07-002 Besteuerung von Abgangsentschädigungen im Internationalen Verhältnis

Ein Arbeitnehmer der auch im Ausland tätig ist und nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abgangsentschädigung erhält, welcher nicht der Charakter einer Lohnnachzahlung zukommt sondern Ersatz für den zukünftigen Lohnausfall darstellt, wird nicht anteilig entsprechend der in jedem Land geleisteten Arbeitszeit besteuert. Die Besteuerung erfolgt in solchen Fällen nach dem Wohnsitzprinzip. Des Weiteren unterliegt eine Kapitalabfindung ohne Vorsorgecharakter nicht der privilegierten Besteuerung nach Art. 38 DBG sondern ist zusammen mit dem Einkommen zu versteuern.



Sachverhalt:

1. Der Steuerpflichtige ist im Zuge von Restrukturierungsmassnahmen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, wobei er von seiner Arbeitgeberin, der Z AG, eine Abgangsentschädigung erhielt. In der definitiven Veranlagungsverfügung zur direkten Bundessteuer 2004 vom 24. März 2006 wurde diese Abfindung im Betrag von Fr. 215'200.-- zum steuerbaren Einkommen aufgerechnet und im Rahmen der Festlegung des satzbestimmenden Einkommens im Umfang von Fr. 21'500.-- berücksichtigt.


2. Gegen diese Veranlagung erhob die Vertreterin der Pflichtigen mit Schreiben vom 21. April 2006 Einsprache, u.a. mit dem Begehren, der Betrag der Kapitalabfindung sei auf Fr. 269'304.-- anstelle von Fr. 215'200.-- festzusetzen, und der in Ziffer 7 unter Nettolohn II deklarierte Betrag entsprechend auf Fr. 108'520.-- zu reduzieren, was gemäss Lohnausweis total Fr. 321'156.-- ergebe. Von der so korrigierten Kapitalabfindung seien Fr. 27'860.-- zum Satz von Fr. 9'286.-- zu besteuern und Fr. 241'444.-- in die Steuerhoheit von Grossbritannien auszuscheiden. Zur Begründung führte er an, die Lohnabrechnung des Pflichtigen sei korrigiert worden. Sodann sei die Kapitalabfindung dem Pflichtigen für 29 Dienstjahre entrichtet worden, wovon dieser 3 Jahre in der Schweiz und 26 Jahre in Grossbritannien geleistet habe. Dabei seien je Dienstjahr Fr. 9'286.30 berechnet worden, welche somit Grundlage für die Bestimmung des Steuersatzes darstellten.


3. Die Steuerverwaltung teilte dem Pflichtigen mit Schreiben vom 3. August 2006 mit, dass sie die Veranlagungen zur Staatssteuer 2004 zu Ungunsten des Steuerpflichtigen korrigieren werde (sog. reformatio in peius), da die satzbestimmende Korrektur der von der Z AG an den Pflichtigen geleisteten Abgangsentschädigung zu Unrecht erfolgt sei. Die Abfindung stelle lediglich eine Entschädigung für die Aufgabe der Tätigkeit bei der Z AG dar und unterliege daher nicht der privilegierten Besteuerung nach Art. 38 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 (SR 642.11; DBG). Den Pflichtigen wurde eine Frist von 30 Tagen zur Vernehmlassung gewährt.


4. Mit Eingabe an die Steuerverwaltung vom 2. September 2006 nahm die Vertreterin der Pflichtigen zum Schreiben der Steuerverwaltung vom 3. August 2006 Stellung. Danach sei die Abfindung zu einem überwiegenden Teil für die Dauer der Anstellung in Grossbritannien ausbezahlt worden. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Grossbritannien auf dem Gebiet des Einkommens vom 8. Dezember 1977 (SR 0.672.936.712; DBA CH-GB) dürften Einkünfte, die sich auf diese Zeit beziehen, nicht in der Schweiz besteuert werden. Massgebend für die Steuerhoheit sei nach DBA CH-GB der Zeitraum der Arbeitsleistung, für den die Zahlung entrichtet worden sei. In der Schweiz sei daher nur der Gegenwert für die drei Jahre, während derer er hier gearbeitet habe, zu versteuern. Den Vorsorgecharakter betreffend fügte er hinzu, dass die Abfindung gerade deshalb ausgerichtet worden sei, weil ein Angestellter im Alter des Pflichtigen kaum mehr eine neue Anstellung finden würde. Dadurch entstehe eine sehr grosse Vorsorgelücke.


5. Mit Einsprache-Entscheid vom 6. September 2006 hiess die Steuerverwaltung die Einsprache teilweise gut, indem sie das Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit auf Fr. 108'520.-- reduzierte und die Kapitalabfindung entsprechend erhöhte, diese jedoch nach wie vor vollumfänglich der Schweizerischen Steuerhoheit unterstellte und zu 100 % besteuerte. Zur Begründung führte die Steuerverwaltung aus, die Zuständigkeit der Schweiz ergäbe sich daraus, dass die Kapitalabfindung für den Verlust der Arbeitsstelle entschädigen sollte und die Dienstjahre des Pflichtigen lediglich zur Berechnung der Höhe der Zahlung dienten. Zudem sei die Zahlung durch die Z AG in A. ausgerichtet worden und entstamme daher einer schweizerischen Quelle.


Betreffend den Vorsorgecharakter der Abfindung führte die Steuerverwaltung aus, dass die Beurteilung gemäss den im Kreisschreiben Nr. 1 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 3. Oktober 2002 aufgestellten kumulativen Voraussetzungen erfolgt sei. Da der Pflichtige im Zeitpunkt des Austritts aus dem Unternehmen das 55. Altersjahr nicht vollendet habe, keine Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit ausgemacht werden könne und die Abfindung lediglich den Verlust der Arbeitsstelle abgelte, seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt, und die Kapitalleistung nicht der privilegierten Besteuerung zuzuführen.


6. Mit Eingabe vom 12. Oktober 2006 erhob die Vertreterin der Pflichtigen Beschwerde mit dem Begehren, es seien von der Kapitalabfindung Fr. 27'860.-- zum Satz von Fr. 9'286.-- zu besteuern und Fr. 241'444.-- in die Steuerhoheit von Grossbritannien auszuscheiden.


Zur Begründung führt er betreffend der Zahlung aus, dass diese physisch durch die Z geleistet, dass jedoch aus wirtschaftlicher Sicht deren Vorgängerfirma, die Y belastet worden sei, da diese damals im Rahmen des Sozialplanes Rückstellungen vorgenommen habe, die zusammen mit den entsprechenden Verpflichtungen auf die Folgefirmen übertragen worden seien und daher das Geld aus einer ausländischen Quelle stamme. Ferner verweist er auf eine Urteilsbesprechung von Robert Waldburger in der IFF 2002, wonach Bonuszahlungen bzw. die Einlösung von Optionen an jenem Ort zu versteuern sind, an dem sie erarbeitet wurden. Sodann ist er der Ansicht, dass das Kreisschreiben Nr. 1 der EStV nicht angewendet werden dürfe, da der Pflichtige im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 53 Jahre alt war, eine beträchtliche Vorsorgelücke entstanden sei und die Tatsache, dass der Pflichtige eine eigene Firma gegründet und in diesem Rahmen einige Aufträge hereingeholt habe, nicht als Fortsetzung der Erwerbstätigkeit angesehen werden könne.


7. Die Steuerverwaltung beantragte mit Vernehmlassung vom 21. Dezember 2006 die Abweisung der Beschwerde. Dies begründete sie insbesondere mit dem Zweck der Entschädigung, welcher ihrer Meinung nach darin bestanden habe, den Arbeitnehmer finanziell zu unterstützen und die Folgen des aufgrund fusionsbedingter Restrukturierungen erfolgten Verlustes der Arbeitstelle zu mildern. Die vom Vertreter der Beschwerdeführer zitierten Urteile würden sich hingegen auf Bonuszahlungen beziehen. Diese wiederum würden sich in der Regel jeweils auf ein bestimmtes Geschäftsjahr beziehen und eine Belohnung für das Erreichen eines bestimmten Zieles darstellen. Die Kapitalleistung stelle dagegen eine Abgangsentschädigung dar, welche die Steuerpflicht am Wohnsitz gemäss Art. 3 DBG auslöste. Ferner könne der Einwand, die Kapitalleistung erfolge wirtschaftlich zulasten der Y, nicht gehört werden, da die Z AG im Rahmen der Fusion mit dem Sozialplan auch die finanziellen Mittel übernommen habe.



Aus den Erwägungen:

1. (…)


2. Der Beurteilung unterliegen vorliegend, zum Einen die Frage, ob Art. 15 Abs. 1 des DBA CH-GB in der Weise interpretiert werden müsse, dass eine anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbezahlte Abfindung anteilig entsprechend der in jedem Land geleisteten Arbeitszeit der Steuerhoheit der Schweiz und jener Grossbritanniens zuzuteilen sei. Zum Anderen, ob die Voraussetzungen des Kreisschreibens Nr. 1 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) vom 3. Oktober 2002 erfüllt sind und die Kapitalabfindung daher eine Zahlung mit Vorsorgecharakter darstellt, welche gemäss Art. 38 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG) zu einem privilegierten Satz zu versteuern wäre.


3. In der Schweiz gilt gemäss Art. 3 DBG als allgemeine Regel die Besteuerung aufgrund persönlicher Zugehörigkeit, die sich aus einem steuerlichen Wohnsitz oder Aufenthaltsort in der Schweiz ergibt. Zum Zeitpunkt der Auszahlung der Kapitalabfindung im Juni 2004 hatten die Beschwerdeführer ihren Wohnsitz unbestrittenermassen in der Schweiz, weshalb sie grundsätzlich der Steuerhoheit der Schweiz unterstehen.


4. Die Beschwerdeführer sind jedoch der Ansicht, dass dieser Grundsatz im Hinblick auf die am 30. Juni 2004 ausbezahlte Kapitalabfindung in jenem Umfang nicht anwendbar sei, als diese sich auf Arbeitsleistung beziehe, welche in Grossbritannien erbracht wurde.


a) Die Schweiz hat mit über 30 Ländern internationale Staatsverträge zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abgeschlossen, die jeweils weitgehend dem (unverbindlichen) Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entsprechen. Zwischen der Schweiz und Grossbritannien ist in dieser Beziehung das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen von 1977 (DBA CH-GB) massgebend.


In Art. 15 Abs. 1 DBA CH-GB sind die Grundsätze der Zuständigkeiten der beiden Staaten zur Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit geregelt. Danach können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Diesfalls können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Einkünfte aus unselbständiger Arbeit sind dementsprechend grundsätzlich am Wohnsitz des Arbeitnehmers zu besteuern, es sei denn, die Arbeit, für die er den Lohn erhält, wurde im jeweils anderen Vertragsstaat geleistet. Umstritten ist vorliegend, inwieweit Art. 15 Abs.1 DBA CH-GB auf eine Kapitalabfindung, die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses entrichtet worden ist, Anwendung findet.


b) Dem Wortlaut nach gilt die Regelung von Art. 15 Abs. 1 DBA CH-GB jeweils für die aktuelle Steuerperiode. Die Rechtsprechung hat die Anwendung des Artikels indessen auf Fälle ausgeweitet, in denen die Arbeitsleistung und ihre Vergütung zeitlich auseinander fallen. In diesem Zusammenhang erklären die Beschwerdeführer eine Besprechung entsprechender Urteile zu einem integralen Bestandteil ihrer Argumentation (vgl. Waldburger Robert, Rechtsprechung Jahr 2001 [1. Teil], IFF 2002, 143 ff.).


Demnach seien Bonuszahlungen, die im Inland ausgezahlt wurden, sich aber auf Arbeitsleistungen beziehen, welche einige Monate zuvor im Ausland erbracht worden waren, gemäss einem Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Zürich, als unter die Ausnahmeregelung von Art. 15 Abs. 1 DBA CH-GB fallend zu qualifizieren und entsprechend eine anteilige Aufteilung der Steuerhoheit zu bejahen (Entscheid der Steuerrekurskommission I des Kantons Zürich vom 15. Dezember 2000 in: Der Steuerentscheid [StE] 2001 A 32 Nr. 5). In einer umgekehrten Konstellation hat das Bundesgericht die Steuerpflicht in Bezug auf eine Bonuszahlung bejaht, die an eine Person mit Wohnsitz im Ausland für ihre frühere Tätigkeit in der Schweiz geleistet worden war (BGE vom 15. Februar 2001, in: StE 2001 B 11.2. Nr. 6).


Zum selben Ergebnis ist sodann das Steuergericht Basel-Landschaft für Einkünfte aus der Ausübung von Optionsrechten gelangt. Das Gericht sah darin eine Leistung, mittels derer die Tätigkeit der berechtigten Person zwischen dem Zeitpunkt der Einräumung der Option und dem Zeitpunkt ihrer Ausübung honoriert werden sollte (Urteil des Steuergerichts Basel-Landschaft [StGE] Nr. 03/104 vom 10. Oktober 2003).


In allen drei Fällen wurden die geleisteten Zahlungen demnach als nachträgliche Vergütungen von Leistungen angesehen, auf die der Anspruch bereits zum Zeitpunkt der Arbeitstätigkeit entstanden war. Für die Bestimmung der steuerlichen Zuständigkeit ist auf den Zeitpunkt der Realisierung der Einkunft abzustellen. Dies ist im Falle von Forderungen der Zeitpunkt der Fälligkeit bzw. jener Zeitpunkt, in welchem das Einkommen als Forderung rechtlich gültig abgetreten werden kann (BGE vom 3. Juli 1974, in: Archiv des Schweizer Abgaberechts [ASA] 44, 341 ff.). Dieser Auffassung ist beizupflichten, da in Konstellationen, da die Entstehung des Anspruchs bzw. Fälligkeit der Lohnforderung und deren Erfüllung zeitlich auseinander fallen, der ehemalige Tätigkeitsstaat bloss eine Besteuerung nachholt, die ihm aufgrund von Art. 15 Abs.1 DBA CH-GB schon früher vertraglich zugestanden hätte, wenn die Zahlung bereits im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit geleistet worden wäre.


c) Die anhand von Bonuszahlungen und Optionen entwickelte Rechtsprechung kann indessen nicht unbesehen auf Kapitalabfindungen im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung von Arbeitsverhältnissen übertragen werden, da diese aus verschiedenen Gründen, mitunter auch aus Bonusansprüchen heraus, erfolgen können. Unter Umständen sind sie "Schmerzensgeld" für die Entlassung, Treueprämie für langjährige Dienstverhältnisse, "Risikoprämie" für die persönliche Sicherheit und berufliche Zukunft, Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen oder Vorruhestandsregelungen, d.h. Ausgleich allfällig entstehender Lücken oder langfristiger Einbussen in der beruflichen Vorsorge (vgl. Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung Nr. 1 vom 3. Oktober 2002). Kapitalabfindungen können jedoch nur analog zu Bonuszahlungen beurteilt werden, sofern deren Funktion mit derjenigen einer Bonuszahlung vergleichbar ist. Voraussetzung ist daher, dass die Kapitalabfindung eine Form der Lohnnachzahlung darstellt. Nach konstanter Rechtsprechung des Steuergerichts ist die Funktion, welche einer Einmalzahlung in den Augen der am Arbeitsverhältnis beteiligten Personen zukommen sollte, unter Einbezug der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. StE 1998 B 29.2 Nr. 5; StGE 45/2006 vom 28. April 2006).


Vorliegend stellt die im Juni 2004 ausbezahlte Abfindung gemäss dem von den Beschwerdeführern ins Recht gelegten Schreiben der Z AG eine "unter verschiedenen Hilfestellungen" dar, welche im Hinblick auf die Entlassung gewährt wurden. Die Beschwerdeführer stützen sich insbesondere auf die Tatsache, dass die Z AG für die Berechnung der Kapitalabfindung zwischen Dienstjahren in der Schweiz und Dienstjahren in Grossbritannien unterschieden hat. Gemäss den Angaben der Z AG spielte jedoch nur die Dauer des Anstellungsverhältnisses eine Rolle, gemessen an der Anzahl der Dienstjahre. Diese sei neben Alter und Jahresgehalt einer von drei Faktoren, welche zur Berechnung der Höhe der Abgangsentschädigung verwendet worden seien. Der Arbeitsort hatte indessen keinen ersichtlichen Einfluss auf die Höhe der Entschädigung, da jedes Dienstjahr gleich gewichtet wurde. Aus dem zitierten Schreiben geht in keiner Weise hervor, dass es sich bei der fraglichen Kapitalabfindung um eine nachträgliche Vergütung längst fällig gewordener Forderungen handelte, welche ihren Grund in den in Grossbritannien erbrachten Arbeitsleistung hätte. Es deutet mit anderen Worten nichts darauf hin, dass der Anspruch auf die Kapitalabfindung bereits während der Zeit in Grossbritannien entstanden war. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Anspruch aus einem Sozialplan erst im Falle und aufgrund einer Entlassung entsteht und einen künftigen Lohnausfall kompensieren soll. Daher ist keine Form der Lohnnachzahlung, als vielmehr eine Lohnfortzahlung anzunehmen (vgl. StGE Nr. 128/2004 vom 5. November 2004, E. 3b).


d) Liegt der Zweck der Kapitalabfindung nicht in der nachträglichen Erfüllung einer längst fällig gewordenen Forderung aus Arbeitsvertrag, sondern in der Entschädigung für den Wegfall der künftigen Verdienstmöglichkeit, ist die anhand von Bonuszahlungen und Optionen entwickelte Rechtsprechung nicht anwendbar, da der Bezug zu einem Tätigkeitsort fehlt (vgl. Reich Markus, Die Besteuerung von Arbeitseinkünften und Vorsorgeleistungen im internationalen Verhältnis, in: Internationales Steuerrecht in der Schweiz, FS Walter Ryser zum 80. Geburtstag, Bern 2005, 199 f.; sowie für die analoge Bestimmung im DBA CH/BRD: Flick/Wassermeyer/Wingert, DBA Deutschland-Schweiz, Köln 2006, Art. 15 Anm. 7). Diese Konstellation ist weder im DBA CH-GB, noch im Musterabkommen der OECD ausdrücklich geregelt, weshalb in der Lehre diesbezüglich eine Kontroverse besteht. Eine erste Meinung besagt, dass in Fällen, da kein Tätigkeitsstaat vorliegt, eine Entschädigungsabfindung gleichwohl als Einkunft aus unselbständiger Erwerbstätigkeit unter Art. 15 Abs. 1 DBA CH-GB zu subsumieren ist. Da der Bezug zu einem ausländischen Tätigkeitsort fehlt, wird der Wohnsitzstaat für die Besteuerung als zuständig erachtet (vgl. Flick/Wassermeyer/Wingert, DBA Deutschland-Schweiz, Köln 2006, a.a.O.). Eine weitere Meinung besagt, dass eine derartige Zahlung keine Einkunft aus unselbständigem Erwerb darstelle und daher nicht unter Art. 15 DBA CH-GB, sondern unter Art. 21 des Abkommens falle, der für "andere Einkünfte" als jene, die in den Art. 15 - 19 geregelt sind, die steuerliche Zuständigkeit des Wohnsitzstaates vorsieht. Soweit Kapitalabfindungen dennoch unter Art. 15 Abs.1 DBA CH-GB subsumiert würden, müsste die Steuerhoheit gemäss dieser Meinung konsequenterweise aufgeteilt werden (Vgl. Reich Markus, Die Besteuerung von Arbeitseinkünften und Vorsorgeleistungen im internationalen Verhältnis, in: Internationales Steuerrecht in der Schweiz, FS Walter Ryser zum 80. Geburtstag, Bern 2005, a.a.O.).


d) Eröffnet die Auslegung einer Bestimmung in einem Staatsvertrag mehrere vertretbare Möglichkeiten, so ist diese entsprechend einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Völkerrechts aufgrund der Staatensouveränität grundsätzlich restriktiv zu interpretieren, soweit sie den Staaten Pflichten auferlegt (vgl. etwa Doehring Karl, Völkerrecht, 2. neu bearb. Aufl., Heidelberg 2004, 170 f., Rz. 393 ff.). Die Auslegung hat sich somit eng am Wortlaut der auszulegenden Vertragsklausel zu orientieren. Im Vergleich zur allgemeinen Regel der Wohnsitzbesteuerung, stellt die Bestimmung in Art. 15 Abs. 1 DBA CH-GB eine Einschränkung der Steuerhoheit der Schweiz dar, indem sie die Besteuerung in der Schweiz ansässiger Personen durch einen anderen Staat zulässt. Die Bestimmung ist daher eng auszulegen und somit jener Theorie der Vorzug zu geben, welche sich näher an deren Wortlaut orientiert.


Die Gleichsetzung von Kapitalabfindungen, die für einen künftigen Lohnausfall entschädigen sollen, mit solchen, die eine Form der Lohnnachzahlung darstellen, und die damit verbundene Aufgabe des Prinzips, wonach der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung für die Besteuerungszuständigkeit massgeblich ist, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 DBA CH-GB. Dadurch würde die Steuerhoheit der Schweiz in einer Art und Weise eingeschränkt, die sich nicht ohne Weiteres aus der Vertragsbestimmung ergibt. Eine derartige Gleichsetzug würde daher eine extensive Auslegung dieser Bestimmung darstellen, was jedoch mit dem Gebot der restriktiven Interpretation nicht zu vereinbaren wäre. Somit ist jener Meinung der Vorzug zu geben, nach der Kapitalleistungen, die auf die Zukunft hin ausgerichtet sind, mangels Bezug zu einem ausländischen Tätigkeitsort gemäss Art. 15 Abs. 1 DBA CH-GB nach dem Wohnsitzprinzip zu besteuern sind.


5. Die Beschwerdeführer sind sodann der Ansicht, der Kapitalabfindung komme Vorsorgecharakter zu und diese sei daher gemäss Art. 38 Abs. 2 DBG zu einem reduzierten Satz zu besteuern.


a) Gemäss Art. 17 Abs. 2 DBG werden Kapitalabfindungen aus einer mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Vorsorgeeinrichtung oder gleichartige Kapitalabfindungen des Arbeitgebers gesondert nach Art. 38 DBG besteuert. Sie unterliegen einer vollen Jahressteuer, wobei diese zu einem Fünftel der ordentlichen Tarife nach Art. 36 DBG berechnet wird. Eine Umschreibung, welche Kapitalabfindungen des Arbeitgebers als „gleichartig" zu betrachten sind, enthält das DBG nicht. Gemäss Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung Nr. 1 vom 3. Oktober 2002 gelten die Kapitalabfindungen des Arbeitgebers als "gleichartig", wenn kumulativ nachfolgende Voraussetzungen erfüllt sind: a) die steuerpflichtige Person verlässt das Unternehmen ab dem vollendeten 55. Altersjahr, b) die (Haupt-) Erwerbstätigkeit wird definitiv oder muss aufgegeben werden, c) durch den Austritt aus dem Unternehmen und dessen Vorsorgeeinrichtung entsteht eine Vorsorgelücke.


Weiter haben Abgangsentschädigungen Vorsorgecharakter, wenn sie ausschliesslich und unwiderruflich dazu dienen, die mit den Risiken Alter, Invalidität und Tod verbundenen finanziellen Folgen zu mildern. Dazu gehören beispielsweise freiwillig geleistete Entschädigungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, um die durch den vorzeitigen Austritt entstandenen Lücken in dessen beruflicher Vorsorge zu schliessen.


Im vorliegenden Fall hatte der Pflichtige im Zeitpunkt der Auszahlung der Kapitalleistung weder das 55. Altersjahr vollendet, noch hat er danach die Erwerbstätigkeit aufgegeben. Auch hat er keine Bestätigung einer bezifferten Vorsorgelücke der ihn versichernden Vorsorgeeinrichtung vorzuweisen.


b) Die Beschwerdeführer bestreiten richtigerweise nicht, dass Kreisschreiben für die beurteilende Behörde grundsätzlich als Richtlinie für die Gesetzesanwendung zu betrachten sind. Sie machen jedoch geltend, dass die uniforme Anwendung der Steuerbehörde keine Rücksicht auf die konkreten Umstände ihres Einzelfalls nehme. Dem ist insofern zuzustimmen, als die Steuerverwaltung in der Anwendung der Gesetze an das Gebot der rechtsgleichen Behandlung aus Art. 8 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR. 101; BV) gebunden ist. Dieses enthält jedoch zugleich das Verbot der grundlosen Differenzierung. Das bedeutet, dass jede Abweichung von einer uniformen Praxis durch spezifische Umstände des Einzelfalles begründbar sein muss. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist nur aus triftigen Gründen von einer Verwaltungsweisung abzuweichen (vgl. BGE 130 V 172 E. 4.3.1).


Aufgrund der Substantiierungspflicht hätte es den Beschwerdeführern oblegen, Gründe anzugeben, weshalb im vorliegenden Fall ausnahmsweise von der Anwendung der praxisüblichen Altersgrenze abzusehen sei. Jedoch begründeten sie den entsprechenden Antrag lediglich damit, dass der Pflichtige im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der Auszahlung der Kapitalabfindung 53 Jahre alt war und Arbeitnehmer in diesem Alter kaum mehr eine neue Anstellung finden würden. Darin kann kein triftiger Grund gesehen werden, im Einzelfall von der im Kreisschreiben Nr. 1 der EStV empfohlenen Altersgrenze abzuweichen. Vielmehr entstünde ein Präjudiz für deren generelle Senkung.


c) Da weder Verhalten oder Äusserungen der Arbeitgeberin, noch des beschwerdeführenden Arbeitnehmers dessen Ansicht zu stützen vermögen, wonach die Kapitalabfindung als Vorsorgeausgleich ausbezahlt worden sei, sodann auch die im Kreisschreiben Nr. 1 der EStV festgelegten Kriterien hierfür nicht erfüllt sind, und kein Grund ersichtlich ist, weshalb in diesem Fall ausnahmsweise davon abgewichen werden sollte, ist der Vorsorgecharakter der geleisteten Kapitalabfindung zu verneinen. Der Rentensatz nach Art. 38 Abs. 2 DBG ist daher nicht anzuwenden.


6. Im Übrigen sei anzumerken, dass die Beschwerdeführer, indem sie die anteilsmässige Besteuerung der Kapitalleistung in Grossbritannien einerseits und andererseits deren Qualifizierung als Vorsorgeleistung beantragen, zwei in sich widersprüchliche Rechtsbegehren gestellt haben. Vorsorgeleistungen sind durch einen expliziten Vorbehalt aus dem Geltungsbereich von Art. 15 DBA CH/GB ausgenommen und in Art. 18 DBA CH/GB geregelt. Im Gegensatz zu Art. 15 DBA CH/GB unterstellt Art. 18 DBA CH/GB jedoch Rentenzahlungen gemäss ausdrücklichem Wortlaut der Steuerhoheit jenes Staates, in dem die pflichtige Person im Zeitpunkt der Auszahlung ihren Wohnsitz hat. Da der Pflichtige im Zeitpunkt der Auszahlung der Kapitalabfindung seinen Wohnsitz offenbar in der Schweiz hatte, wäre diese, soweit sie eine Vorsorgeleistung darstellte, vollumfänglich in der Schweiz zu besteuern.


7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass weder die im Juni 2004 ausbezahlte Kapitalleistung einen genügenden Bezug zu der in Grossbritannien geleisteten Arbeit aufweist, um einen ausländischen Tätigkeitsort i.S.v. Art. 15 Abs. 1 DBA CH/GB zu begründen, noch die Voraussetzungen gegeben sind, um die Kapitalleistung als Vorsorgeleistung i.S.v. Art. 17 Abs. 2 DBG zu qualifizieren und gemäss Art. 38 Abs. 2 DBG privilegiert zu besteuern. Die Beschwerde ist daher vollumfänglich abzuweisen.


8. (…)


Entscheid Nr. 002/2007 vom 12.01.2007



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