02-44 Bemessungslücke: Ausserordentliche Einkünfte

Ein erstmals im Bemessungslückenjahr 2000 aufgrund eines Verwaltungsratsbeschlusses ausbezahlter Sonderbonus von Fr. 150'000.- gilt als ausserordentliche Einkunft, wenn im repräsentativen Vergleichszeitraum 1997-1999 keine ähnliche Leistung ausbezahlt wurde und der Pflichtige als Mitglied des Verwaltungsrates den Zeitpunkt der Zahlung mitbestimmen konnte.



Aus dem Sachverhalt (Zusammenfassung):

Der Beschwerdeführer verdiente netto 1997 Fr. 71'976.--, 1998 Fr. 80'455.--, 1999 Fr. 86'997.-- und 2000 Fr. 237'295.-- aus seiner Tätigkeit bei der X AG. Im Jahresgehalt 2000 war erstmals ein Sonderbonus von Fr. 150'000.-- enthalten. Im Jahr 2001 erhielt er einen Bonus von Fr. 37'356.-- bei einem Gehalt von gesamthaft Fr. 133'011.--. Die Kantonale Steuerverwaltung besteuerte den im Jahr 2000 ausbezahlten Bonus in der Höhe von Fr. 150'000.-- mit der definitiven Veranlagung der direkten Bundessteuer 2000 für ausserordentliche Einkünfte gemäss Art. 47 bzw. Art. 218 Abs. 2 DBG.




Aus den Erwägungen:


2. Aufgrund von Art. 218 Abs. 2 und 3 DBG unterliegen ausserordentliche Einkünfte, die in den Kalenderjahren 1999 und 2000 erzielt werden, für das Steuerjahr, in dem sie zugeflossen sind, einer vollen Jahressteuer.


a) Das DBG enthält keine Umschreibung des Begriffes der ausserordentlichen Einkünfte, sondern es sind beispielhaft unterschiedliche Einkunftsarten angeführt, aus welchen abgeleitet werden kann, was der Gesetzgeber als ausserordentliche Einkünfte betrachtet. Diese Aufzählung derartiger Einkünfte ist nicht abschliessend, was schon aus dem Wortlaut ("[...] insbesondere [...]") des Art. 218 Abs. 3 DBG hervorgeht (vgl. Dieter Weber in: Zweifel/Athanas, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Band I/2b, Basel 2000, N. 31 zu Art. 218; René Eichenberger/Pierre-Oliver Gehriger, Der Übergang zur Gegenwartsbemessung im neuen Zürcher Steuergesetz, Zürich 2000, S. 32 f.; ebenso Kreisschreiben vom 20. August 1999 der Eidg. Steuerverwaltung zur direkten Bundessteuer [Nr.6 der Steuerperiode 1999/2000], Ziff. 2.5.2 Abs. 1). Bei der Auslegung des Begriffs der ausserordentlichen Einkünfte ist deshalb nicht nur auf die genannten typischen Beispiele abzustellen, sondern vor allem auch auf den Zweck, welcher dem Begriff im Rahmen der gesetzlichen Bemessungsordnung der Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung zukommt, welche kraft Art. 41 in Verbindung mit Art. 43 ff. DBG für die Steuerjahre bis 2000 galt und nach § 5 der Vollzugsverordnung vom 13. Dezember 1994 zum DBG in der Fassung vom 10. August 1999 in Verbindung mit Art. 41 und Art. 208-220 DBG mit dem Wechsel zur Gegenwartsbemessung für die Steuerjahre ab 2001 beendet wurde. Das System der Pränumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung beruht nämlich auf der Fiktion, dass das steuerbare Einkommen und damit die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen von einem Jahr zum anderen gleich bleibe (vgl. VGE BL vom 17. Januar 2001 in: Basellandschaftliche und Baselstädtische Steuerpraxis [BStPra.] XV, S. 305 f. E. 5a).


Zweck der Sonderregelung der ausserordentlichen Einkünfte ist es, mit der Steuergerechtigkeit nicht zu vereinbarende erhebliche Disparitäten zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Steuerbelastung zu beheben. In diesem Licht sind Einkünfte dann als ausserordentlich zu würdigen, wenn sie aperiodischer Natur sind, also wirtschaftlich nicht dem entsprechenden Bemessungsjahr zugeordnet werden können, ferner wenn sie nicht aus einer Quelle fliessen, aus welcher der Steuerpflichtige normalerweise sein Einkommen schöpft. Schliesslich können auch Einkünfte allein aufgrund ihrer ungewöhnlichen Höhe als ausserordentlich gelten. Alle Einkünfte, deren zweimalige Berücksichtigung bei der Steuerbemessung zu Beginn der Steuerpflicht als stossend und unvereinbar mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip erscheinen würde, sind nämlich ausserordentliche Einkünfte im Sinn des Gesetzes und müssen demzufolge auch bei Beendigung des Bemessungssystems der Sonderregelung von Art. 218 Abs. 2 und 3 DBG unterworfen werden (vgl. VGE BL vom 17. Januar 2001 in: BStPra. XV, S. 306 f. E. 5b; VGE LU vom 20. Januar 1999 in: Steuer Revue [StR] 1999, S. 676 ff.; VGE ZH vom 31. August 1994 und vom 2. Dezember 1992 in: Der Steuerentscheid [StE] 1995 ZH B 64.1 Nr. 3 bzw. in: StE 1994 ZH B 64.1 Nr. 2; Entscheid der Steuer-Rekurskommission lll ZH vom 31. Oktober 1996 in: StE 1997 ZH B 64.1 Nr. 6).


b) Nach dem einschlägigen Kreisschreiben vom 20. August 1999 der Eidg. Steuerverwaltung zur direkten Bundessteuer (Nr. 6 Steuerperiode 1999/2000) zum Übergang von der zweijährigen Pränumerando- zur einjährigen Postnumerandobesteuerung bei natürlichen Personen (Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA], S. 384 ff.), kann die Ausserordentlichkeit des Einkommens herrühren:


"- Aus der Einmaligkeit einer Leistung. Prinzipiell sind alle einmaligen Einkünfte ausserordentliche Einkünfte im Sinne von Artikel 218 DBG. Diese einmalige Leistung kann dabei periodische Zahlungen ersetzen oder nicht.


Beispiele: Lotteriegewinne, Entschädigungen für die Aufgabe oder die Nichtausübung einer Tätigkeit, aperiodische Vermögenserträge, Liquidationsgewinne.


- Aus der Ausserordentlichkeit eines Einkommens, das seiner Natur nach regelmässig fliesst. Die Höhe dieses Einkommens während der Jahre n-2 und n-1 (gemeint sind das bzw. die in die Bemessungslücke fallende[n] Jahr[e]) ist aussergewöhnlich und hebt sich dadurch vom Üblichen ab.


Beispiele: ausserordentliche Dividende, ausserordentliche Abfindungen für spezielle Leistungen, ausserordentliche Gratifikationen.


- Aus einer Änderung in der Verbuchung der Einkommensquelle.


Beispiele: Auflösen von Rückstellungen im Anschluss an einen Wechsel der Verbuchungsmethode oder Unterlassen von geschäftsmässig begründeten Abschreibungen und Provisionen.


Diese verschiedenen Kriterien können auch untereinander verknüpft sein. Anderseits kann im Rahmen der Qualifizierung von ausserordentlichen Einkünften der Tatsache Rechnung getragen werden, dass der Steuerpflichtige imstande ist, die Umstände der Ausrichtung seines Einkommens zu beeinflussen und er somit die Bemessungslücke ausnützen kann. Ein solches ungewöhnliches Verhalten kann auch unter dem Blickwinkel der Steuerumgehung bzw. der Steuerhinterziehung geprüft werden."


c) Laut Ziff. 2.4. des Merkblattes vom 29. November 1999 (aktualisiert 27. November 2000) der Kantonalen Steuerverwaltung gelten als ausserordentliche Arbeitsentschädigungen in der Höhe und/oder vom Anfall her einmalige Einkünfte. Darunter fallen insbesondere im Vergleich zu den Vorjahren aussergewöhnliche Leistungen des Arbeitgebers, wie z.B. Jubiläumsgeschenke, Boni und Gratifikationen, Treueprämien, Mitarbeiteraktien und -optionen, Lohnvoraus- und Lohnnachzahlungen. Werden mehr oder weniger regelmässig über die Jahre hinweg Bonus- und Gratifikationszahlungen ausgerichtet, handelt es sich um ordentliche Einkünfte, die im Vergleich mit den Vorjahren nicht ausserordentlicher Natur sind und daher in die Bemessungslücke fallen. Bonifikationen und Gratifikationen, die einmalig oder deutlich überdurchschnittlich in den Jahren 1999 und 2000 ausbezahlt werden, gelten als ausserordentliche Einkünfte und werden folglich mit einer separaten Jahressteuer besteuert.


d) Anzumerken bleibt bei alledem, dass Kreisschreiben und Merkblätter Verwaltungsverordnungen sind, welche erlassen werden, um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen (Ernst Blumenstein/Peter Locher, System des Steuerrechts, 5. Auflage, Zürich 1995, S.347). Sie sind für die Steuerjustiz nicht verbindlich und werden von ihr nur insoweit beachtet, als sie das Recht richtig wiedergeben (ASA 66, S. 331 f.; 65, S. 482).


3. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob der dem Beschwerdeführer im Jahr 2000 von seiner Arbeitgeberin ausgerichtete Sonderbonus von Fr. 150'000.-- als ordentliches oder ausserordentliches Einkommen zu qualifizieren sei.


Die Würdigung einer Einkunft als ordentlich oder ausserordentlich setzt stets die Berücksichtigung des Einzelfalls voraus. Der Beschwerdeführer verdiente netto 1997 Fr. 71'976.--, 1998 Fr. 80'455.--, 1999 Fr. 86'997.-- und 2000 Fr. 237'295.-- aus seiner Tätigkeit bei der X AG. Im Jahresgehalt 2000 war erstmals ein Sonderbonus von Fr. 150'000.-- enthalten und im Folgejahr 2001 erhielt er einen Bonus von Fr. 37'356.-- bei einem Gehalt von gesamthaft Fr. 133'011.--. Dies führt - unter Berücksichtigung der Steuerperioden nach 1999/00 - zwar zum Schluss, dass die Bonusleistung im Bemessungslückenjahr 2000 nicht aufgrund ihrer Einmaligkeit zur Ausserordentlichkeit dieses Einkommensbestandteils führen kann. Doch steht eine Wiederholung der Bonusleistung im Folgejahre der Qualifikation des im Jahr 2000 ausgerichteten Bonusses als ausserordentliche Einkunft nicht von vornherein entgegen. Entscheidend ist nur (aber immerhin), dass sie mit Blick auf einen repräsentativen Vergleichszeitraum, welcher (rückwärtsgerichtet) vor dem Steuerjahr der Ausrichtung der Leistung einsetzt und (vorwärtsgerichtet) über dieses selbst hinausreicht, als ungewöhnlich erscheint. Ein erstes Indiz für diese Ungewöhnlichkeit ist darin zu erkennen, dass in den Jahren 1997-99 überhaupt kein Bonus ausgerichtet wurde und der im Jahr 2000 ausgerichtete Bonus die Lohnzahlungen der Jahre 1997-99 um mehr als das anderthalbfache übersteigt. Auch war der Bonus des Jahres 2000 rund viermal höher als jener des Jahres 2001. Verstärkt wird dieses Indiz durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner (Minderheits)Beteiligung an der X AG und seiner im Juli 2000 erfolgten Wahl in den Verwaltungsrat der X AG imstande war, die Lohnpolitik seiner Arbeitgeberin auch unter steuerlichem Gesichtswinkel zu beeinflussen und somit die Bemessungslücke nach Gutdünken zu seinen Gunsten auszunutzen. Wie es sich damit bei einer Publikums-AG verhielte, mag hier offen bleiben (vgl. Urteil der Bundessteuer-Rekurskommission ZH vom 28. Juni 2001 publ. in: StR 2001, S. 827 ff. E. 2; Kreisschreiben vom 20. August 1999 der Eidg. Steuerverwaltung zur direkten Bundessteuer [Nr. 6 der Steuerperiode 1999/2000], Ziff. 2.5.2).


Schliesslich kann dem Einwand, die Bonuszahlungen unterlägen ihrer Natur nach Schwankungen und seien unter allen Umständen als ordentliche Einkünfte zu qualifizieren, nicht gefolgt werden. Im vorliegenden Fall darf nicht von einer im üblichen Bereich liegenden Schwankungsbreite gesprochen werden. Dies gilt zumal solange, als der im Jahr 2001 erlittene grosse Einkommensrückschlag nicht durch geringere Leistungen des Steuerpflichtigen erklärt werden kann. Dieser ist Mitglied des Kaders geblieben und konnte in keiner Weise belegen, dass er seine zeitliche Belastung wesentlich reduzieren konnte oder dass das wirtschaftliche Ergebnis seiner Bemühungen für den Arbeitgeber geringer ausfiel.


Zusammenfassend ist festzustellen, dass die erstmalige Auszahlung eines Sonderbonusses im Bemessungslückenjahr 2000 als ausserordentliche Einkunft zu qualifizieren ist. Die Steuerverwaltung hat deshalb den dem Beschwerdeführer im Jahr 2000 zugeflossenen Bonus im Umfang von Fr. 150'000.-- zu Recht mit dieser Jahressteuer erfasst.


Entscheid Nr. 44/2002 vom 5.7.2002



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