Verwaltungsgericht

Urteil vom 22. August 2017

Es wirken mit:

Oberrichterin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Stöckli

Gerichtsschreiber Schaad

In Sachen

A.___

 

Beschwerdeführer

 

gegen

 

 

Bau- und Justizdepartement vertreten durch die Motorfahrzeugkontrolle

 

Beschwerdegegner

 

 

betreffend     Führerausweisentzug


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. Mit Verfügung vom 18. Mai 2017 wurde A.___ (in der Folge: Beschwerdeführer) der Führerausweis aller Kategorien, Unterkategorien und Spezialkategorien vorsorglich entzogen, weil er am 5. Mai 2017 einen Personenwagen unter Drogeneinfluss (THC minimal 1,82 μg/L) geführt hatte und ihm die Abklärung seiner Fahreignung mittels einer verkehrsmedizinischen Untersuchung an der Universität Zürich in Aussicht gestellt. Von der Möglichkeit, innert 10 Tagen zum vorsorglichen Entzug und zum geplanten Vorgehen Stellung zu nehmen, machte der Beschwerdeführer keinen Gebrauch. Den Führerausweis stellte er der Motorfahrzeugkontrolle (MFK) am 31. Mai 2017 zu.

 

2. Am 29. Juni 2017 verfügte die MFK namens des Bau- und Justizdepartementes (BJD), der vorsorgliche Entzug vom 18. Mai 2017 werde aufrechterhalten und der Beschwerdeführer werde einer verkehrsmedizinischen Untersuchung an der Universität Zürich, Institut für Rechtsmedizin, Verkehrsmedizin, zugewiesen. Die Verfügung wurde dem Beschwerdeführer am 5. Juli 2017 zugestellt.

 

3. Mit Schreiben vom 16. Juli 2017 (Postaufgabe: 19. Juli 2017, Eingang: 20. Juli 2017) erhob A.___ Beschwerde und stellte den Antrag, die Verfügung vom 29. Juni 2017 aufzuheben. Er bedaure sehr, die 10-tägige Einspruchsfrist verpasst zu haben. Er sei aber momentan sehr durch private Umstände und die neu angetretene Arbeit ausgelastet. Er habe den beiden Gesetzeshütern geglaubt, die ihm versichert hätten, er müsse sich nach 18 Jahren Gesetzestreue bei diesem ersten Vorfall keine Sorgen machen. Am Wochenende vor der Polizeikontrolle habe er erfahren, dass er die Probezeit erfolgreich bestanden habe und dies gefeiert. Zudem seien Magen-Darm-Probleme hinzugekommen. Neu arbeite er in Ostermundigen in einem 7x24 Stunden Betrieb und sei eigentlich dringend auf ein Fahrzeug angewiesen. Privat habe er im letzten halben Jahr sehr viele Schicksalsschläge ertragen müssen. Beide Eltern hätten mit Herz- und Blutkreislaufbeschwerden zu kämpfen. Da es um Leben und Tod seiner Familienmitglieder gehe, hoffe er, es sei nachvollziehbar, dass er nicht in der vorgegebenen Zeit reagiert habe.

 

II.

 

1. Die angefochtene Verfügung ist dem Beschwerdeführer am 5. Juli 2017 am Postschalter in Grenchen zugestellt worden. Die Rechtsmittelfrist beträgt nach § 67 Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG, BGS 124.11) zehn Tage und beginnt mit der Eröffnung zu laufen. Nachdem die angefochtene Verfügung dem Beschwerdeführer am 5. Juli 2017 zugestellt worden war, begann die Rechtsmittelfrist gemäss Art. 142 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) am folgenden Tag zu laufen und endete am 15. Juli 2017. Da es sich dabei um einen Samstag handelte, verlängerte sich die Frist gemäss Art. 142 Abs. 3 ZPO bis zum nächsten Montag und endete deshalb am Montag, 17. Juli 2017. Nach langjähriger Praxis des Verwaltungsgerichts (SOG 1977 Nr. 38) gelten die Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) über den Stillstand der Fristen (Art. 145 f ZPO; Stillstand vom 15. Juli bis 15. August) auch im Verwaltungsgerichtsverfahren, so dass die Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde und auf sie einzutreten ist.

 

2.1 Nach Art. 14 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01) müssen Motorfahrzeugführer über Fahreignung und Fahrkompetenz verfügen. Über Fahreignung verfügt, wer unter anderem frei von einer Sucht ist, die das sichere Führen von Motorfahrzeugen beeinträchtigt (Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG). Drogensucht wird nach der Rechtsprechung bejaht, wenn die Abhängigkeit von der Droge derart ist, dass der Betroffene mehr als jede andere Person der Gefahr ausgesetzt ist, sich ans Steuer eines Fahrzeugs in einem – dauernden oder zeitweiligen – Zustand zu setzen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet. Im Interesse der Verkehrssicherheit setzt die Rechtsprechung den regelmässigen Konsum von Drogen der Drogenabhängigkeit gleich, sofern dieser seiner Häufigkeit und Menge nach geeignet ist, die Fahreignung zu beeinträchtigen (vgl. BGE 127 II 122 E. 3a und c mit Hinweisen). Dabei darf auf fehlende Fahreignung geschlossen werden, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, Betäubungsmittelkonsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, oder wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass er im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt (Urteil des BGer 1C_365/2013 vom 8. Januar 2014 E. 3; BGE 129 II 82 E. 4.1; 127 II 122 E. 3c; 124 II 559 E. 3d und 4e). Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, so wird diese einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen, namentlich bei Fahren unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder bei Mitführen von Betäubungsmitteln, die die Fahrfähigkeit stark beeinträchtigen oder ein hohes Abhängigkeitspotential aufweisen (Art. 15d Abs. 1 lit. b SVG). Nach Art. 30 der Verkehrszulassungsverordnung (VZV, SR 741.51) kann der Führerausweis vorsorglich entzogen werden, wenn ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person bestehen.

 

2.2 Das Bundesgericht hält zum vorsorglichen Entzug fest, angesichts des grossen Gefährdungspotentials, welches dem Führen eines Motorfahrzeuges eigen sei, erlaubten schon Anhaltspunkte, die den Fahrzeugführer als besonderes Risiko für die anderen Verkehrsteilnehmer erscheinen liessen und ernsthafte Zweifel an seiner Fahreignung erweckten, den vorsorglichen Ausweisentzug. Der strikte Beweis für die Fahreignung ausschliessende Umstände sei nicht erforderlich; wäre dieser erbracht, müsste unmittelbar der Sicherungsentzug selbst verfügt werden. Könnten die notwendigen Abklärungen nicht rasch und abschliessend getroffen werden, solle der Ausweis schon vor dem Sachentscheid provisorisch entzogen werden können und brauche eine umfassende Auseinandersetzung mit sämtlichen Gesichtspunkten, die für oder gegen einen Sicherungsentzug sprächen, erst im anschliessenden Hauptverfahren zu erfolgen. Der vorsorgliche Entzug des Führerausweises bilde während eines Sicherungsentzugsverfahrens zum Schutz der allgemeinen Verkehrssicherheit die Regel (Urteil des BGer 1C_177/2013 vom 9. September 2013 E. 3; BGE 127 II 122 E.5; BGE 125 II 396 E. 3).

 

2.3 Der von der Polizei am 5. Mai 2017 durchgeführte Drogenschnelltest fiel positiv aus, worauf der Beschwerdeführer zur Blut- und Urinentnahme ins Spital Aarberg gebracht worden ist. Die chemisch-toxikologische Untersuchung der am 6. Mai 2017 um 00:55 Uhr entnommenen Blutprobe ergab einen Tetrahydrocannabinol (THC)-Wert von mindestens 1.82 µg/L (vgl. forensisch-toxikologischer Abschlussbericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern vom 12. Mai 2017).

 

2.4 Gemäss der Verkehrsregelnverordnung (VRV, SR 741.11) gilt eine Fahrunfähig­keit (im Sinne von Art. 31 Abs. 2 i.V.m. Art. 55 Abs. 7 lit. a SVG) grundsätzlich als erwiesen, wenn im Blut des Fahrzeuglenkers Tetrahydrocannabinol (Cannabis) nachgewiesen wird (Art. 2 Abs. 2 lit. a VRV). Gemäss der Verordnung des ASTRA (VSKV-ASTRA, SR 741.013.1) zur Strassenverkehrskontrollverordnung (SKV, SR 741.013) gelten das Betäubungsmittel Cannabis im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. a VRV als nachgewiesen, wenn der Messwert für THC (Cannabinoide) im Blut den Grenzwert von 1,5 µg/L erreicht oder überschreitet (Art. 34 lit. a VSKV-ASTRA).

 

2.5 Der beim Beschwerdeführer ermittelte THC-Wert von mindestens 1.82 lag somit über dem Grenzwert von Art. 34 lit. a VSKV-ASTRA. Dies reicht bereits aus für einen vorsorglichen Sicherungsentzug. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einem THC-Wert im Blut von mindestens 1.82 µg/L angehalten worden ist, bestätigt den Verdacht, dass er nicht in der Lage ist, den Betäubungsmittelkonsum und die Teilnahme am Strassenverkehr zu trennen und er somit ein besonderes Risiko für die anderen Verkehrsteilnehmer darstellt. Insbesondere ist mit diesem Ergebnis auch die Aussage des Beschwerdeführers anlässlich der Polizeikontrolle widerlegt, er habe letztmals am 30. April 2017 Drogen konsumiert. Der Beschwerdeführer ist bei seiner Fahrt nachweislich unter direktem Drogeneinfluss gestanden. Unter diesen Umständen wäre es nicht vertretbar, den Beschwerdeführer bis zum Vorliegen der Abklärungsresultate der verkehrsmedizinischen Untersuchung weiterhin zum Strassenverkehr zuzulassen. Der vorsorgliche Führerausweisentzug bis zum Vorliegen der Abklärungsergebnisse bildet denn - wie bereits erwähnt (vgl. Erw. II./2.2 hievor) - auch die Regel.

 

3. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat A.___ die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1’000.00 festzusetzen und mit dem bezahlten Kostenvorschuss zu verrechnen sind.

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1’000.00 zu bezahlen.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin                                                                 Der Gerichtsschreiber

Scherrer Reber                                                                 Schaad