06-045 Besteuerung einer Abgangsentschädigung

Wo eine Abgangsentschädigung keinerlei Vorsorgecharakter aufweist, sondern eine Treueprämie im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellt, kann sie weder § 35 StG noch § 36 StG unterstellt werden.


Die Besteuerung einzelner Raten erfolgt periodengerecht zusammen mit dem übrigen Einkommen.



Sachverhalt:

1. Der Steuerpflichtige ist im Zuge von Restrukturierungsmassnahmen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Als Abgangsentschädigung erhielt er von seinem Arbeitgeber einen Betrag von insgesamt Fr. 100'000.-. Die Auszahlung sollte in drei Tranchen erfolgen. Eine erste Tranche wurde ihm im Jahre 2004 ausbezahlt. In der definitiven Veranlagungsverfügung vom 31. August 2005 für das Jahr 2004 wurde dem Steuerpflichtigen diese Teilauszahlung zum steuerbaren sowie zum satzbestimmenden Einkommen aufgerechnet.


2. a) Gegen diese Veranlagung erhob der Steuerpflichtige mit Schreiben vom 20. September 2005 Einsprache mit der Begründung, die Abgangsentschädigung habe Vorsorgecharakter und sei dementsprechend gestützt auf die Kurzmitteilung Nr. 153 (Ergänzung) gesondert zu einem Steuersatz von 1/10 zu besteuern.


b) Mit Einsprache-Entscheid vom 9. Januar 2006 wies die Steuerverwaltung die Einsprache ab mit der Begründung, laut Kurzmitteilung Nr. 153 (Ergänzung) könnten Abgangsentschädigungen bei vorzeitiger Entlassung infolge Fusion, Neustrukturierung etc. nicht gesondert erfasst, sondern müssten zusammen mit dem übrigen Einkommen besteuert werden. Zudem beziehe der Steuerpflichtige bereits Pensionskassenleistungen. Vorliegend diene die Entschädigung daher nicht der zukünftigen Vorsorge.


3. Gegen diesen Einsprache-Entscheid liess der Steuerpflichtige mit Schreiben vom 8. Februar 2006 Rekurs erheben mit der Begründung, durch den um 21 Monate vorgezogenen Rentenbezug erfahre er eine lebenslängliche Einbusse bei den Rentenbezügen von rund Fr. 9'300.-- pro Jahr, was einer Kürzung von rund 10 % entspreche. Die Abgangszahlung diene ausschliesslich der Deckung einer durch die definitive Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandenen lebenslänglichen Rentenkürzung. Durch die Abgangsentschädigung liesse sich diese unter Berücksichtigung einer angemessenen Rendite über 12 bis 13 Jahre decken. Eine Besteuerung der gesamten Abgangsentschädigung über Fr. 100'000.-- resp. Fr. 94'950 (netto) sei in der Steuerperiode 2004 sachgemäss.


4. Mit Vernehmlassung vom 27. März 2006 beantragte die Steuerverwaltung die Abweisung des Rekurses mit der Begründung, einer Besteuerung der gesamten Abgangsentschädigung im Jahr 2004 widerspreche die Tatsache, dass zwei der insgesamt drei Tranchen erst in den Jahren 2005 und 2006 ausgezahlt würden. Vorliegend komme der Rentensatz nach § 35 nicht in Frage, da die Kapitalabfindung nicht Ersatz für eine lebenslange Rente sei. Zudem sei die Gewährung einer Abgangsentschädigung gemäss dem Personalreglement nicht an einen Vorsorgezweck gebunden. Es müsse sich jedoch um einen Ausnahmefall handeln und im Interesse der Stadt Z sein. Der ins Recht gelegten Vereinbarung des Stadtrates der Stadt Z vom 13. April 2004 könne entnommen werden, dass die Abgangsentschädigung aufgrund der konkreten Umstände des Ausscheidens, der Dauer und Modalitäten des Anstellungsverhältnisses und der persönlichen Absichten des Mitarbeitenden berechnet wurde.



Aus den Erwägungen:

2. Nach § 24 lit. a StG gehören alle Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, namentlich aus einer Beamtung, einem Anstellungs- oder Arbeitsverhältnis oder aus der Erfüllung einer Dienstpflicht, mit Einschluss der Natural- und Nebenbezüge, wie Entschädigungen für Sonderleistungen, Dienstalters- und Jubiläumsgeschenke, Gratifikationen, Provisionen, Tantiemen, Sitzungsentschädigungen, Trinkgelder oder ähnliche Zuwendungen zum steuerbaren Einkommen.


Da die Kapitalabfindung in Höhe von Fr. 100'000.-- eine geldwerte Leistung ist, die in einem Arbeitsverhältnis begründet ist, bildet sie unbestrittenermassen steuerbares Erwerbseinkommen im Sinne von § 24 lit. a StG.


3. Vorliegend ist zu prüfen, ob die dem Rekurrenten im Jahr 2004 anlässlich der Entlassung ausgerichtete erste Tranche der Abgangsentschädigung nach dem auf Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen anwendbaren Rentensatz gemäss § 35 StG zu besteuern sei. Eine Besteuerung nach § 36 StG käme dann in Frage, wenn die Abgangsentschädigung als echte Kapitalleistung mit Vorsorgecharakter einzustufen wäre. Letztlich ist vorliegend auch die Anwendung der in der Kurzmitteilung Nr. 153 (Ergänzung) vom 20. März 1997 vorgesehenen Mischlösung zu prüfen.


a) Gehören zu den Einkünften Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen, so wird nach § 35 StG die Einkommenssteuer unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte und der zulässigen Abzüge zu dem Steuersatz berechnet, der sich ergäbe, wenn an Stelle der einmaligen Leistungen eine entsprechende jährliche Leistung ausgerichtet würde. Als Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen gelten danach einmalige Zuwendungen, die dazu bestimmt sind, einen gesetzlichen, statutarischen, vertraglichen oder testamentarischen Anspruch auf künftige, periodische Leistungen abzugelten, wobei vorausgesetzt ist, dass nebst den wiederkehrenden Einzelleistungen auch die zu Grunde liegende Stammschuld getilgt wird (vgl. Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts [BGE] vom 6. März 2001, E. 4b [2A.50/2000]). Gemäss der Praxis des Steuergerichts ist dieses Normenverständnis indessen zu eng angesichts des mit § 35 StG verfolgten Zwecks, wonach ermöglicht werden soll, eine wiederkehrende und somit periodisch zu besteuernde Leistung im Fall, da sie mit einer einmaligen Kapitalabfindung erbracht wird, sachlich richtig jener Progression zu unterstellen, die anwendbar wäre, wenn anstelle der Einmalzahlung eine jährliche Rente ausgerichtet würde. Die Tarifregelung nach § 35 StG ist demnach nicht nur anwendbar, soweit künftige Teilleistungsansprüche abgegolten werden. Es können grundsätzlich allgemein auch Entschädigungen für in der Vergangenheit begründete Teilzuwendungen miterfasst sein, wenn die vorgesehene periodische Ausrichtung ohne Zutun des Steuerpflichtigen unterblieben ist, diesem also kein Wahlrecht in Bezug auf die Erfüllungsart bzw. den Erfüllungszeitpunkt zustand (vgl. Basellandschaftliche und Baselstädtische Steuerpraxis [BStPra.] XVI, S. 405 f. E. 2a; BGE vom 6. März 2001, a.a.O., E. 4b).


Kapitalabfindungen im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung von Arbeitsverhältnissen können verschiedene Gründe haben. Unter Umständen sind sie "Schmerzensgeld" für die Entlassung, Treueprämie für langjährige Dienstverhältnisse, "Risikoprämie" für die persönliche Sicherheit und berufliche Zukunft, Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen oder Vorruhestandsregelungen, d.h. Ausgleich allfällig entstehender Lücken oder langfristiger Einbussen in der beruflichen Vorsorge (vgl. Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung Nr. 1 vom 3. Oktober 2002). Welche Funktion der Einmalzahlung in den Augen der am Arbeitsverhältnis beteiligten Personen zukommen sollte, ist unter Einbezug der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Der Steuerentscheid [StE] 1998 B. 29.2 Nr. 5).


b) Die strittige Abgangsentschädigung wurde unter anderem laut dem Schreiben der Stadt Z vom 13. April 2004, aufgrund des geltenden Personalreglements ausgerichtet. In Ermangelung einer genaueren Rechtsgrundlage wurden dabei die konkreten Umstände des Ausscheidens, die Dauer und Modalitäten des Anstellungsverhältnisses, die persönlichen Absichten des Mitarbeitenden sowie weitere Aspekte, welche den individuellen Sachverhalt betreffen, z.B. eine teilweise Weiterbeschäftigung oder die Mit- bzw. Übernahme von Mandaten etc. berücksichtigt. Gemäss diesem Personalreglement wird eine Abgangsentschädigung lediglich in Ausnahmefällen und wenn es im Interesse der Stadt Z ist ausgerichtet. Ausserdem kommt sie bei fehlender Zuweisungsmöglichkeit eines anderen Arbeitsbereiches in Betracht. Demzufolge ist die Abgangsentschädigung an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft.


Berücksichtigt wurde dabei auch der Wunsch des Rekurrenten die Abgangsentschädigung in drei Raten auszurichten, um die Steuerprogression zu mildern. Die erste Rate wurde im Jahre 2004 ausgerichtet. Die zweite und dritte Rate in den Jahren 2005 und 2006. Da sich nach § 88 Abs. 1 StG das steuerbare Einkommen nach den Einkünften in der Steuerperiode bemisst, ist der Zeitpunkt der Auszahlung der Abgangsentschädigung massgebend. Daraus folgt, dass die jeweiligen Teilzahlungen den Steuerjahren zuzurechnen sind, in denen sie zur Auszahlung gelangen. Eine Versteuerung der gesamten Abgangsentschädigung im Jahre 2004 zu einem privilegierten Satz nach § 35 StG ist demnach nicht möglich.


c) Nach § 36 Abs. 1 StG werden Kapitalleistungen aus beruflicher Vorsorge sowie aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge im Sinne von § 27 bis Absatz 1 gesondert besteuert. Ebenso unterliegen Kapitalleistungen bei Tod und für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile einer separaten Jahressteuer. Die Steuer wird nach Abs. 2 zu dem Satz berechnet, der sich ergäbe, wenn anstelle der einmaligen Leistung eine entsprechende jährliche Leistung ausgerichtet würde, mindestens aber zum Minimalsteuersatz von 2 %.


Unter § 36 fallen namentlich sämtliche Kapitalleistungen aus den Säulen 1 bis 3a (Alters- und Hinterlassenenversicherung, berufliche Vorsorge bzw. gebundene Selbstvorsorge); alle Todesfallkapitalien, die Ersatzeinkommen darstellen; alle Invaliditätsentschädigungen, die Ersatzeinkommen darstellen (Findeisen in: Nefzger/Simonek/Wenk, Kommentar des Kantons Basel-Landschaft, 36 N 1).


Vorliegend ist festzuhalten, dass keine der oben genannten Arten von Kapitalleistungen vorliegt, da die vom Arbeitgeber entrichtete Abgangsentschädigung, wie bereits oben festgestellt wurde, nicht ausdrücklich an einen Vorsorgezweck nach § 36 StG gebunden ist. Der Rentensatz nach § 36 StG gelangt hier daher nicht zur Anwendung.


d) Zu prüfen bleibt noch, ob die in KM 153 (Ergänzung) vom 20. März 1997 genannte Mischlösung anwendbar ist. Sofern die vom Arbeitgeber ausgerichtete Entschädigung auf der Basis der geleisteten Dienstjahre berechnet wurde, keine Treueprämie oder kein Dienstaltersgeschenk darstellt, sondern allein der zukünftigen Vorsorge dienen soll (in der Regel bei einem Alter zwischen 50 und 60 Jahren), so wird die Abgangsentschädigung beim Steuersatz zwar durch die Zahl der jeweils geleisteten Dienstjahre geteilt, maximal aber durch 10.


Vorliegend basierte die Abgangsentschädigung auf dem Personalreglement der Stadt Z, der weder einen Hinweis auf eine Bemessung nach den geleisteten Dienstjahren noch die Erwähnung eines Vorsorgezwecks enthält. Die Abgangsentschädigung wurde wie schon erwähnt unter Würdigung der konkreten Umstände des Ausscheidens, der Dauer und Modalitäten des Anstellungsverhältnisses, der persönlichen Absichten des Mitarbeitenden sowie unter weiteren Aspekten, die den individuellen Sachverhalt betreffen geleistet. Es handelt sich bei dieser Zahlung somit um eine pauschale Treueprämie ohne Vorsorgezweck, deren Bemessung und Ausrichtung im Ermessen der Stadt Z gelegen hat. Es bestand somit keine Bindung an einen bestimmten Zweck wie z.B. der Vorsorge, was bedeutet, dass das Geld zur freien Verfügung des Rekurrenten stand. Gemäss dem Schreiben der Pensionskasse Y vom 12. Mai 2004 hätte es dem Rekurrenten nach § 17 der Statuten der PK Y vom 20. Oktober 1994 frei gestanden den Betrag von Fr. 100'000.-- vor Eintritt des Vorsorgefalls (Rentenbeginn) in die Pensionskasse einzuzahlen, um die Kürzung dadurch zu mindern. In diesem Fall wäre die Einlage steuerfrei geblieben und erst bei der Auszahlung mit der Rente nach § 24 lit. c StG besteuert worden. Der Rekurrent gab jedoch einer privaten Absicherung den Vorzug. Durch die Auszahlung der Abgangsentschädigung in drei Raten wird auch die Steuerprogression gemildert. Zudem stellt die in KM 153 (Ergänzung) dargestellte Mischlösung eine Abweichung von der gesetzlichen Lösung des Steuergesetzes des Kantons Basel-Landschaft dar. Infolge dessen besteht hier kein Spielraum für eine weitläufigere Interpretation.


4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im Sinne der Erwägungen die Voraussetzungen für eine privilegierte Besteuerung weder nach den §§ 35 und 36 StG gegeben sind noch der Mischlösung in der Kurzmitteilung 153 (Ergänzung) gefolgt werden kann. Die Besteuerung der einzelnen Raten der Abgangsentschädigung hat nach § 24 lit. a StG periodengerecht zusammen mit dem übrigen Einkommen zu erfolgen. Der Rekurs ist daher vollumfänglich abzuweisen.


Entscheid Nr. 45/2006 vom 28.04.2006



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