07-058 Besteuerung eines ohne festen Wohnsitz im Ausland lebenden Ehegatten


Das Steuerrecht kennt einen eigenständigen Begriff des Wohnsitzes welcher sich massgeblich nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen richtet. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmt sich nach der Gesamtheit der objektiven äusseren und tatsächlichen Umstände. Er ist nicht abhängig von der polizeilichen An- bzw. Abmeldung bzw. der Hinterlegung der Schriften. Ein bestehender steuerlicher Wohnsitz kann erst dann aufgehoben werden, wenn der ehemals in der Schweiz angemeldete Steuerpflichtige im Ausland seinen dortigen steuerlichen Pflichten nachkommt bzw. durch die dortigen Steuerbehörden nachweisen kann, dass es sich nicht um einen vorübergehenden Auslandaufenthalt handelt.


Gemäss Kreisschreiben (KS) der Eidgenössischen Steuerverwaltung Nr. 14 vom 29. Juli 1994, von welchen der eine im Inland, der andere im Ausland, jedoch in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, die Einkünfte des im Ausland wohnhaften Ehegatten (obwohl dieser keinen steuerrechtlichen Anknüpfungspunkt mehr zur Schweiz besitzt) zur Satzbestimmung des Einkommens des "inländischen" Ehegatten heranzuziehen.


(Mit Urteil vom 9. April 2008 wies das Kantonsgericht des Kantons Basel-Landschaft eine von der Kantonalen Steuerverwaltung gegen den Entscheid des Steuergerichts vom 6.Juli 2007 erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Steuerverwaltung ab.)


Das Bundesgericht trat mit Urteil vom 3. Februar 2009 ([BGE] Nr. 2C.420/2008, www.bger.ch ), nicht auf die von der ESTV erhobene Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 9. April 2008 ein.



Sachverhalt:

1. Die Ehegatten X. und Y. wohnten bis zum 15. März 2005 gemeinsam in A. (…). Gemäss Wegzugsbescheinigung der Einwohnerkontrolle hat sich der Ehemann am 10. Januar 2005 per 15. März 2005 bei der Gemeinde A. abgemeldet. Als neue Adresse wurde "Weltenbummler" angegeben. Die Ehefrau hingegen behielt ihren Wohnsitz in A. bis zum 15. Februar 2007 und verlegte ihn danach nach B.


2. Mit definitiven Steuerveranlagungen der direkten Bundessteuer 2005 vom 17. November 2006 wurde der Pflichtigen Einkommens- und Vermögensanteile ihres Ehemannes aufgerechnet mit dem Vermerk, "die Steuerpflicht verbleibt solange in A., bis ein neues Steuerdomizil nachgewiesen werden kann. Das Schreiben des Hafenmeisters gilt nicht als entsprechender Nachweis".


3. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 erhob der Vertreter der Pflichtigen Einsprache mit dem Begehren, es seien die aufgerechneten Einkommens- und Vermögensanteile des Ehemannes bei der Ehefrau nicht zu besteuern bzw. freizustellen. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, dass der Ehemann seit der Abmeldung bei der Gemeinde A. per 15. März 2005 sich auf seinem Schiff befände und durch die Weltmeere reise. Der Steuergesetzgeber habe in § 4 StG einen eigenständigen Begriff des Wohnsitzes gewählt und nicht den zivilrechtlichen übernommen. Der steuerrechtliche Wohnsitz definiere sich nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung durch zwei Merkmale: durch den Aufenthalt an einem bestimmten Ort und durch Absicht, dauernd an diesem Ort zu verbleiben. Im vorliegenden Fall seien klarerweise beide Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Ehemann sei seit seiner Abmeldung physisch nicht mehr in A. gewesen, was mittels Logbuch und Visa-Abrechnungen belegt werden könne. Auch fehle es an der Absicht des dauernden Verbleibens in A. Ausserdem habe die Steuerrekurskommission am 26. Juni 1985 entschieden, dass "das fiktive Weiterbestehen des früheren Wohnsitzes" für die steuerrechtliche Domizilwirkung nicht gelte.


4. Mit Einsprache-Entscheid vom 13. März 2007 wies die Steuerverwaltung die Einsprache ab mit der Begründung, dass eine vorübergehende Unterbrechung des tatsächlichen Aufenthaltes am steuerrechtlichen Wohnsitz in der Regel ohne steuerliche Auswirkungen bleibe. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimme sich nach der Gesamtheit der objektiven äusseren und tatsächlichen Umstände. Er sei nicht abhängig von der polizeilichen An- bzw. Abmeldung bzw. der Hinterlegung der Schriften. Gemäss Bundesgerichtsurteil 2A.475/2003 unterstehe ein Steuerpflichtiger so lange der Besteuerung in der Schweiz, bis er einen neuen Wohnsitz im Ausland begründet habe. Er müsse den Nachweis erbringen, dass er im Ausland ordentlich besteuert werde oder von der Besteuerung ordnungsgemäss befreit sei. Die Steuerverwaltung habe keinen Hinweis auf den Besteuerungsanspruch einer anderen Steuerhoheit, weshalb die Besteuerung für die Zeitspanne des Aufenthaltes ausserhalb der Schweiz vorzunehmen sei.


5. Mit Beschwerde vom 12. April 2007 gelangte der Vertreter der Pflichtigen mit dem gleichen Begehren wie in der Einsprache vom 14. Dezember 2006 an das Steuergericht. Zusätzlich zu seinen in der Einsprache vorgebrachten Argumenten führte er aus, dass die Unterbrechung des tatsächlichen Aufenthaltes vom Ehemann nicht von vorübergehender Dauer sei. Der Ehemann sei auch heute und noch bis auf weiteres auf hoher See. Ausserdem sei der angeführte Entscheid der Steuerverwaltung mit dem vorliegend zu beurteilenden Fall nicht zu vergleichen. Auch könne nicht nachvollzogen werden, weshalb die Steuerverwaltung die Registernummer des Ehemannes gestrichen habe und seine Steuerfaktoren nun der Ehefrau zumesse.


6. Mit Vernehmlassung vom 29. Mai 2007 beantragte die Steuerverwaltung die Abweisung der Beschwerde und verwies auf die Begründung im Einsprache-Entscheid vom 13. März 2007. Zusätzlich führt sie aus, dass ein bestehender steuerlicher Wohnsitz erst dann aufgehoben werden könne, wenn der ehemals in der Schweiz angemeldete Steuerpflichtige im Ausland seinen dortigen steuerlichen Pflichten nachkomme bzw. durch die dortigen Steuerbehörden nachweisen könne, dass es sich nicht um einen vorübergehenden Auslandaufenthalt handle. Dieser Nachweis sei jedoch nicht erbracht worden. Es seien nur Dokumente ins Recht gelegt worden, die eine Bezahlung von Gebühren (Hafentaxen) nachweisen. Eine Besteuerung der Steuerobjekte "Einkommen und Vermögen" seien aus den Unterlagen nicht ersichtlich, weshalb von einer vorübergehenden Unterbrechung auszugehen sei. Bezüglich Steuerregisternummer des Ehemannes sei festzuhalten, dass die Ehefrau bis zur Abmeldung des Ehemannes unter seiner Steuerregisternummer geführt wurde. Danach sei der Ehemann unter der neuen Steuerregisternummer der Ehefrau geführt worden, weil er keinen neuen steuerlichen Wohnsitz begründet habe. Aus diesem Grund sei die bis zum Abmeldedatum des Ehemannes gültige Steuerregisternummer gelöscht worden.



Aus den Erwägungen:

1. (…)


2. Der Beurteilung unterliegt im vorliegenden Fall, ob die Steuerverwaltung zu Recht die Aufrechnung der Einkommensanteile des Ehemannes bei die Ehefrau vorgenommen hat.


3. Gemäss Art. 9 Abs. 1 DBG wird das Einkommen der Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, ohne Rücksicht auf den Güterstand zusammengerechnet.


a) Der Begriff der rechtlich und tatsächlich ungetrennten Ehe richtet sich nach dem Kreisschreiben (KS) der Eidgenössischen Steuerverwaltung Nr. 14 vom 29. Juli 1994. Eine getrennte Veranlagung von Ehegatten wird demnach nur zugelassen, wenn die Ehegatten getrennte Wohnsitze bzw. getrennte Wohnstätten haben, keine Gemeinschaftlichkeit der Mittel für Wohnung und Lebensunterhalt besteht und die eheliche Gemeinschaft tatsächlich aufgehoben ist (vgl. Greminger in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht 1/2a, Art. 9 DBG N 7 ff., vgl. Richner/Frei/Kaufmann, Handkommentar zum DBG, Zürich 2003, Art. 9 N 8 ff.). Für eine getrennte Veranlagung müssen diese Merkmale kumulativ erfüllt sein. Getrennte zivil- und steuerrechtliche Wohnsitze allein genügen somit noch nicht zu einer getrennten Veranlagung der Ehegatten (vgl. Richner/Frei/Kaufmann, a.a.O., Art. 9 N 10).


b) Da auch bei getrennten steuerrechtlichen Wohnsitzen der beiden Ehegatten noch nicht von einer tatsächlich getrennten Ehe gesprochen werden kann, ist es denkbar, dass eine rechtlich und tatsächlich ungetrennte Ehe gegeben ist, einer der beiden Ehegatten aber seinen steuerrechtlichen Wohnsitz im Ausland hat. Ob in dieser Situation, in welcher also nicht beide Ehegatten in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig sind, eine gemeinsame Veranlagung stattfindet, hängt von der konkreten Fallkonstellation ab. Haben in ungetrennter Ehe lebende Ehegatten keine gemeinsame Wohnung, besteht aber die gemeinsame Verwendung von Mittel fort und wohnt nur ein Ehegatte in der Schweiz, so ist nur dieser Ehegatten hier unbeschränkt steuerpflichtig, wenn der andere Ehegatte über keinen steuerlichen Anknüpfungspunkt in der Schweiz verfügt (Richner/Frei/Kaufmann, a.a.O., Art. 9 DBG N 22 f., vgl. auch KS Nr. 14, a.a.O., B 1. Ziffer a).


c) Gemäss KS Nr. 14 sind bei Ehegatten, von welchen der eine im Inland, der andere im Ausland, jedoch in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe lebt, die Einkünfte des im Ausland wohnhaften Ehegatten zur Satzbestimmung des Einkommens des "inländischen" Ehegatten heranzuziehen. Auch wenn also ein Ehepaar je eine eigene Wohnung und je einen eigenen Wohnsitz "über die Grenze" hat, darf die Veranlagungsbehörde bis zum Nachweis des Gegenteils durch den in der Schweiz wohnhaften Ehegatten davon ausgehen, es handle sich um eine faktisch ungetrennte Ehe. Das hat zur Folge, dass das Einkommen des im Ausland wohnhaften Ehegatten zur Satzbestimmung für die Besteuerung des Einkommens des "inländischen" Ehegatten berücksichtigt werden muss (KS Nr. 14, a.a.O., B 1. Ziffer b, vgl. Greminger, a.a.O., Art. 9 DBG N 12).


d) Vorliegend steht fest, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin gemäss Wegzugsmeldung vom 10. Januar 2005 der Gemeinde A. sich per 15. März 2005 nach "Weltenbummler" abgemeldet hat, d.h. mit seinem Segelschiff S. durch die Weltmeere reist. Der Ehemann verfügt demnach über keinen steuerlichen Anknüpfungspunkt mehr in der Schweiz, so dass nur die Ehefrau in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig ist. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben also getrennte Wohnsitze. Im Weiteren ist unbestritten, dass die Ehefrau den Ehemann immer wieder auf seinem Schiff besucht und die gemeinsame Verwendung von Mittel weiterhin fortbesteht (siehe Schreiben der Ehefrau vom 16. März 2006, 7. April 2006 und dem Mail der Ehefrau an den Vertreter vom 3. Juli 2007). Demnach ergibt sich, dass die Ehegatten X. und Y. in der vorliegend zu beurteilenden Steuerperiode und bis zum heutigen Tag zwar über getrennte Wohnsitze verfügen, jedoch in einer rechtlich und tatsächlich ungetrennten Ehe leben. Die Steuerverwaltung hätte somit die Einkommensbestandteile des Ehemannes bei der Ehefrau nicht aufrechnen, sondern lediglich zur Satzbestimmung berücksichtigen dürfen.


Die Beschwerde wird somit teilweise gutgeheissen. Die Steuerverwaltung wird angewiesen, die Ehefrau neu zu veranlagen, indem die Einkommensfaktoren des Ehemannes lediglich zur Satzbestimmung zu berücksichtigen sind.


4. (…)


Entscheid Nr. 058/2007 vom 6.07.2007



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