02-57 Begrenzter Abzug privater Schuldzinsen (Härteparagraph)

Eine vor dem 1. Januar 2001 erworbene Beteiligung von mindestens 20 Prozent an einer Kapitalgesellschaft oder einer Genossenschaft kann nicht zu gewillkürtem Geschäftsvermögen erklärt werden. Dementsprechend können auf eine solche Beteiligung entfallende Schuldzinsen nur im Rahmen von § 24 StG abgezogen werden.



Aus den Erwägungen:

2. Der Abzug privater Schuldzinsen ist gemäss der für die ab den Steuerjahren 2001 gültigen Fassung des § 29 Abs. 1 lit. f StG und Art. 9 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember 1990 (Steuerharmonisierungsgesetz; StHG) bei den Staatssteuern beschränkt: Er ist nur im Umfang des nach § 24 StG bzw. Art. 7 StHG steuerbaren Vermögensertrages und weiterer Fr. 50'000.-- möglich. Durch diese gesetzlichen Bestimmungen wird erreicht, dass insbesondere Schuldzinsen, welche für die Finanzierung von Konsumausgaben oder für ertragslose, nur für die Erzielung von steuerfreien privaten Kapitalgewinnen ausgerichteten Investitionen aufgewendet werden, über die Grenzen von § 29 Abs. 1 lit. f StG bzw. Art. 9 Abs. 2 lit. a StHG hinaus nicht von den steuerbaren Einkünften abgezogen werden können. Der Freibetrag von Fr. 50'000.-- soll sicherstellen, dass Menschen, welche aus einer Notlage heraus Schulden machen müssen, aber auch Hauseigentümer deren Hypothekarzins den aus Gründen der Wohneigentumsförderung regelmässig unter dem Marktwert liegenden Eigenmietwert übersteigt durch die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nicht ungebührlich eingeschränkt werden (vgl. Bundesblatt [BBl] 1999 S. 85; Amtliches Bulletin der Bundesversammlung [AmtlBull.] [Nationalrat] 1998, S. 2407).


3. Natürliche Personen ohne selbständige Erwerbstätigkeit können Beteiligungen von mindestens 20 % am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft aufgrund der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung von § 24 lit. b StG bzw. Art. 8 Abs. 2 StHG im Zeitpunkt des Erwerbs zu Geschäftsvermögen erklären und Zinsen, die auf solche zu Geschäftsvermögen erklärten Beteiligungen entfallen, aufgrund der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung von § 29 Abs. 1 lit. b StG bzw. Art. 10 Abs. 1 lit. e StHG wie Zinsen aus Geschäftsschulden voll von den steuerbaren Einkünften abziehen. Aus dem Wortlaut von § 24 lit. b StG bzw. von Art. 8 Abs. 2 StHG ist zu schliessen, dass eine Beteiligung von mindestens 20 % am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft nur als Geschäftsvermögen gilt, sofern der Eigentümer sie im Zeitpunkt des Erwerbs zu Geschäftsvermögen erklärte.


Beteiligungen im gewillkürten Geschäftsvermögen unterliegen dem Buchwertprinzip. Bei einer späteren Liquidation der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft unterliegt nur der Teil des Erlöses der Einkommenssteuer, der den Einkommenssteuerwert (Buchwert) übersteigt. Der Verkauf einer Beteiligung aus dem Privatvermögen einer natürlichen Person ins gewillkürte Geschäftsvermögen einer anderen natürlichen Person bewirkt einen Wechsel vom Nennwert- ins Buchwertprinzip, was bei einem Verkaufspreis, der über dem Nennwert liegt, dazu führt, dass die latente Steuerlast auf dem künftigen Liquidationsüberschuss in der Höhe der Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis (= Buchwert im Erwerbszeitpunkt) verschwindet. Das Wegfallen dieser latenten Steuerlast soll jedoch innerhalb des Vermögens ein und derselben natürlichen Person nicht zugelassen werden, weil sonst der Steuerplanung Tür und Tor geöffnet würde (AmtlBull. [Ständerat] 1999, S. 51). Aus diesem Grund ist die Möglichkeit zur Optierung auf den Zeitpunkt des Erwerbs beschränkt. Bestehende Beteiligungsrechte im Privatvermögen können also nicht zum gewillkürten Geschäftsvermögen erklärt werden. Auch das In-Kraft-Treten der Schuldzinsenbeschränkung nach § 29 Abs. 1 lit. f StG bzw. Art. 9 Abs. 2 lit. a StHG per 1. Januar 2001 erlaubt dies nicht. Auf eine Übergangsregelung wurde im Gesetz bewusst verzichtet (Peter Locher, Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, I. Teil, Therwil/Basel 2001, N. 173 zu Art. 18; AmtlBull. [Ständerat] 1999, S. 50), da Privatpersonen andere Vermögenswerte überhaupt nie zu gewillkürtem Geschäftsvermögen erklären können. Die Einführung einer Übergangsregelung für fremdfinanzierte Beteiligungen auf dem Auslegungsweg ist demzufolge nicht statthaft (Kreisschreiben vom 19. Juli 2000 der Eidg. Steuerverwaltung zur direkten Bundessteuer [Nr. 1 der Steuerperiode 2001/2002] betreffend die Beschränkung des Schuldzinsenabzuges und die zum Geschäftsvermögen erklärten Beteiligungen nach dem Bundesgesetz vom 19. März 1999 über das Stabilisierungsprogramm 1998, Ziff. 5).


4. Im Rekurs wurde insbesondere verlangt, es sei den steuerpflichtigen Ehegatten aus Gründen der Rechtsgleichheit die Möglichkeit einzuräumen, die vor 16 Jahren erworbene 92%-Beteiligung an der X AG auf den 1. Januar 2001 hin zu Geschäftsvermögen zu erklären. In diesem Zusammenhang ist Art. 191 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV) zu beachten, der bestimmt, dass Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend sind. Dies bedeutet, dass Bundesgesetze, im vorliegenden Fall das Steuerharmonisierungsgesetz, in ihrer Anwendung nicht ausgesetzt werden dürfen, selbst wenn sie gegen verfassungsmässige Rechte, beispielsweise den Gleichheitsgrundsatz, verstossen. Angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine Optionsmöglichkeit für Beteiligungen von mindestens 20 % am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft, die noch vor dem 1. Januar 2001 erworben wurden, verzichtete, würde die Aufhebung des angefochtenen Entscheids wegen Bejahung einer Verletzung verfassungsmässiger Rechte einen Eingriff in Art. 8 Abs. 2 StHG bedeuten, was gemäss der Bestimmung von Art. 191 BV nicht zulässig ist. Demzufolge könnte das Gericht den Entscheid der Vorinstanz wegen Bejahung der Verletzung verfassungsmässiger Rechte nicht aufheben (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 24. Oktober 2001 in: Basellandschaftliche und Baselstädtische Steuerpraxis [BStPra.], Bd. XVI, S. 146 E. 8; Walter Kälin, Das Verfahren der Staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1994, S. 17).


Weil der Bundesgesetzgeber in Art. 9 Abs. 2 lit. a StHG den Abzug privater Schuldzinsen auf den Umfang des nach Art. 7 StHG steuerbaren Vermögensertrags und weiterer Fr. 50'000.-- absichtlich begrenzte sowie in Art. 8 Abs. 2 StHG auf eine Optionsmöglichkeit für Beteiligungen von mindestens 20 % am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft, die noch vor dem 1. Januar 2001 erworben wurden, bewusst verzichtete, besteht für die kantonalen Steuer- und Steuerjustizbehörden aufgrund des in Art. 49 BV und Art. 72 Abs. 2 StHG verankerten Grundsatzes des Vorrangs des Bundesrechts vor kantonalem Recht kein Spielraum im vorliegenden Fall in Anwendung des Härteparagraphen die Begrenzung des Abzugs privater Schuldzinsen aufzuheben oder den steuerpflichtigen Ehegatten die Möglichkeit einzuräumen, die fragliche Beteiligung per 1. Januar 2001 zu Geschäftsvermögen zu erklären (vgl. Bernhard Greminger in: Zweifel/Athanas, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, Band I/1, Basel 1997, N. 20 zu Art. 72).


Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass die steuerpflichtigen Ehegatten die vor 16 Jahren erworbene 92%-Beteiligung an der X AG nicht per 1. Januar 2001 zu Geschäftsvermögen erklären können. Diese Beteiligung bleibt demnach im Privatvermögen der steuerpflichtigen Ehegatten, weshalb sie in der Steuerperiode 2001 Schuldzinsen nur im Umfang des nach § 24 StG bzw. Art. 7 StHG steuerbaren Vermögensertrages und weiterer Fr. 50'000.-- von den steuerbaren Einkünften abziehen können.


Entscheid Nr. 57/2002 vom 30.8.2002



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