Sozialversicherungsgericht

des Kantons Zürich


AL.2015.00167




II. Kammer

Sozialversicherungsrichter Mosimann, Vorsitzender

Sozialversicherungsrichter Bachofner

Sozialversicherungsrichterin Käch

Gerichtsschreiberin Neuenschwander-Erni

Urteil vom 2. September 2015

in Sachen

X.___

Beschwerdeführerin


vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG

Rechtsdienst Zürich, Rechtsanwältin Cornelia Haubold

Affolternstrasse 42, Postfach 6944, 8050 Zürich


gegen


Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich

Brunngasse 6, Postfach, 8405 Winterthur

Beschwerdegegnerin




Sachverhalt:

1.    X.___, geboren 1974, war vom 14. Februar 2000 bis 31. Dezember 2012 bei der Y.___ im Controlling tätig (Urk. 7/9). In der Folge war sie vom 1. Januar 2013 bis 12. Januar 2014 zu 100 % arbeitsunfähig. Ab dem 13. Januar 2014 wurde der Versicherten eine 20%ige Arbeitsfähigkeit bescheinigt (vgl. Abrechnungen über Taggeldleistungen bei einer Arbeitsunfähigkeit von 80 %, Urk. 7/19). Vom 1. Februar 2014 bis 30. Mai 2014 arbeitete sie im Umfang von 10 Stunden pro Woche für die Z.___ im Service (vgl. Arbeitsvertrag, Urk. 7/30). Anschliessend war sie vom 1. Juni 2014 bis 17. Dezember 2014 als Sachbearbeiterin/Organisatorin für die A.___ tätig (ebenfalls im Umfang von 10 Stunden pro Woche, vgl. Arbeitsvertrag, Urk. 7/31).

    Am 11. März 2015 meldete sich die Versicherte beim regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) B.___ zur Stellenvermittlung im Umfang von 100 % an (Urk. 7/1) und beantragte Arbeitslosenentschädigung ab demselben Tag (Urk. 7/2 Ziff. 2). In der Folge verneinte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich mit Verfügung vom 17. April 2015 (Urk. 7/24) einen entsprechenden Anspruch infolge Nichterfüllung der Beitragszeit. Die dagegen von der Versicherten am 13. Mai 2015 erhobene Einsprache (Urk. 7/26) wies die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich mit Einspracheentscheid vom 11. Juni 2015 ab (Urk. 7/36 = Urk. 2).


2.    Gegen den Einspracheentscheid vom 11. Juni 2015 (Urk. 2) erhob die Versicherte am 10. Juli 2015 Beschwerde (Urk. 1) und beantragte, dieser sei aufzuheben und ihr Entschädigungsanspruch sei ab 11. März 2015 gutzuheissen (S. 2 oben). Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich ersuchte mit Vernehmlassung vom 12. August 2015 um Abweisung der Beschwerde (Urk. 6). Diese Eingabe wurde der Beschwerdeführerin mit Gerichtsverfügung vom 14. August 2015 zur Kenntnis gebracht (Urk. 9).



Das Gericht zieht in Erwägung:

1.

1.1    Eine versicherte Person hat gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. e des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG) nur dann Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn sie die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist. Für den Leistungsbezug und für die Beitragszeit gelten, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht, zweijährige Rahmenfristen (Art. 9 Abs. 1 AVIG). Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginnt mit dem ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 9 Abs. 2 AVIG). Die Rahmenfrist für die Beitragszeit beginnt zwei Jahre vor diesem Tag (Art. 9 Abs. 3 AVIG).

1.2    Die Beitragszeit hat erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat (Art. 13 Abs. 1 AVIG). Als Beitragsmonat zählt gemäss Art. 11 Abs. 1 der Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIV) jeder volle Kalendermonat, in dem die versicherte Person beitragspflichtig ist. Beitragszeiten, die nicht einen vollen Kalendermonat umfassen, werden zusammengezählt. Je 30 Kalendertage gelten als ein Beitragsmonat (Art. 11 Abs. 2 AVIV). Die Beitragszeit von Teilzeitbeschäftigten wird nach den gleichen Regeln ermittelt wie bei Arbeitnehmern mit Vollzeitbeschäftigung. Übt der Versicherte gleichzeitig mehrere Teilzeitbeschäftigungen aus, so wird die Beitragszeit nur einmal gezählt (Art. 11 Abs. 4 AVIV).

    Massgebend ist sodann die formale Dauer des Arbeitsverhältnisses (vgl. Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, SBVR, Soziale Sicherheit, 2. Auflage 2007, S. 2240 Rz 209).

1.3    Von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG unter anderem Personen, die innerhalb der Rahmenfrist während insgesamt mehr als zwölf Monaten nicht in einem Arbeitsverhältnis standen und die Beitragszeit nicht erfüllen konnten wegen Krankheit oder Unfall, sofern sie während dieser Zeit Wohnsitz in der Schweiz hatten.

    Als Ausnahme vom Grundsatz der Beitragspflicht muss zwischen der Nichterfüllung der Beitragszeit und dem geltend gemachten Befreiungstatbestand ein Kausalzusammenhang gegeben sein. Der Befreiungsgrund muss innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit während mehr als zwölf Monaten vorgelegen haben. Bei kürzeren Verhinderungen bleibt der versicherten Person angesichts der zweijährigen Dauer der Rahmenfrist genügend Zeit, um eine ausreichende beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben (Thomas Nussbaumer, a.a.O., S. 2248 N 234; Urteil des Bundesgerichts C 139/04 vom 4. Oktober 2004 E. 2.1; BGE 121 V 336 E. 5b; Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N 10 zu Art. 14).


2.

2.1    Die Beschwerdeführerin beantragte ab dem 11. März 2015 Arbeitslosenentschädigung (Urk. 7/2 Ziff. 2). Damit läuft die Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 11. März 2013 bis zum 10. März 2015 (vgl. E. 1.1).

    Die Tätigkeit bei der Y.___ fällt somit nicht in die Rahmenfrist für die Beitragszeit. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin zuerst vom 1. Februar 2014 bis 30. Mai 2014 für die Z.___ und anschliessend ab 1. Juni 2014 für die A.___ (vgl. entsprechende Arbeitsverträge, Urk. 7/30-31, sowie Lohnabrechnungen, Urk. 7/29) beitragspflichtige Beschäftigungen ausübte. Unklar ist indessen, wie lange das Arbeitsverhältnis mit der A.___ dauerte.

2.2    Die Beschwerdeführerin führte in der Beschwerde (Urk. 1) aus, sie habe in der Einsprache angegeben, das letzte Arbeitsverhältnis habe durch den Konkurs des Arbeitgebers am 17. Dezember 2014 geendet. Das Arbeitsverhältnis habe jedoch auf dieses Datum hin gar nicht beendet werden können. Die Konkurseröffnung führe nicht automatisch zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Auf ihre diesbezügliche Angabe könne somit nicht abgestellt werden (S. 2 unten). Würde man davon ausgehen, dass ihr am 17. Dezember 2014, dem letzten effektiven Arbeitstag, gekündigt worden wäre, hätte das Arbeitsverhältnis – unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist von einem Monat – frühestens am 31. Januar 2015 geendet (S. 3 f.).

2.3    Die Beschwerdegegnerin äusserte sich im Rahmen der Vernehmlassung (Urk. 6) zur Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie hielt fest, der Beschwerdeführerin sei bereits mit Schreiben des Konkursamtes C.___ vom 6. November 2014 mitgeteilt worden, dass der Betrieb nicht weitergeführt werde und sie nicht mehr zur Arbeit kommen müsse. Damit habe das zuständige Konkursamt erklärt, es werde nicht in das bestehende Arbeitsverhältnis eintreten. Sinngemäss sei dies als Kündigung auf den nächstmöglichen Zeitpunkt, vorliegend unter Beachtung der vertraglichen Kündigungsfrist von einem Monat auf den 31. Dezember 2014, anzusehen, weshalb von einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses per Ende Dezember 2014 auszugehen sei (S. 2 oben).

2.4    Das seitens der Beschwerdegegnerin erwähnte Schreiben des Konkursamtes C.___ vom 6. November 2014 findet sich im Anhang zu Urk. 7/23. Darin wurde festgehalten, dass am 29. Oktober 2014 der Konkurs über die Z.___ eröffnet worden sei und die Konkursverwaltung nicht in das bestehende Arbeitsverhältnis eintrete. Die Beschwerdeführerin behalte indessen ihre Lohnansprüche bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und könne diese als Konkursforderung beim Konkursamt C.___ anmelden.

    Dazu ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin lediglich bis 30. Mai 2014 bei der Z.___ arbeitete, weshalb die Konkurseröffnung vom 29. Oktober 2014 vorliegend nicht von Belang ist. Massgebend ist jedoch das Arbeitsverhältnis mit der A.___, bei welcher die Beschwerdeführerin ab dem 1. Juni 2014 angestellt war. Über diese Gesellschaft wurde ebenfalls Konkurs eröffnet, allerdings erst am 17. Dezember 2014 (vgl. dazu den entsprechenden Internet-Auszug aus dem Handelsregister des Kantons Zürich, Urk. 10). Betreffend die A.___ liegen keine Akten der Konkursverwaltung vor. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die Konkursverwaltung konnte indessen nicht vor dem 17. Dezember 2014 erfolgen, verliert der Arbeitgeber doch erst mit der Konkurseröffnung das Recht zur Kündigung an die Konkursverwaltung. Nach dem Gesagten war eine Kündigung unter Beachtung der vertraglichen Kündigungsfrist von einem Monat frühestens auf den 31. Januar 2015 möglich.

2.5    Zusammenfassend dauerte das Arbeitsverhältnis mit der Z.___ vom 1. Februar 2014 bis 30. Mai 2014 und dasjenige mit der A.___ vom 1. Juni 2014 bis (mindestens) 31. Januar 2015. Unter Berücksichtigung dieser beiden Arbeitsverhältnisse hat die Beschwerdeführerin somit während (mindestens) 12 Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Damit erfüllt sie die Anspruchsvoraussetzung von Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG in Verbindung mit Art. 13 AVIG.

    Nach dem Gesagten hat die Beschwerdeführerin, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, ab dem 11. März 2015 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde.


3.    Bei diesem Ausgang des Verfahrens steht der Beschwerdeführerin eine Prozessentschädigung zu, die beim praxisgemässen Stundenansatz von Fr. 185.-- (zuzüglich Mehrwertsteuer) auf Fr. 1‘000.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bemessen und der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen ist.



Das Gericht erkennt:

1.    In Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich vom 11. Juni 2015 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die Beitragszeit erfüllt hat und sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind ab dem 11. März 2015 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat.

2.    Das Verfahren ist kostenlos.

3.    Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin eine Prozessentschädigung von Fr. 1‘000.-- (inkl. Barauslagen und MWSt) zu bezahlen.

4.    Zustellung gegen Empfangsschein an:

- AXA-ARAG Rechtsschutz AG unter Beilage einer Kopie von Urk. 10

- Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich unter Beilage einer Kopie von Urk. 10

- seco - Direktion für Arbeit

- Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA)

5.    Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).

    Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.

    Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG).


Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich


Der VorsitzendeDie Gerichtsschreiberin




MosimannNeuenschwander-Erni