510 09 64 Erbschaftssteuer

Nach der Praxis des Steuergerichts wird die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Erbschaftssteuer um einen Drittel herabgesetzt, wenn das Konkubinat mindestens 5 Jahre gedauert hat.


Die positive Vorwirkung, d.h. die Anwendung eines noch nicht in Kraft gesetzten Gesetzes ist unter Vorbehalt seiner späteren Inkraftsetzung, grundsätzlich unzulässig.


(Mit Urteil vom 10. Juni 2010 trat das Bundesgericht auf eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten vom 25. Mai 2010 mangels Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs nicht ein. Das Bundesgericht führte dazu im Besonderen aus, dass § 183 Abs. 2 StG zwar bestimme, dass das Steuergericht über das Vorliegen eines Härtefalles im Sinne von § 183 Abs. 1 StG endgültig entscheide, durch diese Ausnahme jedoch nicht zu einem oberen Gericht werden würde.
§ 183 Abs. 2 StG sei mit der Anforderung von Art. 86 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG) vom 17. Juni 2005, wonach die Kantone als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte einsetzen, unvereinbar.
Die Sache wurde zur weiteren Behandlung an das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verwaltungs- und Verfassungsrecht überwiesen.)


(Mit Urteil vom 15. Juni 2011 wies das Kantonsgericht des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerde ab. Das Kantonsgericht führte u. a. aus, dass die Praxis des Steuergerichts als Voraussetzung für eine Reduktion der Bemessungsgrundlage ein mindestens 5 Jahre dauerndes Konkubinatsverhältnis unmittelbar vor dem Tod des Erblassers zu fordern, sachgerecht erscheine und neu auch explizit in § 12 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über die Erbschafts- und Schenkungssteuer (ESchtG) vom 7. Januar 1980, welcher seit dem 1. Juli 2010 in Kraft ist, geregelt sei.
Dabei sei der Nachweis eines gemeinsamen Wohnsitzes einschliesslich der damit verbundenen Führung eines gemeinsamen Haushalts als unabdingbar vorauszusetzen. Dies, zumal das qualifizierte Konkubinat einzig dadurch von einem blossen freundschaftlichen Verhältnis objektiv unterschieden werden könne. Den Beschwerdeführer analog einem eingetragenen Partner des Erblassers ganz von der Steuerpflicht zu befreien, käme einer unzulässigen positiven Vorwirkung des Bundesgesetzes über die eingetragene Partnerschaft (PartG) vom 18. Juni 2004 gleich.)



Sachverhalt:

1. a) Am 26. Mai 2005 verstarb Herr A. und hinterliess als gesetzliche Erben seine Tochter und seinen Sohn. Den Pflichtigen setzte er als Erben ein.


b) Mit Gesuch vom 14. Januar 2009 und Nachtrag zum Gesuch vom 27. April 2009 an die Taxationskommission des Kantons Basel-Landschaft beantragte der Vertreter des Pflichtigen sinngemäss, es sei bei der Veranlagung zu Gunsten des Pflichtigen als langjährigen Lebenspartner des Erblassers in Berücksichtigung von § 183 StG von einer Steuer abzusehen bzw. diese zu reduzieren.


Auf die Begründung wird - soweit erforderlich - in den Erwägungen eingegangen.


2. Mit Entscheid vom 13. Mai 2009, eröffnet am 22. Juni 2009, wies die Taxationskommission das Gesuch um Reduktion der Erbschaftssteuer ab.


Auf die Begründung wird - soweit erforderlich - in den Erwägungen eingegangen.


3. Dagegen erhob der Vertreter des Gesuchstellers mit Schreiben vom 31. Juli 2009 Rekurs mit den sinngemässen Begehren, 1. es sei auf den Rekurs einzutreten, 2. auf die persönliche Befragung des Gesuchstellers werde verzichtet, soweit das Gesuch angenommen werde, 3. es sei der Tatbestand einer registrierten Partnerschaft, d.h. eine steuerbefreiende, ähnliche Situation anzuerkennen, 4. es sei somit von einer Steuererhebung abzusehen, 5. eventualiter sei die Steuer um 90 % zu reduzieren und 6. unter o/e-Kostenfolge.


Auf die Begründung wird - soweit erforderlich - in den Erwägungen eingegangen.


4. Mit Vernehmlassung vom 9. Dezember 2009 beantragte die Taxationskommission die Abweisung des Rekurses.


Auf die Begründung wird - soweit erforderlich - in den Erwägungen eingegangen.


5. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 ersuchte das Steuergericht den Vertreter des Pflichtigen mit Frist bis zum 11. Januar 2010 um Einreichung von Wohnsitzbestätigungen des Pflichtigen für die Jahre 2000-2005 sowie für Herrn A. betreffend die Jahre 2000 bis zu seinem Tode.


6. An der heutigen Verhandlung hielten die Parteien an ihren Anträgen fest.



Aus den Erwägungen:

1. (…)


2. Im vorliegenden Fall unterliegt der Beurteilung, ob der Pflichtige gestützt auf § 183 StG von der Erbschaftssteuer zu befreien oder dieselbe um 90 % zu reduzieren ist, wie dies der Vertreter des Pflichtigen geltend macht.


3. Gemäss § 183 Abs. 1 StG kann die kantonale Taxationskommission im Einschätzungsverfahren oder das Steuergericht im Rekursverfahren von der gesetzlichen Ordnung in angemessener Weise abweichen, wenn sich bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen in Einzelfällen eine sachlich ungerechtfertigte Belastung ergibt. Diese Bestimmung verleiht demnach der Taxationskommission und dem Steuergericht die Befugnis, in Fällen besonderer Härte die Steuerleistung niedriger anzusetzen, als die allgemeinen Regeln dies verlangen, um auf diese Weise Unbilligkeiten der gesetzlichen Ordnung auszugleichen bzw. die allzu harten Folgen einer an sich gesetzeskonformen Veranlagung zu mildern. Aufgrund des in Art. 127 Abs. 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) verankerten Grundsatzes der gesetzmässigen Besteuerung ist indessen bei der Anwendung dieses Ausnahmerechts grosse Zurückhaltung angezeigt (Entscheid des Steuergerichts [StGE] Nr. 168/2005 vom 18. November 2005, E. 3; StGE Nr. 85/2005 vom 24. Juni 2005, E. 3a).


a) Als Härtefälle im Sinne von § 183 StG können nach konstanter Praxis nur solche in Betracht kommen, für die die gesetzliche Regelung zu einer ungerechtfertigten, stossenden Belastung führt, weil der Gesetzgeber für den in Frage stehenden ganz speziellen Fall die steuerlichen Konsequenzen seiner Normierung nicht vorausgesehen hat. Neben dieser aus dem Gesetz sich ergebenden objektiven Härte muss auch eine solche in subjektiver Hinsicht vorliegen, d.h. die steuerliche Mehrbelastung muss sich für den Steuerpflichtigen als unbillig erweisen. Je nach Steuerart und Fallgruppe ist dabei dem subjektiven Moment unterschiedliches Gewicht beizumessen. Während bei der Einkommenssteuer aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip heraus der subjektiven Härte eine mitentscheidende Bedeutung zugemessen werden muss, rechtfertigt es sich, bei den Erbschaftssteuern die Annahme eines Härtefalles allein vom Bestehen einer objektiven Härte abhängen zu lassen (vgl. Entscheid der Steuerrekurskommission [heute: Steuergericht] [RKE] Nr. 32/2000 vom 14. April 2000, E. 3; StGE 168/2005 vom 18. November 2005, a.a.O., E. 3a). Bei jeder Anwendungsprüfung des § 183 StG handelt es sich um eine Einzelfallabwägung, die auf den individuellen Verhältnissen basiert (vgl. zum Ganzen: StGE Nr. 9/2003 vom 7. März 2003, E. 3a).


b) Für die Beurteilung des Falles ist das damals geltende Erbschaftssteuergesetz anwendbar, da der Todestag des Erblassers als Stichtag massgebend ist (vgl. Entscheid des Steuergerichts [StGE] vom 3. Juli 2009, 510 09 18 , E. 3b).


Gemäss § 12 Abs. 1 des Gesetzes vom 7. Januar 1980 über die Erbschafts- und Schenkungssteuer (ESchStG) beträgt der Steuersatz der Erbschafts- und der Schenkungssteuer in Prozenten: für Eltern und Stiefkinder [(0,11 x Vermögensanfall in Franken) + 800 Fr.) : (Vermögensanfall in Franken + 50'000 Fr.)] x 100 (lit. b); für voll- und halbbürtige Geschwister, Grosseltern und Stiefgrosskinder das Eineinhalbfache des Steuersatzes gemäss Buchstabe b (lit. c); für Urgrosseltern, Schwiegerkinder, Schwiegereltern und Stiefeltern das Zweifache des Steuersatzes gemäss Buchstabe b (lit. d); für Onkel und Tante, Neffe und Nichte das Zweieinhalbfache des Steuersatzes gemäss Buchstabe b (lit. e); für Grossonkel und Grosstante, Grossneffe und Grossnichte, Vetter und Base das Dreifache des Steuersatzes gemäss Buchstabe b (lit. f), für alle übrigen Empfänger das Vierfache des Steuersatzes gemäss Buchstabe b (lit. g). In § 9 ESchStG wird sodann die Befreiung von der Erbschafts- und Schenkungssteuer geregelt und bezüglich der natürlichen Personen festgehalten, dass Ehegatten sowie direkte Nachkommen des Erblassers von der Erbschaftssteuer befreit sind.


c) Nach dem basellandschaftlichen Erbschaftssteuerrecht richten sich demnach sowohl die Steuerpflicht als auch die Steuersätze nach dem Verwandtschaftsgrad der steuerpflichtigen Person zum Erblasser. Aus den vorgenannten einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich zunächst, dass sowohl gleichgeschlechtliche Paare wie auch Konkubinatspaare nicht von der Erbschaftssteuer befreit sind und auch nicht zu einem privilegierten Steuersatz, sondern zum Tarif für Nichtverwandte besteuert werden. Wie das Steuergericht schon verschiedentlich festgehalten hat, ist angesichts dieser klaren und differenzierten gesetzlichen Ausgestaltung eine Veranlagung einer Erbschaft bei gleichgeschlechtlichen Paaren sowie Konkubinatspaaren zu einem privilegierten Steuersatz unter Anwendung des Härteparagraphen abzulehnen, da es nicht Sache des Steuergerichts ist anstelle des Gesetzgebers neue Steuersätze zu schaffen.


Nach der Praxis des Steuergerichts stellt jedoch die Erhebung der vollen Erbschaftssteuer wie für Nichtverwandte bei einem gleichgeschlechtlichen Paar oder einem Konkubinat, das zumindest fünf Jahre gedauert hat, eine unbillige Härte im Sinne von § 183 Abs. 1 StG dar (vgl. Basellandschaftliche Steuerpraxis [BStPra.] XIII, 86 ff; XIV, 539 ff; RKE Nr. 32/2000 vom 14. April 2000, a.a.O.), welche es rechtfertigt, die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Erbschaftssteuer um einen Drittel herabzusetzen.


4. Im vorliegenden Fall macht der Vertreter des Pflichtigen geltend, dass der Pflichtige und der Erblasser seit dem Jahre 1979 bis zum Tode des Erblassers am 26. Mai 2005 ein Paar gewesen seien, weshalb von einer Erbschaftssteuer abzusehen oder dieselbe zu reduzieren sei. Mit Schreiben vom 18. Januar 2010 reichte der Vertreter des Pflichtigen die vom Steuergericht einverlangten Wohnsitzbestätigungen für die Jahre 2000-2005 sowie weitere Unterlagen ein. Den Wohnsitzbestätigungen ist zu entnehmen, dass der Pflichtige vom 31. Dezember 1998 bis zum 15. September 2000 in der Gemeinde B. und vom 2. November 2000 bis zum 17. Juli 2001 in C. angemeldet war. Danach ist der Pflichtige in den Kanton D. gezogen, wo er heute noch wohnhaft ist. Der Erblasser hingegen war gemäss Wohnsitzbestätigung der Gemeinde E. vom 18. Dezember 2001 bis zu seinem Tode am 26. Mai 2005 in E. wohnhaft. Wie bereits erwähnt, muss für die Steuerreduktion die Voraussetzung eines mindestens fünf Jahre dauernden Konkubinats unmittelbar vor dem Tod des Lebenspartners bestanden haben. Dieser Nachweis ist naturgemäss nur mit einem gemeinsamen Mietvertrag, einer Wohnsitzbestätigung oder Zeugen zu erbringen. In casu hat der Pflichtige mit den eingereichten Wohnsitzbestätigungen diesen Beweis unbestrittenermassen nicht erbringen können. Auch die anlässlich der Verhandlung zusätzlich eingereichten Unterlagen, wie z.B. die Bussen vom 14. und 15. April 2004 oder der Brief des Erblasser an den Pflichtigen datiert vom 31. März 2005, vermögen lediglich zu beweisen, dass der Pflichtige mit dem Erblasser in regelmässigem Kontakt stand, erbringen jedoch nicht den Nachweis an eine fünfjährige, eheähnliche Beziehung.


Aus diesen Gründen hat die Taxationskommission zu Recht eine Reduktion des Steuersatzes gemäss § 183 StG verneint, weshalb der Rekurs in diesem Punkt abzuweisen ist.


5. a) Der Vertreter des Pflichtigen macht ausserdem geltend, dass keine Zweifel bestehen würden, dass sich der Pflichtige und der Erblasser registrieren hätten lassen, wenn diese rechtliche Möglichkeit schon vor dem Tode des Erblassers bestanden hätte. Leider sei der Erblasser vor der Einführung des Partnerschaftsgesetzes verstorben. Nach der Einführung des Gesetzes seien die eingetragenen gleichgeschlechtlichen Paare nicht mehr mit den Konkubinaten vergleichbar, sondern würden einem verheirateten Paar gleichgestellt werden. Erbschaftssteuerlich würde dies bedeuten, dass die eingetragenen Partner von der Erbschaftssteuer befreit seien. Mit der Annahme des Partnerschaftsgesetzes rechtfertige es sich, dass in casu die gleichgeschlechtlichen Paare, welche sich noch nicht eintragen konnten, als "quasi Paare" anzusehen seien, weshalb von einer Steuerbefreiung auszugehen sei.


b) Durch das Bundesgesetz vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (PartG) werden eingetragene Partnerschaften erbrechtlich den Ehen gleichgestellt. Dieses Gesetz ist per 1. Januar 2007 in Kraft getreten und enthält keine Bestimmung, nach welcher es nach seiner Inkraftsetzung rückwirkend anwendbar wäre. Ebenso ist zu beachten, dass die positive Vorwirkung, d.h. die Anwendung eines noch nicht in Kraft gesetzten Gesetzes unter Vorbehalt seiner späteren Inkraftsetzung, grundsätzlich unzulässig ist (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage Zürich Basel Genf 2006, N. 346 ff.). Aus diesem Grund kann dem PartG keine solche Vorwirkung zukommen, weshalb auch unter diesem Aspekt keine Härte vorliegt und der Rekurs ebenfalls in diesem Punkt abzuweisen ist.


Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass sich die Begehren des Rekurrenten als unbegründet erweisen und der vorliegende Rekurs demnach abzuweisen ist.


6. (…)


Entscheid des Steuergerichts vom 22.01.2010 (510 09 64)



Back to Top