510 09 91 Revision

Die Revision ist ausgeschlossen, wenn aus Nachlässigkeit des Steuerpflichtigen (oder seines Vertreters) wesentliche Sachverhaltselemente im ordentlichen Veranlagungs- oder Rechtsmittelverfahren nicht vorgebracht worden sind oder wenn der Steuerpflichtige bei Prüfung der ihm eröffneten Veranlagung - allenfalls unter Beizug eines Sachverständigen - den Sachverhalts- oder Rechtsirrtum der Behörde sofort hätte entdecken können.


Ein Steuerpflichtiger, welcher die Steuerpflicht in einem Kanton in Kenntnis des kollidierenden Steueranspruchs eines anderen Kantons anerkennt, verwirkt das Beschwerderecht gegen diesen Kanton. Eine solche Anerkennung kann durch ausdrückliche oder stillschweigende Unterwerfung unter die Veranlagung erfolgen, insbesondere dadurch, dass der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Selbsttaxation vorbehaltlos nachkommt oder dass er die rechtzeitige Erhebung einer Einsprache unterlässt.



Sachverhalt:

1. Der Pflichtige, wohnhaft in A., übt eine selbständige Erwerbstätigkeit als Lehrer im Kanton C. (in C. und B.) aus, wo er wie in den vorangehenden Jahren auch besteuert wurde. In der interkantonalen Steuerausscheidung der Steuerverwaltung C. vom 16. Januar 2009 wurde das Einkommen aus der selbständigen Erwerbstätigkeit des Pflichtigen von insgesamt Fr. 43'136.-- zu Fr. 32'352.-- nach B. und zu Fr. 10'784.-- nach C. ausgeschieden.


2. Mit der definitiven Veranlagungsverfügung vom 22. Januar 2009 wurde dem Pflichtigen auch die interkantonale Steuerausscheidung der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft eröffnet, wobei das gesamte Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit des Pflichtigen in Höhe von Fr. 43'136.-- nach A. ausgeschieden wurde.


3. Mit Schreiben vom 29. Juli 2009 erhoben die Pflichtigen gegen diese Veranlagung Einsprache mit dem Begehren, es sei die Veranlagung mit gleichzeitiger Korrektur der Gemeindesteuer A. aufgrund einer Doppelbesteuerung richtigzustellen. Als Begründung machten sie geltend, dass der Kanton Basel-Landschaft das selbständige Erwerbseinkommen des Ehemannes besteuere, obwohl dieses im Kanton C. steuerpflichtig sei. Das Erwerbseinkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit dürfe vom Kanton Basel-Land nur satzbestimmend herangezogen werden.


4. Die von der Steuerverwaltung auch unter dem Aspekt der Revision entgegengenommene Einsprache der Pflichtigen vom 29. Juli 2009 wies die Steuerverwaltung mit Einsprache-Entscheid vom 20. Oktober 2009 ab. Zur Begründung führte sie aus, da die Veranlagung bereits in Rechtskraft erwachsen sei, falle das ordentliche Rechtsmittel der Einsprache weg, weshalb nur noch das ausserordentliche Rechtsmittel der Revision bleibe. Die Revision sei jedoch ausgeschlossen, wenn der Antragssteller als Revisionsgrund vorbringe, was er bei der ihm zumutbaren Sorgfalt schon im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können. Da die Revision verpasste Fristen des Einspracheverfahrens nicht ersetzen könne, sei das Begehren abzuweisen.


5. Mit Schreiben vom 6. November 2009 erhoben die Pflichtigen gegen diesen Einsprache-Entscheid Rekurs mit dem Begehren, der Einsprache-Entscheid der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft vom 20. Oktober 2009 sei aufzuheben und die Veranlagungsbehörde Basel-Landschaft anzuweisen, die unrichtige Einschätzung der Staatssteuer 2007 zu korrigieren, damit die entstandene Doppelbesteuerung aufgehoben werde. Zur Begründung führten sie aus, dass eine rechtskräftige Veranlagungsverfügung gemäss § 132 Abs. 1 lit. b StG revidiert werden könne.


Die selbständige Tätigkeit als Lehrer werde seit mehr als 30 Jahren hauptsächlich in B. ausgeübt und daher C. zur Besteuerung zugewiesen. Die Steuerrechnung mit Ausscheidung zur kantonalen Steuer C. 2007 vom 20. Januar 2009 sei fachmännisch geprüft und als richtig anerkannt worden. Als wenige Tage später die definitive Veranlagung Basel-Land 2007 eingetroffen sei, hätten die Pflichtigen in gutem Glauben sein dürfen, dass auch diese ordnungsgemäss sei und hätten diese deshalb dem Fachmann nicht weitergeleitet. Der Fehler sei erst Ende Juli 2009 im Zuge der Ausfertigung der Steuererklärung 2008 entdeckt und dem Veranlagungsbeamten telefonisch mitgeteilt worden. Es dürfe nicht sein, dass eine ordnungsgemässe Deklaration mit einer "Busse" von rund Fr. 5'000.-- bestraft werde, weil die Veranlagungsbehörde einen Fehler begehe.


6. Mit Vernehmlassung vom 11. Februar 2010 beantragte die Steuerverwaltung die Abweisung des Rekurses, wobei sie zur Begründung des Antrags im Wesentlichen auf den Einsprache-Entscheid vom 20. Oktober 2009 verwies.


7. Anlässlich der heutigen Verhandlung hielten die Parteien an ihren Anträgen fest.



Aus den Erwägungen:

1. (…)


2. a) Gemäss § 122 Abs. 1 StG können der Steuerpflichtige und, bezüglich der Staats- und Gemeindesteuer, die Gemeinden innert 30 Tagen nach der Eröffnung der Veranlagung bei der kantonalen Steuerverwaltung schriftlich Einsprache erheben.


Die Einsprache ist ein ordentliches verwaltungsinternes Rechtsmittel.


Bei den durch die Verwaltungsbehörden veranlagten Steuern werden die Veranlagungsverfügungen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist regelmässig formell rechtskräftig. Formelle Rechtskraft der Verfügung bedeutet Unanfechtbarkeit: Der Steuerpflichtige kann die Verfügung nicht mehr mit einem Rechtsmittel anfechten. Die Veranlagungsverfügungen sind ausserdem auch für die Steuerbehörde rechtsbeständig, was bedeutet, dass die Steuerbehörde sie von sich aus nicht mehr abändern darf (Höhn/Waldburger, Steuerrecht Bd. I, Bern/ Stuttgart/Wien, 9. Aufl., 2001, § 36 N. 3; Jürg Martin, Leitfaden für den Erlass von Verfügungen, Zürich, 1996, S. 185; Entscheid des Steuergerichts [StGE] Nr. 9/1995 vom 6. Januar 1995). Begründet wird die erschwerte Abänderbarkeit solcher Verfügungen mit dem Gebot der Rechtssicherheit und damit, dass sie aufgrund eines Veranlagungs- oder Ermittlungsverfahrens ergehen, bei dem der Sachverhalt besonders eingehend untersucht wird, und sie das Steuerrechtsverhältnis ähnlich einem Urteil für einen zeitlich abgeschlossenen und einmaligen Sachverhalt regeln. Auf einen Veranlagungsentscheid kann daher nur ausnahmsweise zurückgekommen werden, nämlich dann, wenn ein gesetzlicher Revisionsgrund erfüllt ist (vgl. Entscheid des Bundesgerichts [BGE] 121 II 273, E. 1 bb, www.bger.ch ).


b) Um einen Ausgleich zwischen den Rechtsgrundsätzen der Rechtssicherheit und der materiellen Rechtmässigkeit herbeizuführen, haben Gesetzgeber und Praxis verschiedene Korrektur- und Ausgleichsmechanismen entwickelt, welche unter bestimmten Voraussetzungen erlauben, formell und materiell rechtskräftige Verfügungen und Entscheide nachträglich aufzuheben und abzuändern. Im Steuerbereich sind die wichtigsten Behelfe das Nachsteuerverfahren, die Wiedererwägung und die Revision.


Die Revision gibt den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen die Aufhebung/Abänderung einer formell und materiell rechtskräftigen Verfügung bei der verfügenden Behörde verbindlich zu verlangen (vgl. Ziegler in: Nefzger/Simonek/Wenk, Kommentar zum Steuergesetz des Kantons Basel-Landschaft, 132 N 3 und 5).


c) Im vorliegenden Fall wurde den Pflichtigen die definitive Veranlagung der Staatssteuer 2007 per Datum vom 22. Januar 2009 zugestellt. Selbst unter Berücksichtigung einer gewissen Toleranzfrist ist die Einsprache weit nach Ablauf der gesetzlichen Rechtsmittelfrist von 30 Tagen eingereicht worden, weshalb den Pflichtigen der ordentliche Rechtsmittelweg nicht mehr offen steht.


2. a) Es ist daher im Folgenden zu prüfen, ob für die in Rechtskraft erwachsene Staatssteuerveranlagung 2007 ein Revisionsgrund gemäss § 132 StG vorliegt.


Gemäss § 132 Abs. 1 StG kann eine rechtskräftige Veranlagung oder ein rechtskräftiger Entscheid auf Antrag oder von Amtes wegen zugunsten des Steuerpflichtigen revidiert werden, wenn erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel entdeckt werden (lit. a); die erkennende Behörde erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel, die ihr bekannt waren oder bekannt sein mussten, ausser acht gelassen oder in anderer Weise wesentliche Verfahrensgrundsätze verletzt hat (lit. b) oder wenn ein Verbrechen oder Vergehen die Verfügung oder den Entscheid beeinflusst hat (lit. c). Zweck der Revision ist es somit, einen ursprünglichen Mangel der Veranlagung zu beseitigen. Eine Revision ist ausgeschlossen, wenn der Antragsteller als Revisionsgrund vorbringt, was er bei der ihm zumutbaren Sorgfalt schon im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können (Abs. 2).


b) An die Sorgfalt der steuerpflichtigen Person bei der Wahrung ihrer Rechte im Veranlagungsverfahren dürfen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung einige Anforderungen gestellt werden. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie ihre eigenen finanziellen Verhältnisse kennt, und dass sie die Veranlagungsverfügung nach Erhalt überprüft und allfällige Mängel rechtzeitig rügt. Sie kann nicht die Revision verlangen, um im Rechtsmittelverfahren Versäumtes nachzuholen (vgl. BGE vom 21. Mai 1997, E. 3d, in: Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA], Bd. 67, S.398). Insbesondere kann die Revision als ausserordentliches Rechtsmittel nicht mit Einwendungen begründet werden, die im ordentlichen Rechtsmittelverfahren hätten erhoben werden können (BGE 111 1b 210 E. 1 mit Hinweisen, in diesem Sinne auch Vallender in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/2b, Art. 147 DBG N 6). Die Revision ist zum Beispiel ausgeschlossen, wenn aus Nachlässigkeit des Steuerpflichtigen (oder seines Vertreters) wesentliche Sachverhaltselemente im ordentlichen Veranlagungs- oder Rechtsmittelverfahren nicht vorgebracht worden sind oder wenn der Steuerpflichtige bei Prüfung der ihm eröffneten Veranlagung - allenfalls unter Beizug eines Sachverständigen - den Sachverhalts- oder Rechtsirrtum der Behörde sofort hätte entdecken können (vgl. Zweifel/Casanova, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht, § 26 Rz. 54).


3. Vorliegend bringen die Pflichtigen als Revisionsgrund vor, der Kanton Basel-Landschaft besteuere das selbständige Erwerbseinkommen des Ehemannes, obwohl dieses in C. steuerpflichtig und auch dort besteuert worden sei.


Das von der Steuerbehörde festgesetzte steuerbare Einkommen war aus der Veranlagungsverfügung vom 22. Januar 2009 auf den ersten Blick ersichtlich. Den Pflichtigen hätte dementsprechend bei einer Überprüfung der Veranlagungsverfügung auffallen müssen, dass das steuerbare Einkommen von der Steuerverwaltung zu hoch veranlagt worden war. Es wäre den Pflichtigen somit schon im ordentlichen Rechtsmittelverfahren, d.h. innert der Einsprachefrist möglich gewesen gegen die Veranlagungsverfügung vom 22. Januar 2009 Einsprache zu erheben. Bei Unklarheiten wäre es den Pflichtigen zumindest zumutbar gewesen, sich innert der Rechtsmittelfrist an die Steuerverwaltung zu wenden um allfällige Abklärungen zu treffen (vgl. ASA, Bd. 67, S. 398). Da die Revision als ausserordentliches Rechtsmittel nicht mit Einwendungen begründet werden kann, die im ordentlichen Rechtsmittelverfahren hätten erhoben werden müssen, kann vorliegend das Rechtsmittel der Revision nicht bemüht werden.


4. Hat die steuerpflichtige Person die ordentliche 30-tägige Einsprachefrist versäumt und sind wie im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Revision nicht erfüllt, kann eventuell noch die Möglichkeit einer Fristwiederherstellung, i.c. der Einsprachefrist, nach § 5 Abs. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Basel-Landschaft vom 13. Juni 1988 (VwVG BL) vorliegen. Danach kann eine Partei, welche unverschuldet verhindert gewesen ist fristgemäss zu handeln, innert 10 Tagen seit Wegfall des Hindernisses die Wiederherstellung der Frist verlangen.


a) Eine Fristwiederherstellung wird nur gewährt, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass das Fristversäumnis auf unabwendbare, unverschuldete Hindernisse zurückzuführen ist (vgl. Basellandschaftliche Steuerpraxis [BlStPr] Band VI, S. 226, E. 3). Nach der Rechtsprechung ist an den Nachweis der Schuldlosigkeit ein strenger Massstab anzulegen. Eine Wiederherstellung der Frist ist nur zulässig, wenn es dem Beschwerdeführer auch bei Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht möglich gewesen wäre, seine Interessen zu wahren (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2. A. Zürich 2006, § 129 N 32). Es können deshalb nur erhebliche Hinderungsgründe, welche ein fristgerechtes Handeln praktisch verunmöglichen eine Wiederherstellung rechtfertigen. Als Hinderungsgründe gelten etwa ernstliche Erkrankung, Unglücks- oder Todesfälle in der Familie, Militärdienst, nicht vorsehbare Landesabwesenheit und Ähnliches (vgl. Basellandschaftliche und Baselstädtische Steuerpraxis (BStPra), Bd. XVI, S. 222, E. 2b).


Die Wiederherstellung erfolgt nur auf Gesuch hin, d.h. die Rechtsmittelinstanz hat nicht von sich aus zu prüfen, ob ein Wiederherstellungsgrund vorliegen könnte (Entscheid des Steuergerichts [StGE] vom 18. Januar 2008, 510 07 56, E 4a).


b) Im vorliegenden Fall haben die Pflichtigen nicht um eine Fristwiederherstellung ersucht, weshalb in casu die Wiederherstellung der Einsprachefrist nicht in Frage kommt.


5. Die Pflichtigen führen in ihrer Rekursschrift schliesslich sinngemäss aus, es liege eine unzulässige Doppelbesteuerung vor. Hierzu ist zu bemerken, dass ein Steuerpflichtiger, welcher die Steuerpflicht in einem Kanton in Kenntnis des kollidierenden Steueranspruchs eines anderen Kantons anerkennt, das Beschwerderecht gegen diesen Kanton verwirkt. Eine solche Anerkennung kann durch ausdrückliche oder stillschweigende Unterwerfung unter die Veranlagung erfolgen, insbesondere dadurch, dass der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Selbsttaxation vorbehaltlos nachkommt oder dass er die rechtzeitige Erhebung einer Einsprache unterlässt (vgl. Höhn/Mäusli, Interkantonales Steuerrecht, 4. Aufl., Bern/Stuttgart/Wien 2000, § 30 N 11). Es ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass die Pflichtigen sich der Steuerpflicht im Kanton Basel-Landschaft stillschweigend unterworfen haben, wohl haben sie es jedoch unterlassen, gegen die Veranlagungsverfügung zur Staatssteuer 2007 vom 22. Januar 2009 rechtzeitig Einsprache zu erheben, weshalb sie ihr Beschwerderecht aus diesem Grund verwirkt haben.


Aufgrund all dieser Ausführungen erweist sich der Rekurs daher als unbegründet und ist abzuweisen.


6. (…)


Entscheid des Steuergerichts vom 12.03.2010 (510 09 91)



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