05-111 Berufliche Vorsorge: Abzugsfähigkeit von Beiträgen im unterobligatorischen Bereich

Im unterobligatorischen Bereich des BVG kann eine berufliche Vorsorge nicht schon dann als unangemessen bezeichnet werden, wenn das relativ geringe Erwerbseinkommen betragsmässig bereits von der AHV/IV vollständig gesichert wird. Mit dem in der beruflichen Vorsorge zusätzlich versicherten Lohn - ohne AHV-Koordinationsabzug - können kaum die im Vorsorgefall notwendigen Lebenshaltungskosten gedeckt werden, weshalb die reglementarisch vorgesehenen Vorsorgebeiträge auch steuerlich akzeptiert werden können.



Sachverhalt:

1. Die Steuerpflichtigen machten in ihrer Steuererklärung 2003 einen Abzug von Fr. 4'768.-- für Beiträge der Ehefrau an die Säule 3a und einen Abzug von Fr. 23'771.-- für Beiträge der Ehefrau an die 2. Säule geltend. Gemäss Lohnausweis betrug der Bruttolohn der Ehefrau im Jahre 2003 Fr. 12'220.--. Die Steuerverwaltung kürzte in der definitiven Veranlagungsverfügung der Direkten Bundessteuer 2003, Nr. B 03/11, vom 27. April 2004 den Abzug für Beiträge der Ehefrau an die Säule 3a auf Fr. 2'160.-- und strich den Abzug für Beiträge der Ehefrau an die 2. Säule. Insgesamt erklärte sie Fr. 259'283.-- zum steuerbaren Einkommen.


2. Dagegen liessen die Steuerpflichtigen mit Schreiben vom 21. Mai 2004 Einsprache erheben, welche die Steuerverwaltung mit Einsprache-Entscheid vom 5. November 2004 teilweise guthiess. Sie akzeptierte den Abzug für Beiträge der Ehefrau an die Säule 3a in der deklarierten Höhe von Fr. 4'768.--. Hingegen lehnte sie den Abzug für Beiträge der Ehefrau an die 2. Säule mit der Begründung ab, dass der geltend gemachte Einkauf in die Pensionskasse (…) (Pensionskasse X) nicht BVG-konform sei. Das steuerbare Einkommen reduzierte sie auf Fr. 256'675.--.


3. Mit Beschwerde vom 25. November 2004 liessen die Steuerpflichtigen begehren, dass der Einsprache-Entscheid zur Direkten Bundessteuer 2003 vom 5. November 2004 aufzuheben sei, dass das steuerbare Einkommen neu auf Fr. 232'904.-- festzusetzen sei und dass die Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin vorgenommen werden solle.


4. In ihrer Vernehmlassung vom 12. Juli 2005 begehrte die Steuerverwaltung die Abweisung der Beschwerde.



Aus den Erwägungen:

2. Gemäss Art. 81 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) sind die von den Arbeitnehmern und Selbständigerwerbenden an Vorsorgeeinrichtungen nach Gesetz oder reglementarischen Bestimmungen geleisteten Beiträge bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden abziehbar. Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob die Beiträge der Ehefrau an die Pensionskasse X nach Gesetz oder reglementarischen Bestimmungen geleistet worden sind und in der Folge steuerlich zum Abzug zuzulassen sind.


a) Laut Art. 2 Abs. 1 BVG unterstehen Arbeitnehmer, die das 17. Altersjahr überschritten haben und bei einem Arbeitgeber einen Jahreslohn von mehr als Fr. 25'320.-- beziehen (Art. 7 Abs. 1 BVG i.V.m. der Verordnung 03 über die Anpassung der Grenzbeträge bei der beruflichen Vorsorge vom 30. Oktober 2002 [Vo BVG-Grenzbeträge]), der obligatorischen Versicherung. Gemäss Art. 4 BVG können sich jedoch auch Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende, die nicht der Versicherungspflicht unterstellt sind, bei einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge versichern lassen. Die Bestimmungen über die obligatorische Versicherung sind in diesem Fall sinngemäss anwendbar.


Nach Art. 8 BVG i.V.m. der Vo BVG-Grenzbeträge ist der Teil des Jahreslohnes von Fr. 25'320.-- bis und mit Fr. 75'960.-- zu versichern. Der versicherte Lohn entspricht somit dem um den Koordinationsabzug von Fr. 25'320.-- verminderten Jahresgehalt. Die Versicherung des Bruttolohns der steuerpflichtigen Ehefrau von Fr. 12'220.-- scheint demzufolge nicht möglich zu sein. Nach Abzug von Fr. 25'320.-- ist kein versicherbarer Lohn mehr vorhanden. Art. 6 BVG hält jedoch fest, dass es sich bei Art. 8 BVG um eine Mindestvorschrift handelt. Diese erfüllt jede umhüllende Vorsorgeeinrichtung, wenn sie den Nachweis erbringen kann, dass sie an Invalide und Hinterlassene Leistungen ausrichtet, die mindestens gleich hoch sind wie die gesetzlichen Mindestleistungen (vgl. Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts [BGE] 127 V 267 E. 4). Vorliegend versichert die Pensionskasse X den Lohn der steuerpflichtigen Ehefrau, obwohl sie ihn nach Gesetz nicht versichern müsste. Somit erbringt sie eine höhere Leistung als gesetzlich verlangt und verstösst nicht gegen Art. 8 BVG.


b) Das Pensionsreglement der Pensionskasse (…) X (…) vom 1. Januar 2001 (Pensionsreglement) hält in Punkt 3.1 Folgendes fest: "In die Kasse werden alle Mitarbeiter aufgenommen, deren Jahresgehalt den Betrag der maximalen einfachen AHV-Altersrente übersteigt. Der Arbeitgeber kann ebenfalls Teilzeitbeschäftigte für die Versicherung anmelden, wenn das auf ein volles Pensum aufgerechnete Teilzeitgehalt den Betrag der einfachen AHV-Altersrente erreicht." Im Jahre 2003 betrug die maximale, einfache AHV/IV-Rente Fr. 25'320.-- (vgl. Monatliche Vollrenten, Skala 44, Gültig ab 1. Januar 2003, www.ahv.ch/Home-D/allgemeines/Renten44/RenAuf.htm ). Die steuerpflichtige Ehefrau hat mit einer Teilzeitstelle von 20% brutto Fr. 12'220.-- verdient. Bei einem Vollpensum hätte sie ein Jahresgehalt von Fr. 61'100.-- erzielt und somit ein Mehrfaches der maximalen einfachen AHV-Altersrente. Sie musste somit in die Pensionskasse X aufgenommen werden.


Der versicherte Lohn entspricht gemäss Punkt 5.3 Pensionsreglement dem um den Koordinationsabzug verminderten massgebenden Jahresgehalt. Er beträgt bei einem Beschäftigungsgrad von 100% mindestens Fr. 30'000.-- für das Personal im Innendienst und Fr. 35'000.-- für das Personal im Aussendienst. Bei Teilzeitbeschäftigten reduzieren sich diese Werte entsprechend ihrem Beschäftigungsgrad. Für 20%-Beschäftigte beträgt der versicherte Lohn somit mindestens Fr. 6'000.-- bzw. Fr. 7'000.--. Der Koordinationsabzug entspricht laut Punkt 5.2 Pensionsreglement 80% der maximalen, einfachen AHV-Altersrente. Bei Teilzeitbeschäftigten wird der Koordinationsabzug mit dem Prozentsatz ihres Beschäftigungsgrades multipliziert. Im vorliegenden Fall beträgt der Koordinationsabzug somit Fr. 4'051.20 (80% x Fr. 25'320.-- x 20%). Wird vorliegend das massgebenden Jahresgehalt von Fr. 12'220.-- um Fr. 4'051.20 vermindert, resultiert der versicherte Lohn der steuerpflichtigen Ehefrau in der Höhe von Fr. 8'169.--. Der zu versichernde Mindestlohn wird somit nicht unterschritten. Die Versicherung der steuerpflichtigen Ehefrau ist folglich in Übereinstimmung mit den reglementarischen Bestimmungen erfolgt.


c) In Abgrenzung zur privaten Vorsorge (dritte Säule) sind gemäss Rechtsprechung für den gesamten Bereich der zweiten Säule, nämlich sowohl für die obligatorische berufliche Vorsorge (Säule 2a) als auch für die sog. weitergehende Vorsorge, die sich in einem über-, unter- oder vorobligatorischen Bereich bewegt (Säule 2b), die Grundsätze der Kollektivität, Solidarität, Planmässigkeit, Angemessenheit und Gleichbehandlung zu beachten (vgl. BGE 2A.408/2002 vom 13. Februar 2004, E. 2.2, www.bger.ch ). Nach dem Grundsatz der Angemessenheit soll die berufliche Vorsorge den Betagten, Hinterlassenen und Invaliden zusammen mit den Leistungen der eidgenössischen Sozialversicherungen die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen. Sie umfasst demnach die wirtschaftliche Sicherung von Arbeitnehmern bei Alter, Invalidität und Tod. Ob eine Vorsorge angemessen ist, ist im Einzelfall zu prüfen: Grundsätzlich soll von der Vorsorgeeinrichtung keine übermässige, höhere als bei voller beruflicher Tätigkeit erzielte Leistung erbracht werden (vgl. BGE 2A.45/2003 vom 29. Juli 2004, E. 3.3, www.bger.ch ).


Nach Eintritt eines Vorsorgefalles würde die Steuerpflichtige zurzeit maximal eine einfache minimale AHV/IV-Rente von Fr. 12'900.-- erhalten. Das derzeitige Jahresgehalt der Steuerpflichtigen ist folglich bereits durch die AHV/IV versichert. Dennoch erscheint es als stossend, im vorliegendem Fall die berufliche Vorsorge als unangemessen zu bezeichnen. Der durch die AHV/IV gesicherte Lohn reicht für die Existenzsicherung nicht aus. Selbst mit dem durch die berufliche Vorsorge zusätzlich gesicherten Lohn von Fr. 8'169.-- sind die lebensnotwendigen Lebenshaltungskosten nur äusserst knapp zu erbringen. Da die berufliche Vorsorge nicht dazu beitragen kann, im Vorsorgefall die gewohnte Lebenshaltung markant zu verbessern, ist ihre Angemessenheit zu bejahen.


d) Einkäufe in Einrichtungen der beruflichen Vorsorge dienen zur Schliessung einer allfälligen Deckungslücke, das heisst der Differenz zwischen dem maximalen Altersguthaben und dem tatsächlichen Betrag des Altersguthabens. Der Einkauf ist somit auf die Leistungen beschränkt, die eine versicherte Person erhalten würde, wenn sie seit dem 17. Altersjahr jedes Jahr Beiträge auf der Grundlage des massgebenden Lohnes geleistet hätte (vgl. Steuer Revue Nr. 2/2001, S. 162). Gemäss Kreisschreiben Nr. 3 der Steuerperiode 2001/2002 vom 22. Dezember 2000 der Eidgenössischen Steuerverwaltung zur direkten Bundessteuer betr. Begrenzung Einkauf BVG sind die Guthaben der Säule 3a bei der Ermittlung der effektiv benötigten Einkaufssumme bei Vorsorgenehmern, die bisher keiner 2. Säule angehörten mit 80 Prozent zum Abzug zu bringen. Das ist aber nur dort gerechtfertigt, wo das Kapital der Säule 3a über den kumulierten "kleinen" Abzug hinausgeht (vgl. Steuer Revue Nr. 2/2001, S. 162). Andernfalls würden Vorsorgenehmer, die bereits einer 2. Säule angehören, ohne ersichtlichen Grund privilegiert. Vorliegend leistet die Steuerpflichtige seit 1997 jährlich Fr. 4'768.-- an eine Säule 3a. In Anbetracht, dass der "kleine" Abzug für Beiträge an die Säule 3a Fr. 6'077.-- beträgt (vgl. Wegleitung zur Steuererklärung 2003 für natürliche Personen, 14. Beiträge an die Säule 3a), wird die effektiv benötigte Einkaufsumme nicht um das Kapital der Säule 3a reduziert.


Das Bundesgesetz über das Stabilisierungsprogramm 1998 hat mit Art. 79a BVG eine Begrenzung des Einkaufs eingefügt. Danach darf die Vorsorgeeinrichtung dem Versicherten den Einkauf in die reglementarischen Leistungen höchstens bis zum oberen Grenzbetrag nach Art. 8 Abs. 1 BVG, multipliziert mit der Anzahl Jahre vom Eintritt in die Vorsorgeeinrichtung bis zum Erreichen des reglementarischen Rücktrittalters, ermöglichen. Der vorliegende Einkaufsbetrag von Fr. 23'771.-- liegt wesentlich unter dem oberen Grenzbetrag von Fr. 75'960.-- und fällt folglich nicht unter diese Beschränkung.


Nach Punkt 6.2 Pensionsreglement kann jedes versicherte Mitglied der Altersversicherung jährlich einmal freiwillige Einlagen leisten, wenn und soweit sein vorhandenes Altersguthaben kleiner ist als das maximale Altersguthaben. Vorliegend wies der Versicherungsausweis 2003 der Pensionskasse X aus, dass das Altersguthaben der Steuerpflichtigen am 1. Januar 2003 erst bei Fr. 1'919.40 lag. Erst durch die Einlage von Fr. 23'771.-- konnte die Deckungslücke geschlossen werden.


Der vorliegende Einkauf entspricht somit dem Gesetz und dem Pensionsreglement. Die Fr. 23'771.-- sind in der Folge zum steuerlichen Abzug zuzulassen. Die Beschwerde ist demzufolge gutzuheissen.


3. Die von Erwerbstätigen geleisteten Prämien und Beiträge an Einrichtungen der gebundenen Selbstvorsorge sind bei steuerpflichtigen Personen, die einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge (2. Säule) angehören, bis höchstens Fr. 6'077.-- abzugsfähig und bei steuerpflichtigen Personen, die keiner Einrichtung der beruflichen Vorsorge (2. Säule) angehören, bis höchstens 20 % des Erwerbseinkommens bzw. bis maximal Fr. 30'384.-- (vgl. Wegleitung zur Steuererklärung 2003 für natürliche Personen, 14. Beiträge an die Säule 3a). Die Steuerpflichtige gehört der 2. Säule an. Ihr Beitrag an die Säule 3a in der Höhe von Fr. 4'768.-- ist somit zum Abzug zuzulassen.


Entscheid Nr. 111/2005 vom 26.8.2005



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