenden Lösungsmöglichkeiten hat sich das Verwaltungsgericht mehrfach eingehend auseinandergesetzt (vgl. Urteile des Verwaltungsgericht [VGE] vom 29. April 1998 und vom 12. Februar 1986). Da alle drei möglichen Wege in der Praxis bereits beschritten worden sind, sollen sie kurz erläutert werden.


b) Das Gericht kann sich auf eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit beschränken und die Beschwerde im Übrigen mit dem Hinweis abweisen, es sei Sache des Gesetzgebers, unter verschiedenen Lösungsvarianten zur Beseitigung der Ungleichheit auszuwählen (BGE 109 Ib 81, E. 2 ff.). Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass das Gericht die als verfassungswidrig anerkannte Norm als unanwendbar erklärt und die infolge der Unanwendbarkeit geschaffene Lücke durch eine eigene Regel ausfüllt (vgl. den Entscheid der Solothurnischen Steuerrekurskommission vom 24. Juni 1985, publ. in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung [ZBl] 86 (1985), S. 536 ff., E. 5). Schliesslich ist denkbar, dass das Gericht die infolge der Unanwendbarkeit der verfassungswidrigen Norm entstandene Lücke nicht selbst ausfüllt, sondern diese Aufgabe dem Gesetzgeber überlässt. Die Beschwerde wird in diesem Fall grundsätzlich gutgeheissen und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen, wobei diese der erneuten Beurteilung die neu geschaffene Vorschrift zugrunde legen soll (vgl. VGE Basel-Stadt vom 26. Juni 1985, publ. in: Steuerrevue [StR] 1986, S. 102 ff., E. 4).


c) Der letztgenannte Lösungsansatz wirkt auf den ersten Blick überzeugend, könnte doch den Rekurrenten zu ihrem Recht verholfen werden, ohne in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingreifen zu müssen. Da jedoch unter Umständen Jahre vergehen bis der Gesetzgeber den festgestellten Verfassungsverstoss durch eine Gesetzesrevision beseitigt hat, erscheint es aufgrund des allgemeinen Prinzipes des Rückwirkungsverbotes sehr fraglich, ob es im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Vorschrift überhaupt noch angängig sein wird, diese rückwirkend auf den noch offenen Rekursfall anzuwenden. In Anbetracht dessen ist das Steuergericht, wie im Übrigen auch das Verwaltungsgericht (vgl. VGE vom 29. April 1998 und 12. Februar 1986) der Auffassung, dass von diesem Lösungsansatz abzusehen ist.


7. Es bleibt daher zu prüfen, ob das Steuergericht eine richterliche Normenkorrektur vorzunehmen oder sich auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit zu beschränken hat.


a) Nach Auffassung des Steuergerichts verbietet es zunächst der Grundsatz der Gewaltenteilung auch im vorliegenden Fall die unzweideutige und unmissverständliche Bestimmung in § 33 lit. d. StG für nicht anwendbar zu erklären und die dadurch geschaffene Lücke durch eine eigene Regel auszufüllen. Neben der von den Rekurrenten verlangten Erhöhung des Mietkostenabzuges, bieten sich weitere Möglichkeiten für eine verfassungskonforme Lösung an. Der Ungleichbehandlung der MieterInnen könnte auch durch eine Erhöhung des Eigenmietwertes auf der Seite der WohneigentümerInnen entgegengewirkt werden. Eine weitere Möglichkeit wäre die Abschaffung des Eigenmietwertes bzw. Streichung des Mietkostenabzuges. Aus dieser nicht abschliessenden Aufzählung von Optionen wird die Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten ersichtlich. Die Möglichkeit, die entstanden Lücke durch eine richterliche Normenkorrektur anstelle des dafür primär zuständigen Gesetzgebers vorzunehmen, ist zudem ohnehin nur zulässig, soweit der zu regelnde Sachverhalt als justiziabel erscheint, d.h. wenn genügend Kriterien juristischer Argumentation zur Verfügung stehen, um es in optimal vertretbarer Weise zu lösen (VGE vom 12. Februar 1986). Im vorliegenden Fall können jedoch weder dem Verfassungsrecht noch dem Steuerrecht brauchbare Kriterien entnommen werden, welche es dem Steuergericht erlauben würden, eine generell-abstrakte Regelung zu treffen, die nicht nur im konkreten Fall, sondern allgemein zu einer Beseitigung der verfassungswidrigen Ungleichbehandlung führen, umso mehr als mit jeder gewählten Lösung neue Ungleichheiten nicht auszuschliessen wären.


b) Zudem ist die vorliegend zur Diskussion stehende Frage für die Steuergesetzgebung zweifelsohne von zentraler Bedeutung. Es erscheint schon aus diesem Grund geboten, dem Gesetzgeber in diesem auch politisch wichtigen Bereich nicht vorzugreifen, zumal der Handlungsbedarf auf allen politischen Ebenen erkannt ist und dem Gesetzgeber eine gänzliche Untätigkeit in dieser Sache nicht vorgeworfen werden kann. So wird derzeit in den eidgenössischen Räten über eine Anpassung bzw. Änderung des heutigen Systems der Eigenmietwertbesteuerung diskutiert. Gerade diese Woche hat der Nationalrat den Systemwechsel, d.h. die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung beschlossen, welcher über die entsprechende Regelung im Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) vom 14. Dezember 1990 auch für die kantonalen Steuern Verbindlichkeit erlangen würde. Die vorliegend diskutierte Frage bezüglich der Höhe von Eigenmietwert und Mietkostenabzug würde demnach hinfällig. Zurückhaltung ist um so mehr am Platz, als sich auch der Regierungs- bzw. Landrat des Kantons Basel-Landschaft bewusst sind, dass die zur Zeit geltende gesetzliche Regelung durch das weitere Absinken der Eigenmietwerte auf rund 35 % des Marktwertes zu einer Ungleichbehandlung zwischen MieterInnen und WohneigentümerInnen und damit zu einer aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht mehr tolerierbaren Situation geführt hat. Eine zunächst vorgesehene Erhöhung des Mietkostenabzuges auf Fr. 1'500.-- per 1. Januar 2001 scheiterte allerdings bereits im Vernehmlassungsverfahren. Eine weitere Vorlage sah sodann die Erhöhung des Eigenmietwertes um 12 % und einen Mietkostenabzug von Fr. 1'250.-- vor. Durch das Zusammenspiel dieser beiden Massnahmen sollte die steuerliche Belastung von MieterInnen und WohneigentümerInnen wieder ausgeglichen werden. Diese Vorlage wurde jedoch in der Abstimmung vom 24. November 2002 von den Stimmberechtigten des Kantons Basel-Landschaft abgelehnt. Bereits im Anschluss daran sind jedoch im Landrat wieder parlamentarische Vorstösse, die die angesprochene Problematik betreffen, eingegangen und angekündigt worden. Die Befürchtung der Vertreterin der Rekurrenten, dass - unabhängig vom Abstimmungsausgang - auch in nächster Zeit nicht mit einer verfassungskonformen Lösung gerechnet werden könne, erweist sich daher bereits im heutigen Zeitpunkt als unbegründet. Insofern kann auch von einem Säumnis des Gesetzgebers, welches ein Einschreiten des Gerichtes als unumgänglich erscheinen liesse, keine Rede sein, sondern es kann im Gegenteil festgestellt werden, dass der Handlungsbedarf im Kern und auch bezüglich der zeitlichen Dringlichkeit von allen Beteiligten offensichtlich erkannt worden ist.


c) Das Steuergericht kommt aus diesen Gründen einstimmig zum Schluss, dass unter den dargelegten Umständen eine richterliche Normenkorrektur nicht geboten ist. Es bleibt jedoch festzustellen, dass die gegenwärtige Besteuerung von MieterInnen und WohneigentümerInnen nach dem basellandschaftliche Steuergesetz gegen das in Art. 8 BV statuierte Gleichbehandlungsgebot verstösst und insofern verfassungswidrig ist.


Aus all diesen Gründen ist der vorliegenden Rekurs formell abzuweisen. Das Steuergericht ist sich dabei bewusst, dass dieses Ergebnis für die Rekurrenten, die nicht zu ihrem Recht kommen, obwohl sich ihre Rüge der Verfassungsverletzung grundsätzlich als zutreffend erweist, nicht befriedigend ist. Nach Auffassung des Steuergerichts kann jedoch dem Gesetzgeber nicht vorgegriffen werden und ist eine Regelung von derartiger Tragweite dem formellen Gesetzgebungsverfahren vorzubehalten; insoweit hat die Einzelfallgerechtigkeit vor dem fundamentalen Prinzip der Gewaltentrennung zurückzustehen.


8. In Anbetracht dessen, dass trotz der formellen Abweisung des vorliegenden Rekurses sich die Rüge der Rekurrenten grundsätzlich als berechtigt erwiesen hat, erscheint es angezeigt, von der Auferlegung von Verfahrenskosten abzusehen. Die Zusprechung einer Parteientschädigung gestützt auf den klaren Wortlaut von § 21 Abs. 1 VPO muss der unterliegenden Partei verweigert werden. Aus diesem Grund wird den Rekurrenten keine Parteientschädigung ausgerichtet.


Entscheid Nr. 101/2002 vom 6. Dezember 2002



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