02-99 Kapitalabfindung: Reduktion des satzbestimmenden Einkommens

Als Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen im Sinn von Art. 37 DBG können unter bestimmten Voraussetzungen auch einmalige Vermögenszugänge gelten, mit denen aufgelaufene, das heisst in der Vergangenheit begründete Teilleistungen abgegolten werden. Solche Kapitalabfindungen kommen jedoch nur dann in den Genuss der nach Art. 37 DBG privilegierten Besteuerung zum Rentensatz, wenn - dem Wesen der betreffenden Leistungen entsprechend - ordentlicherweise eine periodische Ausrichtung vorgesehen gewesen wäre und diese ohne Zutun des berechtigten Steuerpflichtigen unterblieben ist.



Aus dem Sachverhalt (gekürzt):

1. Mit Veranlagungsverfügung direkte Bundessteuer 2001 vom 23. April 2002 wurde der Pflichtige veranlagt.


2. Gegen die Veranlagung erhob der Pflichtige mit Schreiben vom 26. April 2002 Einsprache, mit der Begründung, die einmalige Sonderzahlung von netto Fr. 93'983.-- resultiere aus einer dreijährigen Verpflichtung bei seiner Arbeitgeberin Y. Hätte er sein Vertragsverhältnis vor Ablauf dieser dreijährigen Frist aufgelöst, hätte er nicht einmal anteilsmässig etwas erhalten. Aus diesem Grund sei diese Zahlung nicht als Lohnbestandteil, sondern als Kapitalabfindung zu betrachten.


3. Mit Einsprache-Entscheid vom 12. Juli 2002 lehnte die Steuerverwaltung die Einsprache mit der Begründung ab, nach Ablauf der Vereinbarung und dem Erreichen der vereinbarten Zielvorgaben sei dem Pflichtigen ein Erfolgsbonus von Fr. 100'035.-- ausbezahlt worden. Dieser sei gestützt auf Art. 17 Abs. 1 DBG als Einkunft aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu besteuern. Eine Besteuerung als Kapitalabfindung sei ausgeschlossen.


4. Mit Schreiben vom 2. August 2002 erhob der Pflichtige Beschwerde, mit der Begründung, er sehe ein, dass die Zahlung steuerlich berücksichtigt werden müsse, aber dies bedeute, dass er einen Drittel dieses Bonus an die Steuern abführen müsse. Er hätte sich also ein Jahr von den dreien, in denen er sich bei der Y verpflichtet hätte, für den Staat verpflichtet. Im Sinne eines Kompromisses sei der Nettolohn II gemäss Lohnausweis von Fr. … in das steuerbare Einkommen zur Satzbestimmung einzurechnen und dieser so ermittelte Satz lediglich auf ein steuerbares Einkommen abzüglich Bonus von Fr. 93'983.-- anzuwenden.


5. Mit Vernehmlassung vom 2. Oktober 2002 beantragte die Steuerverwaltung die Abweisung der Beschwerde mit der Begründung, der fragliche Bonus würde mit dem Arbeitsvertrag zusammenhängen und stelle daher Erwerbseinkommen dar. Einen Grund für eine privilegierte Besteuerung gebe es nicht, insbesondere habe die Zahlung weder Vorsorgecharakter noch hänge sie mit einer Umstrukturierung zusammen. Sie sei zu Recht als ordentliches Einkommen besteuert worden.


6. An der heutigen Verhandlung hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest. Die Steuerverwaltung beantragt die Gutheissung der Beschwerde in sinngemässer Anwendung von Art. 37 DBG.




Aus den Erwägungen:


2. Zunächst ist zu prüfen, ob der Betrag in Höhe von Fr 93'983.-- als Kapitalabfindung für wiederkehrende Leistungen im Sinne von Art. 37 DBG qualifiziert werden kann.


a) Lange Zeit wurden unter den Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen nur Vermögenszugänge verstanden, die dazu dienen, einen gesetzlichen, statutarischen, vertraglichen oder testamentarischen Anspruch abzugelten, der mit der Erbringung dieser wiederkehrenden Leistungen sukzessive untergeht . Nach dieser Betrachtung können Kapitalabfindungen nur künftige Leistungen betreffen und nur in Erfüllung einer den periodischen Leistungen zugrunde liegenden Stammschuld ausgerichtet werden. Die Kapitalabfindungen betreffen somit die Erfüllung von Ansprüchen auf Renten, Pensionen und andere dauernde Lasten (vgl. Ernst Känzig, Die Eidgenössische Wehrsteuer (Direkte Bundessteuer), I. Teil, 2. Auflage, Basel 1982, Art. 40 N. 5; Agner/Jung/Steinmann, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, Zürich 1995, Art. 37 N. 2).


Von der engen Auslegung der Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen ist man in letzter Zeit abgekommen. So werden Kapitalabfindungen für Lidlohnansprüche ausdrücklich als Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen anerkannt, obschon sie Leistungen abgelten, die in der Vergangenheit entstanden sind (Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung [KS EStV] vom 30. April 1980). Die Eidgenössische Steuerverwaltung begründet diese Sonderbehandlung mit dem besonderen Charakter und der wirtschaftlichen Funktion dieser Leistungen sowie mit der Progression, die für den Empfänger zu einer unverhältnismässigen steuerlichen Belastung führt. Diese Überlegungen rechtfertigen, auch andere Arten von Kapitalabfindungen, bei denen die Verpflichtung bzw. der Anspruch in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegt, der Sonderregelung zu unterwerfen. In der Literatur wird denn auch überwiegend die Meinung vertreten, eine Kapitalabfindung für wiederkehrende Leistungen könne auch in der Vergangenheit begründete Ansprüche abgelten (z.B. Lohnnachzahlungen; vgl. Martin Zweifel/Peter Athanas, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, Bd. I/1, Basel 1997, Art. 11 N. 33 ff.; Martin Zweifel/Peter Athanas, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Bd. I/2a, Basel 2000, Art. 37 N. 10 ff.).


In einem Grundsatzentscheid vom 5. Oktober 2000 hat das Bundesgericht festgehalten, dass für die Auslegung und Anwendung von Art. 37 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 (DBG) die Praxis zum bisherigen Recht (Art. 40 des Bundesratsbeschlusses über die Erhebung einer direkten Bundessteuer vom 9. Dezember 1940 [BdBSt]) nicht unbesehen übernommen werden kann. Eine Änderung ergibt sich namentlich daraus, dass als Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen im Sinn von Art. 37 DBG unter bestimmten Voraussetzungen auch einmalige Vermögenszugänge gelten können, mit denen aufgelaufene, das heisst in der Vergangenheit begründete Teilleistungen abgegolten werden. Solche Kapitalabfindungen kommen jedoch nur dann in den Genuss der nach Art. 37 DBG privilegierten Besteuerung zum Rentensatz, wenn - dem Wesen der betreffenden Leistungen entsprechend - ordentlicherweise eine periodische Ausrichtung vorgesehen gewesen wäre und diese ohne Zutun des berechtigten Steuerpflichtigen unterblieben ist. Sind derart geschuldete Teilleistungen vorenthalten worden, so dass sie gar nicht periodengerecht versteuert werden konnten, wäre es unbillig, die nachträgliche Kapitalabfindung zusammen mit dem übrigen Einkommen zum vollen Satz zu besteuern und den berechtigen Empfänger dadurch steuerrechtlich zu bestrafen. Demgegenüber wäre eine Steuersatzermässigung dort nicht gerechtfertigt und auch nicht sachgerecht, wo die Ausrichtung einer Kapitalabfindung anstelle periodischer Teilleistungen und der Auszahlungszeitpunkt von der Wahl der Beteiligten abhängen (vgl. Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts [BGE] vom 5. Oktober 2000, publ. in: Steuerrevue [StR] Nr. 1/2001 S. 23 ff.; Entscheid des Steuergerichts [RKE] Nr. 95/2001 vom 6. Juli 2001)


b) Beim Betrag von Fr. 93'983.-- handelt es sich unbestritten um die Auszahlung eines aufgelaufenen Bonus. Gemäss Anschlussvereinbarung zum Incentive Programm (IP) vom 22. Juni 1998 zwischen der Arbeitgeberin Y und dem Beschwerdeführer wurde bestimmt, dass ein Bonus nach Ablauf der dreijährigen Plandauer (1. Mai 1998 bis 30. April 2001) am 30. April 2001 ausbezahlt werde. Beim im Jahr 2001 ausbezahlten Bonus handelt es sich um einen akkumulierten Betrag, der nach der Erfüllung der Plandauer fällig wurde. Die pro rata-IP-Ansprüche verfielen gemäss der Anschlussvereinbarung in der Regel, wenn der Arbeitnehmer vor Ablauf der drei Jahre ausschied. Mit dieser Klausel wollte die Arbeitnehmerin den Beschwerdeführer an sich bzw. das Projekt binden. In Ausnahmefällen, z.B. Tod des IP-Teilnehmers, wäre jedoch eine pro rata-Zahlung möglich gewesen. Das bedeutet, dass ein Anspruch auf Zahlung schon vor dem Ablauf der Vereinbarung am 30. April 2002 entstanden ist und geschuldete Teilleistungen vorenthalten wurden, so dass sie gar nicht periodengerecht versteuert werden konnten. Es handelt sich somit beim Betrag von Fr. 93'983.-- um einen einmaligen Vermögenszugang, mit dem in der Vergangenheit begründete Teilleistungen abgegolten werden, für die ordentlicherweise eine periodische Ausrichtung vorgesehen wäre. Es wäre unbillig, die nachträgliche Kapitalabfindung zusammen mit dem übrigen Einkommen zum vollen Satz zu besteuern und den Beschwerdeführer dadurch steuerrechtlich zu bestrafen.


c) Der Beschwerdeführer hatte bezüglich des Auszahlungszeitpunktes seines Bonus keine Wahl. Dieser wurde mit der besagten Vereinbarung auf den 30. April 2001 festgesetzt. Eine frühere, periodische Zahlung wurde gemäss Vereinbarung grundsätzlich ausgeschlossen.


d) Das Steuergericht gelangt daher zum Schluss, dass die Kapitalleistung von Fr. 93'983.-- als Kapitalabfindung für wiederkehrende Leistungen im Sinne von Art. 37 DBG zu qualifizieren ist.


3. In einem weiteren Schritt ist sodann zu prüfen, wann die Kapitalabfindung als zugeflossen und damit als realisiert betrachtet werden kann.


a) Eine Einkunft ist nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten dann als zugeflossen und damit als erzielt zu betrachten, wenn der Steuerpflichtige Leistungen vereinnahmt oder einen festen Rechtsanspruch darauf erwirbt, über den er tatsächlich verfügen kann. Voraussetzung des Zufliessens ist ein abgeschlossener Rechtserwerb, der Forderungserwerb oder Eigentumserwerb sein kann. Der Forderungserwerb ist in der Regel Vorstufe der Geldleistung. Der Steuerpflichtige erwirbt eine Geldforderung; mit der Zahlung fällt das Geld in sein Eigentum. Bei diesem zweistufigen Erwerb entsteht die Steuerpflicht entweder beim Forderungserwerb oder beim Eigentumserwerb; nie bei beiden. Vorherrschend ist in solchen Fällen die Besteuerung beim Forderungserwerb. Von diesem Grundsatz wird in der Steuerpraxis nur abgewichen, wenn die Erfüllung der Forderung - die Leistung - als unsicher betrachtet werden muss; dann wird mit der Besteuerung bis zur Erfüllung zugewartet (BGE 113 Ib 23 ff. mit weiteren Hinweisen).


b) Gemäss Anschlussvereinbarung zum IP vom 22. Juni 1998 hat der Beschwerdeführer Anspruch auf einen Bonus, der nach drei Jahren, am 30. April 2001 ausbezahlt wird. Im Zeitpunkt des Schreibens der Y an den Beschwerdeführer vom 5. Januar 2001 mit der Mitteilung, dass ein Bonus in der Höhe von Fr. 100'035.-- ausbezahlt werde, war die Forderung des Beschwerdeführers unbestritten und in ihrem Umfang bestimmt. Die Kapitalabfindung gilt folglich als im April 2001 zugeflossen und damit auch erzielt. Die erhaltene Abfindungssumme ist daher in der Steuerperiode 2001 einzusetzen.


4. Schliesslich bleibt noch zu prüfen, zu welchem Satz die Kapitalabfindung in Höhe von Fr. 93'983.-- zu besteuern ist.


a) Gemäss Art. 37 DBG werden Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte und der zulässigen Abzüge zu dem Steuersatz berechnet, der sich ergäbe, wenn anstelle der einmaligen Leistung eine entsprechende jährliche Leistung ausgerichtet würde. Es handelt sich dabei um die Besteuerung zum sogenannten Rentensatz, die es ermöglicht, die Kapitalabfindungen sachlich richtig derjenigen Progression zu unterstellen, die Anwendung finden müsste, wenn anstelle der Kapitalabfindung eine jährliche Rente ausgerichtet würde. Ist der Zeitraum, innert welchem die wiederkehrenden Leistungen ausgerichtet worden wären, bestimmt, so ist die Kapitalabfindung zu einem entsprechend periodisierten Satz zu besteuern (Martin Zweifel/Peter Athanas, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Bd. I/2a, Basel 2000, Art. 37 N. 14 mit weiteren Hinweisen).


b) Der Zeitraum, innert welchem die wiederkehrenden Leistungen ausgerichtet worden wären, dauerte vom 1. Mai 1998 bis zum 30. April 2001. Die Kapitalabfindung in Höhe von Fr. 93'983.-- ist daher zur Satzbestimmung durch 3 Jahre zu teilen und zusammen mit den übrigen Einkünften in das Bemessungsjahr 2001 einzusetzen.


Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die vorliegende Beschwerde im Sinne der obengenannten Erwägungen gutzuheissen ist. Die Einkommenssteuer auf der im Jahr 2001 ausgerichteten Kapitalabfindung von Fr. 93'983.-- ist gemäss Art. 37 DBG unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte und der zulässigen Abzüge zu dem Steuersatz zu berechnen, der sich ergäbe, wenn anstelle der einmaligen Leistung eine entsprechende jährliche Leistung von Fr. 31'328.-- (Fr. 93'983.-- : 3 Jahre) ausgerichtet worden wäre. Die Veranlagungsverfügung direkte Bundessteuer 2001 (Nr. B 01/11) vom 23. April 2002 ist daher zu berichtigen.


Entscheid Nr. 99/2002 vom 1. November 2002



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