Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich |
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EE.2020.00005
IV. Kammer
Sozialversicherungsrichter Hurst, Vorsitzender
Sozialversicherungsrichterin Arnold Gramigna
Sozialversicherungsrichterin Fankhauser
Gerichtsschreiber Wyler
Urteil vom 27. Oktober 2020
in Sachen
X.___
Beschwerdeführerin
vertreten durch Rechtsanwalt Gondini A. Fravi
Anwaltskanzlei Fravi
Genferstrasse 33, Postfach, 8027 Zürich
gegen
GastroSocial Ausgleichskasse
Buchserstrasse 1, Postfach 2203, 5001 Aarau
Beschwerdegegnerin
Sachverhalt:
1. X.___ führt zusammen mit ihrem Ehemann, Y.___, den Gasthof Z.___. Sie sind der GastroSocial Ausgleichskasse (Ausgleichskasse) als Selbständigerwerbende angeschlossen. Gestützt auf Art. 6 Abs. 2 lit. b der Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19; COVID-19-Verordnung 2) in der ab dem 17. März 2020 gültig gewesenen Fassung musste der Gasthof Z.___ am 17. März 2020 schliessen. X.___ beantragte am 25. März 2020 bei der Ausgleichskasse gestützt auf die Verordnung über Massnahmen bei Erwerbsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19; COVID-19-Verordnung Erwerbsausfall) eine Erwerbsersatzentschädigung (Urk. 8/6). Mit Verfügung vom 23. April 2020 verneinte die Ausgleichskasse einen Anspruch von X.___ auf eine Corona-Erwerbsersatzentschädigung mit der Begründung, aus der aktuellsten (Akonto-)Beitragsverfügung für das Jahr 2019 ergebe sich ein massgebendes Einkommen von Fr. 0.-- (Urk. 8/8). Dagegen liess X.___ am 16. Mai 2020 Einsprache erheben (Urk. 8/9). Mit Einspracheentscheid vom 27. Mai 2020 hiess die Ausgleichskasse die Einsprache in dem Sinne gut, dass sie X.___ eine Erwerbsersatzentschädigung gestützt auf einen Tagessatz von Fr. 32.-- zusprach (Urk. 2). Die Ausgleichskasse stützte sich dabei für die Bemessung der Entschädigung auf die letzte definitive Beitragsverfügung vom 23. Januar 2020 betreffend das Beitragsjahr 2016 (vgl. Urk. 8/4).
2. X.___ liess mit Eingabe vom 29. Juni 2020 (Urk. 1) Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 27. Mai 2020 erheben und beantragen, es sei die Beschwerdegegnerin anzuweisen, ihr eine Corona-Erwerbsersatzentschädigung für die Periode vom 17. März bis 16. Mai 2020 basierend auf dem – gemäss Steuererklärung – ausgewiesenen Bruttoeinkommen 2019 (Fr. 96'644.--) zuzusprechen. In prozessualer Hinsicht ersuchte sie um einstweilige Sistierung des Verfahrens bis zum 16. September 2020.
Die Beschwerdegegnerin beantragte mit Beschwerdeantwort vom 17. Juli 2020 (Urk. 7) die Abweisung der Beschwerde, was der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 29. Juli 2020 angezeigt wurde (Urk. 9). Die Beschwerdeführerin reichte am 14. August 2020 eine Stellungnahme ein (Urk. 10), welche der Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 19. August 2020 zur Kenntnisnahme zugestellt wurde (Urk. 11).
Mit Eingabe vom 17. September 2020 (Urk. 12) teilte die Beschwerdegegnerin mit, dass die Beschwerdeführerin die definitive Steuerveranlagung über die direkten Bundessteuern für das Steuerjahr 2019 eingereicht habe. Gestützt auf diese Unterlagen habe im Sinne von Art. 5 Abs. 2 COVID-19-Verordnung Erwerbsausfall eine Revision und damit eine Neuberechnung der Entschädigung eingeleitet werden können. Der Beschwerdeführerin sei die maximale Entschädigung von Fr. 196.-- pro Tag zugesprochen worden, weshalb das Verfahren als gegenstandslos geworden abzuschreiben sei.
Das Gericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 2 Abs. 3 COVID-19-Verordnung Erwerbsausfall in der vom 17. März bis 16. September 2020 gültig gewesenen Fassung haben Selbständigerwerbende im Sinne von Art. 12 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG), die aufgrund einer Betriebsschliessung gemäss Art. 6 Abs. 1 und 2 COVID-19-Verordnung 2 einen Erwerbsausfall erleiden, Anspruch auf eine Erwerbsausfallentschädigung.
1.2 Gemäss Art. 5 Abs. 1 COVID-19-Verordnung Erwerbsausfall beträgt das Taggeld 80 % des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das vor Beginn des Anspruchs auf die Entschädigung erzielt wurde. Gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung ist für die Ermittlung des Einkommens Art. 11 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (EOG) sinngemäss anwendbar. Am 19. Juni 2020 wurde dieser Absatz rückwirkend ab dem 17. März 2020 mit dem Zusatz versehen, dass nach der Festlegung der Entschädigung eine Neuberechnung der Entschädigung nur vorgenommen werden kann, wenn eine aktuellere Steuerveranlagung bis zum 16. September 2020 der anspruchsberechtigten Person zugestellt wird und diese den Antrag zur Neuberechnung bis zu diesem Datum einreicht (Art. 5 Abs. 2 COVID-19-Verordnung Erwerbsausfall, in der bis 16. September 2020 gültig gewesenen Fassung).
Die Entschädigung beträgt höchstens Fr. 196.-- pro Tag (Art. 5 Abs. 3 COVID-19-Verordnung Erwerbsausfall).
2.
2.1 Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin am 17. September eine Entschädigung entsprechend dem Höchstbetrag von Fr. 196.-- pro Tag zugesprochen (Urk. 13). Sie hat damit dem Begehren der Beschwerdeführerin vollumfänglich entsprochen.
Entgegen dem Antrag der Beschwerdegegnerin (Urk. 12) hat die Anerkennung der Beschwerdegegnerin eines Anspruchs auf ein Taggeld entsprechend dem Höchstbetrags nicht die Gegenstandslosigkeit des Verfahrens zur Folge. Der Versicherungsträger kann einen Einspracheentscheid, gegen den Beschwerde erhoben wurde, nämlich nur so lange wiedererwägen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung genommen hat (Art. 53 Abs. 3 ATSG). Nachdem die Beschwerdegegnerin bereits mit Beschwerdeantwort vom 17. Juli 2020 die Abweisung der Beschwerde beantragt hatte (Urk. 7), kommt der am 17. September 2020 erfolgten Zusprache einer Entschädigung basierend auf dem Höchstbetrag von Fr. 196.-- daher nur der Charakter eines Antrags ans Gericht zu (vgl. Kieser, ATSG-Kommentar, 4. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2020, N 92 zu Art. 53 mit Hinweisen).
2.2 Die übereinstimmenden Anträge der Parteien auf Ausrichtung einer Entschädigung an die Beschwerdeführerin entsprechend dem Höchstbetrag, mithin Fr. 196.-- pro Tag, steht in Übereinstimmung mit der Rechtslage. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Corona Erwerbsersatzentschädigung basierend auf einem Taggeld von Fr. 196.-- pro Tag hat.
Das von der Beschwerdeführerin gestellte Gesuch um Sistierung des Verfahrens erweist sich mit dem Entscheid in der Sache als gegenstandslos.
3. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die obsiegende, vertretene Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung. Diese ist nach Art. 61 lit. g ATSG in Verbindung mit Art. 34 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht (GSVGer) ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Sache und nach der Schwierigkeit des Prozesses zu bemessen. In Anwendung dieser Grundsätze und unter Berücksichtigung, dass Rechtsanwalt Gondini A. Fravi im Verfahren EE.2020.00004, in welchem der Anspruch des Ehemannes der Beschwerdeführerin auf eine Corona Erwerbsersatzentschädigung gestützt auf einen analogen Sachverhalt zu beurteilen ist, den Ehemann der Beschwerdeführerin vertritt, ist die Entschädigung ermessensweise auf Fr. 1‘000.- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen.
Das Gericht erkennt:
1. In Gutheissung der Beschwerde wird der angefochtene Einspracheentscheid vom 27. Mai 2020 aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Corona Erwerbsersatzentschädigung in Höhe von Fr. 196.-- pro Tag hat.
2. Das Verfahren ist kostenlos.
3. Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin eine Prozessentschädigung von Fr. 1’000.-- (inkl. Barauslagen und MWSt) zu bezahlen.
4. Zustellung gegen Empfangsschein an:
- Rechtsanwalt Gondini A. Fravi unter Beilage je einer Kopie von Urk. 12 und 13
- GastroSocial Ausgleichskasse
- Bundesamt für Sozialversicherungen
5. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.
Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG).
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Der VorsitzendeDer Gerichtsschreiber
HurstWyler