Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Entscheid: AB.2001.00156
AB.2001.00156

Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich
IV. Kammer
Sozialversicherungsrichter Engler, Vorsitzender

Sozialversicherungsrichterin Weibel-Fuchs

Ersatzrichterin Arnold Gramigna

Gerichtssekretär Gräub


Urteil vom 17. November 2004
in Sachen
W.___
 
Beschwerdeführer

vertreten durch Rolf Buchegger
Steuerrechtspraxis
Neugutstrasse 16, Postfach, 8304 Wallisellen

gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich (SVA)
Ausgleichskasse
Röntgenstrasse 17, Postfach, 8087 Zürich
Beschwerdegegnerin


Sachverhalt:
1.       W.___, geboren 1937, ist der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Ausgleichskasse, seit 1984 als Selbständigerwerbender (Liegenschaftenhandel) im Nebenberuf angeschlossen (Urk. 20/3). Mit Verfügung vom 20. Februar 2001 setzte die Ausgleichskasse die persönlichen Beiträge von W.___ für die Jahre 1992 und 1993 aufgrund eines beitragspflichtigen Einkommens von Fr. 470’000.-- auf je Fr. 45'765.60 (inklusive Verwaltungskosten) fest (Urk. 2). Dabei stützte sich die Ausgleichskasse auf die Steuermeldung vom 23. Januar 2001, worin die kantonalen Steuerbehörden Einkommen von Fr. 115'000.-- für das Jahr 1989 und Fr. 855'944.-- für das Jahr 1990 bei einem investierten Eigenkapital von Fr. 238'000.-- per 1. Januar 1991 übermittelt hatten (Urk. 20/2).

2.
2.1     Gegen diese Verfügung erhob W.___ mit Eingabe vom 20. März 2001 Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Verfügung sei ersatzlos aufzuheben (Urk. 1). Am 13. Juni 2001 liess er, nunmehr vertreten durch Rolf Buchegger, mitteilen, dass die Bundessteuereinschätzung 1991/92 noch nicht rechtskräftig sei (Urk. 8). Am 26. Juni 2001 ersuchte die Ausgleichskasse um Sistierung des Verfahrens mit der Begründung, das kantonale Steueramt bislang erfolglos um notwendige ergänzende Auskünfte angefragt zu haben (Urk. 9). Mit Gerichtsverfügung vom 4. Juli 2001 erfolgte die Sistierung des Verfahrens bis zum 3. Januar 2002 (Urk. 11), welche in der Folge verlängert wurde (Urk. 15).
2.2     In ihrer Vernehmlassung vom 7. August 2002 schloss die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde (Urk. 19) unter dem Hinweis auf die Mitteilung des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 21. Juni 2002, wonach die massgebliche Steuereinschätzung in Rechtskraft erwachsen sei (Urk. 20/7). Replicando liess der Beschwerdeführer am 6. September 2002 ausführen, die Veranlagung Direkte Bundessteuer 1991/92 sei entgegen den Ausführungen des Steueramtes noch nicht in Rechtskraft erwachsen (Urk. 23). Auf Anfrage des Gerichtes (Urk. 27) bestätigte das Steueramt am 26. September 2002, dass das fragliche Verfahren nach wie vor pendent sei (Urk. 28), worauf das Gerichtsverfahren am 16. Oktober 2002 erneut sistiert wurde (Urk. 29).
2.3     Am 14. Mai 2003 liess der Beschwerdeführer die „Rechnung aufgrund des Einspracheverfahrens“ des Steueramtes vom 2. Mai 2003 zu den Akten reichen, welche ein Einkommen von Fr. 0.-- für die fragliche Periode ausweist (Urk. 32). Die Ausgleichskasse liess sich hierzu nicht vernehmen. Mit Verfügung vom 7. Juli 2003 (Urk. 36) zog das Gericht sodann die Steuerakten betreffend die Steuerperioden 1991 und 1992 bei, welche am 16. August 2004 (Urk. 39) eingingen (auszugsweise kopiert als Urk. 40/1 bis Urk. 40/11/8). Nachdem der Beschwerdeführer am 3. September 2004 (Urk. 43) an seinen Anträgen festgehalten und sich die Beschwerdegegnerin erneut nicht hatte vernehmen lassen, wurde der Schriftenwechsel mit Verfügung vom 1. Oktober 2004 (Urk. 44) als geschlossen erklärt.
2.4     Auf die einzelnen Vorbringen der Parteien und die Akten wird, sofern für die Entscheidfindung erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.


Das Gericht zieht in Erwägung:
1.       Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Sozialversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung beziehungsweise des streitigen Einspracheentscheids eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die neuen Bestimmungen nicht anwendbar.

2.
2.1     Gemäss Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) sind die Versicherten beitragspflichtig, solange sie eine Erwerbstätigkeit ausüben. Die Beiträge der erwerbstätigen Versicherten werden in Prozenten des Einkommens aus unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit festgesetzt (Art. 4 Abs. 1 AHVG). Beträgt das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit Fr. 7'700.-- oder weniger im Jahr, so ist ein Mindestbeitrag zu entrichten. Der Bundesrat kann anordnen, dass von geringfügigen Einkommen aus einer nebenberuflich ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit nur auf Verlangen des Versicherten Beiträge erhoben werden (Art. 8 Abs. 2 AHVG). Davon hat der Bundesrat in Art. 19 der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV) Gebrauch gemacht und bestimmt, dass vom Einkommen aus einer nebenberuflich ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit, das Fr. 2'000.-- im Kalenderjahr nicht übersteigt, die Beiträge nur auf Verlangen des Versicherten erhoben werden.
2.2     Nach Art. 23 Abs. 1 AHVV obliegt es in der Regel den Steuerbehörden, das für die Bemessung der Beiträge Selbständigerwerbender massgebende Erwerbseinkommen aufgrund der rechtskräftigen Veranlagung für die direkte Bundessteuer und das im Betrieb investierte Eigenkapital aufgrund der entsprechenden rechtskräftigen kantonalen Veranlagung zu ermitteln. Die Angaben der Steuerbehörden hierüber sind für die Ausgleichskassen verbindlich (Art. 23 Abs. 4 AHVV).
2.3 Werden Beiträge nicht innert fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, für welches sie geschuldet sind, durch Verfügung geltend gemacht, so können sie nicht mehr eingefordert oder entrichtet werden (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 AHVG). Im Zuge der 10. AHV-Revision, in Kraft getreten am 1. Januar 1997, wurde diese Bestimmung dahingehend ergänzt, als unter anderem für Beiträge nach Artikel 8 (Beiträge von Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit) die Frist jedoch erst ein Jahr nach Ablauf des Kalenderjahres endet, in welchem die massgebende Steuerveranlagung oder Nachsteuerveranlagung rechtskräftig wurde (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 AHVG). Die Übergangsbestimmungen zur 10. AHV-Revision sehen unter lit. b vor, dass Art. 16 Abs. 1 zweiter Satz AHVG  nur für Beiträge gilt, welche bei Inkrafttreten der Gesetzesrevision nicht schon verjährt waren.

3.       Der Beschwerdeführer liess wiederholt und bis zur letzten Eingabe vorbringen,  die mit Verfügung vom 20. Februar 2001 erhobenen persönlichen Beiträge für die Jahre 1992 und 1993 seien verjährt (Urk. 1, Urk. 23 S. 2,Urk. 43 S. 6). Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 AHVG, in der bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung, verwirkten die persönlichen Beiträge 1992 mit Ablauf des Kalenderjahres 1997, diejenigen für das Jahr 1993 mit Ablauf des Kalenderjahres 1998. Demzufolge war die Festsetzungsverwirkungsfrist bei Inkrafttreten des revidierten Art. 16 Abs. 1 AHVG noch nicht abgelaufen, weshalb Satz 2 dieser Bestimmung zum Zuge kommt und per 1. Januar 1997 zur Anwendung gelangt. Danach endet die einjährige Verjährungsfrist erst ein Jahr nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die massgebende Steuerveranlagung rechtskräftig wurde. Die Einschätzung für die Direkte Bundessteuer der Periode 1991/92 (Bemessungsperiode 1989/90) wurde erst im Verlaufe des Jahres 2003 rechtskräftig (Urk. 40/3-4; vgl. auch nachstehende Erwägungen 4). Hieraus erhellt, dass die persönlichen Beiträge für die Jahre 1992/93 (Bemessungsjahre 1989/90) im Zeitpunkt des Verfügungserlasses (20. Februar 2001) jedenfalls noch nicht verjährt waren.
        
4.
4.1     Die Beschwerdegegnerin ging irrtümlicherweise davon aus, dass die vom Steueramt am 23. Januar 2001 gemeldeten Einkommen von Fr. 115'000.-- (1989) und Fr. 855'944.-- (1990) bei einem im Betrieb arbeitenden Eigenkapital von Fr. 238'000.-- (Urk. 20/2) auf einer rechtskräftigen Steuereinschätzung für die Direkte Bundessteuer basieren. So beantragte sie in ihrer Beschwerdeantwort vom 7. August 2002 (Urk. 19) die Bestätigung der angefochtenen Verfügungen, nachdem das Steueramt am 21. Juni 2002 (Urk. 20/7) versehentlich die Rechtskraft bestätigt hatte.
4.2
4.2.1   Aus den beigezogenen Akten des Kantonalen Steueramtes geht hervor, dass im Rahmen des Einspracheverfahrens das steuerpflichtige Einkommen für die Direkte Bundessteuer für die massgebliche Steuerperiode 1991/1992 (Einkommen 1989/1990) auf Fr. 0.-- festgesetzt wurde (Urk. 40/3-4). Dies ergab sich aufgrund der nachfolgend geschilderten Berechnungen.
4.2.2   Der Beschwerdeführer deklarierte in seiner Steuererklärung vom 30. Januar 1992 (Urk. 40/1) neben Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit ein solches aus Nebenerwerb von Fr. 99'860.-- (1989) und Fr. 64'000.-- (1990). Erträge aus Liegenschaften betrugen Fr. 291’064.-- (1989) und Fr. 313'318.-- (1990). Schuldzinsen schlugen demgegenüber mit Fr. 691'634.-- (1989) und Fr. 985'771.-- (1990) zu Buche, inklusive des Anteils privater Liegenschaften.
4.2.3   Das Steueramt rechnete vorerst verschiedene Erträge aus Baukonsortien in der Höhe von Fr. 15'140.-- (1989) und Fr. 791'944.-- (1990) sowie nicht zum Abzug zulässige Baukreditzinsen von Fr. 391'205.-- (1989) und Fr. 640'681.-- (1990) hinzu und eröffnete dem Beschwerdeführer am 6. Januar 1999 den entsprechenden Veranlagungsvorschlag mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 829'600.-- (Urk. 40/8).
         Gegenüber der Beschwerdegegnerin meldete das Steueramt am 23. Januar 2001 ein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 115'000.-- (1989) und Fr. 855'944.-- (1990) bei einem im Betrieb arbeitenden Eigenkapital von Fr. 238'000.-- (Urk. 20/2).
4.2.4   Im Rahmen des Einspracheverfahrens stellte der Steuerkommissär am 2. April 2003 (Urk. 40/4) fest, dass die Revision der Steuererklärungen 1996 bis 2000 eine Überbewertung der deklarierten Aktiven ergeben habe. Die Korrektur betrage per 1995 Fr. 1'760'000.--. Der Beschwerdeführer machte am 27. September 2002 gegenüber der Steuereinschätzungsbehörde hierzu geltend, die Wertberichtigungen dürften angesichts des Einsetzens der Grundstücksentwertungen ab 1989 nicht erst per 1995 berücksichtigt werden, sondern - zumindest im Umfang von Fr. 1'349'772.-- - bereits für die Steuerjahre 1991 und 1992. Das Steueramt folgte dieser Ansicht, liess die Wertberichtigungen als Erlösminderung zu und errechnete ein steuerbares Einkommen von Fr. 0.--.
4.3 Angesichts der vom Steueramt vorerst gemeldeten Einkommen von gesamthaft Fr. 970'944.-- (1989 und 1990) und der im Einsprachverfahren berücksichtigten Erlösminderungen von Fr. 1'349'772.--, welche sich auf den Liegenschaftenhandel und damit auf die selbständige Erwerbstätigkeit beziehen, ergibt sich für die massgebende Periode nicht nur ein steuerbares Einkommen, sondern auch ein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit von jeweils Fr. 0.--.

5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in den Bemessungsjahren 1989 und 1990 kein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielt hat. Da er die selbständige Erwerbstätigkeit im Nebenberuf ausübt und im Rahmen seines Hauptberufes in unselbständiger Stellung Beiträge abgeführt hat (Urk. 40/10/2), schuldet er für die Beitragsperiode 1992/1993 keine persönlichen Beiträge. Die angefochtene Verfügung vom 20. Februar 2001 (Urk. 2) ist damit in Gutheissung der Beschwerde ersatzlos aufzuheben.

6.       Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Prozessentschädigung, welche gestützt auf § 34 Abs. 1 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht in Verbindung mit § 9 Abs. 1 und 3 der Verordnung über die sozialversicherungsgerichtlichen Gebühren, Kosten und Entschädigungen unter Berücksichtigung des notwendigen Aufwandes und der Schwierigkeit des Prozesses auf Fr. 1’200.-- (inkl. Barauslagen und MWSt) festzusetzen ist.



Das Gericht erkennt:
1.         In Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom 20. Februar 2001 ersatzlos aufgehoben.
2.         Das Verfahren ist kostenlos.
3.         Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine Prozessentschädigung von Fr. 1’200.-- (inkl. Barauslagen und MWSt) zu bezahlen.
4. Zustellung gegen Empfangsschein an:
- Rolf Buchegger
- Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Ausgleichskasse
- Bundesamt für Sozialversicherung
5.         Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht werden.
Die Beschwerdeschrift ist dem Eidgenössischen Versicherungsgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, in dreifacher Ausfertigung zuzustellen.
Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Person oder ihres Vertreters zu enthalten; die Ausfertigung des angefochtenen Entscheides und der dazugehörige Briefumschlag sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die beschwerdeführende Person sie in Händen hat (Art. 132 in Verbindung mit Art. 106 und 108 OG).
Bezüglich Beiträge an die Familienausgleichskasse ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.