04-115 Kapitalabfindung: Berechnung des satzbestimmenden Einkommens/80 %-Besteuerung von Renten

Erhält eine steuerpflichtige Person eine Rentennachzahlung, mit welcher Rentenansprüche von vor der zu beurteilenden Bemessungsperiode abgegolten werden, sind zur Satzbestimmung die Rentennachzahlung sowie die aus derselben Quelle stammenden Renten des laufenden Bemessungsjahres zusammenzuzählen und auf ein Jahr umzurechnen (Erw. 2).


Renten aus beruflicher Vorsorge, die vor dem 1. Januar 2002 zu laufen beginnen oder fällig werden und auf einem Vorsorgeverhältnis beruhen, das am 31. Dezember 1986 bereits bestanden hat, sind unabhängig vom Auszahlungszeitpunkt zu 80% zu besteuern, wenn die Leistungen, auf denen der Anspruch des Steuerpflichtigen besteht, mindestens zu 20% vom Steuerpflichtigen erbracht worden sind (Erw. 3).


(Mit Urteil vom 22. Juni 2005 wies das Kantonsgericht des Kantons Basel-Landschaft eine von der Kantonalen Steuerverwaltung gegen den Entscheid des Steuergerichts vom 29.10.2004 erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Das Kantonsgericht hielt jedoch in seinen Erwägungen fest, dass die Steuerverwaltung gegenüber A eine neue Veranlagungsverfügung zu erlassen habe. Dabei habe sie die Kapitalabfindung abzüglich des nicht strittigen Rentenfreibetrags in ein durchschnittliches Halbjahreseinkommen umzurechnen, d.h. die gesamte Kapitalabfindung sei durch 76 Monate (März 1996 bis 2002) zu dividieren und anschliessend mit 6 zu multiplizieren. Diese Summe, welche dem Durchschnittseinkommen für 6 Monate entspreche, sei zusammen mit den Renten für die zweite Hälfte des Jahres 2002 als satzbestimmendes Einkommen bei der Berechnung der Einkommenssteuer zu verwenden.)



Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer erhielt von der Pensionskasse der X AG per 21. Juli 2002 eine Nachzahlung der Invalidenrente für die Zeit vom 1. März 1996 bis 30. Juni 2002 von Fr. 214'912.-- und für die Zeit vom Juli - Dezember 2002 eine Rente von Fr. 3'242.-- pro Monat.


Mit definitiver Veranlagungsverfügung direkte Bundessteuer 2002 Nr. B 02/12 vom 24. Juni 2003 wurde der Beschwerdeführer mit einem in der Schweiz steuerbarem Einkommen von Fr. 257'919.-- und einem satzbestimmenden Einkommen von Fr. 95'966.-- eingeschätzt.


2. Dagegen erhob der Steuerpflichtige mit Schreiben vom 23. Juli 2003 Einsprache mit dem sinngemässen Begehren, die Rentennachzahlung sei für die Zeit vom März 1996 bis Dezember 2001 nicht höher zu besteuern, als wenn er jedes einzelne Jahr ordentlich die Rente steuerlich beglichen hätte und es sei auf diesen Rentenleistungen ein Rentenfreibetrag von 20% zu gewähren.


3. Die Steuerverwaltung wies die Einsprache mit Einsprache-Entscheid vom 9. Oktober 2003 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen an, dass die per 22. Juli 2002 von der Pensionskasse der X AG erfolgte Nachzahlung der Invalidenrente vom 1. März 1996 bis 30. Juni 2002 von Fr. 214'912.-- nach Art. 37 DBG als sog. wiederkehrende Leistung gelte. Diese Abfindung werde zwar zum übrigen Einkommen hinzugerechnet, beim anzuwendenden Steuersatz hingegen so berechnet, wie wenn anstelle der einmaligen Leistung eine entsprechende jährliche Leistung ausgerichtet würde. Mit dieser Berechnungsart werde eine Überbesteuerung vermieden werden. Die Berechnung der geleisteten Nachzahlung sehe wie folgt aus;


Da die Leistung erst im Laufe des Jahres 2002 zugeflossen sei, könne dem Steuerpflichtigen der angesprochene Freibetrag nicht mehr zugestanden werden. Grundsätzlich gelte auch bei Nachzahlungen von kapitalisierten IV-Renten der Pensionskasse das Zuflussprinzip. Eine Reduktion (Steuerfreibetrag) für Leistungen aus der beruflichen Vorsorgeeinrichtung nach altem Recht könne daher nicht mehr gewährt werden.


4. Mit Beschwerde vom 7. November 2003 begehrte der Steuerpflichtige sinngemäss, die für die Zeit vom 1. März 1996 bis 31. Dezember 2002 ausgerichteten Rentenleistungen seien im Steuerjahr 2002 mit einem Betrag von Fr. 34'297.-- zur Bestimmung des satzbestimmenden Einkommens heranzuziehen und es sei auf diesen Rentenleistungen für die Zeit vom 1. März 1996 bis 31.12.2001 ein Rentenfreibetrag von 20% zu gewähren. Seine Begründung ergibt sich soweit erforderlich aus den nachfolgenden Erwägungen.


5. Mit Vernehmlassung vom 28. Juli 2004 beantragte die Steuerverwaltung die teilweise Gutheissung der Beschwerde, in dem Sinn, als ein Steuerfreibetrag von 20% auf den Rentenleistungen der Pensionskasse für die Zeit vom 1. März 1996 bis 31. Dezember 2001 zu gewähren sei. Ihr Standpunkt ergibt sich ebenfalls soweit nötig aus den nachfolgenden Erwägungen.


6. An der heutigen Verhandlung hielten die Parteien an ihren Anträgen fest.



Aus den Erwägungen:

2. Zunächst ist zu prüfen, ob die gesamten Invaliditäts-Leistungen der Pensionskasse für die Zeit vom 1. März 1996 bis 31. Dezember 2002 als Kapitalabfindung für wiederkehrende Leistungen unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte und zulässigen Abzüge zu dem Steuersatz zu berechnen ist, der sich ergäbe, wenn anstelle dieser Nachzahlung der Invalidenrente eine entsprechende jährige Leistung ausgerichtet worden wäre.


a) Gehören zu den Einkünften Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen, so wird die Einkommenssteuer unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte und der zulässigen Abzüge zu dem Steuersatz berechnet, der sich ergäbe, wenn anstelle der einmaligen Leistungen eine entsprechende jährliche Leistung ausgerichtet würde (Art. 37 DBG). Bei den wiederkehrenden Leistungen, die in Kapitalform ausgerichtet werden, kann es sich sowohl um künftige als auch um vergangene handeln (Entscheid des Steuergerichts Nr. 99/2002 vom 1. November 2002).


b) Gemäss dem Wortlaut der Bestimmung von Art. 37 DBG ("Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen") wäre für die Bemessung des satzbestimmenden Einkommens die gesamte Rentennachzahlung für die Zeit vom 1. März 1996 bis 30. Juni 2002 von Fr. 214'912.-- heranzuziehen und nicht wie dies die Steuerverwaltung tat nur die Rentennachzahlung vom 1. März 1996 bis 31. Dezember 2001. Indes ist daraus, dass der Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung an sich klar ist, nicht ohne weiteres zu schliessen, dass für eine sinngemässe Auslegung kein Raum bleibe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts darf von ihm abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Gesetzesbestimmungen ergeben (BGE 99 Ib 506 E. 3).


c) Der Steuerpflichtige bringt vor, dass das satzbestimmende Einkommen von Fr. 94'808.-- einerseits die Rentenbeträge aus der Pensionskasse für das ganze Jahr 2002 von Fr. 38'904.-- und anderseits einen durchschnittlichen Rentenbetrag aus der Nachzahlzeit von Fr. 33'507.-- beinhalte, d.h. zwei Jahresrenten. Als satzbestimmendes Einkommen für die Rentenleistungen der Zeit vom 1. März 1996 bis 31. Dezember 2002 sollte jedoch nur ein durchschnittlicher Rentenbetrag pro Jahr von Fr. 34'297.-- herangezogen werden.


d) Sinn und Zweck von Art. 37 DBG ist sicherzustellen, dass Kapitalabfindungen, welche Leistungen abgelten, die gewöhnlich in mehreren Jahren zufliessen, bei der Steuersatzermittlung nur in der Höhe einer entsprechenden Jahresleistung zu berücksichtigen sind und damit sicherzustellen, dass die Steuerbelastung für die Kapitalabfindungen nicht grösser wird als sie es bei wiederkehrenden Leistungen wäre, sondern zu demjenigen Steuersatz, der Anwendung fände, wenn anstelle der Kapitalabfindung einzelne Jahresbetreffnisse ausbezahlt würden (vgl. Der Steuerentscheid [StE] 2001 B 26.13 Nr. 15).


Würde Art. 37 DBG nach dem Wortlaut ausgelegt, so hätte dies beispielsweise zur Folge, dass drei verschiedene Rentenbezüger, die am 1. Januar 1997 einen Anspruch auf eine Rente von Fr. 50'000.-- pro Jahr erwarben, jedoch beim Ersten, dem diese Rentenleistungen am 1. Januar 2002 ausbezahlt würden, die Rente von Fr. 50'000.-- für das laufende Jahr sowie die Nachzahlung von Fr. 250'000.-- mit Fr. 50'000.--; beim Zweiten, dem diese Rentenleistungen am 30. Juni 2002 ausbezahlt würden, die Rente für ein halbes Jahr in der Höhe von Fr. 25'000.-- sowie die Nachzahlung von Fr. 275'000.-- mit Fr. 50'000.--, beim Dritten, dem diese Rentenleistungen am 31. Dezember 2002 ausbezahlt würden, die Nachzahlung von Fr. 300'000.-- mit Fr. 50'000.-- zur Satzbestimmung herangezogen würde.


Dies würde bedeuten, dass je später im Jahr die Rentennachzahlung erfolgen würde, das zur Satzbestimmung herangezogen Einkommen aus den Invalidenrentenleistungen um so tiefer ausfallen würde.


Eine solche unterschiedliche Behandlung lässt sich sachlich nicht begründen und würde eine unzulässige Verletzung der Rechtsgleichheit führen.


Der Wortlaut von Art. 37 DBG gibt somit offensichtlich nicht den wahren Sinn wieder, der dieser Bestimmung zukommen muss. Sie kann nur so verstanden werden, dass eine laufende Rente bei der Berechnung des satzbestimmenden Einkommens nach Art. 37 DBG nicht als übrige Einkünfte zu der Jahresrente der Rentennachzahlung aufgerechnet wird, sondern bei der Feststellung der Jahresrente als Kapitalabfindung für wiederkehrende Leistungen miteinzubeziehen ist. Im vorliegenden Fall sind demnach zur Bemessung des satzbestimmenden Einkommens das Durchschnittseinkommen der dem Beschwerdeführer von der Pensionskasse der X AG ausgerichteten Nachzahlung der Invalidenrente für die Zeit vom 1. März 1996 bis 30. Juni 2002 von Fr. 214'912.-- sowie der Renten für die Zeit vom Juli bis Dezember 2002 von insgesamt Fr. 19'452.-- zu berücksichtigen. Die Beschwerde ist somit in dieser Hinsicht gutzuheissen.


3. Weiter ist zu prüfen, ob für die Rentenleistungen für die Zeit vom 1. März 1996 bis 31. Dezember 2001 ein Rentenfreibetrag von 20% zu gewähren ist.


a) Gemäss Art. 204 DBG gilt für Renten und Kapitalabfindungen aus beruflicher Vorsorge, die entweder vor dem 1. Januar 1987 zu laufen beginnen oder fällig werden, oder die vor dem 1. Januar 2002 zu laufen beginnen oder fällig werden und auf einem Vorsorgeverhältnis beruhen, das am 31. Dezember 1986 bereits bestanden hat, folgende Übergangsregelung: Renten werden besteuert zu 80%, wenn die Leistungen, auf denen der Anspruch des Steuerpflichtigen besteht, mindestens zu 20% vom Steuerpflichtigen erbracht worden sind.


b) Der Beschwerdeführer macht geltend, im Einsprache-Entscheid werde die Nichtgewährung des Rentenfreibetrages damit erklärt, dass die Auszahlung erst im Jahr 2002 erfolgt sei. Somit sei altes Recht anwendbar. Damit sei er ganz und gar nicht einverstanden. Tatsache sei, dass er bereits seit März 1996 einen rechtmässigen Anspruch auf die Rente gehabt habe, d.h. auch in der Zeit als das alte Recht noch gültig gewesen sei. Zudem sei der ganze Prozess der Abklärung des rückwirkenden IV-Anspruchs und anschliessendem rückwirkendem Pensionskassen Anspruch äusserst langwierig und von ihm zeitlich nicht beeinflussbar gewesen. Dem schliesst sich die Steuerverwaltung in ihrer Vernehmlassung an.


c) In casu ist aufgrund der Rentenmeldung vom 23. August 2002 das versicherte Ereignis am 1. Januar 1994 eingetreten. Die Leistungen waren nach Ablauf der Wartefrist ab dem 1. März 1996 fällig geworden. Demzufolge ist gemäss Art. 204 DBG einen Freibetrag von 20% auf die Rentenzahlung gerechtfertigt unabhängig davon, ob die Auszahlung der Leistungen erst Jahre später erfolgt ist, das heisst nach dem 1. Januar 2002. Der Auszahlungszeitpunkt ändert nichts am Beginn der Leistungspflicht und darf deshalb den Steuerpflichtigen nicht benachteiligen. Aus den erwähnten Gründen ist der Beschwerde in diesem Punkt gutzuheissen.


Entscheid Nr. 115/2004 vom 29.10.2004



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