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Kanton Glarus
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Obergericht
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Urteil
vom 2. Juni 2017
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Verfahren
OG.2017.00018
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A.______ GmbH
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Beschwerdeführerin
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und Beklagte
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gegen
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B.______ AG
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Beschwerdegegnerin
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und
Klägerin
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vertreten durch C.______
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betreffend
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Forderung
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Rechtsbegehren
der Beschwerdeführerin
(gemäss
Eingabe vom 6. April 2017 [act. 1], sinngemäss):
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Der Entscheid des Vermittleramtes
X._____ vom 3. Februar 2017 im Verfahren Nr. 2016/031 (Rektifikat
vom 7. März 2017) sei aufzuheben und es sei die Klage abzuweisen bzw.
die Sache an das Vermittleramt X.______ zurückzuweisen.
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Rechtsbegehren
der Beschwerdegegnerin
(gemäss
Eingabe vom 11. Mai 2017 [act. 12]):
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„1.
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Es
sei auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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2.
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Eventualiter
sei die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen.
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3.
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Alles
unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) zu Lasten der
Beschwerdeführerin.“
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¾¾¾¾¾¾¾¾¾¾¾
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Das
Gericht zieht in Betracht:
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I.
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Das Vermittleramt X.______ hiess
mit Säumnisentscheid vom 3. Februar 2017 im Verfahren Nr. 2016/031
eine Klage der B.______ AG gegen die A.______ GmbH vollumfänglich gut. Es
verpflichtete Letztere unter anderem, der B.______ AG CHF 1‘187.30 nebst
Zins und Kosten zu bezahlen (Vorakten act. 6). Am 7. März 2017
erliess das Vermittleramt zu diesem Entscheid ein Rektifikat. In diesem korrigierte
es einen im Entscheiddispositiv vorhandenen Verschrieb betreffend Kostenauflage
(V-act. 10.1). Gegen diesen Entscheid bzw. das Rektifikat erhob die A.______
GmbH (nachfolgend „Beschwerdeführerin“ bzw. „Beklagte“) mit Eingabe vom
6. April 2017 (act. 1) Beschwerde beim Obergericht. Darin stellte
sie sinngemäss das eingangs aufgeführte Rechtsbegehren. Das Obergericht zog
in der Folge die in dieser Sache ergangenen Akten des Vermittleramts X.______
bei (act. 6-7). Die Beschwerdeantwort der B.______ AG (nachfolgend
„Beschwerdegegnerin“ bzw. „Klägerin“) datiert vom 11. Mai 2017
(act. 12).
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II.
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1.
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Die Beschwerdegegnerin
beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Der Entscheid des
Vermittleramts im Verfahren Nr. 2016/031 sei der Beschwerdeführerin
spätestens am 13. Februar 2017 zugegangen. Die von der
Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift vom 6. April 2017 vorgebrachten
Ausführungen seien daher allesamt verspätet (act. 12
Rz. 4 ff.).
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2.
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Fällt die Schlichtungsbehörde
in Anwendung von Art. 212 ZPO einen Entscheid, so ist dieser aufgrund
der Streitwertgrenze von CHF 2‘000.– mit Beschwerde anfechtbar
(Art. 319 lit. a ZPO). Die Beschwerdefrist beträgt 30 Tage
ab Zustellung des begründeten Entscheids (Art. 321 Abs. 1 ZPO).
Die Zustellung von Vorladungen, Verfügungen und Entscheiden erfolgt durch
eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung
(Art. 138 Abs. 1 ZPO). Eine Empfangsbestätigung im Sinne von Art. 138
Abs. 1 ZPO liegt bei Versand mittels „A-Post plus“ nicht vor. Eine
Zustellung von Vorladungen, Verfügungen und Entscheiden durch A-Post plus
ist daher im Anwendungsbereich der ZPO unzulässig (zur Thematik u.a.: Frei,
BK ZPO, Art. 138 N 4; Huber, DIKE-Komm. ZPO, Art. 138
N 24 f.; BGer, 2C_430/2009 vom 14. Januar 2010, E. 2.3;
CAN 2015 Nr. 60; OG ZH, PS 140284 vom 2. März 2015,
E. 4.1).
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3.
a)
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Vorliegend hat das
Vermittleramt sowohl die Vorladung zur Schlichtungsverhandlung als auch
seinen Entscheid als auch das dazugehörige Rektifikat nicht per
eingeschriebene Postsendung, sondern mittels A-Post plus versandt
(V-act. 5.1-3, 6.1-3, 9 und 10.1-3). Dies ist nicht zulässig (vgl.
soeben, E. II.2.). Es liegt kein Beweis vor, dass der Säumnisentscheid
(V-act. 6.1) und das dazugehörige Rektifikat (V-act. 10.1) der
Beschwerdeführerin früher als am 6. April 2017, dem Datum der
Beschwerde (vgl. act. 1), zugestellt wurden. Die Beschwerdefrist
konnte daher in Bezug auf den gesamten Entscheid des Vermittleramtes
frühestens an diesem Tag zu laufen beginnen.
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b)
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Der Umstand, dass die
Beschwerdegegnerin am 21. Dezember 2016 Kenntnis vom damals laufenden
Schlichtungsverfahren erhielt (vgl. V-act. 8 S. 5), ändert daran
nichts. Denn die in Art. 138 Abs. 2 ZPO normierte Zustellfiktion
greift entsprechend dem klaren Wortlaut von Art. 138 Abs. 3
lit. a ZPO nur bei nicht abgeholten, eingeschrieben versandten
Postsendungen. Hier aber erfolgten die Zustellungen im gesamten Schlichtungsverfahren
lediglich mittels „A-Post plus“.
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c)
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Nach dem Gesagten hat die
Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben und die Beschwerde hat
sich entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin (act. 12
Rz. 7 ff.) auch nicht auf die mit dem Rektifikat korrigierte
Dispositivziffer 5 zu beschränken.
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III.
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1.
a)
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Die Beschwerdeführerin rügt im
Wesentlichen, der angefochtene Entscheid des Vermittleramtes X.______ sei
nichtig. Vor Ergehen des Rektifikats habe sie keinen Entscheid erhalten. Am
20. Dezember 2016, dem Termin der Schlichtungsverhandlung, sei die bei
ihr für den administrativen Bereich verantwortliche Mitarbeiterin
krankgeschrieben gewesen. Sie verlange, dass die Schlichtungsverhandlung
neu angesetzt werde (act. 1).
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b)
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Mit diesen Ausführungen
beanstandet die Beschwerdeführerin unter anderem sinngemäss sowie zumindest
auf rudimentäre Weise, das Vermittleramt habe sie zu Unrecht als an der
Schlichtungsverhandlung säumig qualifiziert.
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2.
a)
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Das Vermittleramt erwog im
angefochtenen Entscheid, die Beschwerdeführerin sei der
Schlichtungsverhandlung unentschuldigt ferngeblieben (V-act. 10.1
E. III.).
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b)
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Voraussetzung dafür, dass eine
Partei als säumig im Sinne von Art. 206 ZPO gelten kann, ist
insbesondere, dass sie zur Schlichtungsverhandlung gehörig vorgeladen
wurde. Vorladungen zu Schlichtungsverhandlungen müssen eingeschrieben (vgl.
Art. 138 ZPO und vorne, E. II.2.) sowie mindestens zehn Tage vor
dem Erscheinungstermin versandt werden (Art. 134 ZPO). Werden diese
Vorladungsfrist und die Zustellungsform nicht eingehalten, so ist der
Adressat der Vorladung nicht gehörig vorgeladen. Dies stellt eine
Verweigerung des rechtlichen Gehörs dar. Die Vorladung leidet an einem
Nichtigkeitsgrund und hat keine rechtlichen Wirkungen, wenn die vorgeladene
Person zum Termin nicht erscheint (Frei, BK ZPO, Art. 134 N 9 und
Art. 133 N 22 f. m.w.H.).
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3.
a)
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Vorliegend datiert die
Vorladung zur Schlichtungsverhandlung vom 13. Dezember 2016. Sie wurde
folglich frühestens an diesem Tag versandt. Der Versand erfolgte mittels
A-Post plus. Als Termin für die Schlichtungsverhandlung nennt die Vorladung
den 20. Dezember 2016 (zum Ganzen: V-act. 5.1).
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b)
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Die gesetzliche Vorladungsfrist
wie auch die Zustellungsform wurden also in casu nicht eingehalten.
Entsprechend den vorstehenden Erwägungen ist daher festzustellen, dass der
angefochtene Säumnisentscheid infolge nicht gehöriger Vorladung nichtig
ist. In Gutheissung der Beschwerde ist der angefochtene Entscheid wegen
Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör
(Art. 53 ZPO) aufzuheben. Die Sache ist zur Neuansetzung respektive
Wiederholung der Schlichtungsverhandlung und zu neuem Entscheid an das
Vermittleramt X.______ zurückzuweisen (Art. 327 Abs. 3
lit. a ZPO). Dieses wird dabei insbesondere die vorstehenden Ausführungen
betreffend Zustellung, Zustellfiktion sowie Zeitpunkt der Vorladung zu
berücksichtigen haben. Am Rande sei noch bemerkt, dass, falls das
Vermittleramt ein allfälliges Nichterscheinen zur Schlichtungsverhandlung
mit Ordnungsbussen zu sanktionieren gedenkt (vgl. V-act. 10.1
E. III.), es solcherlei jedenfalls vorgängig androhen müsste (BGE 141
III 265). Das Vermittleramt wird zudem sein Vorladungsformular zur Schlichtungsverhandlung
auch insofern ändern müssen, als dass darin die Säumnisfolgen vollständig
wiederzugeben sind. Bei Säumnis der beklagten Partei an der
Schlichtungsverhandlung kann das Vermittleramt nämlich entgegen der bei den
Akten liegenden Vorladung (V-act. 5.1-5.3) nicht nur die
Klagebewilligung ausstellen (Art. 209 Abs. 1 ZPO i.V.m.
Art. 206 Abs. 2 ZPO), sondern bei vermögensrechtlichen
Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 5‘000.– den Parteien
auch einen Urteilsvorschlag unterbreiten (Art. 210 Abs. 1
lit. c ZPO i.V.m. Art. 206 Abs. 2 ZPO) oder bei solchen mit
einem Streitwert bis zu CHF 2‘000.– auf – noch in der Schlichtungsverhandlung
zulässigem – Antrag der klagenden Partei einen Entscheid fällen
(Art. 212 ZPO i.V.m. Art. 206 Abs. 2 ZPO; vgl. hierzu
bereits den ebenfalls das Vermittleramt X.______ betreffenden Entscheid des
Obergerichtspräsidenten vom 30. Oktober 2015 im Verfahren
OG.2015.00054, E. III.3.). Ein blosser Verweis auf den Gesetzestext genügt
dabei nicht.
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IV.
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1.
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Da das Beschwerdeverfahren
nicht durch ein fehlerhaftes Verhalten der Klägerin oder der Beklagten
veranlasst wurde, sind die Kosten desselben auf die Gerichtskasse zu nehmen
(Art. 107 Abs. 2 ZPO).
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2.
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Parteientschädigungen für das
Beschwerdeverfahren sind keine zuzusprechen: Der Beschwerdeführerin nicht,
weil sie keine solche beantragt hat (vgl. act. 1 und 10 sowie
Art. 105 Abs. 1 ZPO e contrario), der Beschwerdegegnerin nicht,
da es für eine Entschädigung aus der Staatskasse an einer entsprechenden
gesetzlichen Grundlage fehlt und kein Ausnahmetatbestand (z.B.
unzutreffender Zuständigkeitsentscheid, Rechtsverzögerung) vorliegt
(Art. 107 Abs. 2 ZPO e contrario i.V.m. Art. 95 Abs. 1
ZPO und Art. 76 Abs. 2 GOG; zum Ganzen:
BGE 142 III 110, E. 3 ff. und BGE 140 III 385,
E. 4.1 m.w.H.).
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____________________
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Das
Gericht erkennt:
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1.
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Der Entscheid des
Vermittleramtes X.______ vom 3. Februar 2017 sowie das dazugehörige
Rektifikat vom 7. März 2017 im Verfahren Nr. 2016/031 werden
vollumfänglich aufgehoben.
Die Sache wird zur Wiederholung
der Schlichtungsverhandlung im Sinne der Erwägungen und gegebenenfalls zu
neuer Entscheidung an das Vermittleramt X.______ zurückgewiesen.
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2.
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Die Gerichtskosten für das
Beschwerdeverfahren werden auf die Gerichtskasse genommen.
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3.
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Für das Beschwerdeverfahren
werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
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4.
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Schriftliche Mitteilung an:
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