510 09 67 Erbschaftssteuern, Anwendung von § 183 StG

Das Basellandschaftliche Erbschaftssteuergesetz sieht keine Regelung vor, die eine dahingehende Differenzierung zulässt, dass nur derjenige Teil der Erbschaft der Besteuerung unterliegt, welcher dem Erben tatsächlich auch zugeflossen ist. Demzufolge unterliegt das gesamte testamentarisch an den Erben zugedachte Erbe der Erbschaftssteuer.


Eine Milderung dieser Folgen, besonders in einem Fall, in welchem die Erbschaft zu einem grossen Teil der deliktischen Handlung des Willensvollstreckers zum Opfer gefallen ist resp. von diesem veruntreut wurde, lässt sich einzig unter Anwendung von § 183 StG erreichen. Nach konstanter Praxis kommen als Härtefälle nur solche in Betracht, für die die gesetzliche Regelung zu einer ungerechtfertigten, stossenden Belastung führt, weil der Gesetzgeber für den in Frage stehenden ganz speziellen Fall die steuerlichen Konsequenzen seiner Normierung nicht vorausgesehen hat. Neben dieser aus dem Gesetz sich ergebenden objektiven Härte muss auch eine solche in subjektiver Hinsicht vorliegen, d.h. die steuerliche Mehrbelastung muss sich für den Steuerpflichtigen als unbillig erweisen. Letztere wird je nach Steuerart unterschiedlich gewichtet.



Sachverhalt:

1. Die Erblasserin, verstorben am 2. Januar 2001, setzte die Rekurrentin mit öffentlicher Urkunde über ein Testament vom 5. Februar 1990 neben anderen als Erbin und gleichzeitig als Testamentsvollstreckerin ein. Im Verhinderungsfalle wurde ihre Tochter und bei deren Verhinderung der instrumentierende Notar mit der Willensvollstreckung beauftragt.


2. Mit Erbschaftssteuerrechnung Nr. B 6-51623.1 vom 1. März 2005 wurde die Pflichtige gemeinsam mit den anderen Erben mit einem Betrag von Fr. 833'814.-- zu einem Steuersatz von 41,87286 % veranlagt.


3. Mit Schreiben vom 15. März 2005 erhob die damalige Vertreterin der Pflichtigen gegen diese Erbschaftssteuerrechnung Einsprache und begehrte es seien nur die erhaltenen Fr. 460'000.-- zu besteuern. Für die restlichen Beträge müsse sich die Steuerverwaltung an den Willensvollstrecker A. halten, welcher auch illegaler Empfänger der Erbschaft sei. Zur Begründung führte die Vertreterin aus, aus den Akten gehe hervor, dass der Willensvollstrecker das Geld der Erbschaft unterschlagen habe und eine Strafuntersuchung gegen ihn laufe. Dem Anwalt der Pflichtigen sei es gelungen, am 2. Dezember 2003 einen Teilbetrag von Fr. 500'000.-- vom Willensvollstrecker zurückzubekommen und dieser habe den Betrag abzüglich seiner Kosten von Fr. 40'000.-- an die Pflichtige weitergeleitet. Diese habe somit Fr. 460'000.-- anstatt des ihr zustehenden Erbanteiles von Fr. 833'814.-- erhalten.


4. Mit Einsprache-Entscheid vom 12. August 2009 wies die Steuerverwaltung die Einsprache ab. Zur Begründung führte sie aus, gemäss dem Inventar der Bezirksschreiberei Arlesheim vom 23. Januar 2001 habe die Erblasserin die Pflichtige oder im Verhinderungsfalle deren Tochter als Willensvollstrecker eingesetzt. Diese hätten das Mandat an den Willensvollstrecker übergeben. Unbestritten seien vorliegend der Wert des Nachlasses und die Höhe des der Pflichtigen zustehenden Erbteils. Fraglich sei einzig, ob der durch die Veruntreuung verursachte Verlust beachtlich für die Steuerverwaltung sei. Der Erbschaftssteuer unterliege der Vermögenserwerb von Todes wegen. Die steuerbaren Zuwendungen würden grundsätzlich zum Verkehrswert im Zeitpunkt des Vermögensübergangs bewertet, welcher der Zeitpunkt des Todes des Erblassers darstelle, da bei einem Erbgang die Erben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes erwerben würden. Daraus folge, dass Umfang und Wert des Nachlasses zu den Werten am Todestag der Erblasserin zu bestimmen seien. Wertänderungen nach dem Todestag seien für die Steuerverwaltung unbeachtlich. Das treffe auch vorliegend zu, weshalb an der Veranlagung festzuhalten sei. Die Pflichtige wurde darauf hingewiesen, dass auch die Möglichkeit bestehe, ein Gesuch an die Taxationskommission einzureichen, welche für die Beurteilung von Härtefällen zuständig sei. Diese könne, sofern sich bei der Anwendung von gesetzlichen Bestimmungen in Einzelfällen eine sachlich ungerechtfertigte Belastung ergebe, von der gesetzlichen Ordnung in angemessener Weise abweichen.


5. a) Mit Schreiben vom 24. August 2009 erhob der Vertreter der Pflichtigen Rekurs mit dem Begehren, die Erbschaftssteuerrechnung vom 1. März 2005 sei aufzuheben und durch eine neue zu ersetzen, unter o/e Kostenfolge. Zur Einreichung der Begründung ersuchte er um eine Frist bis 30. Oktober 2009.


b) Mit Schreiben vom 1. September 2009 teilte das Steuergericht dem Vertreter der Pflichtigen mit, dass er innert der noch laufenden Rechtsmittelfrist eine verbesserte Rekurseingabe einzureichen habe, welches ein Rechtsbegehren sowie eine Begründung zu enthalten habe, woraus ersichtlich sei, in welchem Sinne und inwieweit der Einsprache-Entscheid resp. die Steuerveranlagung zu ändern sei.


c) In seiner Begründung beantragte der Vertreter der Pflichtigen mit Schreiben vom 10. September 2009, die von der Pflichtigen zu zahlende Steuer sei auf Fr. 185'443.-- (40,31373 % von Fr. 460'000) zu reduzieren. Auf die Erhebung von Verzugszinsen sei zu verzichten, eventualiter seien die Verzugszinsen zu halbieren. Unter o/e Kostenfolge. Zur Begründung führte der Vertreter aus, der vorliegende Fall sei abnormal und profiliere sich dadurch, dass der Willensvollstrecker das Nachlassvermögen zu mehr als drei Viertel - statt es zu verwalten und zu verteilen - schlicht veruntreut habe. Im Inventar über den Nachlass der Erblasserin vom 23. Januar 2001 sei das Netto-Nachlassvermögen mit Fr. 2'084'535.-- ermittelt worden. Die Erben hätten effektiv und netto nur Fr. 460'000.-- erhalten, nämlich die am 2. Dezember 2003 vom Willensvollstrecker an die Pflichtige ausbezahlten Fr. 500'000.--, abzüglich Fr. 40'000.-- für Kosten der anwaltlichen Vertretung der Pflichtigen. Es stelle sich die Frage, wie mit einem solchen Spezialfall umzugehen sei. Es gehe hier nicht um Schwankungen im Wert einzelner zum Nachlassvermögen gehörender Positionen, sondern darum, dass die den Erben testamentarisch zugewiesenen Anteile am Nachlassvermögen - als Folge deliktischer Handlungen des Willensvollstreckers - zu einem grossen Teil nie auf der Ebene der Erben angekommen sei. Vorliegend habe das Fehlverhalten des Willensvollstreckers dazu geführt, dass die Pflichtige als Folge des Todes der Erblasserin ein Netto-Vermögen von Fr. 460'000.-- erworben habe, die übrigen Erben hätten effektiv überhaupt nichts erworben.


Da der Fall ziemlich lange bei der Steuerverwaltung liegen geblieben sei, rechtfertige es sich auf die Erhebung von Verzugszinsen entweder ganz zu verzichten oder diese zu halbieren.


6. Mit Vernehmlassung vom 16. März 2010 beantragte die Steuerverwaltung die Abweisung des Rekurses. Zur Begründung verwies sie auf den Einsprache-Entscheid und führte ergänzend aus, Gegenstand der Erbschaftssteuer sei der Vermögensübergang an die gesetzlichen Erben und an die eingesetzten Erben und Vermächtnisnehmer. Steuerpflichtig sei damit der einzelne Erbe für seinen Erbteil bzw. der Vermächtnisnehmer für sein Vermächtnis und nicht die Erbengemeinschaft für den ganzen Nachlass; sie werde bei Erbschaften in der Regel auf dem Wert des Vermögensanfalls im Zeitpunkt des Todes des Erblassers berechnet. Steuerbare Zuwendungen würden grundsätzlich zum Verkehrswert im Zeitpunkt des Vermögensübergangs bewertet. Im Falle eines Erbgangs sei dies gemäss Art. 560 Abs. 1 ZGB der Zeitpunkt des Todes, gingen doch im Todeszeitpunkt mittels Universalsukzession und unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf die Erben über, während die Schulden des Erblassers zu persönlichen Schulden der Erben würden. Die Vorbringen des Vertreters der Rekurrentin, das strafrechtlich relevante Fehlverhalten des Willensvollstreckers könne zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage der Erbschaftssteuer auf das tatsächlich Empfangene führen, könne nicht gehört werden. Eine solche Ausnahme sei im Gesetz nicht vorgesehen. Die Überprüfung auf das Vorliegen einer Härte gemäss § 183 StG sei der Steuerverwaltung verwehrt. Dies sei allenfalls und nur auf Antrag der Steuerpflichtigen bis zum Erlass des angefochtenen Einsprache-Entscheides, in die Zuständigkeit der kantonalen Taxationskommission gefallen. Das Steuergericht habe jedoch die gleiche Kompetenz wie die kantonale Taxationskommission, so dass eine Überprüfung auf das Vorliegen eines Härtefalls gemäss § 183 StG erfolgen könne. Sollte das Gericht zum Schluss kommen, dass eine Minderung der Erbschaftssteuer in diesem aussergewöhnlichen Fall vorzunehmen sei, so sei dies einzig unter dem Aspekt der Härte gemäss § 183 StG möglich.


7. An der heutigen Verhandlung hielten die Parteien an ihren Begehren fest.



Aus den Erwägungen:

1. (…)


2. Zur Beurteilung unterliegt vorliegend, ob die Pflichtige den gesamten ihr testamentarisch zugedachten Erbteil zu versteuern hat, oder ob nur derjenige Teil des Nachlasses der Erbschaftssteuer zu unterwerfen ist, welchen sie auch tatsächlich empfangen hat.


a) Gemäss Art. 560 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 (ZGB) erwarb die Pflichtige mit den übrigen testamentarisch eingesetzten Erben die Erbschaft als Ganzes. Art. 560 verbindet den Grundsatz der Universalsukzession mit jenem des sog. eo ipso-Erwerbs. Der Nachlass fällt den gesetzlichen und eingesetzten Erben unmittelbar von Gesetzes wegen, ohne weiteres Hinzutun der Erben oder einer Behörde, zu; Anfall und Erwerb der Erbschaft fallen zusammen. Das Prinzip der Universalsukzession (Gesamtnachfolge) bedeutet, dass mit einem einzigen Vorgang dem Tod (oder der Verschollenerklärung) des Erblassers, alle überhaupt vererbbaren Vermögenswerte, die dem Erblasser im Zeitpunkt des Todes zugestanden hatten, aber auch die Schulden des Erblassers, auf die Erben übergehen (vgl. BSK ZGB II - Schwander Art. 560 N 2). Mit dem Tod der Erblasserin am 2. Januar 2010 ging somit der gesamte Nachlass auf die Erben über.


b) Gemäss § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Erbschafts- und die Schenkungssteuer vom 7. Januar 1980 (ESchStG) unterliegt der Erbschaftssteuer der Vermögenserwerb von Todes wegen (gesetzliche, erbvertragliche und testamentarische Erbfolge, Nacherbeneinsetzung, Vermächtnis und Schenkung auf den Todesfall gemäss den Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB]).


Steuerpflichtig ist nach § 8 Abs. 1 derjenige, welcher gemäss den §§ 1, 2, 6 und 7 Vermögen erwirbt, wobei nach § 15 ESchStG die steuerbaren Zuwendungen zum Verkehrswert im Zeitpunkt des Vermögensüberganges bewertet werden. Für die Erbschaftssteuer haften die Erben solidarisch bis zur Höhe des Empfangenen (§ 10 Abs. 1 ESchStG). Erhoben wird die Steuer auf dem vom Steuerpflichtigen erworbenen reinen Vermögen (§ 13 Abs. 1 ESchStG).


c) Die Erbschaftssteuer ist eine Abgabe anlässlich des Vermögensübergangs von Todes wegen. Sie ist von der bzw. den Personen zu entrichten, welche den Nachlass ganz oder teilweise übernommen haben. Grundlage für die Berechnung der Steuer ist grundsätzlich der Wert des unentgeltlich übertragenen Vermögens (Magnus Hindersmann/Michael Myssen, Die Erbschafts- und Schenkungssteuern der Schweizer Kantone, Köln, 2003, S. 11, N. 24).


Gemäss § 15 ESchStG sind die steuerbaren Zuwendungen im Zeitpunkt des Vermögensübergangs zu bewerten. Dieser Zeitpunkt ist aber nicht nur für die Bewertung massgebend, sondern erhält wegen der aperiodischen Natur der Erbschafts- und Schenkungssteuer die Bedeutung eines allgemeinen Stichtags. Insbesondere wird im gleichen Zeitpunkt auch das Steuerobjekt verwirklicht, und es entsteht - falls nicht eine objektive oder subjektive Steuerbefreiung Platz greift - die Steuerforderung. Durch den Tod des Erblassers wird der Erbgang eröffnet. Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes (zu gesamter Hand) mit dem Tod des Erblassers unmittelbar kraft Gesetzes. Zwar können sie bis zur Erbteilung über die Rechte der Erbschaft nur gemeinsam verfügen; ihre Anteile können sie aber bereits vorher verwerten. Es ist daher gerechtfertigt, für die Erhebung der Erbschaftssteuer grundsätzlich auf die Rechtslage, wie sie bei der Eröffnung des Erbgangs kraft Gesetzes oder kraft Verfügung von Todes wegen unterliegt, abzustellen (vgl. Ramseier, Die basellandschaftliche Erbschafts- und Schenkungssteuer, Liestal 1989, S. 122f.)


d) Für die Erhebung der Erbschaftssteuer hat es vorliegend keine Bedeutung, dass die Pflichtige das ihr testamentarisch zugedachte Mandat der Willensvollstreckung dem damalig instrumentierenden Notar (ebenfalls bereits testamentarisch als Ersatz-Willensvollstrecker an dritter Stelle bestimmt) übertragen hat, welcher sich dann in der Folge nicht gesetzeskonform verhalten hat. Angesichts des bereits hohen Alters der Pflichtigen, denn im damaligen Zeitpunkt war sie bereits 84 Jahre alt, ist diese Entscheidung jedoch nachvollziehbar und kann der Pflichtigen daraus kein Vorwurf gemacht werden. Testamentarisch bestimmt war aber auch, dass im Verhinderungsfalle der Pflichtigen zuerst deren Tochter als Willensvollstreckerin amten solle. Verhinderungsgründe sind bei letzterer hingegen keine geltend gemacht worden. Die Übertragung des Mandats auf den Willensvollstrecker ändert dennoch nichts daran, dass der gesamte Nachlass zunächst auf alle Erben übergegangen ist, was bedeutet, dass diese darüber verfügen konnten. Mit dem Tod der Erblasserin wurde somit die Erbschaftssteuer nach § 1 ESchStG ausgelöst, was vorliegend auch nicht bestritten wird.


Da der Willensvollstrecker die Erbschaft zu einem Grossteil aber veruntreut hat und die Pflichtige nur einen Teil, nämlich anstatt Fr. 833'814.-- nur Fr. 500'000.--- anwaltlich erhältlich machen konnte ist streitig, ob die gesamte Erbschaft zu versteuern ist, oder ob nur derjenige Anteil der Erbschaftssteuer unterliegt, welchen sie auch tatsächlich erhalten hat. Das Basellandschaftliche Erbschaftssteuergesetz sieht keine Regelung vor, die eine derartige Differenzierung zulassen würde. Währenddem in § 10 Abs. 1 ESchStG die Erben solidarisch bis zur Höhe des Empfangenen haften, wird die Steuer nach § 13 Abs. 1 ESchStG auf dem vom Steuerpflichtigen erworbenen reinen Vermögen erhoben. Nach § 15 ESchStG werden die steuerbaren Zuwendungen […] zum Verkehrswert im Zeitpunkt des Vermögensüberganges bewertet. Eine erkennbare Absicht der Verwendung von unterschiedlichen Begriffen lässt sich aus den Materialien zum Erbschaftssteuergesetz nicht entnehmen. Aus der Tatsache, dass das Basellandschaftliche Erbschaftssteuergesetz für die Umschreibung der zu versteuernden Erbschaft verschiedene Begriffe verwendet, kann jedoch nichts zugunsten der Pflichtigen abgeleitet werden. Dies allein deshalb nicht, weil das Basellandschaftliche Erbschaftssteuergesetz in § 1 Abs. 1 ESchStG einen klaren Verweis auf das Schweizerische Zivilgesetzbuch enthält. Ein Spielraum zur Gesetzesauslegung ist nur insoweit gegeben, als dies vom Erbrecht des ZGB zugelassen wird. Für den vorliegenden Fall bedeutet das ganz unstreitig, dass mit dem Tod der Erblasserin das ihr testamentarisch zugesprochene Vermögen auf sie übergegangen ist, sie darüber verfügen konnte und dass die Steuerverwaltung die Erbschaftssteuerveranlagung gemäss dem Inventar vom 23. Januar 2001 resp. gemäss der ihr testamentarisch zugeteilten Quote von 40 % (Fr. 833'814.--) des Gesamtnachlasses in Höhe von Fr. 2'084'535.20 korrekt vorgenommen hat. Die Veranlagung ist diesbezüglich nicht zu beanstanden.


Die Argumentation des Vertreters der Pflichtigen, die Besteuerung entspreche nicht der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weil die Erbin anstatt der ihr testamentarisch zugesprochenen 40 % des Nachlasses in Höhe von Fr. 833'814.-- nur Fr. 500'000.-- erhältlich machen konnte, kann nicht gehört werden. Wohl ist im Kanton Basel-Landschaft die Erbschaftssteuer als Erbanfallsteuer ausgestaltet. Das bedeutet, dass nicht der Nachlass als solcher, sondern das Vermögen, das jeder einzelne Erbe, Vermächtnisnehmer oder Begünstigte von Todes wegen erwirbt, Gegenstand der Erbanfallsteuer bildet. Dabei ist jeder einzelne Vermögensempfänger Steuersubjekt (vgl. Ramseier, a.a.O., S. 10). Insofern erfolgt eine Besteuerung im Umfang dessen, was dem einzelnen Erben im Todeszeitpunkt des Erblassers zugefallen ist, wobei etwaige Veränderungen resp. Wertschwankungen des Nachlasses ab dem Todeszeitpunkt nicht berücksichtigt werden. Das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit findet im Erbschaftssteuerrecht also dahingehend Berücksichtigung als eine Abstufung der Steuersätze nach Verwandtschaftsgrad zum Erblasser sowie der Höhe der empfangenen Summe vorgenommen wird (vgl. Ramseier, a.a.O. S. 10f.).


Dem Vertreter der Pflichtigen ist beizupflichten, dass vorliegend die Anwendung der gesetzlichen Regelungen zu einem stossenden Resultat führt. Jedoch lässt sich dieses stossende Resultat nicht mit einer seiner Ansicht nach zweckmässigen Auslegung des Gesetzes umgehen. Eine dahingehende Auslegung der gesetzlichen Regelungen des Basellandschaftlichen Erbschaftssteuergesetzes, nämlich dass eine Beschränkung des Steuerobjektes auf das "tatsächlich Erhaltene" vorgenommen würde, ist trotz der erwähnten uneinheitlichen gesetzlichen Terminologie schon aufgrund des Verweises auf das Erbrecht des ZGB gar nicht möglich. Jede Interpretation birgt denn auch die Gefahr der Verfälschung oder Aushöhlung einer Rechtsnorm in sich. Dies legt eine gewisse Zurückhaltung bei der Auslegung nahe: Die Auslegung soll nicht die Gesetzgebung ersetzen (Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, N. 82). Das bedeutet, dass wenn der Gesetzgeber tatsächlich eine Beschränkung des Steuerobjektes beabsichtigt hätte, er dann eine solche Norm geschaffen hätte. Das Fehlen dieser Norm bedeutet aber auch nicht, dass man vorliegend von einer Gesetzeslücke ausgehen kann. Eine Gesetzeslücke wird gemäss neuerer Ansicht in der Literatur als planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes angesehen, welche vom Richter behoben werden darf. Indessen ist vorliegend nicht von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Basellandschaftlichen Erbschaftssteuerrechts auszugehen. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Beschränkung des Steuerobjekts auf das tatsächlich Erhaltene bewusst nicht vorgesehen hat, dies nicht zuletzt deswegen, weil ansonsten der Umgehung der Erbschaftssteuer und somit dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet würde.


Zusammenfassend ist vorliegend festzustellen, dass die Steuerverwaltung in Anwendung des Basellandschaftlichen Erbschaftssteuergesetzes die Erbschaftssteuer für die testamentarisch verfügte Erbquote von 40 %, was zu einem Erbteil von Fr. 833'814.-- führt, korrekt veranlagt hat.


3. Nichts desto trotz führt die Veranlagung der Erbschaftssteuer auf das gesamte der Rekurrentin testamentarisch zugedachte Vermögen zu einer sachlich ungerechtfertigten Belastung, muss die Erbin auch den Teil ihrer Erbschaft versteuern, den sie nachweislich nicht erhalten hat. Aus diesem Grund ist im Folgenden zu untersuchen, ob in der vorliegenden Konstellation ein Härtefall zu erblicken ist und sich daher die Anwendung von § 183 StG rechtfertigt.


Gemäss § 183 Abs. 1 StG kann die kantonale Taxationskommission im Einschätzungsverfahren oder das Steuergericht im Rekursverfahren von der gesetzlichen Ordnung in angemessener Weise abweichen, wenn sich bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen in Einzelfällen eine sachlich ungerechtfertigte Belastung ergibt.


Diese Bestimmung verleiht demnach der Taxationskommission und dem Steuergericht die Befugnis, in Fällen besonderer Härte die Steuerleistung niedriger anzusetzen, als die allgemeinen Regeln dies verlangen, um auf diese Weise Unbilligkeiten der gesetzlichen Ordnung auszugleichen bzw. die allzu harten Folgen einer an sich gesetzeskonformen Veranlagung zu mildern. Aufgrund des in Art. 127 Abs. 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) verankerten Grundsatzes der gesetzmässigen Besteuerung ist indessen bei der Anwendung dieses Ausnahmerechts grosse Zurückhaltung angezeigt (Entscheid des Steuergerichts [StGE] Nr. 168/2005 vom 18. November 2005, E. 3; StGE Nr. 85/2005 vom 24. Juni 2005, E. 3a).


a) Als Härtefälle im Sinne von § 183 StG können nach konstanter Praxis nur solche in Betracht kommen, für die die gesetzliche Regelung zu einer ungerechtfertigten, stossenden Belastung führt, weil der Gesetzgeber für den in Frage stehenden ganz speziellen Fall die steuerlichen Konsequenzen seiner Normierung nicht vorausgesehen hat. Neben dieser aus dem Gesetz sich ergebenden objektiven Härte muss auch eine solche in subjektiver Hinsicht vorliegen, d.h. die steuerliche Mehrbelastung muss sich für den Steuerpflichtigen als unbillig erweisen. Je nach Steuerart und Fallgruppe ist dabei dem subjektiven Moment unterschiedliches Gewicht beizumessen. Während bei der Einkommenssteuer aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip heraus der subjektiven Härte eine mitentscheidende Bedeutung zugemessen werden muss, rechtfertigt es sich, bei den Erbschaftssteuern die Annahme eines Härtefalles allein vom Bestehen einer objektiven Härte abhängen zu lassen (vgl. Entscheid der Steuerrekurskommission [heute: Steuergericht] [RKE] Nr. 32/2000 vom 14. April 2000, E. 3; [StGE] Nr. 168/2005 vom 18. November 2005, a.a.O., E. 3a). Bei jeder Anwendungsprüfung des § 183 StG handelt es sich um eine Einzelfallabwägung, die auf den individuellen Verhältnissen basiert (vgl. zum Ganzen: StGE Nr. 9/2003 vom 7. März 2003).


b) Vorliegend wird die Pflichtige für einen Teil der Erbschaft besteuert, der ihr zwar testamentarisch zusteht, den sie aber aufgrund des widerrechtlichen Verhaltens des Willensvollstreckers nicht erhalten hat. Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt stellte in seinem Urteil vom 24. September 2007 fest, dass der Willensvollstrecker die Veruntreuung bei Ausübung seiner Tätigkeit als Notar begangen habe und sprach ihn der mehrfachen qualifizierten Veruntreuung schuldig.


In objektiver Hinsicht, ist festzustellen, dass der Gesetzgeber einen Fall, wo eine Person einen Teil des Nachlasses erbt, welches dann zu einem grossen Teil vom Willenvollstrecker veruntreut wird, nicht vorausgesehen hat und dies mit Bestimmtheit auch nicht konnte. Es würde einem deliktischen Verhalten geradezu Vorschub leisten, hätte der Gesetzgeber einen solchen Fall wie den vorliegenden als gesetzlichen Normalfall geregelt.


In subjektiver Hinsicht, auch wenn nicht entscheidend, ist festzustellen, dass sich in Anwendung der gesetzlichen Regelungen des Erbschaftssteuerrechts die steuerliche Belastung der Pflichtigen mit einem Prozentsatz von rund 70 % als unbillig und zugleich konfiskatorisch erweist. Unbillig erweist sie sich schon allein deswegen, weil die Pflichtige auch den Teil ihrer Erbschaft versteuern muss, welcher nachweislich deliktischen Handlungen zum Opfer gefallen ist, was einer doppelten Bestrafung der Pflichtigen gleichkommt, weil sie einerseits aufgrund der Veruntreuung durch den Willensvollstrecker nicht in den Genuss der vollen Erbschaft gekommen ist und andererseits aber auch für den nichterlangten Teil des Erbes eine Erbschaftssteuer zu entrichten hat. Die Belastung des erhältlich gemachten Erbschaftsanteils von Fr. 500'000.-- mit der vollen Erbschaftssteuer in Höhe von Fr. 349'141.-- würde die Intention des Gesetzgebers die subjektiven Gegebenheiten des Einzelfalls (d.h. Besteuerung nach Verwandtschaftsgrad und Höhe des Erbteils) bei Erhebung der Erbschaftssteuer zu berücksichtigen, ausser Acht lassen, worin eine konfiskatorische Komponente zu erblicken ist. Eine solche Besteuerung kommt somit einer besonderen Härte gleich und kann nur unter der Massgabe der Erfüllung der Voraussetzungen von § 183 StG gemildert werden. Die Voraussetzungen der Härtefallklausel des § 183 StG sind vorliegend aufgrund der vorangehenden Ausführungen als erfüllt zu betrachten und die Erhebung der Erbschaftssteuer ist auf die tatsächlich erhaltene Erbschaft in Höhe von Fr. 500'000.-- zu beschränken.


Keine Berücksichtigung finden hingegen die vom Vertreter der Pflichtigen geltend gemachten Anwaltskosten in Höhe von Fr. 40'000.--, da es sich hierbei nicht um Kosten der Teilung der Erbschaft handelt. Die Erhebung der Erbschaftssteuer hat demzufolge auf den erhältlich gemachten Anteil in Höhe von Fr. 500'000.-- zu erfolgen und nicht wie vom Vertreter der Pflichtigen begehrt auf Fr. 460'000.--.


c) Schliesslich bleibt zu bemerken, dass sich ein Vergleich des vorliegenden Falles mit denjenigen Fällen, in denen die Steuerpflichtigen in illegale und unseriöse Anlagegeschäfte investiert haben (sog. Schneeballsystem) nicht aufdrängt und demzufolge die Rechtsprechung zu Fällen, in welchen es um die Beurteilung von Gutschriften aus Schneeballsysteme geht, keine Beachtung findet. Die Rechtsprechung des Steuergerichts wie auch die des Bundesgerichts ist dort sehr restriktiv. So hat das Steuergericht in seinem Entscheid vom 15. Dezember 2006 StGE Nr. 167/2006, E. 4 ausgeführt, dass sobald über eine angezeigte Vermögensvermehrung verfügt worden ist damit steuerrechtlich ein Einkommenszufluss realisiert wurde. Diese Entscheidung ist steuerlich relevant, selbst wenn sie sich im Nachhinein als Fehlspekulation herausgestellt hat. Im Gegensatz zu den "Schneeballsystemfällen" war es vorliegend nicht das Ziel das "Vermögen" anzulegen und zu vermehren, sondern dieses gemäss den Anordnungen von Art. 518 Abs. 1 ZGB bis zur Teilung des Nachlasses durch den Notar verwalten zu lassen. Insofern stand in der vorliegenden Konstellation nicht die Vermehrung des Vermögens unter gleichzeitiger Inkaufnahme eines hohen Risikos im Vordergrund, wie bei der Investition in ein Schneeballsystem, sondern lediglich die Verteilung des Vermögens an die einzelnen Destinatäre.


Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Steuerverwaltung die Pflichtige in Anwendung des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts korrekt veranlagt hat, was jedoch unter Beachtung der gesamten Umstände zu einem stossenden Ergebnis führt. Gemäss den vorangehenden Ausführungen ist in der vorliegenden Konstellation jedoch ein Härtefall nach § 183 StG zu erblicken, weshalb nur derjenige Teil der Erbschaft zu besteuern ist, den die Pflichtige tatsächlich erhalten hat. Der Rekurs ist in Anwendung von § 183 StG teilweise gutzuheissen.


4. Betreffend des Begehrens des Vertreters der Pflichtigen um Reduktion der Verzugszinsen ist lediglich auszuführen, dass diese nunmehr auf die tatsächlich erhaltene Erbschaft von Fr. 500'000.--- zu beschränken ist. In Fällen, in welchen sich die Veranlagung aufgrund von Gründen hinauszögert, welche nicht vorwiegend bei der Steuerverwaltung zu suchen sind, kann der Verzugszins nicht reduziert werden. Der Umstand, dass sich das Verfahren über Jahre hin gezogen hat, liegt v.a. im strafrechtlich relevanten Verhalten des Willensvollstreckers. Demzufolge kann dem Begehren des Vertreters der Pflichtigen nicht entsprochen werden und ist der Rekurs in diesem Punkt abzuweisen.


5. Die Rekurrentin ist darauf hinzuweisen, dass nur insofern und solange ein Härtefall nach § 183 StG vorliegt, als sie keine weiteren Zahlungseingänge des ihr noch zustehenden Restbetrages von Fr. 333'814.-- aus der ursprünglichen Erbschaft in Höhe von Fr. 833'814.-- verzeichnen kann. Aus diesem Grund wird die Rekurrentin unter Strafandrohung von Art. 292 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB) verpflichtet der Steuerverwaltung direkte oder indirekte Vermögenszugänge in Zusammenhang mit dem Nachlass der verstorbenen B. unverzüglich mitzuteilen.


6. (…)


7. (…)


Entscheid des Steuergerichts vom 16.04.2010 (510 09 67)



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